Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden, die Hofräte Hon.-Prof. Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek, Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in der außerstreitigen Rechtssache der Antragstellerinnen 1. U***** AG, 2. C*****gesellschaft mbH, beide *****, vertreten durch Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, gegen die Antragsgegnerin B***** AG, *****, vertreten durch Dr. Robert Briem Rechtsanwalt-GmbH in Wien, wegen Bestellung von Sonderprüfern, über den Revisionsrekurs der Antragstellerinnen gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz vom 12. August 2020, GZ 4 R 56/20t-31, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Klagenfurt vom 26. Februar 2020, GZ 5 Fr 1947/19m-20, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.
Die Antragstellerinnen sind schuldig, der Antragsgegnerin binnen 14 Tagen die mit 2.606,41 EUR (darin 434,40 EUR USt) bestimmten Kosten des Revisionsrekursverfahrens zu ersetzen.
Text
Begründung:
[1] Hinsichtlich des Verfahrensgegenstands kann auf die dieselben Antragstellerinnen betreffende Entscheidung des erkennenden Senats vom 25. 11. 2020, 6 Ob 93/20z, verwiesen werden.
Rechtliche Beurteilung
[2] Der Revisionsrekurs ist entgegen dem – den Obersten Gerichtshof nicht bindenen – Ausspruch des Rekursgerichts nicht zulässig.
[3] 1.1. Nach § 62 Abs 1 AußStrG ist der Revisionsrekurs gegen einen im Rahmen des Rekursverfahrens ergangenen Beschluss des Rekursgerichts nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt.
[4] Eine im Revisionsrekurs aufgeworfene Rechtsfrage muss daher, um als Rechtsfrage im Sinn des § 62 Abs 1 AußStrG zu gelten, zur Lösung des konkreten Falls erforderlich; sie muss also präjudiziell sein (RS0088931 [T2, T4]).
[5] 1.2. Wirft die vom Gericht zweiter Instanz primär herangezogene Begründung keine erhebliche Rechtsfrage auf, so kann auch die Richtigkeit einer vom Gericht zweiter Instanz nur hilfsweise herangezogenen Begründung nicht an den Obersten Gerichtshof herangetragen werden, weil diesfalls die Entscheidung des Falls nicht iSd § 502 Abs 1 ZPO (hier: § 62 Abs 1 AußStrG) von der Lösung der nur hilfsweise zur Begründung herangezogenen Überlegungen abhängt (6 Ob 264/09f; RS0042736 [T2]).
[6] 1.3. Aber auch dann, wenn die primäre Begründung des Gerichts zweiter Instanz eine erhebliche Rechtsfrage aufwirft, nicht aber die selbständig tragfähige Hilfsbegründung, fehlt es an der Präjudizialität der erheblichen Rechtsfrage, sodass die Revision oder der Revisionsrekurs nicht zulässig sind (Lovrek in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze³ § 502 ZPO Rz 119).
[7] 2. Ein solcher Fall liegt hier vor.
[8] 2.1. Die Vorinstanzen stützten die Antragsabweisung auf zwei jeweils selbständig tragfähige Begründungsstränge. Einerseits verneinten sie den Verdacht von groben Verstößen gegen Kapitalaufbringungs- und Kapitalerhaltungsvorschriften, andererseits lehnten sie die gerichtliche Bestellung von Sonderprüfern zur bloßen rechtlichen Bewertung bekannter Umstände ab.
[9] 2.2. Die Rechtsmittelwerberinnnen zeigen im Zusammenhang mit dem zweiten Begründungsstrang keine Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG auf.
[10] 2.3. Ob die konkret vorgetragene Fragestellung ausschließlich auf die Vornahme einer rechtlichen Beurteilung durch den Sonderprüfer abzielt, weil die mit dem Prüfungsantrag angesprochenen tatsächlichen Umstände den Antragstellern bereits ausreichend bekannt sind, kann nur nach den Umständen des Einzelfalls beurteilt werden.
[11] 2.4. Ausgehend davon, dass die Rechtsmittelwerberinnen bereits wussten, dass für die Teilnahme an den Kapitalerhöhungen keine erhöhten Ausgabepreise im Hinblick auf wechselseitige Beteiligungsverhältnisse verlangt worden waren, ist in der Auslegung durch das Rekursgericht, dass die Anträge nicht – wie die Rechtsmittelwerberinnen meinen – die Behandlung einer gemischten, auf Tatsächliches und rechtliche Wertungen abzielenden Fragestellung anstrebten, keine vom Obersten Gerichtshof im Interesse der Rechtssicherheit aufzugreifende Fehlbeurteilung zu erkennen.
[12] 2.5. Im Einzelnen kann auf die einen identen, eine andere Gesellschaft betreffenden Antrag der Antragstellerinnen betreffende Entscheidung des erkennenden Senats vom 25. 11. 2020, 6 Ob 93/20z, verwiesen werden.
[13] 2.6. Zusammengefasst gelingt es den Rechtsmittelwerberinnen somit nicht, im Zusammenhang mit der Begründung des Rekursgerichts, wonach die Voraussetzungen der gerichtlichen Bestellung eines Sonderprüfers nach § 130 Abs 2 AktG nicht erfüllt seien, weil der vorliegende Antrag ausschließlich bekannte Tatsachen sowie deren isolierte rechtliche Beurteilung zum Gegenstand habe, eine Rechtsfrage der Qualität des § 62 Abs 1 AußStrG im Hinblick aufzuzeigen.
[14] 2.7. Die vom Rekursgericht weiters angestellten Erwägungen, wonach die Voraussetzungen des § 130 Abs 2 AktG deshalb nicht erfüllt seien, weil die beanstandeten Umstände nicht als Unredlichkeit oder grobe Verletzung des Gesetzes zu qualifizieren seien, sind daher für die Lösung des vorliegenden Falls nicht präjudiziell.
[15] 3. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich auf § 78 AußStrG. Die Antragsgegnerin hat auf die Unzulässigkeit des Revisionsrekurses hingewiesen.
Textnummer
E130304European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2020:0060OB00205.20W.1130.000Im RIS seit
18.01.2021Zuletzt aktualisiert am
18.01.2021