TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/3 L508 2172765-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 03.08.2020
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Entscheidungsdatum

03.08.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §34
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §56
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
AVG §6
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55

Spruch

L508 2172765-1/29E

L508 2172767-1/28E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

1) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr.in HERZOG als Einzelrichterin über die Beschwerde der XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.09.2017, Zl. 1089747204-151481484, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 17.06.2020 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß den § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3, § 57 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG, § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

II. Der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 AsylG 2005 wird gemäß § 6 AVG 1991 mangels Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

2) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr.in HERZOG als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Iran, vertreten durch ARGE Rechtsberatung - Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.09.2017, Zl. 1089746610-151481573, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 17.06.2020 zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird gemäß den § 3 Abs. 1, § 8 Abs. 1, § 10 Abs. 1 Z 3, § 57 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG, § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, § 46 und § 55 FPG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.

II. Der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 AsylG 2005 wird gemäß § 6 AVG 1991 mangels Zuständigkeit des Bundesverwaltungsgerichtes zurückgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Artikel 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

1. Die Beschwerdeführer, gemäß der Reihenfolge ihrer Nennung im Spruch als BF1 und BF2 bezeichnet, beide Staatsangehörige des Iran und der persischen Volksgruppe (BF2) bzw. der persischen und/ oder türkischen Volksgruppe (BF1) sowie der schiitischen Religionsgemeinschaft zugehörig, stellten nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 03.10.2015 jeweils einen Antrag auf internationalen Schutz.

Die Erstbeschwerdeführerin ist mit dem Zweitbeschwerdeführer in aufrechter Ehe verheiratet.

2. Im Rahmen der Erstbefragung nach dem AsylG durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes am Tag der Antragstellung gaben die BF1 und der BF2 zu ihren Fluchtgründen zu Protokoll, dass der BF2 vor ein paar Jahren einen Unfall erlitten habe und dadurch nicht mehr arbeiten könne. Der Staat helfe ihnen auch nicht mehr. Man habe ihre ganzen Sachen von zu Hause mitgenommen. Sie hätten daher keine Möglichkeit mehr gehabt, dort zu bleiben. Die BF1 könne auch nicht arbeiten gehen, weil sie dem BF2 helfen müsse. Bei einer Rückkehr fürchten sie eine Hungersnot.

3. Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl am 19.06.2017 gab die BF1 zunächst an, dass der BF2 am 12.10.1388 (Umrechnung in gregorianischen Kalender: 02.01.2010) von der Polizei auf seinem Motorrad „abgeschossen“ worden sei. Der BF2 habe sich auf einer Straße in der Nähe ihrer Wohnadresse befunden, wo Unruhen und Demonstrationen gewesen seien. An diesem Tag sei auch mit Säure gesprüht worden. Mehrere Personen seien festgenommen und verletzt worden.

Zu ihren Ausreisegründen befragt legte die BF1 sodann dar, dass am 19.06.1394 (Umrechnung in gregorianischen Kalender: 10.09.2015) ihre Wohnung durchsucht worden sei. Drei Beamte hätten ihren Laptop und mehrere Bücher über den Vietnamkrieg und Che Guevara mitgenommen. Die Hausdurchsuchung sei glaublich erfolgt, weil sie die Missstände in Zusammenhang mit ihrem Ehegatten aufklären bzw. veröffentlichen wollte. Einerseits sei er gar nicht im Spital aufgenommen worden und dann andererseits in der Aids-Abteilung gelegen. Als sie sich beschwert habe, sei sie von der Spitalspolizei beschimpft, verprügelt und geschlagen worden. Ferner habe die Versicherung keine Hilfe geleistet.

Weitere Angaben zu den behaupteten Problemen machte die Erstbeschwerdeführerin nach entsprechenden Fragen durch die Leiterin der Amtshandlung.

Schließlich schilderte die BF1 vor ihrer Heirat im vierten Monat des Jahres 1388 (Umrechnung in gregorianischen Kalender: etwa Juni/ Juli 2009) von einem Journalistenkollegen vergewaltigt worden zu sein. Sie habe gewusst, dass er für den Informationsdienst gearbeitet habe und sehr einflussreich gewesen sei. Sie sei von ihm bedroht und aufgefordert worden, keinerlei Akivitäten mehr zu setzen bzw. sich nicht an der Grünen Bewegung zu beteiligen. Dies sei nur einmal geschehen. Sie denke, dass diese Person mit der Regierung zusammengearbeitet habe und sie auch Schuld daran sei, dass sie und ihr Ehegatte dann im Iran Probleme gehabt hätten bzw. sei die Person für die Diskriminierungen verantwortlich.

Der BF2 gab im Zuge der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 19.06.2017 zu Protokoll, am 12.10.1388 (Umrechnung in gregorianischen Kalender: 02.01.2010) einen Unfall gehabt zu haben. Während er am Boden gelegen sei, hätte er Polizisten in Zivil neben seiner Person stehen gesehen. Er sei auf seinem Motorrad von einem weißen PKW, in dem die Polizisten gesessen seien, absichtlich angefahren worden. Beim Anblick der Polizisten sei er in Ohnmacht gefallen. Die Ursache für diesen Vorfall sei gewesen, dass er einige Male durch diese Straße gefahren sei und dort Demonstrationen stattgefunden hätten. Er habe nur schauen wollen, was dort los sei.

Zu seinen Ausreisegründen befragt legte der BF2 sodann dar, dass er am 01.07.1394 (Umrechnung in gregorianischen Kalender: 23.09.2015) bei einem Schwager eingeladen gewesen sei. Die XXXX habe ihm gesagt, dass ein paar Personen der Sicherheitspolizei nachgeschaut und den Computer mitgenommen hätten. Er habe im Jahr 1393 (Umrechnung in gregorianischen Kalender: 2014) Probleme gehabt. Sicherheitsorgane seien in seinem Heimatort bei seinen Eltern gewesen. Offensichtlich habe ihn seine Versicherung angezeigt. Er habe keine Versicherungsleistung erhalten und daher mehrere Personen für eine Intervention zur Versicherung geschickt. Seine Gattin habe einen Beschwerdebrief an die Zeitung geschrieben. Dieser sei dann veröffentlicht worden, woraufhin die Situation eskaliert sei. Aufgrund dieses Beschwerdebriefes und des Entschädigungsanpruches gegenüber der Polizei (Unfallverursacher) sei er geflüchtet. Sie seien von der Polizei unter Druck gesetzt worden.

Weitere Angaben zu den behaupteten Problemen machte der Zweitbeschwerdeführer nach entsprechenden Fragen durch die Leiterin der Amtshandlung.

Die Beschwerdeführer verzichteten auf die Möglichkeit einer schriftlichen Stellungnahme zu den aktuellen Feststellungen zu ihrem Herkunftsstaat Iran.

Im Zuge der Einvernahme brachten die Beschwerdeführer iranische Dokumente zum Nachweis ihrer Identität, Unterlagen zum Nachweis ihrer Integration in Österreich und iranische und österreichische Unterlagen in Zusammenhang mit der Verletzung/ Behinderung des BF2 in Vorlage.

4. Mit den angefochtenen Bescheiden des BFA vom 12.09.2017 wurde der jeweilige Antrag der Beschwerdeführer auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG abgewiesen. Gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG wurde der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran jeweils abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die Beschwerdeführer jeweils eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass deren Abschiebung in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.

Das BFA stützte sich auf umfangreiche Feststellungen zur Lage im Iran (Seite 15 bis 58 des bekämpften Bescheides der BF1 und Seite 12 bis 47 des bekämpften Bescheides des BF2).

Dem Vorbringen der Beschwerdeführer bezüglich der Gewährung von Asyl wurde im Rahmen der Beweiswürdigung die Glaubwürdigkeit versagt.

In der rechtlichen Beurteilung wurde jeweils begründend dargelegt, warum - als Folge der Unglaubwürdigkeit des Vorbringens - der von den Beschwerdeführern vorgebrachte Sachverhalt keine Grundlage für eine Subsumierung unter den Tatbestand des § 3 AsylG biete und warum auch nicht vom Vorliegen einer Gefahr iSd § 8 Abs. 1 AsylG ausgegangen werden könne. Zudem wurde ausgeführt, warum ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt wurde, weshalb gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wider die Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass deren Abschiebung in den Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei. Ferner wurde erläutert, weshalb die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

5. Mit Verfahrensanordnungen des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.09.2017 wurde den Beschwerdeführern gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt und diese ferner gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG darüber informiert, dass sie verpflichtet seien, ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen.

6. Gegen die angefochtenen Bescheide erhoben die Beschwerdeführer im Wege der ihnen beigegebenen und von ihnen bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation in vollem Umfang die vorliegende - gemeinsam verfasste - Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Hinsichtlich des genauen Inhaltes der Beschwerde wird auf den Akteninhalt (VwGH 16. 12. 1999, 99/20/0524) verwiesen.

6.1. Zunächst wurde der bisherige Verfahrensgang und der angeblich ausreisekausale Sachverhalt wiederholt, wobei erstmals erwähnt wurde, dass die Beschwerdeführer an mehreren Demonstrationen für XXXX und gegen Mahmud Ahmadinesch?d im Zusammenhang mit der Präsidentschaftswahl teilgenommen hätten.

6.2. Ferner wurde moniert, dass seitens des Bundesamtes die Ermittlungspflichten nach § 18 AsylG nicht erfüllt worden seien, zumal das BFA weitere Berichte – insbesondere betreffend die Meinungs- und Versammmlungsfreiheit im Iran sowie den ehemaligen Präsidentschaftskanditaten Mir Hossein Mussawi – heranziehen hätte müssen. In diesem Zusammenhang wurde unter Anführung der entsprechenden Links auszugsweise auf den Iran-Report 09/17 der Heinrich-Böll-Stiftuung und den Amnesty International Report 2016/17 – The State of the World´s Human Rights – Iran verwiesen.

6.3. Darüber hinaus wurden Überlegungen zu den beweiswürdigenden Ausführungen der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid getroffen.

6.4. Die belangte Behörde hätte also den Beschwerdeführern aufgrund der Verfolgung aus politischen Gründen den Status eines Asylberechtigten zuerkennen müssen.

6.5. Sollten den Beschwerdeführern die Asylrelevanz ihrer Verfolgungsgründe abgesprochen werden, wäre ihnen zumindest der Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen gewesen, da ihnen bei einer Rückkehr in den Iran eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 oder Art. 3 EMRK drohe, wie sogar die Länderfeststellungen der belangten Behörde ergeben würden.

6.6. Abschließend wurde beantragt,

* eine mündliche Verhandlung durchzuführen;
* den Beschwerdeführern den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen;

* in eventu den Beschwerdeführern den Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen;

* in eventu die Rückkehrentscheidung als unzulässig aufzuheben und den Beschwerdeführern Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen zu erteilen

und

* in eventu die angefochtenen Bescheide zu beheben und zur neuerlichen Entscheidung an das BFA zurückzuverweisen.

7. Mit Eingaben vom 05.07.2018, 06.06.2019 und 15.08.2019 übermittelten die Beschwerdeführer zahlreiche Unterlagen bezüglich ihrer Integration in Österreich und eine Bestätigung über einen Ambulanzbesuch des BF2 am 24.01.2018 in einem österreichischen Krankenhaus.

8. Das Bundesverwaltungsgericht beraumte für 17.06.2020 eine öffentliche mündliche Verhandlung an. In diesem Zusammenhang wurden den Beschwerdeführern mit der Ladung zur Vorbereitung für die anberaumte mündliche Verhandlung aktualisierte Länderdokumentationsunterlagen zur Lage im Iran übermittelt und wurde ihnen die Möglichkeit einer Stellungnahme bis spätestens in der mündlichen Verhandlung freigestellt.

9. Das Bundesverwaltungsgericht übermittelte den Beschwerdeführern mit Noten vom 23.04.2020 und 22.05.2020 in ihrer Angelegenheit weitere aktuelle länderkundliche Informationen bezüglich der allgemeinen Situation im Iran sowied die Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 07.05.2020 zur COVID-19-Situation und wurde ihnen ebenfalls die Möglichkeit einer Stellungnahme bis spätestens in der mündlichen Verhandlung freigestellt.

10. Mit Stellungnahme vom 03.06.2020 wurde im Wesentlichen das bisherige ausreisekausale Vorbringen der Beschwerdeführer wiederholt. Des Weiteren wurden die mit Noten des Bundesverwaltungsgerichtes vom 23.04.2020 und 22.05.2020 den Beschwerdeführern zur Kenntnis gebrachten Quellen hinsichtlich der Menschenrechtslage und der Situation von Frauen sowie behinderten Personen im Iran zur Richtigkeit des eigenen Verfahrensstandpunktes auszugsweise zitiert.

Der Stellungnahme sind eine Bestätigung über die Verrichtung einer ehrenamtlichen Tätigkeit durch die BF1 und eine ärztliche Bestätigung vom 24.09.2019 bezüglich des BF2 angeschlossen.

11. Am 17.06.2020 wurde vor dem BVwG eine öffentliche mündliche Verhandlung abgehalten, an welcher die Beschwerdeführer, die mit einem Vertreter der von ihnen beigegebenen und von ihnen bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation erschienen sind, teilnahmen. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl ist der Verhandlung entschuldigt ferngeblieben. Im Verlauf der mündlichen Verhandlung wurde Beweis erhoben durch Einsicht in den Verwaltungsakt, Erörterung der Länderberichte zur Situation im Iran sowie ergänzende Einvernahme der Beschwerdeführer als Partei. Ferner brachten die Beschwerdeführer weitere - großteils bereits vorgelegte - Bescheinigungsmittel zum Beleg ihrer Integration in Österreich und zur Pflebedürftigkeit des BF2 sowie zu medizinischen Behandlungen der BF1 im Iran in Vorlage. Ferner legte der BF2 ein Sachverständigengutachten des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen vom 21.11.2018 vor.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Verfahrensbestimmungen

1.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des Bundesgesetzes, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden (BFA-Verfahrensgesetz – BFA-VG), BGBl I 87/2012 idgF entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl.

Gemäß § 6 des Bundesgesetzes über die Organisation des Bundesverwaltungsgerichtes (Bundesverwaltungsgerichtsgesetz – BVwGG), BGBl I 10/2013 entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Gegenständlich liegt somit mangels anderslautender gesetzlicher Anordnung in den anzuwendenden Gesetzen Einzelrichterzuständigkeit vor.

1.2. Anzuwendendes Verfahrensrecht

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichts ist durch das Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl I 122/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

§ 1 BFA-VG (Bundesgesetz, mit dem die allgemeinen Bestimmungen über das Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zur Gewährung von internationalem Schutz, Erteilung von Aufenthaltstiteln aus berücksichtigungswürdigen Gründen, Abschiebung, Duldung und zur Erlassung von aufenthaltsbeendenden Maßnahmen sowie zur Ausstellung von österreichischen Dokumenten für Fremde geregelt werden, BFA-Verfahrensgesetz, BFA-VG), BGBl I 87/2012 idF BGBl I 144/2013 bestimmt, dass dieses Bundesgesetz allgemeine Verfahrensbestimmungen beinhaltet, die für alle Fremden in einem Verfahren vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, vor Vertretungsbehörden oder in einem entsprechenden Beschwerdeverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht gelten. Weitere Verfahrensbestimmungen im AsylG und FPG bleiben unberührt.

Gem. §§ 16 Abs. 6, 18 Abs. 7 BFA-VG sind für Beschwerdevorverfahren und Beschwerdeverfahren, die §§ 13 Abs. 2 bis 5 und 22 VwGVG nicht anzuwenden.

1.3. Prüfungsumfang

Gemäß § 27 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, soweit es nicht Rechtswidrigkeit wegen Unzuständigkeit der Behörde gegeben findet, den angefochtenen Bescheid, die angefochtene Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt und die angefochtene Weisung auf Grund der Beschwerde (§ 9 Abs. 1 Z 3 und 4) oder auf Grund der Erklärung über den Umfang der Anfechtung (§ 9 Abs. 3) zu überprüfen.

Gemäß § 28 Absatz 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Absatz 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1.         der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2.         die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Gemäß § 28 Absatz 3 VwGVG hat das Verwaltungsgericht wenn die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vorliegen, im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

1.4. Familienverfahren

§ 34 AsylG 2005 lautet:

„(1) Stellt ein Familienangehöriger von
1.         einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;
2.         einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder
3.         einem Asylwerber

einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn
1.         dieser nicht straffällig geworden ist und

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)
3.         gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).

(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn
1.         dieser nicht straffällig geworden ist;

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)
3.         gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und
4.         dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.

(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.

(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:
1.         auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;
2.         auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind;
3.         im Fall einer Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 NAG).“

Gemäß § 2 Absatz 1 Z 22 leg. cit. ist somit ein Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Asylwerbers oder eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise bestanden hat, sowie der gesetzliche Vertreter der Person, der internationaler Schutz zuerkannt worden ist, wenn diese minderjährig und nicht verheiratet ist, sofern dieses rechtserhebliche Verhältnis bereits vor der Einreise bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise bestanden hat.

Im gegenständlichen Fall liegt ein Familienverfahren zwischen der BF1 und dem BF2 vor.

2. Zur Entscheidungsbegründung:

Beweis erhoben wurde im gegenständlichen Beschwerdeverfahren durch Einsichtnahme in die Verfahrensakte des belangten Bundesamtes unter zentraler Berücksichtigung der niederschriftlichen Angaben der Beschwerdeführer, der bekämpften Bescheide, des Beschwerdeschriftsatzes, der Stellungnahme vom 03.06.2020 sowie der am 17.06.2020 durchgeführten mündlichen Verhandlung vor dem BVwG.

Das erkennende Gericht hat durch den vorliegenden Verwaltungsakt Beweis erhoben und eine Beschwerdeverhandlung durchgeführt.

Aufgrund der vorliegenden Verwaltungsakte, des Ergebnisses des ergänzenden Ermittlungsverfahrens sowie der Beschwerdeverhandlung ist das erkennende Gericht in der Lage, sich vom entscheidungsrelevanten Sachverhalt ein ausreichendes und abgerundetes Bild zu machen.

2.1. Auf der Grundlage dieses Beweisverfahrens gelangt das BVwG nach Maßgabe unten dargelegter Erwägungen zu folgenden entscheidungsrelevanten Feststellungen:

2.1.1. Zur Person der Beschwerdeführer und deren Fluchtgründen:

Die Beschwerdeführer sind iranische Staatsangehörige und sind schiitischen Glaubens. Der Beschwerdeführer 2 gehört der persischen Volksgruppe an; die Beschwerdeführerin 1 der Volksgruppe der Perser und/ oder der türkischen Volksgruppe.

Die Identität der Beschwerdeführer steht fest. Die Beschwerdeführer tragen jeweils den im Spruch angeführten Namen und ist die BF1 am XXXX und der BF2 am XXXX geboren.

Der BF2 erlitt im Zuge eines (Verkehrs-)unfalls vor seiner Ausreise schwere Verletzungen (Becken- und Oberschenkelfraktur), weshalb der BF2, bedungen auch durch seine Vorerkrankung (der BF leidet seit seiner Geburt an einer incompletten spastischen Cerebralparese der unteren Extremitäten (Bewegungsstörung)), mittlerweile zur Fortbewegung eines Rollstuhles bedarf. Die Identität oder gar ein Motiv der Unfallgegner waren nicht feststellbar.

Die Angaben der Beschwerdeführer zu ihrem Ausreisegrund (Bedrohung und Verfolgung durch die iranischen Behörden wegen der Teilnahme an regierungskritischen Demonstrationen und ihres politischen Engagements im Rahmen der Grünen Bewegung sowie daraus resultierende Probleme im Arbeitsbereich, mit einer Versicherung und bei der Krankenbehandlung des BF2) sind als unglaubwürdig zu qualifizieren. Die Beschwerdeführer waren in ihrem Herkunftsstaat weder aus politischen Gründen noch aus anderen Gründen (einer aktuellen, unmittelbaren persönlichen und konkreten Gefahr von) intensiven staatlichen Übergriffen oder intensiven Übergriffen von Privatpersonen ausgesetzt. Sie hatten weder wegen ihrer Volksgruppenzugehörigkeit noch wegen ihrer Religion asylrelevante Probleme.

Die Erstbeschwerdeführerin pflegt in Österreich keinen progressiven Kleidungsstil und trägt Kopftuch. Es konnte nicht festgestellt werden, dass die Erstbeschwerdeführerin sich mit den „westlichen“ Werten und einer „westlichen“ Lebensweise eindringlich auseinandergesetzt hat. Sie hat auch keine Lebensweise angenommen oder verinnerlicht, in der die Anerkennung, die Inanspruchnahme oder die Ausübung von Grundrechten zum Ausdruck kommt, wie sie in der Herkunftsregion der Erstbeschwerdeführerin nicht möglich wäre. Es konnte nicht festgestellt werden, dass die Erstbeschwerdeführerin während ihres Aufenthalts in Österreich eine Lebensweise oder Werthaltung verinnerlicht hat, die ein Leben im Herkunftsstaat im Sinne einer Verfolgung, Gefahr oder Bedrohung, unmöglich machen würde (etwa wegen gesellschaftlicher oder kultureller Einschränkungen).

Es kann sohin nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer aus Gründen der GFK asylrelevant verfolgt bzw. deren Leben bedroht wurde beziehungsweise dies im Falle einer Rückkehr in die Republik Iran mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit eintreffen könnte.

Es konnten im konkreten Fall auch keine stichhaltigen Gründe für die Annahme festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer Gefahr liefen, im Iran einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe bzw. einer sonstigen konkreten individuellen Gefahr unterworfen zu werden.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr in den Iran in eine existenzgefährdende Notsituation geraten würden.

Im Entscheidungszeitpunkt konnte auch keine sonstige aktuelle Gefährdung der Beschwerdeführer in ihrem Heimatland festgestellt werden.

Die Beschwerdeführer verließen den Iran aus privaten Gründen. Als konkreter Anlass für das Verlassen des Herkunftsstaates Iran konnte die Hoffnung der Beschwerdeführer auf eine bessere Gesundheitsversorgung für den BF2 und eine Verbesserung von dessen Mobilität in Österreich festgestellt werden.

Die Beschwerdeführer sind - mit Ausnahme der Behinderung des BF2 - gesund. Letzterer leidet seit seiner Geburt an einer incompletten spastischen Cerebralparese der unteren Extremitäten (Bewegungsstörung), die in Verbindung mit einer bei einem Unfall erlittenen Becken- und Oberschenkelfraktur sowie einer Ischiadicusparese rechts - abgesehen von Schmerzen im Bereich der Lendenwirbelsäule - vor allem zu einer beträchtlichen Verschlechterung der Mobilität des BF2 führte. Der BF2 befindet sich nicht in Therapie. Aktuelle ärztliche bzw. medizinische Befunde, welche eine Behandlung des BF2 in Österreich erforderlich erscheinen lassen, haben die Beschwerdeführer nicht in Vorlage gebracht.

Es konnte nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführer an einer per se lebensbedrohlichen Erkrankung leiden, die im Iran nicht behandelbar ist bzw. welche eine Rückkehr in den Iran iSd Art. 3 EMRK unzulässig machen würde.

Die medizinische Versorgung ist im Iran gewährleistet und wurde auch nicht substantiiert behauptet, dass die medizinische Versorgung im Iran nicht gewährleistet wäre.

Die Beschwerdeführer lebten bis zu ihrer Ausreise in einem eigenen Stockwerk im Haus der Eltern der BF1 in Teheran. Die Beschwerdeführer besuchten im Iran jeweils zwölf Jahre die Schule, wobei der BF2 die Matura erlangte. Anschließend arbeitete die BF1 mehrere Jahre als Sekretärin im Büro eines Fernseh- und Radiosenders und zudem als Journalistin für zwei Zeitungen. Der BF2 bestritt seinen Lebensunterhalt zunächst durch seine Mitarbeit im Lebensmittelgeschäft seines Vaters und eröffnete in der Folge ein eigenes Geschäft für Bekleidung. Die Eltern, vier Geschwister und zwei Tanten sowie zwei Onkel des BF2 leben nach wie vor im Iran. Ferner sind auch der Vater und sieben Schwestern der BF1 mit Ausnahme einer Schwester, die in Ghom lebt, nach wie vor im Iran, konkret in Teheran, aufhältig.

Die Beschwerdeführer verließen den Iran im September 2015 illegal und reisten in der Folge am 03. Oktober 2015 illegal in das österreichische Bundesgebiet ein. Am Tag der Einreise stellten sie jeweils den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Sie verfügten noch nie über ein Aufenthaltsrecht für Österreich außerhalb des Asylverfahrens.

Die Beschwerdeführer haben keine Verwandten in Österreich und sind kinderlos.

Die Erstbeschwerdeführerin verfügt über Deutschkenntnisse, die es ihr erlaubten, einen Teil der in der Verhandlung am 17.06.2020 in deutscher Sprache gestellten (einfachen) Fragen auf einfache Weise zu beantworten. Die Beschwerdeführer besuchten in Österreich Deutschkurse. Ferner hat die BF1 die Prüfungen „ÖSD Zertifikat A1“ und „ÖSD Zertifikat A2“ jeweils „gut bestanden“. Der BF2 hat die Prüfung „ÖSD Zertifikat A1“ bestanden. Die Beschwerdeführer verfügen trotz ihres mehrjährigen Aufenthaltes in Österreich und der Absolvierung mehrerer Deutschkurse über lediglich geringe Kenntnisse der deutschen Sprache.

Die Beschwerdeführer verfügen über einen gewissen Freundes- und Bekanntenkreis im Inland, wobei sie auch Kontakt zu österreichischen Staatsangehörigen haben. Sie unternehmen gelegentlich gemeinsam Freizeitaktivitäten, z. B. feiern die Beschwerdeführer mit ihren Freunden Familienfeste und gehen gelegentlich mit diesen in die Kirche. Die Beschwerdeführer besuchen des Weiteren regelmäßig die Veranstaltungen des „Clubs der Generationen“ im Pfarrheim ihres Wohnortes. Der BF2 nimmt mit Begeisterung an Schachturnieren und im Behindertsport an Boccia-Wettkämpfen teil. Zwischen den Beschwerdeführern und ihren Bekannten/ Freunden besteht kein ein- oder wechselseitiges Abhängigkeitsverhältnis und auch keine über ein herkömmliches Freundschaftsverhältnis hinausgehende Bindung. Der Zweitbeschwerdeführer hat zudem am 29.11.2016 und die Erstbeschwerdeführerin am 22.01.2018 am Werte- und Orientierungskurs des Österreichischen Integrationsfonds teilgenommen.

Die Beschwerdeführer leisten - abgesehen von einer Tätigkeit der BF1 bei der „Team Österreich Tafel“ - keine offizielle ehrenamtliche Tätigkeit und sind nicht aktive Mitglieder in Vereinen oder von Organisationen. Die Beschwerdeführer brachten zwei Unterstützungserklärungen, insbesondere von ihrer Quartiergeberin, in Vorlage.

Die Beschwerdeführer beziehen seit der Antragstellung regelmäßig Leistungen der staatlichen Grundversorgung für Asylwerber; sie wohnen in einer im Rahmen der Grundversorgung finanzierten Unterkunft in einer etwa 4.500 Einwohner zählenden Gemeinde im Burgenland. Sie gehen keiner geregelten Erwerbstätigkeit im Bundesgebiet nach und sind nicht selbsterhaltungsfähig. Der BF1 wurde von einem österreichischen Staatsbürger eine Einstellung in einem Restaurant bei Erhalt eines Aufenthaltstitels und einer Arbeitsbewilligung zugesagt bzw. in Aussicht gestellt.

Die Beschwerdeführer sind strafrechtlich unbescholten.

Es konnten keine maßgeblichen Anhaltspunkte für die Annahme einer umfassenden und fortgeschrittenen Integration der Beschwerdeführer in Österreich in sprachlicher, beruflicher und gesellschaftlicher Hinsicht festgestellt werden, welche die öffentlichen Interessen an einer Aufenthaltsbeendigung überwiegen würden.

Sie haben mit Ausnahme ihres nunmehrigen Aufenthaltes in Europa ihr Leben zum überwiegenden Teil im Iran verbracht, wo sie sozialisiert wurden und wo sich nach wie vor ihre nächsten Verwandten aufhalten.

Es ist daher davon auszugehen, dass die Beschwerdeführer im Falle ihrer Rückkehr wieder bei zumindest einer dieser Personen ihrer Familien wohnen werden können. Davon abgesehen sind die Beschwerdeführer als arbeitsfähig und -willig anzusehen, was durch die in der Vergangenheit im Iran vor ihrer Ausreise ausgeübten Erwerbstätigkeiten belegt wird. Die Beschwerdeführer beherrschen die Amtssprache des Iran, nämlich Farsi.

Des Weiteren liegen die Voraussetzungen für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ nicht vor und ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung geboten. Es ergibt sich aus dem Ermittlungsverfahren überdies, dass die Zulässigkeit der Abschiebung der Beschwerdeführer in den Iran festzustellen ist.

2.1.2. Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage im Iran war insbesondere festzustellen:

2.1.2.1. Zur Lage im Iran werden insbesondere folgende - im Zuge der vorgenommenen Beweisaufnahme (siehe oben, Punkte I.8. und I.9.) und der mündlichen Verhandlung in das Verfahren eingeführte - Länderfeststellungen (etwa LIB Iran der Staatendokumentation vom 14.06.2019, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran des Auswärtigen Amtes vom 26.02.2020 und USDOS-Country Report on Human Rights Practices 2019 - Iran vom 11.03.2020, Information der Staatendokumentation vom 07.05.2020 zur COVID-19-Situation im Iran) dem Verfahren zugrunde gelegt:

Politische Lage

Die komplexen Strukturen politischer Macht in der Islamischen Republik Iran sind sowohl von republikanischen als auch autoritären Elementen gekennzeichnet. Höchste politische Instanz ist der "Oberste Führer der Islamischen Revolution" [auch Oberster Rechtsgelehrter, Oberster Führer oder Revolutionsführer], Ayatollah Seyed Ali Hosseini Khamenei, der als Ausdruck des Herrschaftsprinzips des "velayat-e faqih" (Vormundschaft des Islamischen Rechtsgelehrten) über eine verfassungsmäßig verankerte Richtlinienkompetenz verfügt, Oberbefehlshaber der Streitkräfte ist und das letzte Wort in politischen Grundsatz- und ggf. auch Detailfragen hat. Er wird von einer vom Volk auf acht Jahre gewählten Klerikerversammlung (Expertenrat) auf unbefristete Zeit bestimmt (AA 15.2.2019a, vgl. BTI 2018, ÖB Teheran 12.2018) und kann diesen theoretisch auch absetzen (ÖB Teheran 12.2018). Das Herrschaftsprinzips des "velayat-e faqih" besagt, dass nur ein herausragender Religionsgelehrter in der Lage sei, eine legitime Regierung zu führen bis der 12. Imam, die eschatologische Heilsfigur des schiitischen Islam, am Ende der Zeit zurückkehren und ein Zeitalter des Friedens und der Gerechtigkeit einleiten werde. Dieser Rechtsgelehrte ist das Staatsoberhaupt Irans mit dem Titel „Revolutionsführer“ (GIZ 3.2019a).

Das iranische Regierungssystem ist ein semipräsidentielles, d.h. an der Spitze der Regierung steht der vom Volk für vier Jahre direkt gewählte Präsident (Amtsinhaber seit 2013 Hassan Rohani, wiedergewählt: Mai 2017). Er steht der Regierung vor, deren Kabinett er ernennt. Die Kabinettsmitglieder müssen allerdings vom Parlament bestätigt werden. Der Präsident ist der Leiter der Exekutive. Zudem repräsentiert er den Staat nach außen und unterzeichnet internationale Verträge. Dennoch ist seine faktische Macht beschränkt, da der Revolutionsführer in allen Fragen das letzte Wort hat bzw. haben kann (GIZ 3.2019a).

Der Revolutionsführer ist wesentlich mächtiger als der Präsident, ihm unterstehen u.a. die Revolutionsgarden (Pasdaran oder IRGC) inklusive der mehrere Millionen Mitglieder umfassenden, paramilitärischen Basij-Milizen und die gesamte Judikative. Für die entscheidenden Fragen ist letztlich der Oberste Führer verantwortlich (ÖB Teheran 12.2018). Obwohl der Revolutionsführer oberste Entscheidungsinstanz und Schiedsrichter ist, kann er zentrale Entscheidungen nicht gegen wichtige Machtzentren treffen. Politische Gruppierungen bilden sich um Personen oder Verwandtschaftsbeziehungen oder die Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen (z.B. Klerus). Diese Zugehörigkeiten und Allianzen unterliegen dabei einem ständigen Wandel (AA 12.1.2019).

Ebenfalls alle vier Jahre gewählt wird die Islamische Beratende Versammlung oder Majles, ein Einkammerparlament mit 290 Abgeordneten, das gewisse legislative Kompetenzen hat und Ministern das Vertrauen entziehen kann (ÖB Teheran 12.2018).

Der Wächterrat (12 Mitglieder, sechs davon vom Obersten Führer ernannte Geistliche, sechs von der Judikative bestimmte Juristen) hat mit einem Verfassungsgerichtshof vergleichbare Kompetenzen (Gesetzeskontrolle), ist jedoch insgesamt wesentlich mächtiger als ein westliches Verfassungsgericht. Ihm obliegt u.a. auch die Genehmigung von Kandidaten bei Wahlen (ÖB Teheran 12.2018, vgl. AA 15.2.2019a, FH 4.2.2019, BTI 2018). Der Wächterrat ist somit das zentrale Mittel zur Machtausübung des Revolutionsführers (GIZ 3.2019a).

Der Expertenrat wählt und überwacht den Revolutionsführer auf Basis der Verfassung. Die 86 Mitglieder des Expertenrats werden alle acht Jahre vom Volk direkt gewählt. Für die Zulassung der Kandidaten ist der Wächterrat zuständig (WZ 11.1.2017).

Der Schlichtungsrat besteht aus 35 Mitgliedern, die vom Revolutionsführer unter Mitgliedern der Regierung, des Wächterrats, des Militärs und seinen persönlichen Vertrauten ernannt werden. Er hat zum einen die Aufgabe, im Streitfall zwischen verschiedenen Institutionen der Regierung zu vermitteln, zum anderen hat er festzustellen, was die langfristigen "Interessen des Systems“ sind. Diese sind unter allen Umständen zu wahren. Der Systemstabilität wird in der Islamischen Republik alles untergeordnet. Falls nötig, können so in der Islamischen Republik etwa auch Gesetze verabschiedet werden, die der Scharia widersprechen, solange sie den Interessen des Systems dienen (GIZ 3.2019a).

Die Basis des Wahlsystems der Islamischen Republik sind die Wahlberechtigten, also jeder iranische Bürger ab 16 Jahren. Das Volk wählt das Parlament, den Präsidenten sowie den Expertenrat (GIZ 3.2019a, vgl. AA 15.2.2019a) in geheimen und direkten Wahlen (AA 12.1.2019). Das System der Islamischen Republik kennt keine politischen Parteien. Theoretisch tritt jeder Kandidat für sich alleine an. In der Praxis gibt es jedoch Zusammenschlüsse von Abgeordneten, die westlichen Vorstellungen von Parteien recht nahe kommen (GIZ 3.2019a, vgl. AA 15.2.2019a).

Das iranische Wahlsystem entspricht nicht internationalen demokratischen Standards. Der Wächterrat, der von konservativen Hardlinern und schlussendlich auch vom Obersten Rechtsgelehrten Khamenei kontrolliert wird, durchleuchtet alle Kandidaten für das Parlament, die Präsidentschaft und den Expertenrat. Üblicherweise werden Kandidaten, die nicht als Insider oder nicht vollkommen loyal zum religiösen System gelten, nicht zu Wahlen zugelassen. Bei Präsidentschaftswahlen werden auch Frauen aussortiert. Das Resultat ist, dass die iranischen Wähler nur aus einem begrenzten und aussortierten Pool an Kandidaten wählen können (FH 4.2.2019). Von den 1.499 Männern und 137 Frauen, die sich im Rahmen der Präsidentschaftswahl 2017 für die Kandidatur zum Präsidentenamt registrierten, wurden sechs männliche Kandidaten vom Wächterrat zugelassen. Die Wahlen an sich liefen im Prinzip frei und fair ab, unabhängige Wahlbeobachter waren aber nicht zugelassen. Ablauf, Durchführung sowie Kontroll- und Überprüfungsmechanismen der Wahlen sind in technischer Hinsicht grundsätzlich gut konzipiert (AA 12.1.2019).

Reformorientierte Regimekritiker sind weiterhin starken Repressionen ausgesetzt und unterstützen im Wesentlichen den im politischen Zentrum des Systems angesiedelten Präsidenten Rohani (AA 12.1.2019).

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (15.2.2019a): Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/-/202450, Zugriff 30.4.2019

- AA – Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457257/4598_1548938794_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-iran-stand-november-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 30.4.2019

- BTI - Bertelsmann Stiftung (2018): BTI 2018 Country Report — Iran, http://www.bti-project.org/fileadmin/files/BTI/Downloads/Reports/2018/pdf/BTI_2018_Iran.pdf, Zugriff 30.4.2019

- FH – Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 – Iran, https://www.ecoi.net/de/dokument/2006369.html, Zugriff 31.5.2019

- GIZ – Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (3.2019a): Geschichte und Staat Iran, https://www.liportal.de/iran/geschichte-staat/, Zugriff 30.4.2019

- ÖB – Österreichische Botschaften (12.2018): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2007543/Asyll%C3%A4nderbericht+2018.pdf, Zugriff 30.4.2019

- WZ – Wiener Zeitung (11.1.2017): Das politische System des Iran, https://www.wienerzeitung.at/archiv/iran-2017/iran-hintergrund/524691-Das-politische-System-des-Iran.html?em_no_split=1, Zugriff 30.4.2019

Parlamentswahlen:

Kurz vor den Parlamentswahlen widersprach Präsident Hassan Rohani Gerüchten, wonach er im Falle einer Schlappe bei den Parlamentswahlen zurücktreten würde. "Die Idee, zurückzutreten, ist mir nie in den Sinn gekommen," sagte er am 17. Februar auf einer Pressekonferenz. Ein Rücktritt würde die Probleme nicht lösen. Die Amtszeit Rohanis endet im Juni nächsten Jahres. Der Präsident kündigte an, er werde auch während des Rests seiner Amtszeit seine Versprechen einlösen.

Quelle: Heinrich Böll-Stiftung (März 2020), Iran-Report 03/20, https://www.ecoi.net/en/file/local/2025867/Iran_Report_03_20.pdf, Zugriff 07.04.2020

Am 21.02.20 fanden Parlamentswahlen statt. Zwar wird das endgültige Ergebnis erst am 24.02.20 bekannt gegeben, der Spitzenkanidat der konservativen Koalition, Mohammad Bagher Ghalibaf, wird jedoch als klarer Wahlsieger und neuer Parlamentspräsident angesehen. Die Wahlbeteiligung war mit nur 42,5% jedoch deutlich niedriger als von der politischen Führung erwartet. Im größten Wahlkreis Teherans gaben laut der Nachrichtenagentur Fars nur knapp unter 30% der Wahlberechtigten ihre Stimme ab. Zahlreiche Anhänger des moderaten Lagers hatten angekündigt, der Wahl aus Enttäuschung über die politische Führung fernzubleiben. Die Reformer um Präsident Hassan Rohani hatten bei der diesjährigen Wahl bereits eine schlechte Ausgangslage, da fast 75% ihrer Kandidaten schon im Vorfeld vom Wächterrat abgelehnt wurden.

Quelle: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, Gruppe 62 - Informationszentrum Asyl und Migration, Briefing Notes vom 24.02.2020, https://www.ecoi.net/en/file/local/2025566/briefingnotes-kw09-2020.pdf, Zugriff am 07.04.2020

Die Konservativen und Ultrakonservativen, einschließlich Kandidaten, die eng mit der Revolutionsgarde verbunden sind, haben einen Erdrutschsieg bei den Parlamentswahlen, die am 21. Februar abgehalten wurden, davongetragen. Sie haben 221 von den 290 Sitzen gewonnen, mehr als eine Verdoppelung der Präsenz im Parlament.

Quelle: Garrett, Nada (24February, 2020), „2020 Parliamentary Election Results“, United States of Peace, https://iranprimer.usip.org/blog/2020/feb/24/2020-parliamentary-election-results, Zugriff am 06.04.2020

Sicherheitslage

Den komplexen Verhältnissen in der Region muss stets Rechnung getragen werden. Bestimmte Ereignisse und Konflikte in Nachbarländern können sich auf die Sicherheitslage im Iran auswirken.

Latente Spannungen im Land haben wiederholt zu Kundgebungen geführt, besonders im Zusammenhang mit (religiösen) Lokalfeiertagen und Gedenktagen. Dabei ist es in verschiedenen iranischen Städten bisweilen zu gewaltsamen Zusammenstößen zwischen den Sicherheitskräften und Demonstranten gekommen, die Todesopfer und Verletzte gefordert haben, wie beispielsweise Ende Dezember 2017 und im Januar 2018 (EDA 11.6.2019).

Das Risiko von Anschlägen besteht im ganzen Land. Am 22. September 2018 forderte ein Attentat auf eine Militärparade in Ahvaz (Provinz Khuzestan) zahlreiche Todesopfer und Verletzte. Am 7. Juni 2017 wurden in Teheran Attentate auf das Parlament und auf das Mausoleum von Ayatollah Khomeini verübt. Sie haben über zehn Todesopfer und zahlreiche Verletzte gefordert. In den Grenzprovinzen im Osten und Westen werden die Sicherheitskräfte immer wieder Ziel von bewaffneten Überfällen und Anschlägen (EDA 11.6.2019, vgl. AA 11.6.2019b). In Iran kommt es, meistens in Minderheitenregionen, unregelmäßig zu Zwischenfällen mit terroristischem Hintergrund. Seit den Pariser Anschlägen vom November 2015 haben iranische Behörden die allgemeinen Sicherheitsmaßnahmen im Grenzbereich zu Irak und zu Pakistan, aber auch in der Hauptstadt Teheran, erhöht (AA 11.6.2019b). Im ganzen Land, besonders außerhalb von Teheran, kann es immer wieder zu politisch motivierten Kundgebungen mit einem hohen Aufgebot an Sicherheitskräften kommen (BMEIA 11.6.2019).

In der Provinz Sistan-Belutschistan (Südosten, Grenze zu Pakistan/Afghanistan) kommt es regelmäßig zu Konflikten zwischen iranischen Sicherheitskräften und bewaffneten Gruppierungen.

Die Bewegungsfreiheit ist eingeschränkt und es gibt vermehrte Sicherheits- und Personenkontrollen. Wiederholt wurden Ausländer in der Region festgehalten und längeren Verhören unterzogen. Eine Weiterreise war in manchen Fällen nur noch mit iranischer Polizeieskorte möglich. Dies geschah vor dem Hintergrund von seit Jahren häufig auftretenden Fällen bewaffneter Angriffe auf iranische Sicherheitskräfte in der Region (AA 20.6.2018b). Die Grenzzone Afghanistan, östliches Kerman und Sistan-Belutschistan stehen teilweise unter dem Einfluss von Drogenhändlerorganisationen sowie von extremistischen Organisationen. Sie haben wiederholt Anschläge verübt und setzen teilweise Landminen auf Überlandstraßen ein. Es kann hier jederzeit zu bewaffneten Auseinandersetzungen mit Sicherheitskräften kommen (EDA 11.6.2019).

In der Provinz Kurdistan und der ebenfalls von Kurden bewohnten Provinz West-Aserbaidschan gibt es wiederholt Anschläge gegen Sicherheitskräfte, lokale Repräsentanten der Justiz und des Klerus. In diesem Zusammenhang haben Sicherheitskräfte ihr Vorgehen gegen kurdische Separatistengruppen und Kontrollen mit Checkpoints noch einmal verstärkt. Seit März 2011 gab es in der Region wieder verstärkt bewaffnete Zusammenstöße zwischen iranischen Sicherheitskräften und kurdischen Separatistenorganisationen wie PJAK und DPIK, mit Todesopfern auf beiden Seiten. Insbesondere die Grenzregionen zum Irak und die Region um die Stadt Sardasht waren betroffen. Trotz eines im September 2011 vereinbarten Waffenstillstandes kam es im Jahr 2015 und verstärkt im Sommer 2016 zu gewaltsamen Konflikten. In bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen iranischen Sicherheitskräften und Angehörigen der DPIK im September 2016 nahe der Stadt Sardasht wurden zehn Personen und drei Revolutionsgardisten getötet. Seit Juni 2016 kam es in der Region zu mehreren derartigen Vorfällen. Bereits 2015 hatte es nahe der Stadt Khoy, im iranisch-türkischen Grenzgebiet (Provinz West-Aserbaidschan), Zusammenstöße mit mehreren Todesopfern gegeben. Seit 2015 kommt es nach iranischen Angaben in der Provinz Khuzestan und in anderen Landesteilen, auch in Teheran, wiederholt zu Verhaftungen von Personen, die mit dem sogenannten Islamischen Staat in Verbindung stehen und Terroranschläge in Iran geplant haben sollen (AA 11.6.2019b). Im iranisch-irakischen Grenzgebiet sind zahlreiche Minenfelder vorhanden (in der Regel Sperrzonen). Die unsichere Lage und die Konflikte in Irak verursachen Spannungen im Grenzgebiet. Gelegentlich kommt es zu Schusswechseln zwischen aufständischen Gruppierungen und den Sicherheitskräften. Bisweilen kommt es auch im Grenzgebiet zur Türkei zu Schusswechseln zwischen militanten Gruppierungen und den iranischen Sicherheitskräften. (EDA 11.6.2019). Schmuggler, die zwischen dem iranischen und irakischen Kurdistan verkehren, werden mitunter erschossen, auch wenn sie unbewaffnet sind (ÖB Teheran 12.2018).

Quellen:

- AA – Auswärtiges Amt (11.6.2019b): Iran: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/iran-node/iransicherheit/202396, Zugriff 11.6.2019

- BMeiA – Bundesminsterium für europäische und internationale Angelegenheiten (11.6.2019): Reiseinformation Iran, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/iran/ , Zugriff 11.6.2019

- EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (11.6.2019): Reisehinweise Iran, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/vertretungen-und-reisehinweise/iran/reisehinweise-fuerdeniran.html, Zugriff 11.6.2019

- ÖB – Österreichische Botschaften (12.2018): Asylländerbericht Iran, https://www.ecoi.net/en/file/local/2007543/Asyll%C3%A4nderbericht+2018.pdf, Zugriff 11.6.2019

[…]

Rechtsschutz / Justizwesen

Seit 1979 ist Iran eine Islamische Republik, in welcher versucht wird, demokratische und islamische Elemente miteinander zu verbinden. Die iranische Verfassung besagt, dass alle Gesetze sowie die Verfassung auf islamischen Grundsätzen beruhen müssen. Mit einer demokratischen Verfassung im europäischen Sinne kann sie daher nicht verglichen werden (ÖB Teheran 12.2018). Das in der iranischen Verfassung enthaltene Gebot der Gewaltentrennung ist praktisch stark eingeschränkt. Der Revolutionsführer ernennt für jeweils fünf Jahre den sogenannten Chef der Judikative. Dieser ist laut Art.157 der Verfassung die höchste Autorität in allen Fragen der Justiz; der Justizminister hat demgegenüber vorwiegend Verwaltungskompetenzen. Die Unabhängigkeit der Gerichte ist in der Verfassung festgeschrieben, unterliegt jedoch Begrenzungen. Immer wieder wird deutlich, dass Exekutivorgane, v.a. der Sicherheitsapparat, trotz des formalen Verbots, in Einzelfällen massiven Einfluss auf die Urteilsfindung und die Strafzumessung nehmen. Zudem ist zu beobachten, dass fast alleEntscheidungen der verschiedenen Staatsgewalten bei Bedarf informell durch den Revolutionsführer und seine Mitarbeiter beeinflusst und gesteuert werden können. Auch ist das Justizwesen nicht frei von Korruption. Nach belastbaren Aussagen von Rechtsanwälten ist ca. ein Drittel der Richter bei entsprechender Gegenleistung zu einem Entgegenkommen bereit. In Iran gibt es eine als unabhängige Organisation aufgestellte Rechtsanwaltskammer („Iranian Bar Association“; IBA). Allerdings sind die Anwälte der IBA staatlichem Druck und Einschüchterungsmaßnahmen, insbesondere in politischen Verfahren, ausgesetzt. Die Liste der Verteidiger in politischen Verfahren ist auf 20 Anwälte beschränkt worden, die z. T. dem Regime nahe stehen (AA 12.1.2019). Das Justizsystem wird als Instrument benutzt, um Regimekritiker und Oppositionelle zum Schweigen zu bringen (FH 4.2.2019)

Obwohl das Beschwerderecht rechtlich garantiert ist, ist es in der Praxis eingeschränkt, insbesondere bei Fällen, die die nationale Sicherheit oder Drogenvergehen betreffen (BTI 2018).

Richter werden nach religiösen Kriterien ernannt. Internationale Beobachter kritisieren weiterhin den Mangel an Unabhängigkeit des Justizsystems und der Richter und, dass die Verfahren internationale Standards der Fairness nicht erfüllen (US DOS 13.3.2019). Iranische Gerichte, insbesondere die Revolutionsgerichte, verletzen immer wieder die Regeln für faire Gerichtsverfahren. Geständnisse, die wahrscheinlich unter Anwendung von Folter erlangt wurden, werden als Beweis vor Gericht verwendet (HRW 17.1.2019). Die Behörden setzen sich ständig über die Bestimmungen hinweg, welche die Strafprozessordnung von 2015 für ein ordnungsgemäßes Verfahren vorsieht, wie das Recht auf einen Rechtsbeistand unmittelbar nach der Festnahme und während der Untersuchungshaft (AI 22.2.2018, vgl. HRW 17.1.2019).

In der Normenhierarchie der Rechtsordnung Irans steht die Scharia an oberster Stelle. Darunter stehen die Verfassung und das übrige kodifizierte Recht. Die Richter sind nach der Verfassung angehalten, bei der Rechtsanwendung zuerst

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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