TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/7 L526 2175289-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 07.08.2020
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Entscheidungsdatum

07.08.2020

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §55

Spruch

L526 2175286-1/21E

L526 2175289-1/21E

L526 2175294-1/20E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

1.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Petra Martina SCHREY, LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Armenien, vertreten durch Frau RA Mag. Susanne SINGER gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.09.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 15.07.2020 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

2.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Petra Martina SCHREY, LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Armenien, vertreten durch Frau RA Mag. Susanne SINGER gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.09.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 15.07.2020 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

3.) Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Petra Martina SCHREY, LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Armenien, gesetzlich vertreten durch ihre Mutter, XXXX , diese vertreten durch Frau RA Mag. Susanne SINGER gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.09.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 15.07.2020 zu Recht erkannt:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrenshergang

I.1. Die beschwerdeführenden Parteien (in weiterer Folge kurz als „BF“ oder gemäß der Reihenfolge ihrer Nennung im Spruch „BF1“ bis „BF3“ bezeichnet; im Verhandlungsprotokoll anders gereiht) sind Staatsangehörige der Republik Armenien und brachten nach rechtswidriger Einreise in das Hoheitsgebiet der Europäischen Union und in weiterer Folge nach Österreich bei der belangten Behörde (in weiterer Folge auch kurz „bB“) am 10.07.2015 Anträge auf internationalen Schutz ein.

Die weibliche BF1 und der männliche BF2 sind Ehegatten und die Eltern der minderjährigen BF3.

I.2. Im Rahmen der niederschriftlichen Erstbefragung vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Polizeiinspektion XXXX am 11.07.2015 gaben die BF an, den im Spruch genannten Namen zu führen und Staatsangehörige Armeniens zu sein. Sie seien der armenischen Volksgruppe zugehörig. BF2 wäre Baptist, während BF1 dem armenisch-apostolischem Glauben angehören würde.

Im Hinblick auf den Reiseweg brachten die BF zusammengefasst vor, Armenien legal von Jerewan aus am 01.07.2015 mit einem Kleinbus nach Moskau verlassen zu haben. Mit einem Schlepper seien sie dann weitergefahren. Dieser habe sie dann aussteigen lassen und die BF hätten daraufhin zu einem Taxilenker „Asyl“ gesagt, der sie zu einem Haus gebracht habe. Von dort wären sie dann wieder mit einem Taxi zu einer Polizeiinspektion gefahren.

Zu den Gründen seiner Ausreise befragt, führte BF2 an, dass der überwiegende Teil der Bevölkerung Armeniens armenisch – apostolisch, er jedoch seit 2011 Baptist sei und seit 2013 auch angefangen habe, seine Religion an die Bevölkerung weiterzugeben. Aufgrund dieser Versuche, die Bevölkerung von seiner Religion zu überzeugen, sei er immer wieder von verschiedenen Leuten geschlagen und auch mit Messern attackiert worden. Auch habe ein Nachbar seinen Hund auf BF3 losgelassen, als diese im Hof gespielt habe und hätten sich die Bedrohungen derart gehäuft, dass er gezwungen gewesen sei, das Land zu verlassen. Bei einer Rückkehr würde er befürchten, aufgrund seiner Religion umgebracht zu werden.

BF1 gab an, aufgrund der Religion ihres Mannes in Armenien viele Probleme gehabt zu haben und diskriminiert worden zu sein. Sie sei Lehrerin gewesen und im Jahr 2015 entlassen worden, da man ihr vorgeworfen habe, dass sie den Kindern den Baptismus lehren würde. Auch sei die Familie von der Nachbarschaft immer wieder erniedrigt worden und habe ein Nachbar auch einen Hund auf BF3 losgelassen. Es sei für sie nicht mehr möglich gewesen, ein ruhiges und sicheres Leben dort zu führen.

I.3. Am 19.06.2017 wurden die BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich, im Beisein eines Dolmetschers für die armenische Sprache niederschriftlich vor der zur Entscheidung berufenen Organwalterin einvernommen.

Eingangs bestätigten die BF, der armenischen Sprache mächtig zu sein und die anwesende Dolmetscherin gut zu verstehen. Sie seien auch einvernahmefähig.

Die BF1 gab zum Ausreisegrund befragt Folgendes an:

„ […]

F.: Wurden Sie je vergewaltigt.

A.: Ich wurde am 05.05.2015 vergewaltigt. Ich wurde an diesem Tag von drei mir unbekannten Männern vergewaltigt, die Urzeit ist mir nicht geläufig, es war 10 oder 11 Uhr. Die Vergewaltigung hat in meiner Wohnung stattgefunden.

F.: Haben Sie Anzeige erstattet.

A.: Nein. Ich hatte Angst Anzeige zu erstatten. Ich war aber beim Arzt. Ich habe mich aber geduscht, bevor meine Mutter ich ins Krankenhaus des Bezirks XXXX , Namen XXXX , gebracht hat. Ich habe im Krankenhaus gesagt, dass ich mit meinem Mann einen freiwilligen Geschlechtsverkehr - aber in grober Form – gehabt hätte, dass ich Schmerzen im Unterleib hätte und begutachtet werden möchte.

F.: Was wurde im Krankenhaus festgestellt.

A.: Im Scheideneingang wurden Verletzungen festgestellt, ich erhielt entzündungshemmende Zäpfchen und Spülungen und wurde dann aus dem Krankenhaus wieder entlassen.

F.: Wie kamen denn diese Ihnen unbekannten Männer in die Wohnung.

A.: In dem Bezirk in dem wir lebten war die Kriminalität hoch. Wir haben uns dort nicht wohlgefühlt. Wir haben uns über das Internet im November 2014 eine neue Wohnung gesucht, in die wir dann im Dezember 2014 übersiedelten. Genauer gesagt, wir haben ab Herbst 2014 mit der Suche nach einer neuen Wohnung begonnen. Es gibt eine Internetseite in Yerevan für Wohnungssuchende, diese Internet-Seite haben wir besucht und schließlich eine Wohnung gefunden.

Aber auch in der neuen Wohnung hatten wir keine Ruhe. Ich habe an dem Tag, als ich vergewaltigt wurde, auf das Klopfen an der Tür reagiert und dummerweise die Türe aufgemacht, ich wurde sofort in die Wohnung gedrängt und sofort an den Oberarmen gepackt und vergewaltigt. Einer blieb an der Tür stehen, einer hat mich festgehalten und einer habt mich vergewaltigt. Ich wurde auch gefragt, wo denn der Mann sei, mit dem ich üblicherweise schlafen würde.

Ich habe deswegen nichts gesagt und auch deswegen keine Anzeige erstattet, da ich es in Armenien eine Schande ist vergewaltigt zu werden. Ich habe diese Männer nie mehr gesehen. Ich blieb nach der Vergewaltigung 10 Tage in der Wohnung meiner Mutter. Ich übersiedelte in Begleitung meine Mutter zurück in meine Wohnung. Meine Mutter blieb dann immer bei mir.

Ich habe mich dann wieder der Universität zugewandt um mein Doktorratsstudium abzuschließen und ich habe mich auf das ein Konzert im Oktober 2015 vorbereitet. Das Singen fiel mir jedoch schwer, da ich immer ein Zittern in der Stimme hatte.

Insgesamt hatten wir in Armenien kein ruhiges Leben – weswegen wir uns zur Ausreise entschlossen haben.

[…]

A.: Mein Mann ist Angehöriger der evangelisch-christlichen Baptisten. Ich selbst gehöre dem armenisch-apostolisch-gregorianischen Glauben an.

Mein Gatte gehört den evangelisch-christlichen Baptisten an. Ich kann nichts sagen, dass er den evangelisch-christlichen Baptisten angehört. Mein Mann hat nie über diese Religion gesprochen. Ich habe im März/April 2013 zufällig einen Taufschein gefunden, ich habe diesen Taufschein zufällig unter unseren Dokumenten gefunden. Mein Gatte hat verschwiegen, dass er den evangelisch-christlichen Baptisten angehört. Ich wusste, dass er diese Kirche seit Sommer 2011 besucht. Auf Nachfrage gebe ich an, die Kirche der Baptisten, welche mein Mann öfter aufsuchte heißt XXXX und befindet sich beim Automarkt im Bezirk XXXX .

Ich hatte deswegen Probleme, dass mein Mann evangelisch-christlichen Baptisten angehört. Ich wurde deswegen im April 2015 gekündigt, meinem Mann ist im Februar 2015 sein Geschäft (seine Garage) weggenommen worden. Mein Mann ist verprügelt worden. Meinem Mann ist auch sein Auto ( XXXX ) weggenommen worden.

Mein Mann und ich wurden auch unterdrückt.

F.: Was meinen Sie damit, dass Ihrem Mann im Februar 2015 sein Geschäft weggenommen worden wäre.

A.: Ich meine damit, dass meinem Mann seine Garage, die er gemietet gehabt hatte, weggenommen worden war. In dieser Garage hat er Autos repariert.

F.: Wurde der Mietvertrag gekündigt, oder was ist, diese Garage betreffend, konkret vorgefallen.

A.: Ich kann darüber nichts Konkretes berichten. Mein Mann hat mir nichts erzählt.

F.: Wann ist Ihr Mann verprügelt worden.

A.: Ich weiß es nicht. Einmal – im Jahr 2012 – Herbst/Winter 2012 und einmal im Februar 2015 – genaues Datum nicht erinnerlich.

F.: Wann ist Ihrem Ehemann der Lada weggenommen worden.

A.: Meinem Mann ist im Zusammenhang mit den Vorfällen im Februar 2015 sein Lada weggenommen worden. Dann hat mein Mann wieder ein neues Autos aus Georgien gebracht und hatte die Absicht seinen Autohandel ohne die Garage weiter zu betreiben, fortsetzen. Dieses Auto wollte man ihm dann auch wegnehmen, er hat dieses Auto dann im Mai 2015 um die Hälfte des eigentlichen Wertes sehr rasch verkaufen müssen.

F.: Wer hat sie konkret unterdrückt.

A.: In dem Bezirk, in dem wir lebten, war die Kriminalität hoch. Es ist unmöglich geworden in diesem Bezirk zu leben und zwar aufgrund der ausufernden Kriminalität und des Drecks. Einmal wurde an unserer alten Wohnadresse meine Tochter von einem Hund ausgebellt – wir haben sehr große Angst bekommen. Wir übersiedelten dann in den Bezirk XXXX – wir übersiedelten dorthin im Dezember 2014. Wir haben dann im Bezirk XXXX – eine Wohnung gemietet. Dort haben wir dann bis zur Ausreise gelebt.

F.: Handelt es sich bei der Adresse Yerevan, XXXX um Ihre Meldeadresse.

A.: Nein, dort, an dieser Adresse sind mein Mann und meine Tochter gemeldet. Ich selbst bin bei meinen Eltern an der Adresse XXXX gemeldet.

F.: Warum hat Ihr Gatte den Wechsel vom armenisch-apostolischen Glauben zu den evangelisch-christlichen Baptisten geheim gehalten.

A.: Mein Mann hatte große Angst und hat aus diesem Grunde niemandem von seinem Glaubenswechsel erzählt. Er hat seinen Glaubenswechsel vor allen Freunden, Verwandten und Bekannten geheim gehalten.

F.: Warum ist Ihr Gatte vom armenisch-apostolischen Glauben zu den evangelisch-christlichen Baptisten übergetreten.

A.: Mein Mann ist überzeugt, dass alle Menschen, die dem armenisch-apostolischen Glauben angehören, gleichzeitig der Mafia angehören, da man in der Kirche für Kerzen, die man anzünden möchte, zahlen muss.

Meinen Mann stört auch, dass man bei der armenisch-apostolischen Kirche im Zuge der Beichte eine Geldsumme zahlen muss und dass man, sollte der Pfarrer im Zuge der Messfeier ein Gebet für einen Angehörigen ein Gebet verlesen, zahlen muss. Zudem wird in der armenisch-apostolischen Kirche westarmenisch gesprochen und das verstehen einfache Leute nicht.

Im Speziellen findet mein Mann unfair, dass man in der Kirche für Leistungen der Kirche bezahlen muss.

F.: Hat sich Ihr an die Vertreter der eigenen Kirche, der evangelisch-christlichen Baptisten gewandt, um von diesen Hilfestellung zu erhalten.

A.: Mein Mann hat nie über seinen Glauben gesprochen, auch unter uns beiden wurde nie vom Glauben gesprochen. Mein Mann ist ein sehr verschlossener Mensch und ich kann Ihre Frage aus diesem Grunde nicht beantworten.

[…]

F.: Gibt es noch andere Gründe, warum Sie Ihren Herkunftsstaat verlassen haben.

A.: Nein.

F.: Haben Sie sämtliche Gründe, warum Sie die Heimat verlassen haben, vollständig geschildert.

A.: Ja.

F.: Was würde Sie konkret erwarten, wenn Sie jetzt in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren müssten.

A.: Ich weiß es nicht.

[…]“

BF2 gab zu seinem Ausreisegrund befragt Folgendes an:

„ […]

F.: Warum gehören Sie den evangelisch-christlichen Baptisten an. Warum sind Sie konvertiert.

A.: Ich habe eigentlich mit niemandem darüber geredet, habe einfach beschlossen in Hinkunft den evangelisch-christlichen Baptisten anzugehören. Ich habe in der armenischen Kirche nichts verstanden und bei den evangelisch-christlichen Baptisten war alles viel einfacher. Die Wörter in der Bibel werden in der altarmenischen Sprache wiedergegeben (Westarmenisch) und diese Worte in der Bibel habe ich nicht verstanden. Ich habe die Worte in der Bibel der evangelisch-christlichen Baptisten viel besser verstanden.

Zudem habe ich in der armenischen Kirche immer für Kerzen, welche ich für die Verstorbenen oder für die Lebenden anzündete, bezahlen müssen und das hat mich gestört.

Das ist der ganze Grund, warum ich zu den evangelisch-christlichen Baptisten konvertierte, einen anderen gibt es nicht. Ich habe das aber auch niemandem erzählt. Niemand hat das je von mir erfahren.

[…]

A.: Ich hatte in Armenien Probleme wegen der Konversion zum Glauben der evangelisch-christlichen Baptisten. Ich bin am 05.06.2013 zur Baptisten- Gemeinde übergetreten (Taufe). Ich musste mich auf die Taufe nicht lange vorbereiten. Der Priester meinte, ich könne mich ohne Vorbildung taufen lassen und ich habe dann einfach von heute auf morgen an der Taufzeremonie teilgenommen.

F.: Beschreiben Sie die Taufzeremonie.

A.: Ich trug ein weißes T-Shirt und wurde in das Wasser getaucht. Ich kann mich aber in Worte, die der Priester sprach nicht mehr erinnern – ich selbst musste nur Amen sagen. Das war’s.

F.: Wer war bei der Taufzeremonie dabei.

A.: Der Priester, ich und mein Freund.

F.: Wie heißen diese Personen.

A.: Der Priester heißt XXXX , der Freund XXXX (Familienname unbekannt). Der Freund ist auch Mitglied der evangelisch-christlichen Baptisten in Armenien.

F.: Welche Probleme sind Ihnen nun daraus entstanden, dass Sie sich bei den evangelisch-christlichen Baptisten am 05.06.2013 haben taufen lassen.

A.: Im Herbst/Winter 2012 stand ich bei uns im Hof und unterhielt mich mit anderen über die Oberhäupter in der armenischen Kirche. Alle sagten diese Oberhäupter wären Mafiosi. Ich stimmte dem zu und sagte, dass ich exakt aus diesem Grunde die Kirche der evangelisch-christlichen Baptisten besuchen würde.

Ich bin dann von den jungen Männern im Hofe unseres Hauses beschimpft worden. Ich bin dann im Herbst/Winter 2012 auch von den jungen Männern geschlagen worden.

Andere Probleme hatte ich nicht. Diese jungen Männer sagten dann im Herbst/Winter 2012 zu mir, dass sie mich und meine Familie fertig machen würden. Ich sollte mich hüten Anzeige bei der Polizei zu erstatten.

F.: Die Probleme aufgrund der Taufe durch die evangelisch-christlichen Baptisten entstanden bereits vor der Taufe.

A.: Ich war schon seit dem Jahr 2011 öfter in der Kirche der Baptisten, dort wo ich auch getauft worden bin. Dann habe ich beschlossen die Heimat zu verlassen.

F.: Wer verfolgt Sie konkret.

A.: Ich möchte diese Namen nicht nennen.

F.: Warum nicht.

A.: Einfach so.

F.: Wann ist Ihre Frau vergewaltigt worden.

A.: Ich weiß nicht, wann meine Frau vergewaltigt worden ist. Ich weiß nicht, wer meine Frau vergewaltigt hat. Ich kann nicht sagen, was meine Frau nach der Vergewaltigung machte.

Ich kann dazu nur angeben, dass die jungen Männer im Hof im Herbst/Winter 2012 angekündigt haben, meine Frau zu vergewaltigen – ich habe diese aber nicht ernst genommen. Nunmehr vermute ich, dass genau diese jungen Männer meine Frau vergewaltigt haben. Ich fühle mich deswegen schuldig.

F.: Wissen Sie wenigstens, wann Ihre Frau vergewaltigt worden ist.

A.: Meine Frau ist im Jahr 2015 vergewaltigt worden, näheres dazu kann ich nicht angeben.

V.: Diese jungen Männer, deren Namen Sie nicht angeben möchten, haben somit nach Ihren Angaben von der Ankündigung bis zur Ausführung der Tat drei Jahre zugewartet. Möchten Sie dazu eine Stellungnahme abgeben.

A.: Ja, ich glaube schon.

F.: Warum wurde weder von der Seite der Frau noch von Ihrer Seite eine Anzeige erstattet.

A.: Ich wurde mit dem Tode bedroht, sollte ich Anzeige erstatten. Aus diesem Grunde habe ich keine Anzeige erstattet.

F.: Also noch einmal zum besseren Verständnis. Sie sind im Herbst/Winter 2012 von Ihnen bekannten jungen Männern im Hof Ihres Hauses verbal bedroht worden, sie sind von diesen im Herbst/Winter 2012 geschlagen worden und Ihre Frau ist im Jahr 2015 vergewaltigt worden und Sie haben drei Jahre nach den Drohungen und Schlägen immer noch nicht den Mut gefunden, die Vergewaltigung, die Ihrer Frau widerfuhr bei den armenischen Behörden zur Anzeige zu bringen.

A.: Ja. Genauso ist es.

F.: Sie können den Sachverhalt auch in Österreich zur Anzeige bringen.

A.: Auch hier habe ich nicht den Mut.

F.: Ist zwischen dem Herbst/Winter 2012 und dem Jahr 2015 in Armenien noch einmal eine Bedrohung Ihrer Person oder der Person Ihrer Gattin vorgekommen oder sind Sie in diesem Zeitraum noch einmal geschlagen worden.

A.: Nein.

F.: Haben Sie sich an die Vertreter der eigenen Kirche, der evangelisch-christlichen Baptisten gewandt, um von diesen Hilfestellung zu erhalten.

A.: Die mischen sich nicht ein.

V.: Noch im Rahmen der Erstbefragung haben Sie angegeben, dass Sie im Jahr 2013 mit dem Messer verletzt worden wären und dass Ihre Tochter von einem Hund angegriffen worden wäre – heute erwähnen Sie diese Vorfälle mit keinem Wort. Möchten Sie dazu eine Stellungnahme abgeben.

A.: Ich habe mit dem Messer meinen Finger verletzt, das war Mitte Februar 2015. Im Mai 2015 ist meine Tochter von einem Hund verbellt worden, das war in der Nähe des Kindergartens, den sie täglich besuchte.

V.: Es gibt in Armenien 150 Kirchen der evangelischen Baptisten, es gibt in Armenien ca. 4850 Mitglieder der Union der evangelisch-christlichen Baptisten. Es gibt in Armenien sogar eine Hochschule der evangelisch-christlichen Baptisten und zwar in Ashtarak. Es liegt keine landesweite Gruppenverfolgung der evangelisch-christlichen Baptisten in Armenien vor. Möchten Sie dazu eine Stellungnahme abgeben.

A.: Nein.

F.: Gibt es noch andere Gründe, warum Sie Ihren Herkunftsstaat verlassen haben.

A.: Ich habe als Autohändler gearbeitet, ich habe Ende Dezember einen Kurs gemacht, damit ich mich mit den Autos besser auskenne und habe diesen Kurs, der 1.000 Dollar kostete, abgeschlossen, das war im Dezember 2013. Ich habe aber auch aus der Russischen Föderation landwirtschaftliche Maschinen importiert, zuletzt hatte ich Auslagen von 21.000 US Dollar. Ich habe mein Geschäft Ende Februar 2015 aufgegeben. Ich habe das Geschäft praktisch am 28.02.2015 hergeschenkt.

F.: Was schenkten Sie her.

A.: Ich schenkte zwei Maschinen zur Metallbearbeitung und einen XXXX her.

V.: Ihre Frau gab im Rahmen ihrer Einvernahme folgendes zu Protokoll:

„Meinem Mann ist im Februar 2015 sein Geschäft (seine Garage) weggenommen worden. Mein Mann ist verprügelt worden. Meinem Mann ist auch sein Auto ( XXXX ) weggenommen worden.

Mein Mann und ich wurden auch unterdrückt.

Mein Mann hatte eine Garage, die er gemietet gehabt hatte. In dieser Garage hat er Autos repariert. Diese Garage ist ihm weggenommen worden.

Ihre Frau gab auf die Frage, wann ihr Mann verprügelt worden wäre Folgendes an: Einmal – im Jahr 2012 – Herbst/Winter 2012 und einmal im Februar 2015 – genaues Datum nicht erinnerlich.

Ihre Frau gab auf die Frage, wann dem Ehemann der Lada weggenommen worden wäre, Folgendes an:

„Meinem Mann ist im Zusammenhang mit den Vorfällen im Februar 2015 sein Lada weggenommen worden. Dann hat mein Mann wieder ein neues Autos aus Georgien gebracht und hatte die Absicht seinen Autohandel ohne die Garage weiter zu betreiben, fortsetzen. Dieses Auto wollte man ihm dann auch wegnehmen, er hat dieses Auto dann im Mai 2015 um die Hälfte des eigentlichen Wertes sehr rasch verkaufen müssen.

Möchten Sie dazu eine Stellungnahme abgeben.

A.: Nein.

F.: Haben Sie sämtliche Gründe, warum Sie die Heimat verlassen haben, vollständig geschildert.

A.: Ja.

F.: Was würde Sie konkret erwarten, wenn Sie jetzt in Ihren Herkunftsstaat zurückkehren müssten.

A.: Ich habe Angst vor neuerlicher Bedrohung. Ich habe Angst vor dem Tode und davor, dass meiner Familie etwas zustoßen könnte.

F.: Warum sollten Sie umgebracht werden.

A.: Die verstehen meine Religion nicht. Sie bezeichnen mich als Teufel.

[…]“

Die BF3 berief sich auf die Gründe der BF1 und BF2 und auf den gemeinsamen Familienverband.

Zu Ihrem Lebenslauf führte BF1 führte aus, dass sie in Armenien die Grundschule und anschließend die Universität besucht habe; dort habe sie ihr Doktorat gemacht. Danach habe sie als Musiklehrerin gearbeitet bis sie am 01.04.2015 fristlos gekündigt worden sei. Daraufhin habe sie ihr Doktoratsstudium fortgesetzt und dieses am 30.05.2015 abgeschlossen. Sie sei dann noch freiwillig zum Konservatorium gegangen und habe dort Gesangsunterricht genommen. Für Oktober 2015 sei ein Konzert geplant gewesen, auf welches sie sich vorbereitet hätte.

Verwandte der BF1, insbesondere ihre Eltern und ihr Bruder, würden noch in Armenien leben; zu ihrem Vater habe die BF1 allerdings seit ca. eineinhalb Jahren keinen Kontakt mehr. Ihre Eltern würden in Armenien ein Haus besitzen. Sowohl die Eltern als auch der Bruder würden arbeiten. Zu ihrem Gesundheitszustand befragt, gab die BF1 an, dass sie seit Juli 2016 eine Psychologin besuchen würde, da sie seit ihrer Vergewaltigung Angst habe.

Der BF2 hätte in Armenien ein Auto besessen. Bezüglich seiner Ausbildung gab er an, dass er in Armenien die Grundschule besucht habe und danach eine Ausbildung als Zahntechniker gemacht habe. Anschließend habe er zuerst Bananen verkauft und als Chauffeur gearbeitet und sich dann als Autohändler selbstständig gemacht und diese Arbeit bis zu seiner Ausreise im Jahr 2015 ausgeübt. Eine eigene Reparaturwerkstätte habe er nicht gehabt, sondern nur eine Garage, in welcher er die Autos aufbereitet und für den Verkauf vorbereitet habe, notwendige Reparaturen habe er in einer Werkstätte durchführen lassen. Vor der Ausreise habe er sie noch verkauft.

Die Mutter des BF2 sei in einer Bäckerei angestellt, sein Vater verkaufe landwirtschaftliche Produkte. Die Eltern würden noch in Armenien leben. Die Eltern würden eine Eigentumswohnung besitzen. Weiters habe der BF2 noch weitere Verwandte, wie einen Bruder, Onkeln und Tanten, wobei einige auch im Ausland leben würden. Seine Verwandten würden dem armenisch-apostolisch-gregorianischen Glauben angehören.

In Österreich würden die BF nur einander als Familienangehörige haben und von der Grundversorgung leben. Zurzeit besuche die BF1 einen Sprachkurs B1 und würde in verschiedenen Chören singen. Auch BF2 würde derzeit einen Sprachkurs besuchen. BF3 würde den Kindergarten besuchen.

I.4. Die Anträge der BF auf internationalen Schutz wurden folglich mit im Spruch genannten Bescheiden der bB vom 25.09.2017 gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt (Spruchpunkt I.). Gem. § 8 Abs 1 Z 1 AsylG wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Armenien nicht zugesprochen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Armenien gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV).

Im Rahmen der Beweiswürdigung erachtete die bB das Vorbringen der BF in Bezug auf die Existenz einer aktuellen Gefahr einer Verfolgung als nicht glaubhaft und führte hierzu zusammengefasst aus, dass es nicht glaubhaft sei, dass BF2 bereits eineinhalb Jahre vor seiner Konversion zum Baptismus bereits aus diesem Grund verfolgt werde und reduziere auch die Tatsache, dass sich der BF2 weigerte, die Namen seiner Verfolger preiszugeben dessen Glaubwürdigkeit. Auch sei es nicht nachvollziehbar, dass BF2 nicht wisse, an welchem Tag seine Frau vergewaltigt worden sei und führte die bB zu der behaupteten Vergewaltigung allgemein aus, dass es nicht glaubhaft sei, dass unbekannte junge Männer die Vergewaltigung der BF1 zuerst angekündigt und dann drei Jahre später ausgeführt hätten.

Auch habe BF1 ausgeführt, dass sie nicht gewusst habe, dass BF2 den Baptisten angehören würde, da er nie über diese Religion gesprochen habe und habe sie erst im Jahr 2013 zufällig einen Taufschein gefunden. Diese Aussage der BF1 sei ein weiterer Hinweis darauf, dass BF2 nie konvertiert sei, da die bB keinen Grund erkennen könne, warum BF2 seiner Gattin seine Konversion verschweigen sollte.

Auch habe sich BF2 nie an die Sicherheitsbehörden seines Landes oder an Vertreter der eigenen Kirche gewandt, um Hilfe zu erhalten. Zudem seien BF1 und BF2 zwischen Herbst/Winter 2012 und dem Jahr 2015 nicht weiter bedroht oder geschlagen worden.

Weiters seien die Angaben des BF2 auch widersprüchlich, da dieser bei der Erstbefragung Vorfälle erwähnte, bei denen er mit einem Messer verletzt bzw. die Tochter von einem Hund angegriffen worden sei, diese Vorfälle bei der niederschriftlichen Einvernahme jedoch nicht mehr vorbrachte. Auf Nachfrage habe er angegeben, dass er sich mit dem Messer verletzt habe und die Tochter in der Nähe des Kindergartens von einem Hund verbellt worden sei.

Allgemein könne nicht von einer landesweiten Gruppenverfolgung der Baptisten in Armenien ausgegangen werden und hätten die BF trotzt der behaupteten Verfolgung bis zu ihrer Ausreise weitergearbeitet und auch hätte auch BF3 den Kindergarten weiter besucht.

Den Schilderungen bezüglich einer asylrelevanten Verfolgung der BF wurde daher von der belangten Behörde kein Glauben geschenkt.

Zur asyl- und abschiebungsrelevanten Lage in der Republik Armenien traf die belangte Behörde ausführliche und schlüssige Feststellungen. Aus diesen geht hervor, dass in Armenien von einer unbedenklichen Sicherheitslage auszugehen ist. Ebenso sei in Bezug auf die Lage der Menschenrechte davon auszugehen, dass sich hieraus in Bezug auf die BF ein im Wesentlichen unbedenkliches Bild ergibt. Ferner sei davon auszugehen, dass in Armenien die Grundversorgung der Bevölkerung gesichert ist, eine soziale Absicherung auf niedrigem Niveau besteht, die medizinische Grundversorgung flächendeckend gewährleistet ist, Rückkehrer mit keinen Repressalien zu rechnen haben und in die Gesellschaft integriert werden.

Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass weder ein unter Art. 1 Abschnitt A Ziffer 2 der GKF noch unter § 8 Abs. 1 AsylG zu subsumierender Sachverhalt hervorkam. Es hätten sich weiters keine Hinweise auf einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG ergeben und stelle die Rückkehrentscheidung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK dar.

Des Weiteren sei den BF kein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 zu erteilen. Schließlich wurde ausgeführt, weshalb gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt wurde, dass dessen Abschiebung nach Armenien gemäß § 46 FPG zulässig sei. Letztlich wurde erläutert, weshalb die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.

I.5. Mit Verfahrensanordnung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 26.09.2017 wurde den BF gemäß § 52 Abs. 1 BFA-VG amtswegig ein Rechtsberater für das Beschwerdeverfahren zur Seite gestellt und die BF ferner mit Verfahrensanordnung des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom selben Tag gemäß § 52a Abs. 2 BFA-VG darüber informiert, dass sie verpflichtet seien, ein Rückkehrberatungsgespräch in Anspruch zu nehmen.

I.6. Gegen den genannten Bescheid wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist Beschwerde erhoben.

In dieser wird nach Zusammenfassung der Verfahrensergebnisse im Wesentlichen ausgeführt, dass zum einen die getroffenen Länderfeststellungen unzureichend seien, da sich diese mit dem konkreten Fluchtgrund der BF nicht ausreichend befassten, welcher nämlich wäre, dass der BF2 aufgrund der mafiaartigen Strukturen der armenisch-apostolischen Kirche den Glauben gewechselt habe und daher bedroht und verfolgt worden sei. Die BF würden daher durch diese mafiaartigen Strukturen verfolgt werden und sei schließlich die BF1 sogar vergewaltigt worden.

Bezüglich der Glaubwürdigkeit der Aussagen der BF führte die Beschwerde aus, dass BF1 durchaus von der Konversion ihres Mannes gewusst habe und auch, dass er den neuen Glauben ausübe und sie lediglich nicht gewusst habe, dass dieser sich taufen ließ. Die Taufe sei auch nicht entscheidend gewesen, da der BF2 offen in der Nachbarschaft über seinen neuen Glauben gesprochen habe und bereits deswegen diskriminiert worden sei.

Bezüglich des Vorhalts der bB, dass die BF bis zu ihrer Ausreise am Arbeitsplatz bzw. im Kindergarten waren, führten die BF aus, dass sie sich in ihrer Wohnung nicht mehr sicher gefühlt hätten und ihnen der Arbeitsplatz bzw. der Kindergarten ein höheres Sicherheitsgefühl vermittelt hätten.

Aufgrund ihrer Furcht vor diesen mafiaartigen Strukturen hätten die BF auch keine Anzeige erstattet und würden auch die Namen ihrer Verfolger nicht nennen.

Zudem leide BF1 unter den traumatisierenden Folgen ihrer Vergewaltigung und befinde sie sich daher in regelmäßiger psychotherapeutischer Behandlung. Aufgrund einer Verschlechterung würde BF1 nun medikamentös behandelt werden und sei nicht auszuschließen, dass sie bei einer Rückkehr nach Armenien nicht in eine erhebliche Notlage iSd Art. 3 EMRK geraten würde.

Weiters hätten sich die BF während ihres bisherigen Aufenthaltes in Österreich bereits überdurchschnittlich gut integriert. BF1 habe bereits die B1-Prüfung aus Deutsch absolviert und werde demnächst zur B2-Prüfung antreten. Auch BF2 habe bereits mehrere Deutschkurse besucht. Sowohl BF1 als auch BF2 würden sich ehrenamtlich engagieren.

Gemeinsam mit der Beschwerde legten die BF folgende Unterlagen vor:

-        eine Bestätigung eines Allgemeinmediziners vom 03.10.2017, wonach BF1 ambulant im Krankenhaus war und wegen depressiver Verstimmung Medikamente einnehme

-        zwei Zeugnisse der BF1 über die abgelegte Deutschprüfung auf dem Niveau B1 vom 22.07.2017

-        eine Bestätigung, wonach BF1 im Herbst 2015 bei einer Musicalprodiktion eines Gymnasiums mitgewirkt habe

-        eine Teilnahmebestätigung betreffend BF1 vom 09.03.2016 bezüglich der Teilnahme an einem Deutschkurs für AsylwerberInnen

-        zwei Zeugnisse der BF1 über die abgelegte Deutschprüfung auf dem Niveau A2 vom 08.04.2017

-        eine Teilnahmebestätigung der BF1 vom 07.07.2017 über die Teilnahme an einem Deutschkurs für das Sprachniveau B1

-        eine Zahlungsbestätigung der BF1 für einen Deutschkurs vom 12.01.2016

-        diverse Schreiben betreffend das Engagement der BF1 in diversen Chören und deren Veranstaltungen

-        ein Schreiben des Vereins „Gib Menschen eine Chance“ betreffend die Integration der BF vom 12.09.2017

-        ein Freiwilligenpass des BF2

-        eine Zahlungsbestätigung des BF2 für einen Deutschkurs vom 12.01.2016

-        eine Bestätigung über die freiwillige Tätigkeit des BF2 im Rahmen des Projekts „Obstklaubm – nix vawiastn“ vom 07.12.2015

-        eine Teilnahmebestätigung des BF2 an der Bildungsveranstaltung Alpha 2 a EF – Stufe 2 vom 30.05.2016

-        eine Kursbestätigung des BF2 über einen Deutschkurs A1 vom 09.05.2017

-        eine Teilnahmebestätigung des BF2 an einem Alphabetisierungskurs – Stufe 1 vom 09.03.2016

-        eine Bestätigung über den Besuch des Kindergartens der BF3 vom 06.10.2017

I.7. Die Beschwerdevorlage langte am 03.11.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein und wurde zunächst der Gerichtsabteilung L515 zugewiesen. Aufgrund der Tatsache, dass BF1 einen Eingriff in die sexuelle Selbstbestimmung vorbrachte, wurde das Beschwerdeverfahren mit 14.11.2017 der nun zur Entscheidung berufenen Abteilung des Bundesverwaltungsgerichts zugewiesen. Infolge Annexität der Rechtssache zur Sache der BF1 wurden auch die Beschwerdeverfahren der BF2 und BF3 der nun zur Entscheidung berufenen Abteilung des Bundesverwaltungsgerichts zugewiesen.

I.8. Mit Schreiben vom 01.02.2018 legten die BF weitere Schreiben vor, konkret handelte es sich um:

-        eine Unterstützungserklärung für BF1 vom 30.11.2017

-        eine Unterschriftenliste bezüglich des Engagements der BF1 im XXXX vom 06.11.2017

-        eine Bestätigung über den Besuch des Kindergartens für BF3 vom 22.11.2017

-        eine Bestätigung vom 08.11.2017, wonach BF1 eine Psychotherapie besuche

-        eine Unterstützungserklärung für die BF vom 07.11.2017

-        eine weitere Unterstützungserklärung vom 05.11.2017

-        eine Unterstützungserklärung des Obmanns des XXXX vom 29.05.2017

-        ein Zeugnis für BF2 über die abgelegte Deutschprüfung auf dem Niveau A1 vom 27.10.2017

I.9. Mit Schreiben vom 16.03.2018 wurde dem ho. Gericht mitgeteilt, dass dem BF2 ein Führerschein ausgestellt worden sei.

I.10. Mit Schreiben vom 27.12.2018 legten die BF weitere Schreiben, konkret einen Befundbericht eines Facharztes für Psychiatrie und Neurologie betreffend BF1 vom 13.09.2018 und ein Unterstützungsschreiben für sie vom 18.09.2018, vor.

I.11. Zur Vorbereitung der für 15.07.2020 anberaumten mündlichen Verhandlung wurden den BF mit Note des Bundesverwaltungsgerichts vom 05.06.2020 aktuelle Länderdokumentationsunterlagen zur allgemeinen Lage in Armenien übermittelt und die Möglichkeit eingeräumt, bis eine Woche vor der mündlichen Verhandlung eine schriftliche Stellungnahme dazu abzugeben. Am 3.7.2020 wurde die Vollmacht einer gewillkürten Rechtsvertreterin abgegeben. Unter einem wurden folgende Dokumente vorgelegt:

-        ein Mietvertrag

-        eine Vereinbarung mit BF2 über eine gemeinnützige Beschäftigung für Asylwerber (Hilfstätigkeiten am Bauhof im Ausmaß von 22 Stunden) vom 26.11.2019

-        Bereits vorgelegte Teilnahmebestätigungen an gemeinnützigen Aktivitäten (Obstklaubm) im Ausmaß von 5 Stunden im Jahr 2015

-        Ablichtung eines Füherscheines

-        Bestätigungen über die Teilnahme an Sprachkursen und ein Zertifikat für das Niveau A1 aus dem Jahr 2017 für BF2

-        Bestätigung über die Anmeldung der BF1 zu einem Sprachkurs für das Niveau A2 und ein Zertifikat aus dem Jahr 2017 sowie eine Kursbesuchsbestätigung für einen Sprachkurs der Stufe B2, Teil 1 für BF1

-        Unterstützungserklärung (zum Teil undatiert oder doppelt eingebracht)

-        Anzeige über einen Gottesdienst mit Chorbegleitung am 9.6.2019

-        Fotos

-        Befundbericht eines Facharztes für Psychiatrie und Neurologie vom 12.09.2018 betreffend BF1

-        Eine Mitteilung eines Arztes für Allgemeinmedizin vom 3.10.2015, wonach BF1 ambulant im KH XXXX gewesen sei und wegen ihrer depressiven Verstimmung das Medikament Trittico nehme

-        Bestätigung der BF1 über eine Teilnahme an einer Musicalproduktion in einem Gymnasium im Jahr 2016

-        Eine Mitteilung eines Chores vom 22.6.2020, wonach die Mitglieder nicht mehr auf BF1 verzichten könnten samt Unterschriftenliste

-        Empfehlungsschreiben eines weiteren Chores

-        Einstellungszusagen für BF1 und BF2

-        Informationen der Schule der BF3

Eine Stellungnahme zu den übermittelten Länderberichten wurde nicht abgegeben.

I.12. Mit Schreiben vom 23.06.2020 informierte die bB das ho. Gericht, dass an der Beschwerdeverhandlung ein informierter Vertreter der bB teilnehmen werde.

I.13. Am 13.7.2020 wurde vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Verhandlung im Beisein der BF und einer gerichtlich beeideten Dolmetscherin für die armenische Sprache durchgeführt. Die BF erschienen zu dieser Verhandlung mit der von ihnen von amts wegen zugewiesenen Rechtsvertretung und gaben an, von der im Spruch genannten Rechtsanwältin nicht mehr vertreten zu werden.

Im Verlauf dieser Verhandlung wurde den Beschwerdeführerin Gelegenheit gegeben, neuerlich ihre Ausreisemotivation darzulegen, vor allem die im bisherigen Verfahren aufgetretenen Widersprüche auszuräumen und Ungereimtheiten aufzuklären. Ferner wurde die aktuelle Lageentwicklung im Herkunftsstaat anhand der im Vorfeld übermittelten Länderdokumentationsunterlagen erörtert. Dabei handelt es sich um folgende Dokumente:

?        Länderinformationsblatt Armenien der Staatendokumentation vom 8.5.2019, Stand 17.3.2020

?        Country Fact Sheet, Access to Healthcare: Armenia

?        BTI 2020 Country Report, Armenia

Am Tag der Verhandlung wurde folgendes Dokument übergeben und erörtert:

?        2019 Report on International Religious Freedom: Armenia; USDOS-US Department of State

Den BF wurde diesbezüglich die Möglichkeit eingeräumt, binnen einer Frist von vierzehn Tagen eine Stellungnahme abzugeben.

I.14. Am 23.07.2020 gab die den BF zugewiesene Rechtsvertretung die Zurücklegung ihrer Vollmacht bekannt.

I.15. Am selben Tag gab die gewillkürte Rechtsvertreterin der BF ihre neuerliche Bevollmächtigung bekannt. Zeitgleich wurden folgende Dokumente vorgelegt:

-        Jahresinformation einer Volksschule betreffend BF3, in welcher BF3 als außerordentliche Schülerin die erste Klasse besuchte und eine schriftliche Leistungsdokumentation

-        Urkunde über einen Sieg bei einem Jugendwettbewerb einer Bank

-        Bestätigung des Arbeitsmarktservice, wonach BF2 am 17.07.2020 persönlich vorgesprochen habe

-        „Bestätigung“ einer klinischen- und Gesundheitspsychologin

I.16. Am 28.7.2020 wurde eine ergänzende Stellungnahme in Bezug auf die Integration der BF abgegeben. Eine Stellungnahme in Bezug auf das in der Verhandlung übergebene Dokument zur Situation der religiösen Minderheiten in Armenien wurde bislang nicht abgegeben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.       Feststellungen (Sachverhalt)

II.1.1. Die beschwerdeführenden Parteien

Bei den BF handelt es sich um im Herkunftsstaat der Mehrheits- und Titularethnie angehörige Armenier, welche aus einem überwiegend von Armeniern bewohnten Gebiet stammen und sich zum Mehrheitsglauben des Christentums bekennen. BF1 gehört der armenisch-apostolischen Gemeinde an. Es kann nicht festgestellt werden, welcher Religionsgemeinschaft BF2 angehört.

Die BF haben in Österreich keine Verwandten und leben auch sonst mit keiner nahe stehenden Person in Österreich zusammen, welche nicht zur Kernfamilie zu zählen ist. Sie möchten offensichtlich ihr künftiges Leben in Österreich gestalten. BF1 bis BF3 halten sich nach illegaler Einreise in das Bundesgebiet seit Juli 2015 im Bundesgebiet auf.

Die Identität der BF steht fest.

BF1 und BF2 sind junge, arbeitsfähige Menschen mit bestehenden familiären und verwandtschaftlichen Anknüpfungspunkten im Herkunftsstaat und einer – wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich – gesicherten Existenzgrundlage.

BF2 und BF3 sind gesund. BF1 leidet an psychischen Problemen, welche im Herkunftsstaat behandelbar sind. Im Heimatland sind auch Medikamente zur Behandlung psychischer Probleme verfügbar.

BF1 besuchte in Armenien die Grundschule und anschließend die Universität, wo sie Gesang studierte. Danach hat sie als Musiklehrerin gearbeitet. Nach ihrer Kündigung am 01.04.2015 hat sie ihr Doktoratsstudium fortgesetzt und dieses am 30.05.2015 abgeschlossen und Gesangsunterricht am Konservatorium genommen.

BF2 hat in Armenien die Grundschule besucht und danach eine Ausbildung als Zahntechniker gemacht. Anschließend hat er Bananen verkauft, als Chauffeur gearbeitet und sich dann als Autohändler selbstständig gemacht. Diese Arbeit hat er bis zu seiner Ausreise im Jahr 2015 ausgeübt. Vor der Ausreise aus Armenien hat BF2 seine Garage sowie die dazugehörigen Fahrnisse verkauft.

Zahlreiche Verwandte der BF1 leben noch in Armenien leben. Ihre Eltern besitzen ein Haus. Der Vater leitet einen Chor, die Mutter arbeitet im Büro eines Konservatoriums. Der Bruder der BF1 ist Opernsänger.

Die Eltern sowie zahlreiche Verwandte des BF2 leben ebenfalls in Armenien. Die Mutter des BF2 ist in einer Bäckerei angestellt, sein Vater verkauft landwirtschaftliche Produkte. Die Eltern haben eine Eigentumswohnung.

Die minderjährige BF3 verfügt im Herkunftsstaat über eine – wenn auch auf niedrigerem Niveau als in Österreich – gesicherte Existenzgrundlage. Ferner ist eine hinreichende Betreuung und Obsorge durch ihre Eltern und den Familienverband sowie eine hinreichende Absicherung in ihren altersentsprechenden Grundbedürfnissen gegeben. Der minderjährigen BF steht ferner kostenfreier und nichtdiskriminierender Zugang zum öffentlichen Schulwesen sowie leistbarer und nichtdiskriminierender Zugang zu einer adäquaten medizinischen Versorgung zur Verfügung.

II.1.2. Behauptete Ausreisegründe aus dem Herkunftsstaat und Rückkehrbefürchtungen

Es kann nicht festgestellt werden, dass die BF den behaupteten Gefährdungen ausgesetzt waren bzw. im Falle einer Rückkehr mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer solchen Gefahr ausgesetzt wären. Insbesondere kann nicht festgestellt werden, dass BF2 aus religiösen Gründen von Mitgliedern der armenisch-apostolischen Kirche oder mafia-ähnlichen Strukturen oder sonstigen kriminellen Subjekten einer individuellen Gefährdung ausgesetzt war oder ihm aus diesem Grund im Fall einer Rückkehr nach Armenien eine solche Gefährdung drohen würde. Auch für BF2 und BF3 lässt sich daraus keine Gefährdung ableiten.

Es kann schließlich nicht festgestellt werden, dass die BF vor ihrer Ausreise aus ihrem Herkunftsstaat einer anderweitigen individuellen Gefährdung oder psychischer und/oder physischer Gewalt in ihrem Herkunftsstaat durch staatliche Organe oder durch Dritte ausgesetzt waren oder sie im Falle einer Rückkehr dorthin einer solchen mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ausgesetzt wären.

Es kann nicht festgestellt werden, dass den BF im Falle einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat die Todesstrafe droht. Ebenso kann keine anderweitige individuelle Gefährdung der BF festgestellt werden, insbesondere im Hinblick auf eine im Herkunftsstaat drohende unmenschliche Behandlung, Folter oder Strafe sowie im Hinblick auf kriegerische Ereignisse, extremistische Anschläge oder organisierte kriminelle Handlungen.

Es kann nicht festgestellt werden, dass die BF vor ihrer Ausreise in ihrem Herkunftsstaat von einer existentiellen Notlage betroffen waren oder einer solchen im Falle ihrer Rückkehr ausgesetzt sein würden.

II.1.3. Zur Lage der Beschwerdeführer im Bundesgebiet:

BF1 bis BF3 halten sich seit Juli 2015 im Bundesgebiet auf. Sie reisten illegal und schlepperunterstützt in das Bundesgebiet ein, sind seither Asylwerber und verfügen über keinen anderen Aufenthaltstitel.

Die Beschwerdeführer beziehen seit Antragstellung bis dato Leistungen der staatlichen Grundversorgung für Asylwerber.

BF1 und BF2 haben Deutschkurse besucht und können sich schon sehr gut in der deutschen Sprache verständigen. Es ist davon auszugehen, dass auch BF3 die deutsche Sprache gut beherrscht.

BF2 schloss im Jahr 2019 eine Vereinbarung über freiwillige, karitative Arbeit bei der Gemeinde XXXX , durch welche er bis zu 100 Euro im Monat lukriert. Im Jahr 2019 half er für fünf Stunden beim „Obstklauben“ in XXXX .

BF1 und BF2 arbeiten fallweise für den Gastwirt Toni.

Die BF haben in Österreich keine Verwandten und leben auch sonst mit keiner nahe stehenden Person zusammen, welche nicht zur Kernfamilie zu zählen ist.

BF1 singt in verschiedenen Chören. Sie verfügt über eine Einstellungszusage. Sie arbeitet ehrenamtlich in einem Pflegeheim und hilft einer alten Dame.

Die BF verfügen über Empfehlungsschreiben und Unterstützungserklärungen.

Die BF sind in Österreich strafrechtlich unbescholten.

Der Aufenthalt der BF im Bundesgebiet war und ist nicht nach § 46a Abs. 1 Z. 1 oder Abs. 1a FPG 2005 geduldet. Ihr Aufenthalt ist nicht zur Gewährleistung der Strafverfolgung von gerichtlich strafbaren Handlungen oder zur Geltendmachung und Durchsetzung von zivilrechtlichen Ansprüchen im Zusammenhang mit solchen strafbaren Handlungen notwendig. Sie wurden nicht Opfer von Gewalt im Sinn der §§ 382b oder 382e EO.

1.4. Zur Lage im Herkunftsstaat:

1.4.1. Zur Situation in Bezug auf die aktuell vorherrschende Pandemie durch den Corona-Virus werden folgende Feststellungen getroffen:

Am 4.8.2020 waren in Armenien 39102 Corona-Falle bekannt. 29861 Personen sind wieder genesen. 762 Personen sind gestorben.

Aufgrund der durch den Corona-Virus bedingten Atemwegserkrankung COVID-19 wurde am 16. März 2020 der Ausnahmezustand in Armenien verhängt, der bereits vier Mal verlängert wurde. Die aktuelle Verlängerung gilt bis 12.08.2020. Eine Einreise für Staatsangehörige der COVID-19 Risikoländer, darunter auch Österreich, ist mit gewissen Ausnahmen zurzeit nicht möglich. Der Aktionsplan der Regierung umfasst neben den Einreisebeschränkungen beispielsweise auch medizinische Kontrollen an den Grenzen, eine Einschränkung der Bewegungsfreiheit, eine Verpflichtung zum Tragen von Masken an öffentlichen Orten oder die Verhängung von Quarantäne für bestimmte Personen.

Quellen:

https://www.wko.at/service/aussenwirtschaft/coronavirus-infos-armenien.html

https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/armenien-node/armeniensicherheit/201872; https://am.usembassy.gov/u-s-citizen-services/covid-19-information/

1.4.2. Zur aktuellen Lage im Irak werden folgende Feststellungen unter Heranziehung der abgekürzt zitierten und gegenüber dem Beschwerdeführer offengelegten Quellen getroffen:

Politische Lage

Armenien (arm.: Hayastan) umfasst knapp 29.800 km² und hatte im ersten Quartal 2019 eine Einwohnerzahl von 2,96 Millionen, was einen Rückgang von 0,3% zum Vergleichszeitraum des Vorjahres ausmachte (ArmStat 7.5.2019). Davon sind laut der Volkszählung von 2011 98,1% ethnische Armenier. Den Rest bilden kleinere Ethnien wie Jesiden und Russen (CIA 14.2.2019).

Armenien ist seit September 1991 eine unabhängige Republik. Die Verfassung von 2005 wurde zuletzt durch Referendum vom 6.12.2015 weitreichend geändert. Durch die Verfassungsreform wurde das semi-präsidentielle in ein parlamentarisches System umgewandelt. Das Ein-Kammer-Parlament (Nationalversammlung) hat nun 105 Mitglieder (zuvor 131) und wird alle fünf Jahre gewählt (AA 7.5.2019a). Der Premierminister und der Präsident werden vom Parlament gewählt. Der Premierminister ist der Regierungsvorsitzende, während der Präsident vorwiegend zeremonielle Funktionen ausübt (USDOS 11.3.2020).

Oppositionsführer Nikol Pashinyan wurde im Mai 2018 vom Parlament zum Premierminister gewählt, nachdem er wochenlange Massenproteste gegen die Regierungspartei angeführt und damit die politische Landschaft des Landes verändert hatte. Er hatte Druck auf die regierende Republikanische Partei durch eine beispiellose Kampagne des zivilen Ungehorsams ausgeübt, was zum schockartigen Rücktritt Serzh Sargsyans führte, der kurz zuvor das verfassungsmäßig gestärkte Amt des Premierministers übernommen hatte, nachdem er zehn Jahre lang als Präsident gedient hatte (BBC 20.12.2018).

Am 9.12.2018 fanden vorgezogene Parlamentswahlen statt, welche unter Achtung der Grundfreiheiten ein breites öffentliches Vertrauen genossen. Die offene politische Debatte, auch in den Medien, trug zu einem lebhaften Wahlkampf bei. Das generelle Fehlen von Verstößen gegen die Wahlordnung, einschließlich des Kaufs von Stimmen und des Drucks auf die Wähler, ermöglichte einen unverfälschten Wettbewerb (OSCE/ODIHR 10.12.2018). Die Allianz des amtierenden Premierministers Nikol Pashinyan unter dem Namen „Mein Schritt“ erzielte einen Erdrutschsieg und erreichte 70,4% der Stimmen. Die ehemalige mit absoluter Mehrheit regierende Republikanische Partei (HHK) erreichte nur 4,7% und verpasste die 5-Prozent-Marke, um in die 101-Sitze umfassende Nationalversammlung einzuziehen. Die Partei „Blühendes Armenien“ (BHK) des Geschäftsmannes Gagik Tsarukyan gewann 8,3%. An dritter Stelle lag die liberale, pro-westliche Partei „Leuchtendes Armenien“ unter Führung Edmon Maruyian, des einstigen Verbündeten von Pashinyan, mit 6,4% (RFE/RL 10.12.2018; vgl. ARMENPRESS 10.12.2018).

Zu den primären Zielen der Regierung unter Premierminister Pashinyan gehören die Bekämpfung der Korruption und Wirtschaftsreformen (RFL/RL 14.1.2019) sowie die Schaffung einer unabhängigen Justiz (168hours 20.7.2018).

Quellen:

•        AA – Auswärtiges Amt (7.5.2019a): Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/armenien-node/-/203090#content_0, Zugriff 7.5.2019

•        ARMENPRESS – Armenian News Agency (10.12.2018): My Step – 70.44%, Prosperous Armenia – 8.27%, Bright Armenia – 6.37%: CEC approves protocol of preliminary results of snap elections, https://armenpress.am/eng/news/957626.html, Zugriff 21.3.2019

•        ArmStat - Statistical Committee of the Repbulic of Armenia (7.5.2019): Economic and Financial Data for the Republic of Armenia, https://armstat.am/nsdp/, Zugriff 8.5.2019

•        BBC News (20.12.2018):Armenia country profile, https://www.bbc.com/news/world-europe-17398605, Zugriff 21.3.2019

•        CIA - Central Intelligence Agency (30.4.2.2019): The World Factbook, Armenia; https://www.cia.gov/library/publications/the-world-factbook/geos/am.html, Zugriff 7.5.2019

•        OSCE/ODIHR – Organization for Security and Cooperation in Europe/ Office for Democratic Institutions and Human Rights et alia (10.12.2018): Armenia, Parliamentary Elections, 2 April 2017: Statement of Preliminary Findings and Conclusions, https://www.osce.org/odihr/elections/armenia/405890?download=true, Zugriff 21.3.2019

•        RFE/RL – Radio Free Europe/ Radio Liberty (10.12.2018): Monitors Hail Armenian Vote, Call For Further Electoral Reforms, https://www.rferl.org/a/monitors-hail-armenia-s-snap-polls-call-for-further-electoral-reforms/29647816.html, 21.3.2019

•        RFE/RL – Radio Free Europe/ Radio Liberty (14.1.2019): Pashinian Reappointed Armenian PM After Securing Parliament Majority, https://www.rferl.org/a/pashinian-reappointed-armenian-pm-after-securing-parliament-majority/29708811.html, Zugriff 21.3.2019

•        USDOS – U.S. Department of State (11.3.2020): 2019 Country Report

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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