Index
L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
AVG §52 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde des JK in H, vertreten durch Dr. W, Rechtsanwalt in O, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 18. August 1994, Zl. R/1-V-90094/02, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (mitbeteiligte Parteien: 1. KK in H, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W,
2. EK in H, 3. Gemeinde H, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und den Erstmitbeteiligten in der Höhe von S 11.120,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Dem Beschwerdeführer gehört das Grundstück Nr. 48/2, KG G. Das Baugrundstück der mitbeteiligten Bauwerber, Nr. 48/1, umschließt (mit Unterbrechungen) das Grundstück des Beschwerdeführers L-förmig (im Westen und Süden). An das Baugrundstück und an das Grundstück des Beschwerdeführers grenzt im Norden die Landesstraße 146.
Die mitbeteiligten Bauwerber begehrten mit Ansuchen vom 11. September 1989 die Baubewilligung für den Neubau eines abgebrannten Stall- und Wirtschaftsgebäudes (Rinder- und Schweinestall, Bergeraum, Fahrsilo) und für den Abbruch von zwei Silos und einer Garage. Mit Ansuchen vom 25. Oktober 1989 begehrten sie die nachträgliche Baubewilligung für einen Fahrsilo und zwei Standsilos.
In der Bauverhandlung, in der der Beschwerdeführer eine unzumutbare Geruchsbelästigung durch rund 200 Tiere geltend machte, wurde ein agrartechnisches und ein medizinisches Sachverständigengutachten eingeholt.
Mit Bescheid vom 30. Oktober 1989 erteilte der Bürgermeister der mitbeteiligten Gemeinde die Bewilligung zum Neubau des abgebrannten Stall- und Wirtschaftsgebäudes (Rinder- und Schweinestall, Bergeraum, Fahrsilo) unter Vorschreibung der in der Niederschrift über die Verhandlung angeführten Auflagen. Die Einwendungen des Beschwerdeführers hinsichtlich der unzumutbaren Geruchsbelästigung durch den Fahrsilo und den Schweinstall wurden als unbegründet abgewiesen.
Da schon aufgrund des erstinstanzlichen Bescheides mit den Bauarbeiten begonnen wurde, erging vom Bürgermeister ein Einstellungsbescheid.
Gegen die Baubewilligung erhob u.a. der Beschwerdeführer Berufung. Der medizinische Sachverständige sei weder als Amtssachverständiger anzusehen noch im Sinne des § 52 Abs. 2 AVG vereidigt worden. Dieser Sachverständige hätte zwar eingeräumt, "bisher seien zeitweilig leichte bis starke Geruchsbelästigungen gemeldet worden", dennoch gelangte er zu dem Ergebnis, eine wesentliche Beeinträchtigung der Lebensqualität sowie eine gesundheitliche Gefährdung sei ihm nicht bekannt geworden. Der agrartechnische Sachverständige bagatellisiere die Geruchseinflüsse durch den Fahrsilo. Selbst dieser Sachverständige müsse einräumen, "daß das gegenständliche Vorhaben im Vergleich mit den üblichen Verhältnissen im Ort G als vergleichsweise groß anzusprechen ist".
Im Berufungsverfahren führte der medizinische Sachverständige in seinem ergänzenden Gutachten vom 20. Dezember 1989 u.a. aus, Gesundheitsstörungen und Gesundheitsgefährdungen seien auszuschließen, zu Störungen des Wohlbefindens könne es aber kommen.
Der agrartechnische Sachverständige erteilte in seinem Gutachten vom 19. Jänner 1990 technische Lösungsvorschläge für die Reduzierung der Geruchsimmissionen in der Nachbarschaft. Er nannte Maßnahmen, die er nach dem Grad des Einflusses auf das Ausmaß der Emissionskonzentrationen reihte:
"Gruppe 1 - sehr wirksam
1.
Wahl eines gänzlich anderen Standortes oder
2.
Reduzierung der Tierzahl beginnend im Schweinebereich mit analoger Verkleinerung des Gesamtprojektes.
Gruppe 2 - wirksam
1.
Ersatz des Schweinebereiches durch Rinderhaltung (bei gleichbleibender Stallfläche und -kubatur) und Zwangsbelüftung der Mastbereiche mit Flüssigmistsystemen oder
2.
Güllebelüftung im Schweinebereich oder
3.
Umstellung des gesamten Schweinebereiches auf Festmist (Bedingung: hohe Strohmengen, regelmäßige Entmistung) bei Beibehaltung einer Zwangsbelüftung
Gruppe 3 - teilweise wirksam
1.
Erhöhung der Abluftaustrittshöhe laut Punkt 2.3.8 und Bypass-Verfahren laut Punkt 2.3.9 in Verbindung mit Einbau eines Wärmetauschers und Umstellung der Unterflurabsaugung im Ferkelaufzuchtbereich auf Oberflurabsaugung
1)
Ein Wärmetauscher ermöglicht höhere Luftraten im Winter und damit höhere Verdünnung der Emissionen im Stall.
2) Bei Unterflurabsaugung wird direkt über der Gülle Luft abgesaugt. Die Emission ist hier höher als bei Absaugung aus dem Stallraum.
Gruppe 4 - wenig wirksam
1.
Umstellung von Unterflurabsaugung auf Oberflursystem im Ferkelaufzuchtbereich oder
2.
Erhöhung des Abluftaustrittspunktes oder
3.
Erhöhung der Ausblasgeschwindigkeit oder
4.
Änderung am Entmistungssystem oder Lüftungssystem bei den Rindern bei projektsgemäßer Ausführung der Schweinestallung"
Danach heißt es in diesem Gutachten:
"Abschließend muß auch ausdrücklich festgehalten werden, daß obige Reihung und Unterscheidung ausdrücklich nur unter dem Gesichtspunkt "Grad des Einflusses auf das Ausmaß der Immissionskonzentration" zu sehen ist. Es enthält diese Reihung keine Aussage über den Grad der Wirkungs- bzw. Empfindungsänderung, da die Empfindungskurve der Nase nicht linear zur Geruchskonzentration verläuft sondern logarithmisch (eine Geruchskonzentration um 99 % wird von der Nase lediglich als Reduzierung um den Faktor 2 empfunden). Aus der Vorschreibung z.B. einer Maßnahme aus der Gruppe 2 (aus agrartechnischer Sicht als "wirksam" auf die Änderung der Immissionskonzentration eingestuft) kann daher nicht auf eine ebenso hohe bzw. wirksame Reduzierung des Grades der Wahrnehmung bzw. des Belästigungsempfindens geschlossen werden.
Die Auswahl bzw. Bestimmung der notwendigen Maßnahme(n) kann unter Berücksichtigung dieser Gesichtspunkte nur durch den medizinischen Sachverständigen erfolgen."
In der Berufungsverhandlung änderten die Bauwerber das Projekt auf Festentmistung statt Flüssigentmistung, wobei Kanäle für die Flüssigentmistung nicht ausgeführt werden; anstelle des Spaltbodens soll ein dichter Betonboden ausgeführt werden.
Der agrartechnische Sachverständige beurteilte die Projektsänderung dahingehend, daß eine Reduzierung der Geruchsimmissionen, wie vom medizinischen Sachverständigen gefordert, um rund ein Drittel möglich sei. Er schlug eine Reihe von Auflagen vor. Auf die Fragen des damaligen Beschwerdeführer-Vertreters führte er aus, daß sich Geruchsemissionen und -immissionen aus der Tierhaltung generell nicht messen und exakt quantifizieren ließen, und daß sich seine Ausführungen hinsichtlich des Ausmaßes der Geruchsentwicklung auf die Erfahrung und die Kenntnis unzähliger in Betrieb befindlicher Anlagen mit verschiedenen Systemen stützen.
Der medizinische Sachverständige führte aus, daß bei sachgemäßer Bauausführung und Betriebsführung keine Bedenken bestünden und die zu erwartenden Emissionen für die Anrainerschaft zumutbar seien.
Zu dem in der Folge vorgelegten Lüftungsprojekt äußerte sich der agrartechnische Sachverständige am 27. März 1990 dahingehend, daß die Unterlagen alle erforderlichen Angaben enthielten und die Lüftungsanlage den verlangten Anforderungen voll entspräche.
Mit Bescheid vom 19. April 1990 gab der Gemeinderat der mitbeteiligten Gemeinde u.a. der Berufung des Beschwerdeführers keine Folge und bestätigte die erstinstanzliche Baubewilligung unter Berücksichtigung der vorgenommenen Projektsänderungen hinsichtlich der Umstellung der Flüssigentmistung auf Festentmistung im Schweinebereich bei gleichzeitiger Vorschreibung zahlreicher Auflagen.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Vorstellung. Die vorgeschriebenen Auflagen entsprächen nicht der Forderung des medizinischen Sachverständigen, die Emissionen um "mindestens ein Drittel" zu senken. Der verstärkte Kraftfahrzeugverkehr beeinträchtige den Beschwerdeführer durch Staub, Ruß, Lärm und gesundheitsgefährdende Abgase wesentlich. Das medizinische Gutachten vom 29. Jänner 1990 sei insoweit widersprüchlich, als es im ersten Absatz feststelle, daß für die Anrainerschaft Störungen nicht ausgeschlossen würden und im vierten Absatz besage, daß Störungen nicht mehr zu erwarten seien. Dieses Gutachten sei nicht nachvollziehbar, soweit eine Emissionssenkung um "mindestens ein Drittel" gefordert, jedoch ausgeführt werde, daß die Emissionen nicht meßbar seien. Der agrartechnische Sachverständige interpretiere dieses medizinische Gutachten unrichtig, indem er in der Verhandlung am 12. März 1990 nur von einer Reduzierung der Emissionen um rund ein Drittel spreche, der medizinische Sachverständige jedoch ständig eine Reduktion um mindenstens ein Drittel fordere.
Ein von der belangten Behörde beigezogener medizinischer Sachverständiger stellte in seinem Gutachten vom 6. November 1990 fest, daß dem zuletzt am 12. März 1990 ergänzten medizinischen SV-Gutachten nichts mehr hinzuzufügen sei.
Mit Bescheid vom 21. März 1991 gab die belangte Behörde der Vorstellung des Beschwerdeführers deswegen Folge, weil für das Baugrundstück zum Teil die Widmung "Bauland-Agrargebiet", aber auch die Widmung "Bauland-Wohngebiet" gelte. Im Wohngebiet sei eine Tiermast- und Zuchtanlage in der vorliegenden Größe und Form nicht zulässig, weil örtlich unzumutbare Belästigungen der Anrainer hervorgerufen werden können.
Aufgrund der dagegen vom Bauwerber erhobenen Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof wurde von Amts wegen die Gesetzmäßigkeit der Verordnung des Gemeinderates der Gemeinde G vom 22. Februar 1980, mit der das örtliche Raumordnungsprogramm erlassen wurde, insoweit geprüft, als mit ihr für einen Teil des Grundstückes Nr. 48/1, KG G, die Widmung "Bauland-Wohngebiet" festgelegt worden ist. Mit Erkenntnis vom 10. Dezember 1993, V 62/93-9, sprach der Verfassungsgerichtshof aus, daß diese Verordnung, soweit mit ihr für einen Teil des Grundstückes des Mitbeteiligten die Widmung "Bauland-Wohngebiet" festgelegt worden sei, gesetzwidrig gewesen sei. Es habe sich im Sinne des Einleitungsbeschlusses bestätigt, daß die beanstandete Widmung ohne Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten und daher im Widerspruch zur Vorschrift des § 16 Abs. 1 NöRoG 1976 erfolgt sei. Diese Festlegung sei, wie sich gezeigt habe, nicht das Ergebnis einer bestimmten Planungsabsicht, sondern die Folge eines Versehens gewesen. In der Folge habe der Gemeinderat mit Beschluß vom 30. Oktober 1992 (in Geltung seit 9. April 1993) ein neues örtliches Raumordnungsprogramm erlassen, welches das örtliche Raumordnungsprogramm vom 22. Februar 1980 ersetzt habe und nach welchem für die gesamte Fläche des Grundstückes Nr. 48/1 die Widmung "Bauland-Agrargebiet" festgelegt worden sei. Daher beschränkte sich der Verfassungsgerichtshof auf den Ausspruch, daß die seinerzeitige Widmung "Bauland-Wohngebiet" gesetzwidrig war.
Mit Erkenntnis vom selben Tag, B 505/91, hob der Verfassungsgerichtshof den bei ihm angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung auf. Es sei nach Lage des Falles offenkundig, daß die Anwendung der gesetzwidrigen Bestimmung des örtlichen Raumordnungsprogrammes durch die belangte Behörde für die (vor dem Verfassungsgerichtshof) beschwerdeführenden Parteien nachteilig war.
Mit dem angefochtenen (Ersatz-)Bescheid gab die belangte Behörde der Vorstellung des Beschwerdeführers keine Folge. Aufgrund des Erkenntnisses des Verfassungsgerichtshofes vom 10. Dezember 1993, B 505/91, sei für das weitere Verfahren davon auszugehen, daß der ehemals als Bauland-Wohngebiet gewidmete Teil des Grundstückes Nr. 48/1 als Bauland ohne besondere Nutzungsart zu behandeln sei. Aufbauend auf den agrartechnischen Gutachten hätten sowohl der Gemeindearzt als auch der medizinische Sachverständige der belangten Behörde übereinstimmend festgestellt, daß die zu erwartenden Auswirkungen nach Art, Intensität und Dauer auf den menschlichen Organismus, gemessen vom Standpunkt eines Durchschnittsmenschen ohne besondere Überempfindlichkeit, nicht derartig begutachtet werden könnten, daß die angestrebte Baubewilligung versagt werden müsse. Die belangte Behörde qualifizierte die Gutachten als schlüssig, nachvollziehbar und mit den Denkgesetzen nicht in Widerspruch stehend; die Beweiskraft der Gutachten sei durch den Beschwerdeführer nicht erschüttert worden.
In seiner gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer in seinem Recht "als Nachbar einer Bauführung" verletzt, weil er dadurch die Errichtung eines Baues trotz erhobener Einwendungen gegen seinen Willen dulden müsse; weiters werde er in seinen Rechten auf die Einhaltung des gesetzmäßigen Seitenabstandes, auf die Unterlassung von Immissionen und die Einhaltung einer vorgeschriebenen Verbauungsdichte nach Festlegung der Bauplatzerklärung verletzt. Er begehrt die Aufhebung des angefochtenen Bescheides, eventuell unter Anordnung einer Entfernung des bisher errichteten Bauwerkes. Hilfsweise wolle der Verwaltungsgerichtshof bei Notwendigkeit eine mündliche Verhandlung an Ort und Stelle durchführen.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete, ebenso wie die mitbeteiligten Bauwerber und die mitbeteiligte Gemeinde, eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zunächst ist darauf hinzuweisen, daß die Aufhebung eines Bescheides durch den Verfassungsgerichtshof auf den Zeitpunkt der Erlassung dieses Bescheides zurückwirkt (ex tunc-Wirkung). Die Rechtssache tritt in die Lage zurück, in der sie sich vor Erlassung des aufgehobenen Bescheides befunden hat. Eine diese Rechtsfolge ausdrücklich regelnde Bestimmung enthält das VfGG 1953 allerdings im Gegensatz zu § 42 Abs. 3 VwGG nicht, doch ergibt sich dies unmittelbar aus § 87 Abs. 2 VfGG 1953 (hg. Erkenntnis vom 14. August 1991, Zl. 88/17/0005, m.w.N.). Auf den Beschwerdefall angewendet bedeutet dies, daß für das gegenständliche verwaltungsgerichtliche Verfahren - abgesehen von der durch das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 10. Dezember 1993, V 62/93, bewirkten Änderung der Rechtslage - die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 19. April 1990 maßgeblich ist.
Damals bestand für einen Teil des Baugrundstückes die Widmung "Bauland-Agrargebiet", hinsichtlich des anderen Teiles jene Rechtslage, die sich durch das zuletzt genannte Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes ergab. Das seit 9. April 1993 geltende örtliche Raumordnungsprogramm, welches auch für die Restfläche die Widmung "Bauland-Agrargebiet" vorsieht, findet gemäß § 22 Abs. 2 Nö Raumordnungsgesetz (in der Fassung LGBl. 8500-5; ROG) keine Anwendung.
Nach diesem Verfassungsgerichtshoferkenntnis war das örtliche Raumordnungsprogramm vom 22. Februar 1980 (welches damals erstmals erlassen wurde) hinsichtlich des Teiles des Baugrundstückes, für welches die Widmung Bauland-Wohngebiet festgelegt worden war, gesetzwidrig. Der Verfassungsgerichtshof hat nicht etwa die Nutzung "Wohngebiet" sondern für diesen Bereich die Gesetzwidrigkeit des örtlichen Raumordnungsprogrammes insgesamt festgestellt.
Dies bedeutet aber noch nicht, daß der Auffangtatbestand des § 19 Abs. 1 ROG (Grünland) eingreifen muß, weil § 120 Abs. 3 letzter Satz BO (in der Fassung der Novelle LGBl. 8200-6) zur Anwendung kommt: In Baulandbereichen, für die noch keine Regelung der Bebauung getroffen wurde, gelten die auf die vorherrschende Bebauung zutreffenden Bestimmungen dieses Gesetzes.
Für die Feststellung der vorherrschenden Bebauung ist im vorliegenden Fall kein besonderes Beweisverfahren mehr erforderlich. Der Verfassungsgerichtshof hegte schon im Prüfungsbeschluß Bedenken, daß die Wohngebiet-Nutzung entgegen § 16 Abs. 1 ROG ohne Bedachtnahme auf die örtlichen Gegebenheiten festgelegt worden sei. In ihrer Äußerung an den Verfassungsgerichtshof vom 8. September 1993 legte die Gemeinde dar, daß sie bei Erstellung des Raumordnungsprogrammes 1980 vor allem auf die Abgrenzung Grünland-Bauland wert legte, während den einzelnen Nutzungsarten des Baulandes keine Bedeutung zugemessen wurde; "nur so konnte es passieren, daß einige landwirtschaftliche Betriebe zur Gänze als Bauland-Wohngebiet gewidmet wurden und diese Tatsache jahrelang niemandem besonders aufgefallen ist; nicht einmal den davon Betroffenen". Auch bei Festlegung der Nutzungsarten für die Liegenschaft der Bauwerber habe keinesfalls die Absicht bestanden, Betriebe aus den Ortskernen abzusiedeln. Dementsprechend begründete der Verfassungsgerichtshof die Feststellung der Gesetzwidrigkeit dieser Verordnung damit, daß nicht etwa eine bestimmte Planungsabsicht bestanden habe, sondern ein Versehen vorlag. Er verwies auch auf das neue Raumordnungsprogramm vom 9. April 1993, welches für das gesamte Grundstück die Widmung Bauland-Agrargebiet vorsieht. Es habe sich bestätigt, daß die seinerzeitige Festlegung Bauland-Wohngebiet ohne Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten und daher im Widerspruch zur Vorschrift des § 16 Abs. 1 Einleitungssatz ROG erfolgt sei.
Der Eindruck, daß die seinerzeitige Festlegung "Wohngebiet" ohne Berücksichtigung der örtlichen Gegebenheiten erfolgte, wird auch durch einen Blick auf den Plan verdeutlicht: Der gegenständliche Wohnland-Bereich ist überwiegend von Agrargebiet umgeben.
Der belangten Behörde kann zwar nicht darin gefolgt werden, daß der von der Aufhebung erfaßte Grundstücksteil als "Bauland ohne besondere Nutzung" zu behandeln ist, weil der Verfassungsgerichtshof die Widmung Bauland-Wohngebiet und nicht etwa nur die Nutzung als gesetzwidrig erkannt hat. Vielmehr ist davon auszugehen, daß die für die vorherrschende Bebauung, also für das Bauland-Agrargebiet geltenden Bestimmungen, Anwendung finden.
Gemäß § 16 Abs. 1 ROG ist das Bauland entsprechend den örtlichen Gegebenheiten in folgende Nutzungsarten zu gliedern:
"...
5. Agrargebiete, die für Baulichkeiten land- und forstwirtschaftlicher Betriebe und die dem täglichen Bedarf der dort wohnenden Bevölkerung dienenden Gebäude bestimmt sind;
..."
Vorweg ist somit zu prüfen, ob das Vorhaben mit der aus § 120 Abs. 3 BO letzter Satz ableitbaren Flächenwidmung vereinbar ist; im Bauland-Agrargebiet ist die Errichtung eines Schweinestalles grundsätzlich zulässig, handelt es sich doch im Sinne des § 16 Abs. 1 Z. 5 ROG um ein Betriebsgebäude, welches landwirtschaftlichen Zwecken dient (hg. Erkenntnis vom 13. April 1993, Zl. 92/05/0028). Weiters stimmt die Errichtung eines Rinderstalles mit dieser Flächenwidmung überein (hg. Erkenntnis vom 1. Juli 1986, Zlen. 86/05/0011 und 0012, BauSlg. Nr. 720). Wenn auch - im Gegensatz zur Nutzung "Wohngebiet" - die Nutzung "Agrargebiet" dem Anrainer keinen besonderen Immissionsschutz gewährleistet, bietet ihm § 62 Abs. 2 BO einen solchen.
Aus § 62 Abs. 2 BO in Verbindung mit § 118 Abs. 8 und 9 BO erwächst den Nachbarn ein subjektiv-öffentliches Recht auf Schutz z.B. vor Geruchsbelästigung. § 62 Abs. 2 BO gewährt allerdings - anders als der durch einzelne Widmungs- und Nutzungsarten eingeräumte Immissionsschutz - keinen absoluten, zu einer Versagung des Bauvorhabens führenden Immissionsschutz des Nachbarn. Vielmehr sind nach dieser Bestimmung für Baulichkeiten, die nach Größe, Lage und Verwendungszweck erhöhten Anforderungen nach Festigkeit, Brandschutz, Sicherheit und Gesundheit entsprechen müssen oder die Belästigungen der Nachbarn erwarten lassen, welche das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigen, die zur Abwehr dieser Gefahren oder Belästigungen nötigen Vorkehrungen zu treffen; diese Auflagen haben sich insbesondere auf Größe und Ausstattung der Stiegen, Gänge, Ausfahrten, Ausgänge, Türen und Fenster, besondere Konstruktionen der Wände und Decken, die Errichtung von Brandwänden sowie das Anbringen von Feuerlöschern und Feuermeldeanlagen zu beziehen. Die Baubehörde wird somit verpflichtet, wenn die in einer geplanten Baulichkeit nach deren Zweckbestimmung zu erwartenden Vorgänge das ortsübliche Maß übersteigende Belästigungen der Nachbarschaft erwarten lassen, durch Auflagen dafür Sorge zu tragen, daß durch eine entsprechende bautechnische Ausgestaltung der Baulichkeit ein erhöhter Schutz vor den zu erwartenden Belästigungen dieser Art sichergestellt ist.
Nicht entscheidend ist nach § 62 Abs. 2 BO, ob die Haltung von Tieren im Rahmen einer Landwirtschaft in einer bestimmten Gemeinde bisher üblich war oder nicht, sondern, ob Belästigungen der Nachbarn zu erwarten sind, die das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigen (hg. Erkenntnis vom 30. Jänner 1990, Zl. 89/05/0171, betreffend Pferdehaltung). Das im § 62 Abs. 2 BO festgesetzte Kriterium ist das "örtlich zumutbare Maß", nicht jedoch die bisherige Geruchsentwicklung (hg. Erkenntnis vom 25. September 1990, Zl. 90/05/0069).
In der Verhandlung vom 12. März 1990 gelangte der Gemeindearzt zum Ergebnis, daß von medizinischer Seite unter der Voraussetzung einer sachgemäßen Bauausführung und Betriebsführung keine Bedenken bestünden und demnach die zu erwartenden Emissionen für die Anrainerschaft zumutbar seien. Genau diese Aussage stellt darauf ab, ob das örtlich zumutbare Ausmaß übersteigende Belästigungen der Nachbarn zu erwarten sind. Der Gemeindearzt bejahte die Zumutbarkeit der konkreten Emissionen für die Anrainer; dem ist der Beschwerdeführer nicht auf gleicher fachlicher Ebene entgegengetreten.
Keine Bedenken bestehen gegen die von der belangten Behörde herangezogenen Beweise: Der agrartechnische Sachverständige wählte bezüglich der Geruchsemissionen die "Methode der vergleichenden Situationsanalyse": Er prüfte anhand objektiver Komponenten (Stalltechnik als Sammelbegriff für Tierart, Tierzahl, Stallung, Entmistung, Lüftung usw.; Enfernung von der Nachbargrundgrenze; Meterologie) sehr wohl die "spezielle Örtlichkeit des Falles". Der Gemeindearzt ist bei seiner Begutachtung in der Berufungsverhandlung vom 12. März 1990 ausdrücklich vom "nunmehr vorgelegten abgeänderten Einreichprojekt" ausgegangen. Gerade die in der Beschwerde kritisierte Projektsänderung führte dazu, daß eine Reduzierung der Geruchsimmissionen, wie vom medizinischen Sachverständigen gefordert, um rund ein Drittel ermöglicht wurde.
Inwieweit die vom Gemeindearzt vorgeschlagenen Auflagen mit den vom agrartechnischen Sachverständigen empfohlenen Auflagen nicht im Einklang stehen, hat der Beschwerdeführer nicht begründet. Überhaupt kommt dem Nachbarn ein Recht auf Vorschreibung BESTIMMTER Auflagen nicht zu. Sein Anspruch besteht nur darin, daß aufgrund rechtzeitig erhobener Einwendungen die im § 62 Abs. 2 BO genannten unzulässigen Einwirkungen vermieden werden (vgl. hg. Erkenntnis vom 27. Februar 1996, Zl. 95/05/0195). Der Beschwerdeführer begründet auch nicht näher, warum die durch den Berufungsbescheid erteilten Auflagen betreffend die dichte Ausführung der Düngerstätte und die Hintanhaltung des Überlaufens der Jauche die vom Gemeindearzt geforderte Immissionsabsenkung um mindestens ein Drittel nicht ermöglichen soll.
In Bezug auf den Fahrsilo führte der agrartechnische Sachverständige in der Verhandlung vom 25. Oktober 1989 präzise aus, warum es bei diesem Silo nahezu zu keinen Emissionen kommen werde. Von "extremen" Emissionen zum Nachbargrund des Beschwerdeführers kann daher keine Rede sein.
Zusammenfassend bieten die Beschwerdeausführungen keinen Anlaß, die hinsichtlich des im Berufungsverfahren geänderten Projektes aufgrund nachvollziehbarer und schlüssiger Sachverständigengutachten abgegebene Prognose, das Projekt werde keine Belästigungen verursachen, die die Nachbarschaft unzumutbar belästigen, in Zweifel zu ziehen.
Allfällige konsenslose bzw. konsenswidrige Bauführungen sind nicht Gegenstand des Baubewilligungsverfahrens. Es ist Aufgabe der Baubehörde, bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen baupolizeichliche Aufträge zu erlassen.
Soweit der Beschwerdeführer die Beiziehung des Gemeindearztes als Amtssachverständigen beanstandet, ist er auf die hg. Rechtsprechung hinzuweisen, wonach ein Gemeindearzt als ein der Gemeindebehörde im Sinne des § 52 Abs. 1 AVG beigegebener Amtssachverständiger anzusehen ist (hg. Erkenntnis vom 20. März 1984, Zl. 83/05/0137, BauSlg. Nr. 214). Daher war eine Beeidigung des Gemeindearztes im Sinne des § 52 Abs. 2 erster Satz AVG nicht vorzunehmen.
Hinsichtlich der übrigen in der Beschwerde vorgetragenen Einwendungen ist noch auf folgendes hinzuweisen:
Die Prüfungsbefugnis der Berufungsbehörde, damit auch der Gemeindeaufsichtsbehörde sowie der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes, ist nach ständiger hg. Rechtsprechung (siehe das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Dezember 1980, Slg.Nr. 10.317/A) im Falle einer beschränkten Parteistellung des Berufungswerbers, wie sie für den Nachbarn im Baubewilligungsverfahren typisch ist, auf jenen Themenkreis beschränkt, in dem diese Partei mitzuwirken berechtigt ist. Sowohl die Berufungsbehörde als auch die Gemeindeaufsichtsbehörde und in der Folge die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes sind durch eine gemäß § 42 AVG eingetretene Präklusion auf die Prüfung rechtzeitig erhobener Einwendungen beschränkt.
Erstmals in der Vorstellung hat der Beschwerdeführer eine Beeinträchtigung seiner Rechte durch Lärm- und Staubimmissionen geltend gemacht. Es ist daher auch dem Verwaltungsgerichtshof verwehrt, den angefochtenen Bescheid diesbezüglich einer Überprüfung zu unterziehen. Soweit der Beschwerdeführer die Gefahr des Auftretens für ihn nachteiliger Immissionen im Zusammenhang mit verstärkten Fahrzeugbewegungen rügt, ist er darauf hinzuweisen, daß der Nachbar keinen Rechtsanspruch darauf hat, daß sich die Verkehrsverhältnisse auf öffentlichen Verkehrsflächen nicht ändern (Hauer, Der Nachbar im Baurecht4, 286, m.w.N.).
Gegenstand des Projektbewilligungsverfahrens ist nicht die Frage, ob die Bauwerber anläßlich der bereits tatsächlich vorgenommenen Bauausführung die Abstandsvorschriften eingehalten haben; daß durch das in den mit dem Genehmigungsvermerk versehenen Plänen ersichtliche Projekt Abstandsbestimmungen verletzt würden, hat der Beschwerdeführer nie behauptet.
Hinsichtlich der Behauptung, es läge keine Bauplatzerklärung vor und die zulässige Verbauungsdichte würde nicht beachtet werden, ist dem Beschwerdeführer nicht nur Präklusion entgegenzuhalten. Auf diese Behauptung ist auch aufgrund des aus § 41 Abs. 1 VwGG vom Verwaltungsgerichtshof abgeleiteten Neuerungsverbotes nicht einzugehen.
Damit erwies sich die Beschwerde insgesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Von der Durchführung der beantragten mündlichen Verhandlung konnte aus dem Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG Abstand genommen werden; die begehrte Verhandlung an Ort und Stelle sieht das Gesetz im Verfahren über Bescheidbeschwerden nicht vor.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung
BGBl. Nr. 416/1994; dem Erstmitbeteiligten waren Kosten im Rahmen seines Begehrens zuzusprechen.
Schlagworte
Amtssachverständiger der Behörde beigegeben Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Auflagen BauRallg7 Beeidigung Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Schutz vor Immissionen BauRallg5/1/6European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1994050291.X00Im RIS seit
11.07.2001