Entscheidungsdatum
07.08.2020Norm
AsylG 2005 §10Spruch
L527 2233561-1/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter MMag. Christian AUFREITER, LL.B. als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Bangladesch, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.07.2020, Zahl XXXX , zu Recht:
A) Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs 2 VwGVG in Verbindung mit § 68 Abs 1 AVG stattgegeben und der angefochtene Bescheid wird ersatzlos aufgehoben.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer stellte am 07.08.2014 den ersten Antrag auf internationalen Schutz, welchen das Bundesverwaltungsgericht im Rechtsmittelweg mit Erkenntnis vom 10.07.2019 hinsichtlich der Zuerkennung des Status sowohl eines Asylberechtigten als auch eines subsidiär Schutzberechtigten abwies. Das Bundesverwaltungsgericht bestätigte auch im Übrigen den in diesem Verfahren angefochtenen Bescheid (kein Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG 2005; Rückkehrentscheidung; Zulässigkeit der Abschiebung nach Bangladesch; 14 Tage Frist für die freiwillige Ausreise). Der Beschwerdeführer erhob kein Rechtsmittel gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts.
Der Beschwerdeführer hielt und hält sich weiterhin im Bundesgebiet auf.
Am 16.12.2019 stellte der Beschwerdeführer einen weiteren – den gegenständlichen – Antrag auf internationalen Schutz. Einen Tag darauf fand die Erstbefragung durch ein Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt, am 25.06.2020 eine Einvernahme durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: [belangte] Behörde). Das Verfahren wurde nicht zugelassen.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 10.07.2020 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers vom 16.12.2019 auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten und hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkte I und II). Die Behörde erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III), erließ eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV) und sprach aus, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Bangladesch zulässig sei (Spruchpunkt V). Unter Spruchpunkt VI sprach die Behörde aus, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe, und unter Spruchpunkt VII erließ sie gestützt auf § 53 Abs 1 in Verbindung mit Abs 2 Z 6 und 7 FPG ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot.
Mit Schriftsatz vom 27.07.2020 erhob der Beschwerdeführer dagegen die vorliegende Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
Die Beschwerde langte am 31.07.2020 beim Bundesverwaltungsgericht (Wien) und samt Akt am 03.08.2020 in der Außenstelle Linz, Gerichtsabteilung L527, ein. Am 06.08.2020 langte – nach entsprechender Aufforderung durch das Bundesverwaltungsgericht – der der Beschwerdevorlage nicht angeschlossene USB-Stick, auf dem der Beschwerdeführer vor der Behörde Bescheinigungsmittel vorgelegt hatte, beim Bundesverwaltungsgericht, Außenstelle Lin, Gerichtsabteilung L527, ein. Das Bundesverwaltungsgericht verständigte die Behörde unverzüglich vom Einlagen der Beschwerde samt Akt und des USB-Sticks.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Bei der Bezeichnung von Aktenbestandteilen verwendet das Bundesverwaltungsgericht in der Folge Abkürzungen: AS: Aktenseite(n); S: Seite(n); OZ: Ordnungszahl(en); VA: (von der belangten Behörde mit der Beschwerde vorgelegter) Verwaltungsverfahrensakt; f: folgende [Aktenseite/Seite]; ff: folgende [Aktenseiten/Seiten].
1. Feststellungen:
1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer führt in Österreich den im Kopf der Entscheidung genannten Namen und wurde zum dort angegebenen Datum geboren; seine Identität steht fest. Er ist ein erwachsener männlicher Drittstaatsangehöriger, konkret: bangladeschischer Staatsangehöriger. (Verwaltungsverfahrensakt zum ersten Antrag auf internationalen Schutz [VA 1] AS 566 f)
1.2. Zum ersten Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers:
1.2.1. Der Beschwerdeführer stellte am 07.08.2014 seinen ersten Antrag auf internationalen Schutz und behauptete in der Erstbefragung am darauffolgenden Tag, am XXXX 1996 geboren worden zu sein (VA 1 AS 15 ff). In der Erstbefragung zu seinen Fluchtgründen und zu Befürchtungen für den Fall der Rückkehr in den Herkunftsstaat befragt, gab der Beschwerdeführer an, dass er und seine Familie wegen eines Grundstückstreits mit seinem Onkel von dessen Angehörigen mit dem Umbringen bedroht worden seien. Im März 2013 sei sein Vater von einem vom Onkel angeheuerten Auftragsmörder erstochen worden. Sie haben den Mörder bei der Polizei angezeigt. Da dieser aber ein einflussreicher Bandenchef mit Verbindungen zur Regierungspartei sei, geschehe diesem nichts. Der Beschwerdeführer, der in der Anzeige als Zeuge aufscheine, sei aufgefordert worden, seine Aussage zu widerrufen. Das habe er nicht gemacht und deshalb habe er Angst um sein Leben. Der Mörder seines Vaters habe den Beschwerdeführer am 17.04.2015 wegen Raufhandels angezeigt. Daher befürchte der Beschwerdeführer Probleme mit dem Staat bzw. der Justiz. Es könnte ihm eine Gefängnisstrafe drohen. Die Beschuldigung sei frei erfunden. (VA 1 AS 23 ff)
Im von der Behörde eingeholten rechtsmedizinischen Sachverständigengutachten wurde aufgrund des festgestellten Mindestalters das fiktive Geburtsdatum des Beschwerdeführers mit XXXX 1993 ermittelt (VA 1 AS 71). Im weiteren Verfahren legte der Beschwerdeführer eine bangladeschische Geburtsurkunde in Kopie sowie einen bangladeschischen Personalausweis im Original vor (VA 1 AS 89, 339 ff). Auf dieser Grundlage stellte zunächst die belangte Behörde und daran anknüpfend das Bundesverwaltungsgericht das Geburtsdatum des Beschwerdeführers mit XXXX fest (VA 1 AS 456, 567, 592).
1.2.2. Der Beschwerdeführer wurde am 21.10.2014, am 30.05.2016, am 27.04.2017 und am 29.06.2018 vor der belangten Behörde und am 05.07.2019 in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht einvernommen und dabei – mit Ausnahme der Einvernahme am 21.10.2014 – stets unter anderem zu seinem Fluchtgrund befragt. Im Laufe des verwaltungsbehördlichen und des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens brachte der Beschwerdeführer die in der Erstbefragung geäußerten Fluchtgründe/Befürchtungen nicht mehr vor. Vielmehr gab der Beschwerdeführer –zusammengefasst – Folgendes an:
In seiner Zeit am College sei er Mitglied der Bangladesh Jatiotabadi Chatra Dal (im Folgenden: Chatra Dal, Studentenflügel der Bangladesh Nationalist Party [BNP]) gewesen und von 2004 (VA 1 AS 367) bzw. 2005 (VA 1 AS 139, 314) bis 2008 für die Chatra Dal am College, an dem er studiert habe, Sekretär. (VA 1 AS 139, 314, 367) 2008 (VA 1 AS 139) bzw. 2009 (VA 1 AS 314) sei die Awami League (AL) an die Macht gekommen. 2012 seien „andere“ an die Macht gekommen und die haben dann die Polizei zu den Wohnadressen der Mitglieder, die auf der Liste der Chatra Dal gestanden seien, geschickt. Der Beschwerdeführer sei oft versteckt gewesen. Bei Demonstrationen seien BNP-Mitglieder verhaftet worden. (VA 1 AS 139) 2014 habe die AL begonnen, die Mitglieder der BNP zu bedrohen (VA 1 AS 139, 367). Im Jänner/Februar 2014 (VA1 AS 314) bzw. im Februar 2014 (VA 1 AS 139, 369) habe die Polizei nach dem Beschwerdeführer gesucht und sich bei seinem Vater nach ihm erkundigt (vgl. auch VA 1 AS 537, 543). Ein – auf Nachfrage namentlich genannter (VA1 AS 139) – Bekannter, der bei der Chatra Dal gewesen sei, sei ermordet worden (VA 1 AS 139, 314). In der behördlichen Einvernahme am 29.06.2018 behauptete der Beschwerdeführer ferner, am 10.12.2013 auf dem Heimweg von einer Demonstration vom der AL angehörenden Bürgermeister seines Dorfs/Gemeindeverbands sowie von Mitgliedern der AL zusammengeschlagen worden zu sein (vgl. auch die Angaben in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, VA 1 AS 539 ff). Der Bürgermeister habe den Vater des Beschwerdeführers außerdem zwischen Jänner und Februar 2014 aufgefordert, der Beschwerdeführer solle die Parteitätigkeit beenden. (VA 1 AS 367 ff, 543) In dieser Einvernahme brachte der Beschwerdeführer überdies vor, in Österreich Mitglied der BNP zu sein und an einer Demonstration im XXXX gegen die bangladeschische Premierministerin Sheikh Hasina Wajed teilgenommen zu haben (vgl. auch die Angaben in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht, VA 1 AS 545). Die Demonstration sei von Leuten der AL fotografiert worden, es gebe auch einen Bericht über die Demonstration auf YouTube. Persönlich dokumentiert habe er die Demonstration nicht. Ansonsten nehme er alle ein bis zwei Monate an Treffen der BNP in Österreich teil. (VA 1 AS 363 ff) Eine innerstaatliche Fluchtalternative habe er nicht, da er für einen Wohnsitzwechsel einen Strafregisterauszug brauchen würde, den er nicht erlangen könne, da gegen ihn eine Anzeige bestehe. Diese sei am 08.05.2016 erstattet worden. Dem Beschwerdeführer werde versuchter Mord vorgeworfen. Der angezeigte Vorfall soll sich am 15.02.2016 zugetragen haben. (VA 1 AS 573 ff, 545 ff)
Auf sein zunächst unzutreffend angegebenes Geburtsdatum und die Diskrepanzen im Fluchtvorbringen zwischen Erstbefragung und behördlicher Einvernahme angesprochen, behauptete der Beschwerdeführer, dass ihm der Schlepper eingeredet habe, sich jünger zu stellen und die in der Erstbefragung geäußerten Fluchtgründe zu nennen (VA 1 AS 141, 313, 315, 357).
1.2.3. Mit Bescheid vom 31.08.2018, Zahl XXXX , wies die belangte Behörde den Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers vom 07.08.2014 (sichtlich irrtümlich: VA 1 AS 407: 08.08.2014) sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab (Spruchpunkte I und II). Die Behörde erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III), erließ eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV), sprach die Zulässigkeit der Abschiebung nach Bangladesch (Spruchpunkt V) aus und setzte für die freiwillige Ausreise eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt VI) (VA 1 AS 407).
1.2.4. Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Bundesverwaltungsgericht mit Erkenntnis vom 10.07.2019, W195 2207715-1/7E, rechtskräftig als unbegründet ab (VA 1 AS 559 ff, 611 ff [Zustellnachweis], 621 [Zustellnachweis]). Der Beschwerdeführer erhob kein Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (OZ 9).
„Zum Fluchtvorbringen“ traf das Bundesverwaltungsgericht folgende „Feststellungen“:
„Festgestellt wird, dass der BF [Beschwerdeführer] ursprünglich versuchte, seine Identität, insbesondere sein Geburtsdatum, zu verschleiern.
Festgestellt wird weiters, dass der BF nach illegaler Einreise am 07.08.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat.
Festgestellt wird, dass der BF ursprünglich behauptete, wegen eines Grundstücksstreits von seinem Onkel bedroht worden zu sein, der auch die Ermordung des Vaters des BF in Auftrag gegeben hätte.
Festgestellt wird, dass der BF sein Vorbringen im weiteren Verfahren dahingehend geändert hat, dass er angeblich als Mitglied bzw. Funktionär der BNP von der Awami Leaugue und den Behörden Verfolgung befürchten würde.
Festgestellt wird, dass der BF über gewisse Kenntnisse der BNP verfügt und mit der BNP in Österreich in Kontakt steht. Nicht festgestellt wird, dass der BF als Sekretär bzw. Mitglied der BNP Verfolgung zu befürchten hat.
Festgestellt wird, dass der BF in einer Gesamtschau sowohl als Person in Folge widersprüchlicher Angaben zu seiner Person und Familie unglaubwürdig ist; die von ihm vorgebrachten unterschiedlichen Fluchtgeschichten sind nicht plausibel oder glaubwürdig.
Nicht festgestellt wird, dass der BF auf Grund seiner behaupteten politischen Tätigkeit in Österreich Verfolgung in Bangladesch zu befürchten hätte.
Es wird festgestellt, dass der BF im Falle einer Rückkehr keiner unmittelbaren staatlichen Bedrohung ausgesetzt ist.
Es wird festgestellt, dass ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erlangt wurde.
Es wird festgestellt, dass eine Rückkehrentscheidung rechtens ist und eine Abschiebung des BF zulässig ist.“ (VA 1, AS 566 ff)
Diese Ausführungen stützte das Bundesverwaltungsgericht auf folgende Beweiswürdigung:
„Das BFA [Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl] hat sich in seiner Beweiswürdigung umfassend mit einer Vielzahl von Aspekten des Vorbringens des BF auseinandergesetzt und ist zu dem Schluss gelangt, dass sowohl der BF als Person als auch sein Vorbringen nicht glaubwürdig sind. Die Beschwerde setzt sich nur mit einem Teilaspekt dieser Würdigung auseinander, geht jedoch auf die umfassende Würdigung der Behörde nicht ein. Das BVwG [Bundesverwaltungsgericht] gelangte im Ergebnis zu keinem anderen Schluss als das BFA:
Der Umstand, dass das Alter des BF gutachterlich geprüft werden musste und dieses jedenfalls von seinen Angaben abweicht, spricht eindeutig dafür, dass der BF gewillt war, sich durch falsche Angaben im Verfahren Vorteile zu verschaffen. In diesem Zusammenhang muss auch die Rechtfertigung des BF, der eine College-Ausbildung für sich in Anspruch nimmt, er habe erst durch ein von einem Lehrer ihm übermittelten Zeugnis von seinem wahren Geburtsalter erfahren, als gegenüber den Asylbehörden provokantes Verhalten gewertet werden.
Gleiches gilt für den Umstand, dass der BF ursprünglich eine vollkommen andere Fluchtgeschichte präsentiert hat als im weiteren Verlauf des Verfahrens.
Die Antworten des BF in der Verhandlung vor dem BVwG waren wiederholt von Ungenauigkeiten, Abweichungen und Ausflüchten geprägt, welche zu einer Wiederholung mancher Fragestellungen Anlass gab.
Die Angaben des BF, für die BNP tätig gewesen zu sein, sind im Verlauf des gesamten Verfahrens sowohl vor dem BFA als auch vor dem BVwG vage geblieben und konnten gegen seine Person gerichtete konkrete Verfolgungshandlungen nicht erkennen lassen.
Ebenfalls nicht nachvollziehbar ist die behauptete Anzeige gegen den BF aus dem Jahr 2016, da sie in keinem zeitlichen Zusammenhang mit seiner Flucht steht und auch kein sachlicher Zusammenhang zu seiner Person erkennbar wird – offenbar handelt es sich hier um einen weiteren Versuch einer Steigerung des Vorbringens.
Auch hinsichtlich seiner Tätigkeit für die BNP in Österreich ist es dem BF nicht gelungen, daraus eine Furcht vor Verfolgung glaubhaft zu machen, da sich eine organisierte Ausforschung von BNP-Sympathisanten in Österreich durch die Awami League und staatliche Verfolgung durch die Behörden von Bangladesch durch nichts belegt ist.“ (VA 1 AS 592 f)
1.3. Zum gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz:
1.3.1. Der Beschwerdeführer hielt und hält sich nach dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens zu seinem Antrag auf internationalen Schutz vom 07.04.2014 weiterhin im österreichischen Bundesgebiet auf. Am 16.12.2019 stellte er gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz (Verwaltungsverfahrensakt zum zweiten Antrag auf internationalen Schutz [VA 2] AS 23). Das Verfahren wurde nicht zugelassen (VA 2 AS 55 ff).
In der Erstbefragung am 17.12.2019 darauf angesprochen, dass sein Verfahren bereits rechtskräftig entschieden worden sei und – unter Hinweis, sich umfassend und detailliert zu äußern sowie alle zur Verfügung stehenden neuen Bescheinigungsmittel vorzulegen – danach befragt, warum er einen jetzt einen (neuerlichen) Asylantrag stelle sowie was sich seit der Rechtskraft gegenüber dem bereits entschiedenen Verfahren in persönlicher Hinsicht und im Hinblick auf die Gefährdungslage im Herkunftsstaat verändert habe, gab der Beschwerdeführer an:
„Ich wollte zurückkehren und habe meinen Vater angerufen und ihm gesagt, dass ich vermutlich abgeschoben werde. Er hat mir gesagt, ich solle auf jedenfalls nicht zurückkehren, weil gegen mich ist ein Haftbefehl vom alten Verfahren ausgestellt worden und ein neues Strafverfahren wurde gegen mich eingeleitet, wo ich bereits als Angeklagter bei Gericht geladen werde. Das neue Strafverfahren wurde am 02.10.2019 eingeleitet, weil bei einer Versammlung von einem Awami-League Parlamentsmitglied es zu Auseinandersetzungen mit der BNP kam. Bei der Strafanzeige wurde aus politischen Gründen mein Name als Beschuldigter angeführt. Am Flughafen würde man mich sofort verhaften.“ (VA 2 AS 25 ff)
Damit habe der Beschwerdeführer alle Ausreise-, Flucht- und Verfolgungsgründe genannt. Wegen des Haftbefehls würde man ihn am Flughafen sofort verhaften. Nach konkreten Hinweisen, dass ihm bei einer Rückkehr unmenschliche Behandlung, unmenschliche Strafe, die Todesstrafe drohe oder er mit irgendwelchen Sanktionen zu rechnen habe, gefragt, entgegnete der Beschwerdeführer, er habe vom Haftbefehl und dem Strafverfahren Unterlagen hier. Seit einer Woche seien ihm die Änderungen der Situation bzw. der Fluchtgründe bekannt. (VA 2 AS 27)
1.3.2. Am 25.06.2020 wurde der Beschwerdeführer vor der belangten Behörde einvernommen. Im Zuge der Einvernahme legte er unter anderem drei Schriftstücke in bengalischer Sprache vor, die nach seinen Angaben sein Fluchtvorbringen betreffen (VA 2 AS 215, 243 ff). Die Behörde ließ diese Schriftstücke weder auszugsweise noch vollständig in die deutsche Sprache übersetzen. Ferner legte der Beschwerdeführer einen USB-Stick vor, auf dem sich ein Video befinde, in welchem ein Angriff auf das Haus der Familie des Beschwerdeführers, im Zuge dessen sein Bruder verletzt worden sei, zu sehen sei (VA 1, AS 215, 219).
Über die Einvernahme am 25.06.2020 nahm die Behörde eine Niederschrift folgenden Inhalts auf:
„[…]
L [Leiter der Amtshandlung]: Sie werden ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Sie im Fall von Verständigungsschwierigkeiten jederzeit rückfragen können.
Fühlen Sie sich heute psychisch und physisch in der Lage, Angaben zu Ihrem Asylverfahren zu machen?
A [Asylwerber = Beschwerdeführer]: Ja. Mir geht es gut.
L: Haben Sie gegen eine der anwesenden Personen wegen einer möglichen Befangenheit oder aus anderen Gründen Einwände?
A: Nein.
L: Sind Sie mit dem Rechtsberater im Zulassungsverfahren, der Ihnen für diese Einvernahme zur Seite gestellt wird, einverstanden?
A: Ja.
L: Haben Sie eine ausführliche Rechtsberatung in Anspruch genommen?
A: Ja.
Anmerkung: Der/die RB erklärt auf Nachfrage, dass die Rechtsberatung am 25.06.2020 stattgefunden hat.
L: Haben Sie im gegenständlichen Verfahren einen Vertreter oder Zustellbevollmächtigten?
A: Ja. Ich werde von Dr. Binder vertreten.
L: Warum ist Ihr Vertreter heute nicht zur Einvernahme erschienen?
A: Mein Anwalt meinte, dass die Rechtsberatung genügend sein sollte.
L: Ist es für Sie in Ordnung, dass die heutige Einvernahme ohne Ihren Vertreter durchgeführt wird?
A: Ja.
[…]
L: Sie wurden am XXXX 2019 in der Betreuungsstelle untergebracht und haben diese am verlassen. Daher wurden Sie am XXXX 2019 von der Grundversorgung abgemeldet. Im Zentralen Melderegister scheinen Sie mit einer Meldung an der Adresse XXXX , auf. An dieser Adresse sind Sie bereits seit dem XXXX 2015 gemeldet und haben dort, nachdem Sie die Betreuungsstelle verlassen haben, wieder Unterkunft genommen. Außerdem haben Sie am XXXX 2019 freiwillig auf die Leistungen der Grundversorgung verzichtet. Warum haben Sie die Betreuungsstelle verlassen?
A: Ich habe mich hier nicht wohl gefühlt. Ich habe mich kränklich gefühlt. Es gibt dort Landsleute, die auf mich schauen und auch mein Arzt ist in der Nähe.
L: Sind Sie dort auch tatsächlich wohnhaft?
A: Ja.
L: Sie haben am XXXX 2019 eine Meldeverpflichtung gem. § 15a ausgefolgt bekommen, wonach Sie verpflichtet wurden, sich ab XXXX 2019 alle 48 Stunden bei der Polizeiinspektion XXXX zu melden. Sind Sie dieser Verpflichtung bisher nachgekommen?
A: Ja. ich war alle 2 Tage dort.
[…]
L: Haben Sie im Verfahren bis dato vor allem in Bezug auf Ihre Person und Ihre Fluchtgründe der Wahrheit entsprechende Angaben gemacht?
A: Ja.
L: Haben Sie Beweismittel oder Identitätsbezeugende Dokumente, die Sie vorlegen können und welche Sie bisher noch nicht vorgelegt haben?
A: Ja.
Anmerkung: AW legt einen Befund vom XXXX 2020, eine Stellungnahme zu den Länderfeststellungen vom 24.06.2020, eine Vereinbarung mit der Firma XXXX vom 01.02.2019, eine Verkaufsabrechung 2020 (KW 1 – KW 24), drei Schreiben in bengalischer Sprache, dass gegen den AW eine Anzeige eingebracht wurde. Die Schriftstücke werden kopiert und zum Akt genommen. Die Originale werden an den AW retourniert.
L: Kommen Sie namentlich in diesen drei Schreiben, in welchen eine Anzeige gegen Sie eingebracht wurde, vor?
A: Ja.
L: Um welche Schreiben handelt es sich da genau?
A: Das eine ist ein Erstinformationsbericht vom 02.10.2019. Hier werde ich als Beschuldigter angeführt. Da gab es eine Auseinandersetzung, als ein Parlamentsmitglied der AWL in unser Dorf kam. Ich werde fälschlicherweise beschuldigt, dass ich aktiv in dieser Auseinandersetzung verwickelt war.
L: Waren Sie zu diesem Zeitpunkt in Bangladesch?
A: Nein.
L: Wann war dieser Vorfall?
A: Am 02.10.2019 um 07.00 Uhr.
L: Wo war das?
A: Am Sportplatz meines Dorfes XXXX .
L: Was steht in dem zweiten Schriftstück, das Sie vorgelegt haben?
A: Wir haben mit unseren Nachbarn eine Fehde, die schon lange Zeit besteht. Mein Nachbar hat uns angeklagt, einen bewaffneten Raubüberfall begangen zu haben. Außerdem habe ich einen USB-Stick mit.
Anmerkung: Der AW legt einen USB-Stick vor. Dieser wird zum Akt genommen.
L: Wann wäre dieser Vorfall gewesen?
A: Die Tat wäre am 12.11.2019 passiert.
[…]
L: Können Sie mir schildern, was da genau am 12.11.2019 passiert sein soll?
A: Meine Familie hatte ein Geschäft beim Markt. Dieses Geschäft haben sie vermietet. Die Familie, mit den wir eine Fehde haben, haben sich dieses Geschäft angeeignet. Meine Familie drohte den Feinden ( XXXX ), sie anzuzeigen. Daraufhin erhoben die Feinde eine Anzeige gegen mich. Ich werde beschuldigt, am 12.11.2019 gemeinsam mit meinem Bruder, meinem Vater und meinem Cousin in deren Haus eingedrungen zu sein und einen Raub begangen zu haben, sowie seine Frau geschlagen zu haben und auch seinen Neffen geschlagen zu haben. Der Schaden würde 1, 5 Mio. Taka betragen.
L: Was ist gestohlen worden?
A: Goldschmuck, Bargeld.
L: Wo hätte sich der Vorfall ereignet?
A: Im Haus meiner Feinde.
L: Sind das die Feinde aus Ihrem Vorverfahren?
A: Nein.
L: Was steht in dem dritten Schreiben, das Sie vorgelegt haben?
A: Das ist ein Haftbefehl gegen mich. Dieser gehört zu den ersten Schreiben.
L: Sie haben einen USB-Stick vorgelegt. Können Sie beschreiben, was darauf zu sehen ist.
A: Das Video hat meine Cousine gemacht. In dem Video kann man die Attacke der XXXX Familie auf unser Haus sehen. Jemand beginnt bewaffnet mit einem Helm und einem Gewehr eine Attacke gegen unser Haus. Ich meine das Haus meiner Eltern.
L: Wann war dieser Angriff?
A: Am 20.12.2019.
L: Was ist passiert bei dem Angriff?
A: Mein kleiner Bruder wurde verletzt und unser Haus wurde beschädigt. Das Tor zum Haus meine ich. Das Haus war abgesperrt und somit konnten sie nicht ins Haus gelangen.
L: Hat Ihre Familie eine Anzeige erstattet?
A: Es wurde versucht, aber die Anzeige wurde von der Polizei nicht aufgenommen, da die Polizei auf Seite der Feinde steht. Wenn man der Polizei kein Geld gibt, arbeiten sie auch nicht.
L: Woher haben Sie diese Dokumente?
A: Mein Onkel hat es von Anwalt geholt und mir geschickt.
L: Auf welche Art und Weise hat er es Ihnen geschickt.
A: Eines hat er mir per Mail geschickt und ich habe es ausgedruckt. Das Original wird noch mit DHL verschickt. Sollte es ankommen, werde ich es vorlegen. Die anderen beiden Schriftstücke wurden mit der Post (DHL) geschickt.
L: Warum wurden nicht alle gleichzeitig verschickt?
A: Das andere war erst ein Monat später.
L: Wann haben Sie die Schriftstücke mit der Post erhalten?
Anmerkung: AW zeigt die Verpackung von DHL und sucht nach dem Datum.
A: Am 15.12.2019.
L: Wann haben Sie die Mail mit dem anderen Schreiben erhalten?
A: Da müsste ich bei meinen Mails nachschauen. Ich glaube es wart vor ca. 1 bis 2 Monaten.
L: Wann haben Sie den USB-Stick erhalten?
A: Im Februar 2020.
L: Wie haben Sie den Stick erhalten?
A: Meine Cousine hat mir das Video per Sozialen Netzwerken geschickt und ich habe es dann auf einen Stick geladen.
L: Also meinen Sie, dass Ihre Cousine Ihnen das Video im Februar 2020 geschickt hat?
A: Ja.
L: Warum hat Ihre Cousine Ihnen das Video nicht schon vorher geschickt? Der Vorfall war doch am 20.12.2019.
A: Sie hatte ein Problem mit dem Handy. Darum dauert es länger mit der Übermittlung.
L: Haben Sie noch das Kuvert, in welchem die Schriftstücke verpackt waren?
A: Ja.
L: Haben diese Dokumente und das Video etwas mit Ihrem Vorverfahren zu tun?
A: Nein, absolut nicht.
L: Was wollten Sie mit diesen Schriftstücken und mit dem Video beweisen?
A: Die Feinde haben unser Eigentum an sich genommen und wollen vermeiden, dass wir zu unserem Eigentum kommen. Es werden in meiner Heimat keine Gesetze befolgt und daher gibt es keine Sicherheit, sodass wir unserer Gegend leben können.
L: Haben Sie diese Ihnen zur Last gelegten Taten begangen?
A: Nein.
L: Wo waren Sie zu den Tatzeitpunkten?
A: Hier in Österreich.
Zur Person:
Ich heiße XXXX und bin am XXXX in XXXX /Bangladesch geboren. Ich bin ledig und habe keine Kinder. Ich besuchte 5 Jahre die Grundschule und 9 Jahre die High School, die ich mit Matura abgeschlossen habe. Ich habe eine Berufsausbildung als Mechaniker und habe von 2008 bis 2013 habe ich als Servicetechniker gearbeitet.
L: Welchen Glauben haben Sie?
A: Islam (Sunnit).
L: Welcher Volksgruppe gehören Sie an?
A: Bengale.
L: Wie gut sprechen Sie Deutsch?
A: Ja.
Anmerkung: AW antwortet mit Ja. Er wird nochmals gefragt, wie gut er bereits Deutsch spricht und ob er die Frage auf Deutsch versteht und antwortet nur mit Ja.
L: Haben Sie schon einen Deutschkurs besucht?
A: Ich habe A2 gemacht und den B1 sechs Monate gemacht. Ich möchte den B1 Kurs nochmals machen. Ich habe die Prüfung nicht geschafft.
Anmerkung: AW hat auf Deutsch geantwortet.
L: Welche Sprache sprechen Sie am besten?
A: Meine Muttersprache ist Bengali. Ich spreche auch noch Englisch und Hindi.
L: Sind Sie arbeitsfähig? Wenn ja, was würden Sie gerne arbeiten??
A: Ja. Ich möchte Zeitungen verkaufen.
L: Sind Sie in Österreich einer Beschäftigung nachgegangen oder waren Sie in Österreich berufstätig?
A: Ja. Ich habe schon gearbeitet und arbeite derzeit auch noch 2 Tage in der Woche.
L: Seit wann gehen Sie dieser Beschäftigung nach?
A: Seit 01.01.2020.
L: Sind Sie bei einer Firma angestellt?
A: Ja. Ich habe das Schreiben vorgelegt.
L: Wie viel verdienen Sie im Monat?
A: Ca. 400,- €.
L: Haben Sie auch eine Krankenversicherung?
A: Ich habe die Anmeldung gemacht und ich bin versichert.
L: Mit welchem Geld bezahlen Sie Ihren Anwalt?
A: Das ist eine Spende im Jahr und das kostet 150,- € im Jahr. Ich zahle dass selbst.
L: Sind Sie oder waren Sie in irgendwelchen Vereinen oder Organisationen in Österreich tätig?
A: Ich habe beim Roten Kreuz mitgeholfen. Derzeit aber nicht. Diese Bestätigung habe ich aber schon im Vorverfahren abgegeben.
L: Haben Sie noch Kontakt zu Ihren Angehörigen in Bangladesch?
A: Ja.
L: Besitzen Sie ein Telefon? Wenn ja, wie lautet Ihre Telefonnummer?
A: Ja, ich habe ein Handy. Meine Nummer ist XXXX .
L: Wann haben Sie zuletzt mir Ihren Angehörigen gesprochen?
A: Heute.
L: Mit wem hatten Sie Kontakt?
A: Mit meinem Vater.
L: Wie oft haben Sie Kontakt mit Ihrer Familie?
A: Alle 2 Monate.
L: Haben Sie sonst noch mit jemanden Kontakt außer mit Ihrem Vater?
A: Nein.
L: Welche Angehörigen befinden sich in Bangladesch und wo halten sich diese auf?
A: Mein Vater lebt in meinem Dorf. Mein Bruder befindet sich in XXXX /Bangladesch. Der andere Bruder lebt in Pakistan. Meine zwei Schwestern wohnen im Nachbardorf.
L: Wie geht es Ihren Familienangehörigen in Bangladesch?
A: Meinem Vater geht es aufgrund seines Alters und seiner Erkrankungen nicht gut. Aufgrund der jetzigen Situation geht es ihnen nicht so gut. Es gibt eine Sperre. Sie können sich nicht frei bewegen.
L: Was meinen Sie mit der Sperre?
A: Ausgangssperre aufgrund von Corona. Vor allem in unserem Bezirk.
L: Wie geht es Ihren Familienangehörigen finanziell?
A: Es geht. Sie kommen noch knapp über die Runden.
L: Haben Sie in der EU bzw. in Österreich, in Norwegen, der Schweiz, in Liechtenstein oder in Island aufhältige Eltern, Kinder oder sonstige Verwandte?
A: Nein.
L: Leben Sie mit einer sonstigen Person in einer Familiengemeinschaft oder in einer familienähnlichen Lebensgemeinschaft, wenn ja, beschreiben Sie diese Gemeinschaft?
A: Nein.
L: Wann sind Sie in Österreich eingereist?
A: Am 08.08.2014.
L: Sind Sie seither durchgehend in Österreich aufhältig?
A: Ja.
L: Haben Sie in Ihrem Vorverfahren alle Ihre Fluchtgründe angegeben?
A: Die Fakten, die zu diesem Zeitpunkt vorhanden waren, habe ich gesagt. Es wurde nicht von der Behörde weiter nachgeforscht, ob meine Angaben stimmen.
L: Sind Ihre Fluchtgründe aus dem Vorverfahren noch aufrecht?
A: Ja natürlich. Aber es ist jetzt noch etwas dazugekommen.
L: Sie haben bereits am 08.08.2014, unter der Zahl XXXX , einen Asylantrag gestellt, der rechtskräftig am 30.11.2018 in II. Instanz abgewiesen wurde Warum stellen Sie neuerlich einen Antrag auf internationalen Schutz?
A: Meine Fluchtgründe bleiben aufrecht. Ich habe ein neues Schriftstück. Es ist etwas neu dazugekommen. Die Fehde mit der XXXX Familie besteht ja schon länger. Diese Streitigkeiten haben schon in meinem Vorverfahren bestanden, aber ich habe es damals nicht erwähnt, weil es nur Streitigkeiten waren.
Als ich meine negative Entscheidung bekommen habe, habe ich zu Hause angerufen und gesagt, dass ich heimgeschickt werde. Meine Verwandten sagten mir, wenn ich nach Hause komme, herrscht diese Situation, die ich schon erwähnt habe. Der Konflikt mit den Nachbarn, der schon im Vorverfahren war, hat sich zugespitzt. Im Vorverfahren war schon diese Fehde, aber es ist damals noch zu keinen Handlungen gekommen. Das ist erst jetzt passiert. In der ganzen Zeit, wo ich in Österreich war, haben die Feinde keine Handlungen gesetzt, aber kurz bevor ich heimkommen wollte, haben sie meine Familie angegriffen und eine Anzeige gegen mich eingebracht. Das habe ich zuvor schon erzählt.
L: Sind das alle Ihre Gründe, warum Sie jetzt einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz stellen?
A: Ja.
L: Haben Sie sonstige neue Gründe?
A: Nein.
L: Geht es dabei um Ihren Fluchtgrund aus dem Vorverfahren?
A: Nein.
L: Wann haben Sie davon erfahren, dass Ihre Feinde gegen Sie eine Anzeige eingebracht haben?
A: Im Dezember 2019.
L: Wann haben Sie davon erfahren, dass Ihr Elternhaus angegriffen wurde?
A: Im Februar 2020.
L: Sind das alle Ihre Fluchtgründe?
A: Ja.
L: Was befürchten Sie im Falle einer Rückkehr in Ihr Heimatland?
A: Dass die Polizeibehörden gegen mich vorgehen wird. Auch meine Feinde würden mir Probleme bereiten. Es gibt auch noch das Problem mit Corona, weil die Bevölkerung der Meinung ist, dass die im Ausland lebenden Bangladeschi ins Land gebracht haben.
L: Wie viele Menschen leben in Bangladesch?
A: 180 Mio.
L: Haben Sie schon einmal versucht in einem anderen Landesteil zu leben, um Ihren Problemen zu entgehen?
A: Ja, aber aufgrund der politischen Kontakte bereite es mir Probleme.
L: Wo haben Sie da gelebt?
A: XXXX .
L: Sie haben am XXXX 2019 eine Verfahrensanordnung des Bundesamtes gem. § 29/3/4/6 AsylG 2005 übernommen, in welcher Ihnen mitgeteilt wurde, dass, seitens des Bundesamtes die Absicht besteht, Ihren Antrag auf internationalen Schutz wegen entschiedener Sache zurückzuweisen, nachdem sich im Vergleich zu Ihrem Erstverfahren kein neuer und wesentlich geänderter Sachverhalt ergibt. Sie haben nunmehr Gelegenheit, zur geplanten Vorgehensweise des Bundesamtes Stellung zu beziehen. Möchten Sie eine Stellungnahme abgeben?
A: Das habe ich zu dem Zeitpunkt nicht ganz richtig verstanden. Dann wurde mir gesagt, dass ich bei der nächsten Einvernahme meine Beweismittel vorlegen kann. Wann und wie ich das Schriftstück bekommen habe, kann ich mich nicht erinnern.
L: Sie haben einen Befund vom Arzt vorgelegt. Wie geht es Ihnen gesundheitlich?
A: Ich war am XXXX 2020 beim Arzt und habe eine Spritze bekommen. Ich bekomme diese Spritze jedes Mal, wenn ich viel Schmerzen habe. Sie haben mir mitgeteilt, dass das therapiert gehört.
L: Woran leiden Sie?
A: Ich habe Rückenschmerzen. Die Wirbelsäule ist verschoben, haben sie gesagt.
L: Nehmen Sie Medikamente?
A: Abgesehen von den Spitzen, die ich bekomme, nehme ich Paracetamol.
L: Wie oft nehmen Sie die Medikamente?
A: Im Moment nicht, ich bekomme Spritzen.
L: Geht es Ihnen mit den Spritzen besser?
A: Ja, eine Zeit lang geht es mir dann besser.
L: Seit wann haben Sie diese Beschwerden?
A: Seit 2019.
L: Welche Therapie ist jetzt vorgesehen?
A: Eine Physiotherapie.
L: Haben Sie schon Termine für die Physiotherapie vereinbart?
A: Nein. Diese muss ich privat bezahlen, darum muss ich erst sparen.
L: Haben Sie irgendwelche weiteren Befunde?
A: Ich habe alles abgegeben.
L: Dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl liegen schriftliche Feststellungen zur Lage in Bangladesch vor, insbesondere zur Ausgestaltung des dortigen Asylverfahrens und zur Versorgungslage in diesem Land, einschließlich der medizinischen Versorgung. Diese wurden Ihnen am 15.06.2020 gleichzeitig mit der Ladung zur Einvernahme ausgefolgt. Ihnen wurde dabei die Möglichkeit eingeräumt eine schriftliche Stellungnahme bis zum Einvernahmetermin bei der Behörde abzugeben. Davon haben Sie keinen Gebrauch gemacht. Möchten Sie jetzt noch eine Stellungnahme zu den Länderfeststellungen abgeben?
A: Ich habe eine Stellungnahme abgegeben. Ich möchte aber noch anführen, dass die Situation jeden Tag 4.000 bis 5.000 Leute erkranken und dass es zu den Ländern gehört, die extrem von Corona betroffen sind. Das medizinische Personal erkrankt und stirbt auch. Es sterben auch Leute, die sich eine Behandlung leisten können. Ich möchte auch anführen, dass ich mein Hab und Gut in Bangladesch verkaufen würde und mich hier geschäftlich niederlassen würde.
Anmerkung: Die schriftlichen Feststellungen im Irak [Anmerkung durch das Bundesverwaltungsgericht: handschriftlich durchgestrichen] werden zum Akt genommen.
L: Inwieweit würden aufenthaltsbeendende Maßnahmen in Ihr Familien- und Privatleben eingreifen?
Anmerkung: Dem AW wird die Fragestellung näher erläutert, insbesondere dass im Rahmen einer Ausweisungsprüfung verwandtschaftliche Anknüpfungspunkte in Österreich, Aufenthaltsberechtigungen in Österreich, gewichtige private Interessen an einem Verbleib in Österreich, udgl. berücksichtigt werden.
A: Ich habe hier in Österreich niemanden.
Anmerkung: Dem/der RB wird die Möglichkeit eingeräumt, Fragen anzuregen oder eine Stellungnahme abzugeben, wovon kein Gebrauch gemacht wird.
L: Ich beende jetzt die Befragung. Hatten Sie Gelegenheit alles vorzubringen, was Ihnen wichtig erscheint?
A: Ja.
L: Haben Sie den Dolmetscher einwandfrei verstanden, konnten Sie der Einvernahme folgen?
A: Ja.
L: Es wird Ihnen nunmehr die Niederschrift rückübersetzt und Sie haben danach die Möglichkeit noch etwas richtig zu stellen oder hinzuzufügen.
Anmerkung: Die gesamte Niederschrift wird wortwörtlich rückübersetzt.
L: Haben Sie nun nach Rückübersetzung Einwendungen vorzubringen?
A: Nein.
L: Wurde alles vollständig und richtig protokolliert?
A: Ja.
[…]“ (VA 2 AS 211 bis 239; Orthografie und Grammatik im Original)
1.3.3. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 10.07.2020 wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers vom 16.12.2019 auf internationalen Schutz hinsichtlich des Status des Asylberechtigten und hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs 1 AVG wegen entschiedener Sache zurück (Spruchpunkte I und II). Die Behörde erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III), erließ eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV) und sprach aus, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Bangladesch zulässig sei (Spruchpunkt V). Unter Spruchpunkt VI sprach die Behörde aus, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe, und unter Spruchpunkt VII erließ sie gestützt auf § 53 Abs 1 in Verbindung mit Abs 2 Z 6 und 7 FPG ein auf die Dauer von drei Jahren befristetes Einreiseverbot.
1.3.3.1. Die Behörde stellte fest, dass das Erstverfahren des Beschwerdeführers unter der Zahl XXXX am 12.07.2019 rechtskräftig abgeschlossen worden sei. In diesem Verfahren seien alle bis zur Entscheidung entstandenen Sachverhalte berücksichtigt worden. Das gesamte Erstverfahren habe auf einem nicht glaubhaften bzw. nicht asylrelevanten Vorbringen beruht. (VA 2 AS 348)
Zu den Gründen für den neuen Antrag auf internationalen Schutz stellte die Behörde fest:
„Sie haben im gegenständlichen Verfahren keinen Sachverhalt vorgebracht, welcher nach rechtskräftigem Abschluss des Erstverfahrens zur Zahl: XXXX entstanden ist.
Ihr Vorbringen im gegenständlichen Verfahren weist außerdem keinen glaubhaften Kern auf. Sie haben im gegenständlichen Verfahren angegeben, dass Sie beschuldigt werden, an einer Auseinandersetzung mit einem Parteimitglied der AWL beteiligt gewesen zu sein und auch ein Haftbefehl sei gegen Sie erlassen worden. Weiters habe Sie Ihr Nachbar angeklagt, einen bewaffneten Raubüberfall verübt zu haben. Der Konflikt mit Ihren Nachbarn habe schon vor Ihrer Ausreise aus Bangladesch und somit in Ihrem Vorverfahren bestanden, aber Sie haben dies bei Ihren Fluchtgründen in Ihrem Vorverfahren nicht erwähnt. Auch Ihre im Vorverfahren genannten Fluchtgründe sind noch aufrecht. Weitere Fluchtgründe hätten Sie nicht.
Es war nicht feststellbar, dass Sie einer asylrelevanten individuellen Verfolgung in Bangladesch ausgesetzt gewesen sind oder im Falle einer Rückkehr einer solchen ausgesetzt wären.“ (VA 2 AS 349)
1.3.3.2. Zu den Feststellungen zum Vorverfahren des Beschwerdeführers führte die belangte Behörde in der Beweiswürdigung aus:
„Die Feststellungen betreffend den Ausgang Ihres Vorverfahrens, sowie der damals maßgeblichen Gründe für Ihren Antrag auf internationalen Schutz gründen sich auf den Akteninhalt zur Zahl XXXX .
Die Feststellung, dass Ihr gesamtes Vorbringen im Asylverfahren XXXX auf einem nicht glaubhaften Sachverhalt beruht, ergibt sich insbesondere aus dem Bescheid des Bundesamtes vom 31.08.2018, wo sich auf Seite 27 folgende Feststellung findet: ‚Die von Ihnen zur Begründung Ihres Asylantrages vorgebrachten Fluchtgründe konnten nicht als asylrelevanter Sachverhalt festgestelt werden. Dem von Ihnen als ausreisekausal vorgebrachten Sachverhalt wird die Glaubwürdigkeit versagt.‘
Dieser Bescheid des Bundesamtes wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 10.07.2019, Zl.: W195 220 715-1/7E, bestätigt.“ (VA 2 AS 387; Orthografie und Grammatik im Original)
Betreffend die Feststellungen zu den Gründen für den neuen Antrag auf internationalen Schutz erwog die Behörde in der Beweiswürdigung:
„Es steht fest, dass Sie das Bundesgebiet seit der Stellung des Erstantrages nicht verlassen haben.
Die Feststellung, dass Sie im gegenständlichen Verfahren zunächst im Zuge der Antragsstellung keinen nach rechtskräftigem Abschluss des Erstverfahrens neu entstandenen und asylrelevanten Sachverhalt vorgebracht haben, ergibt sich aus Ihren Angaben bei der Erstbefragung am XXXX 2019. Insbesondere gaben Sie zu diesem Zeitpunkt selbst an, dass Sie sich auf die Fluchtgründe in Ihrem Vorverfahren beziehen und die Probleme in Ihrer Heimat mit der gegnerischen Partei weiterhin noch aufrecht sind. Außerdem sei ein neuer Haftbefehl gegen Sie erlassen worden.
Bei der Erstbefragung haben Sie im gegenständlichen Asylverfahren somit keine neuen Fluchtgründe geltend gemacht.
Fest steht, dass diese vorgebrachten Gründe, weshalb Sie nicht in Ihr Herkunftsland zurückkehren wollen, im Wesentlichen zu diesem Zeitpunkt des gegenständlichen Verfahrens ident mit jenen aus dem Vorverfahren sind.
Ihr ‚Fluchtvorbringen‘ wurde bereits in Ihrem Vorverfahren ausreichend gewürdigt. Hierzu ist anzumerken, dass Ihren diesbezüglichen Angaben, sowohl von Seiten des Bundesamtes, als auch seitens des Bundesverwaltungsgerichtes, die Glaubwürdigkeit abgesprochen wurde.
Sie selbst haben sich in Ihrem Vorverfahren als unglaubwürdige Person dargestellt. So geben Sie bei Ihrer Asylantragstellung ein falsches Geburtsdatum an und behaupten als Fluchtgrund bei der Erstbefragung durch die Polizei Grundstücksstreitigkeiten. Bei Ihrer Einvernahme vor der Behörde in Ihrem Erstverfahren geben Sie an, dass der bei der Erstbefragung behauptete Fluchtgrund nicht den Tatsachen entspricht und Sie Probleme mit der gegnerischen Partei hatten. Auch in Bezug auf die im Vorverfahren vorgelegten Beweismittel kam die Behörde aufgrund der Übersetzungen zu dem Ergebnis, dass diese eine Fälschung bzw. ein reines Gefälligkeitsgutachten darstellten. Außerdem waren Sie zum Tatzeitpunkt bereist in Österreich.
Auch gaben Sie in Ihrem Vorverfahren bei der Erstbefragung an, dass Ihr Vater im Alter von 43 Jahren im Jahr 2013 ermordet worden sei und Sie keine Geschwister hätten. Jedoch bei der Einvernahme vor der Behörde behaupten Sie plötzlich, dass Ihr Vater am Leben und 60 Jahre alt ist. Bei einer weiteren Einvernahme vor der Behörde gaben Sie an, doch Geschwister zu haben und legten Sie eine Geburtsurkunde Ihres Bruders vor.
Auch die als Beweismittel vorgelegte Mitgliedsbestätigung bezüglich Ihrer Zugehörigkeit zu der Partei BNP haben Sie erst bei Ihrer letzten Einvernahme im Vorverfahren vorgelegt und der Partei sind Sie auch erst 4 bis 5 Monate nach Ihrer Ankunft in Österreich beigetreten.
Im Zuge des gegenständlichen Verfahrens wurden Sie dann am 25.06.2020 einvernommen. Dabei behaupteten Sie dann plötzlich, dass Ihr jetzt vorgebrachter Fluchtgrund nichts mit den Fluchtgründen aus Ihren Vorverfahren zu tun hat und Sie auch nicht von den Feinden Ihres Vorverfahrens bedroht werden. Auch Ihre bei der Behörde vorgebrachten Beweismittel sollen in keinem Zusammenhang mit den Fluchtgründen aus Ihrem Vorverfahren stehen. Dies steht aber im Widerspruch, da Sie selbst behaupten, dass Sie in dem Erstinformationsschreiben vom 02.10.2019 beschuldigt werden, in eine Auseinandersetzung mit einem Paralamtentsmitglied der AWL beteiligt gewesen zu sein. Auch steht der vorgelegte Haftbefehl laut Ihren Angaben in Zusammenhang mit diesem Vorfall. Auch in Ihrem Vorverfahren haben Sie als Fluchtgrund angegeben, dass Sie Probleme mit der gegnerischen Partei AWL gehabt hätten.
Des Weiteren behaupten Sie in Ihrem jetzigen Verfahren plötzlich, dass Sie und Ihre Familie eine Fehde mit Ihren Nachbarn haben. Dies hat schon vor Ihrer Ausreise bestanden, aber Sie machten in Ihrem Vorverfahren keine Angaben darüber, da Ihnen dieser Sachverhalt nicht wichtig erschien. Da aber Ihre Nachbarn Sie beschuldigen einen bewaffneten Raubüberfall begangen zu haben und eine Anzeige gegen Sie erstattet haben, bringen Sie diesen Sachverhalt erst jetzt zur Sprache. Um Ihre Angaben zu untermauern, legten Sie eine Anklageschrift in bengalischer Sprache vor. Des Weiteren übergaben Sie der Behörde im Zuge der Einvernahme einen USB-Stick. Laut Ihren Angaben zufolge enthält dieser ein Video über den Angriff der Nachbarn auf Ihr Elternhaus. Ihre Cousine hätte diesen Angriff gefilmt und Ihnen das Video online zukommen lassen.
Bei der Sichtung des Videos konnte von der Behörde festgestellt werden, dass aufgrund der schlechten Qualität weder Personen zu erkennen sind, noch ob diese Personen bewaffnet sind. Auch ist nicht ersichtlich, um welchen Vorfall es sich genau handeln soll. Ein Angriff auf ein Haus lässt sich in diesem Video auf jeden Fall nicht erkennen, und es könnte sich auch um eine Ausschreitung mehrerer Personen an einem öffentlichen Ort handeln. Zumindest ist für die Behörde aufgrund der schlechten Qualität nicht ersichtlich, was diese Personen genau an dieser Örtlicheit machen. Untermauert wird das Video durch laute Rufe und Geräusche, die Schüssen ähneln sollen. Auch wurde von der aufnehmenden Person gesprochen. Von einer Übersetzung wurde aber von der Behörde Abstand genommen, da aufgrund der schlechten Qualität des Videos die behauptete konkrete Bedrohung nicht wahrgenommen werden konnte. Des Weiteren wird angeführt, dass bei der Sichtung des Videos festgestellt wurde, dass das Video bearbeitet wurde.
Die einzige Neuerung in Ihrem Vorbingen bestand in der Behauptung der Existenz einer Anzeige Ihrer Nachbarn gegen Sie. Diese Fehde habe zwar laut Ihren Angaben schon in Ihrem Vorverfahren bestanden, aber Sie erachteten es als nicht wichtig, dies in Ihrem Vorverfahren zu erwähnen. Sie legten bei der Einvernahme zwar eine Kopie eines Schriftstückes (Anklageschrift) in bengalischer Sprache vor, welcher aber aufgrund der Herkunft und des Inhaltes keine maßgebliche Beweiskraft zukommt. Der bei der Einvernahme anwesende Dolmetscher bestätigte, dass Sie in diesem Schreiben namentlich erwähnt sind und dass es sich hierbei auch um eine Anklageschrift handelt. Des Weiteren legten Sie einen Erstinformationsbericht und einen Haftbefehl vor, welche sich jedoch auf Ihr Vorverfahren beziehen. Auch diesen beiden Schriftstücken kommt keine maßgebliche Beweiskraft zu.
Ihre Angaben waren trotz einer ausführlichen Einvernahme am 25.06.2020 sehr allgemein und vage gehalten und konnte keine konkrete Bedrohung Ihrer Person glaubwürdig dargelegt werden. Außerdem ist anzumerken, dass Sie zu diesem Tatzeitpunkt nicht Ihrer Heimat aufhältig waren. Seit Ihrer erstmaligen Einreise nach Österreich haben Sie das Bundesgebiet nicht mehr verlassen.
Ein entscheidungsrelevanter Grund für die Behörde ergibt sich daraus, dass Sie bereits in Ihrem Vorverfahren Dokumente und Schriftstücke vorgelegt haben. Mit diesen wollten Sie beweisen, dass eine Anzeige gegen Sie eingebracht wurde und Sie deshalb in Ihrem Heimatland verfolgt würden. Ihre im Vorverfahren vorgelegten Beweismittel wurden durch die Behörde überprüft und für falsch befunden. Es wurde davon ausgegangen, dass diese von Ihnen vorgelegten Anzeigen entweder gefälscht oder gekauft wurden, was in Bangladesch Gang und Gebe ist. Schon zu diesem Zeitpunkt behaupteten Sie sich selbst als völlig unglaubwürdige Person.
Aus diesen Gründen werden auch die nun in Vorlage gebrachte Schriftstücke (Anklageerhebung, Erstinformation und Haftbefehl) als Fälschungen bewertet und daher keine Beweiskraft für das gegenwärtige Vorbringen besteht.
Aus den aktuellen Länderfeststellungen zu Bangladesch ergibt sich, dass Verfälschungen und Handel mit jeder Art von Dokumenten weit verbreitet und mittels persönlicher Beziehungen oder Bestechung ohne größeren Aufwand zu beschaffen sind.
Echte Dokumente unwahren Inhalts und Gefälligkeitsbescheinigungen von Behörden, Privatpersonen und Firmen sind problemlos gegen Zahlung erhältlich. Die Fälschung von Personenstandsurkunden ist eigentlich nicht notwendig, da jegliche Art von Standesfall sehr einfach (nach-)beurkundet werden kann. So erfolgen Beglaubigungen durch das Außenministerium in der Regel ohne weitere Prüfung der Dokumente. Ihre Aussagekraft bezüglich der Echtheit oder inhaltlicher Richtigkeit steht daher in Frage.
Ihre Fluchtgründe, die behauptete Verfolgung durch Dritte, sind damit nur ein erfundenes Konstrukt, welches die Absicht hatte, in Österreich ein Aufenthaltsrecht zu erlangen.
In diesem Zusammenhang ist zu betonen, dass das Bundesverwaltungsgericht Ihre Fluchtgründe in Ihrem Vorverfahren ebenfalls als nicht glaubhaft beurteilt hat.
Die Feststellung, wonach Ihr ergänzendes Vorbingen in gegenständlichem Verfahren keinen glaubhaften Kern ausweist, ergibt sich aufgrund folgender Überlegungen:
Ihre nunmehrige Behauptung, wonach Sie von Ihrem Vater erfahren haben wollen, dass aufgrund der Probleme mit der gegnersichen Partei, die Sie schon in Ihrem Vorverfahren erwähnten, ein neuer Haftbefehl gegen Sie ausgestellt wurde, steht jedenfalls in einem untrennbaren Zusammenhang mit Ihren anlässlich des Erstverfahrens als völlig unglaubwürdig erachteten Angaben. Sie stellten Ihr jetziges Vorbingen völlig substanzlos in den Raum und konnten auf Nachfrage auch keine näheren Ausführungen dazu machen. Auch ist anzumerken, dass Sie die Fehde mit Ihren Nachbarn und die Anklageschrift gegen Sie in der Erstbefragung durch die Polizei am XXXX 2019 mit keinem Wort erwähnten.
Hieraus folgt notwendigerweise, dass für Sie auch mit Folgebehauptungen, die auf die als nicht glaubhaft erachteten Fluchtgründe aufbauen bzw. diese bekräftigen sollen, nichts zu gewinnen ist. Wird nämlich die seinerzeitige Verfolgungsbehauptung aufrechterhalten und bezieht sich der Antragsteller auf sie, so liegt nicht ein wesentlich geänderter Sachverhalt vor, sondern es wird der Sachverhalt bekräftigt, bzw. sein ‚Fortbestehen und Weiterwirken‘ behauptet, über den bereits rechtskräftig abgesprochen worden ist (iSd Erkenntnisses des VwGH vom 20.03.2003, Zl. 99/20/0480).
Mit dem zweiten Asylantrag wird daher im Ergebnis die erneute sachliche Behandlung einer bereits rechtskräftig entschiedenen Sache bezweckt (vgl. VwGH 7.6.2000, 99/01/0321).
Wie bereits angeführt, gaben Sie im Verfahren an, dass auch die im Erstverfahren angefürhten Fluchtgründe nach wie vor bestehen würden. Dieser dem nunmehrigen Vorbringen zugrundeliegende Sachverhalt wurde bereits in einem rechtskräftig abgeschlossenen Verfahren für nicht glaubhaft befunden. In diesem Zusammenhang darf nochmals darauf verwiesen werden, dass der rechtskräftigen Entscheidung im Erstverfahren sowohl das BFA als auch das BVwG in einer umfassenden Beweiswürdigung die Widersprüche in Ihrem Vorbingen erörterte und zur Ansicht gelangte, dass Ihr Vorbingen nicht nachvollziehbar und unstimmig und daher als nicht glaubhaft zu qualifizieren sei.
Erst im Zuge der Einvernahme am 25.06.2020 brachten Sie Neuerungen bezüglich der vorhandenen Rückkehrhindernisse vor. Wie bereits angeführt, ist es Ihnen nicht gelungen, ein glaubhaftes Vorbringen darzustellen und ist zusammenfassend daher festzuhalten, dass Ihrem Vorbingen im gegenständlichen Verfahren kein glaubhafter Kern zukommt.
Somit ist für die Behörde kein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt feststellbar und das Bundesamt ist daher verpflichtet, Ihren Folgeantrag wegen entschiedener Sache zurückzuweisen.
Die nun im gegenständlichen Verfahren dargestellten Angaben hinsichtlich Ihrer Fehde mit Ihren Nachbarn wurden im Erstverfahren nicht erwähnt und waren diese nunmehrigen Angaben zu keinem Zeitpunkt genügend substantiiert, um diese als glaubhaft zu bezeichnen, oder um darin einen neuen Sachverhalt zu erkennen. Ihr Vorverfahren wurde am 12.07.2019 in II. Instanz rechtskräftig. Sie hätten bei Ihren unzähligen vorangegangenen Möglichkeiten in Österreich, Angaben über Ihre Fluchtgründe machen können, haben jedoch nie ein Wort darüber verloren. Hier ist anzumerken, dass Sie abgesehen von der Erstbefragung, drei Einvernahmen vor der Behörde hatten, sowie eine mündliche Verhandlung vor dem BVwG. Die Begründung des neuerlichen Asylantrages reicht nicht aus, einen neuen gegenüber dem früheren Asylantrag wesentlich geänderten entscheidungsrelevanten Sachverhalt entstehen zu lassen. Sie konnten auch keine nachvollziehbaren Gründe für Ihr bisheriges Verschweigen dieser Fluchtgründe glaubhaft machen. Für das Bundesamt wiesen die von Ihnen neu vorgebrachten Gründe auch keinerlei glaubhaften Kern auf. Selbst bei Wahrdarstellung der von Ihnen genannten Bedrohung ist an dieser Stelle auf das Neuerun