TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/15 G307 2209748-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.10.2020
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Entscheidungsdatum

15.10.2020

Norm

BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §54 Abs2
FPG §55 Abs1
VwGVG §8a Abs1
VwGVG §8a Abs2
ZPO §64 Abs1 Z1 lita
ZPO §64 Abs3

Spruch


G307 2209749-1/21E

G307 2209750-1/15E

G307 2209748-1/14E

G307 2209747-1/14E

G307 2209751-1/14E

Im namen der republik!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Markus MAYRHOLD als Einzelrichter über die Beschwerden 1. der XXXX , geb. XXXX , 2. des XXXX , geb. XXXX , 3. der XXXX , geb. XXXX , 4. des XXXX , geb. XXXX , sowie 5. des XXXX , geb. XXXX , alle StA: Kosovo, letztere 3 gesetzlich vertreten durch die Eltern, alle rechtlich vertreten durch RA Mag. Michael-Thomas REICHENVATER in 8010 Graz, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.10.2018, Zahlen XXXX , XXXX , XXXX , XXXX und XXXX

1. zu Recht erkannt:

A)

Den Beschwerden wird stattgegeben und eine Rückkehrentscheidung in Bezug auf den Herkunftsstaat Kosovo gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt.

XXXX , XXXX , XXXX und XXXX wird gemäß §§ 55 Abs. 1 iVm. 54 Abs. 2 AsylG, jeweils der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus“ für die Dauer von 12 Monaten erteilt.

XXXX wird gemäß § 55 Abs 2 iVm. 54 Abs. 2 AsylG der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung“ für die Dauer von 12 Monaten erteilt.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

2. beschlossen:

C)

Die Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe (im Umfang der Befreiung von der Entrichtung der Eingabegebühr) werden gemäß § 8a Abs. 1 und 2 VwGVG iVm. § 64 Abs. 1 Z 1 lit. a und Abs. 3 ZPO abgewiesen.

D)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Die Erstbeschwerdeführerin (im Folgenden: BF1), der Zweitbeschwerdeführer (im Folgenden: BF2), die Drittbeschwerdeführerin (im Folgenden BF3), der Viertbeschwerdeführer (im Folgenden: BF4) sowie der Fünftbeschwerdeführer (im Folgenden: BF 5), die drei Letztgenannten gesetzlich vertreten durch die BF1 und den BF2 stellten gemeinsam am 31.12.2014 Anträge auf Zuerkennung des internationalen Schutzes.

2. Mit Erkenntnissen des BVwG, W192 2109161-1/2E, -2109159-1/2E, -2109157-1/2E, -2109155-1/3E, und -2109162-1/2E, vom 22.07.2015, wurden die Anträge der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen und ausgesprochen, dass Ungarn für die Prüfung der Anträge gemäß Art 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO zuständig sei. Gleichzeitig wurde gegen die BF gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge eine Abschiebung nach Ungarn gemäß § 61 Abs. 2 FPG zulässig sei.

3. Am 12.08.2016 fand eine niederschriftliche Einvernahme der BF1 und des BF2 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) statt.

4. Mit Schriftsatz des BFA vom 27.09.2016 wurden die BF über die Einleitung eines Verfahrens zur Prüfung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme in Kenntnis gesetzt. Gleichzeitig wurden diese zur Abgabe einer Stellungnahme binnen zwei Wochen aufgefordert.

5. Mit am 27.10.2016 beim BFA eingelangtem gemeinsamen Schriftsatz gaben die BF durch ihren damaligen Rechtsvertreter (im Folgenden: RV), RA Mag. Ronald FRÜHWIRTH, eine Stellungnahme zum vorliegenden Sachverhalt ab.

6. Mit Schriftsatz des BFA vom 03.02.2017, wurden die BF ergänzend darüber in Kenntnis gesetzt, dass beabsichtigt sei auch ein Einreiseverbot gegen die BF zu erlassen. Ferner wurden die BF zur Abgabe einer Stellungnahme binnen zwei Wochen aufgefordert.

7. Mit am 21.02.2017 beim BFA eingelangtem gemeinsamen Schriftsatz gaben die BF durch ihren damaligen RV hiezu eine Stellungnahme ab.

8. Mit den am 08.03.2017, 23.03.2017 und 22.08.2017 beim BFA eingelangten Schreiben gaben die BF durch ihren damaligen RV weitere Stellungnahmen ab und legten diverse Unterlagen vor.

9. Mit den oben im Spruch angeführten Bescheiden des BFA, dem seinerzeitigen RV der BF zugestellt am 30.10.2018, wurde den BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm. § 9 BFA-VG gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt I.) gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung der BF gemäß § 46 FPG in den Kosovo zulässig sei (Spruchpunkt II.), einer Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt III. der Bescheide der BF3, des BF4 und des BF5, sowie Spruchpunkt IV. der Bescheide der BF1 und des BF2). Gegen die BF1 und den BF2 wurde zudem gemäß § 53 Abs. 1 iVm. Abs. 2 Z 6 FPG ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III. der Bescheide der BF1 und des BF2).

10. Mit per Post am 08.11.2018 beim BFA eingebrachtem, alle BF betreffenden Schreiben, erhoben diese durch ihren damaligen RV Beschwerde gegen die im Spruch genannten Bescheide an das Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG).

Darin wurden die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung, die Behebung der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung, die Erklärung einer Rückkehrentscheidung für auf Dauer als unzulässig, die Behebung des gegen die BF1 und den BF2 ausgesprochenen Einreiseverbotes sowie die Erteilung von Aufenthaltstiteln gemäß § 55 AsylG, in eventu die Zurückverweisung der Rechtssache zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde beantragt.

Zudem wurden Anträge auf Verfahrenshilfe im Umfang der Befreiung von der Entrichtung der Eingabegebühr gestellt.

11. Die Beschwerden samt Verfahrensakten wurden vom BFA dem BVwG vorgelegt, wo sie am 20.11.2018 einlangten.

12. Mit Beschlüssen des BVwG, G307 2209750-1/3Z, -2209749-1/2Z, 2209748-1/2Z, 2209747-1/2Z und -2209751-1/2Z, jeweils vom 23.11.2018, wurde den gegenständlichen Beschwerden gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

13. Mit verfahrensleitendem Beschluss des BVwG, G307 2209749-1/4Z, vom 04.11.2019, dem damaligen RV der BF1 zugestellt am 06.11.2019, wurde die BF1 darüber in Kenntnis gesetzt, dass zur Beurteilung ihres Gesundheitszustandes beabsichtigt sei, ein Sachverständigengutachten eines nichtamtlichen Sachverständigen einzuholen. Ferner wurde die BF1 zur Abgabe einer Stellungnahme aufgefordert.

14. Mit am 19.11.2019 beim BVwG eingelangtem Schriftsatz wurde durch den damaligen RV der BF vorgebracht, dass keine Einwände gegen die Bestellung des Sachverständigen erhoben werden würden. Gleichzeitig wurde das BVwG über die Auflösung des Vollmachtverhältnisses in Kenntnis gesetzt.

15. Mit Beschluss des BVwG, G307 2209749-1/6Z, vom 25.11.2019, wurde Dr. XXXX , in XXXX , in der gegenständlichen Beschwerdesache zum Sachverständigen aus dem Fachgebiet der Neurologie und Psychiatrie bestellt.

16. Mit am 23.12.2019 beim BVwG eingelangtem Schriftsatz wurde die Vollmachterteilung an den aktuellen RV, RA Mag. Michael-Thomas REICHENVATER, durch die BF bekanntgegeben und weitere Unterlagen in Vorlage gebracht.

17. Mit weiteren zwischen 03.01.2020 und 19.08.2020 beim BVwG eingebrachten Schriftsätzen der BF wurden ergänzende Unterlagen in Vorlage gebracht und nochmals Stellungnahmen erstattet.

18. Am 04.08.2020 fand eine mündliche Verhandlung vor dem BVwG, Außenstelle statt, an welcher die BF, deren RV sowie zwei weitere gemeinsame Töchter der BF1 und des BF2 XXXX , geb. XXXX und XXXX , geb. XXXX , beide StA: Kosovo, (im Folgenden: weitere Töchter) teilnahmen. Zudem wurde eine Bekannte der BF als Zeugin gehört.

Die belangte Behörde wurde ebenfalls geladen und nahm ein Vertreter derselben an der Verhandlung teil.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Die BF führen die im Spruch angeführten Identitäten (Name und Geburtsdatum) und sind Staatsangehörige von Kosovo.

1.2. BF1 und der BF2 sind miteinander verheiratet und zugleich Eltern der BF3, des BF4 und des BF5.

1.3. Die BF reisten gemeinsam mit zwei weiteren, damals noch minderjährigen, gemeinsamen Töchtern der BF1 und des BF2, XXXX , geb. XXXX und XXXX , geb. XXXX , beide StA: Kosovo, im Dezember 2014, ins Bundesgebiet ein, wo sie am 30.12.2014 allesamt Anträge auf Erteilung des internationalen Schutzes stellten.

1.4. Die besagten Anträge der BF sowie der weiteren gemeinsamen Töchter der BF1 und des BF2 wurden mit Erkenntnissen des BVwG, GZ.: W192 2109161-1/2E, -2109159-1/2E, -2109154-1/2E, -2109151-1/2E, -2109157-1/2E, -2109155-1/3E, und -2109162-1/2E, jeweils vom 22.07.2015 gemäß § 5 Abs. 1 AsylG als unzulässig zurückgewiesen. Zudem wurde ausgesprochen, dass Ungarn für die Prüfung der Anträge gemäß Art 18 Abs. 1 lit. b Dublin III-VO zuständig sei. Ferner wurde gegen die BF und die besagten weiteren Töchter der BF1 und des BF2 gemäß § 61 Abs. 1 FPG die Außerlandesbringung angeordnet und festgestellt, dass demzufolge eine Abschiebung nach Ungarn gemäß § 61 ABS. 2 FPG zulässig sei.

1.5. Am 07.08.2015 wurde seitens des BFA ein Abschiebeauftrag erlassen, um die BF am letzten Tag der Überstellungsfrist, dem XXXX .2015, nach Ungarn zu überstellen.

1.6. Aufgrund des seinerzeitigen stationären Aufenthalts der BF1 konnte die Überstellung der BF nach Ungarn nicht erfolgen und verblieben die BF in weiterer Folge im Bundesgebiet.

1.7. Die BF wohnen gemeinsam mit den beiden weiteren Töchtern der BF1 und des BF2 im gemeinsamen Haushalt in Österreich.

Darüber hinaus verfügen die BF über keine berücksichtigungswürdigen familiären Bezugspunkte in Österreich.

1.8. BF1 hat im Herkunftsstaat die Schule besucht, maturiert, den Beruf der Friseurin erlernt und als solche gearbeitet.

BF2 hat im Herkunftsstaat ebenfalls die Schule besucht, die Reifeprüfung abgelegt und den Beruf des Elektrotechnikers erlernt, welchen er auch jahrelang ausgeübt hat.

1.9. BF2, die BF3 und der BF5 sind gesund und BF2 zudem arbeitsfähig.

1.10. BF1 leidet an einer Anpassungsstörung in der Form einer länger depressiven Reaktion (R43.21) bei Problemen mit Bezug auf die Lebensbewältigung (Z73.9) im Rahmen einer Cluster B Persönlichkeit (F60.4) und befindet sich in regelmäßiger ärztlicher und medikamentöser Behandlung.

Von XXXX .2016 bis XXXX .2016 und von XXXX .2017 bis XXXX .2017 musste BF1 stationär in einer psychiatrischen Einrichtung behandelt werden.

BF4 erlitt am XXXX .2020 einen generalisierten Krampfanfall (G40.9) und musste deswegen von XXXX .2020 bis XXXX .2020 stationär behandelt werden. Zudem weist BF4 die sein Herz betreffenden Krankheitsbilder Ebstein-Anomalie der Trikuspidalklappe, einer geringen Trikuspidalklappeninsuffizienz (RV/RA-Gradient 18 mmHg) sowie ASD II (Vorhofseptumdefekt) auf. BF4 darf aufgrund seiner Erkrankung keine gefährlichen Sportarten ausführen und muss bei allen unfallträchtigen Tätigkeiten, wie Fahrradfahren und Schwimmen, beaufsichtigt werden.

1.11. BF1 und die BF2 gehen keiner Erwerbstätigkeit in Österreich nach, sondern leben die BF überwiegend von Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung.

1.12. BF3 besucht das XXXX in XXXX , weist einen guten Schulerfolg auf und strebt in weiterer Folge ein Lehramtsstudium in Österreich an.

BF4 besucht die technische Bundeslehr- und Versuchsanstalt XXXX , mit dem Zweig Bautechnik mit Betriebspraxis (3,5jährig) und bis dato positivem schulischen Erfolg.

BF5 besuchte die Neue Mittelschule XXXX mit positivem Schulerfolg und absolviert aktuell ein Abendgymnasium in XXXX . Zudem ist BF5 Mitglied im Sportverein XXXX und wird in diversen Fußball-Nachwuchsmannschaften als Spieler eingesetzt.

1.13. Die BF verfügen über ein großes soziales Netzwerk in Österreich und wird deren Verbleib in Österreich von einer Vielzahl von in Österreich lebenden Personen unterstützt.

1.14. BF1 sowie BF2 sind jeweils im Besitz von Einstellungszusagen; BF1 in Bezug auf eine Teilzeitbeschäftigung bei der Fa. XXXX , in XXXX für ein monatliches Bruttoentgelt von € 530,00 und BF2 in Bezug auf eine Vollzeitbeschäftigung wahlweise bei der Fa. XXXX in XXXX , für ein monatliches Bruttoentgelt von € 1.500,00 und bei der Fa. XXXX in XXXX , für eine kollektivvertragliche Entlohnung.

1.15. Im Herkunftsstaat halten sich Schwestern der BF1 auf, zu denen sie weiter Kontakt hält.

1.16. Die BF erweisen sich in strafgerichtlicher Hinsicht als unbescholten.

1.17. Kosovo gilt als sicher Herkunftsstaat.

1.18. BF1 ist der deutschen Sprache des Niveaus „A1“ mächtig und engagieren sich die BF in ihrer Kirchengemeinde sowie Wohnsitzgemeinde ehrenamtlich. BF2 hat die Integrationsprüfung des Niveaus „A2“ am 29.01.2020 positiv abgelegt.

1.19. Die BF sowie die beiden weiteren Töchter von BF1 und BF2 sind nicht im Besitz von Aufenthaltstiteln in Österreich.

1.20. Die BF haben keine konkreten Auskünfte zu ihren finanziellen Verhältnissen erteilt bzw. keine Vermögensaufstellung vorgelegt und werden die Kosten für ihre Rechtsvertretung von einem Bruder des BF2 übernommen.

2. Beweiswürdigung

2.1.Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

2.2. Die oben getroffenen Feststellungen beruhen auf den Ergebnissen des vom erkennenden Gericht auf Grund der vorliegenden Akten und abgehaltenen mündlichen Verhandlung durchgeführten Ermittlungsverfahrens und werden in freier Beweiswürdigung der gegenständlichen Entscheidung als maßgeblicher Sachverhalt zugrunde gelegt:

Insofern oben Feststellungen zu den Identitäten der BF (Namen und Geburtsdaten), deren Staatsangehörigkeit, Familienstand des BF1 und der BF2, den verwandtschaftlichen Verhältnissen der BF zueinander, seinerzeitiger Erlassung eines Abschiebeauftrages durch das BFA, Abstandnahme von einer Abschiebung der BF wegen der stationären Behandlung der BF1, Verbleib der BF im Bundesgebiet, den beiden weiteren Töchtern der BF1 und des BF2 sowie Fehlen sonstiger berücksichtigungswürdiger familiärer Bezugspunkte in Österreich getroffen wurden, beruhen diese auf den jeweiligen Feststellungen in den angefochtenen Bescheiden, denen weder in der gegenständlichen Beschwerde noch in der mündlichen Verhandlung und den Stellungnahmen – substantiiert – entgegengetreten wurde.

Die Einreise der BF gemeinsam mit zwei weiteren gemeinsamen Töchtern der BF1 und des BF2 sowie deren Antragstellung auf Gewährung internationalen Schutzes samt der Zurückweisung deren Anträge, die Feststellung der Zuständigkeit Ungarns und die Erklärung der Zulässigkeit der Außerlandesbringung derselben beruhen auf einer Ausfertigung der oben zitierten Erkenntnisse des BVwG vom jeweils 22.07.2015.

Der fehlende Besitz von Aufenthaltstiteln konnte durch Abfrage des Zentralen Fremdenregisters ermittelt werden und lässt sich die gemeinsame Haushaltsführung der BF mit den beiden weiteren Töchtern der BF1 und des BF2 dem Inhalt der auf die BF lautenden Auszüge aus dem Zentralen Melderegister (ZMR) entnehmen.

Schulbesuch, Berufsausbildung sowie die Erwerbstätigkeit von BF1 im Herkunftsstaat beruhen auf deren konkreten Angaben in der mündlichen Verhandlung. Den schlüssigen Angaben von BF2 wiederum folgen zudem die Feststellungen zu dessen Schulbesuch, Berufsausbildung und Erwerbstätigkeit im Kosovo.

Die Gesundheitszustände des BF2, der BF3 und des BF5 erschließen sich aus den Ausführungen der BF1, des BF2 und der BF3 in der mündlichen Verhandlung. Die oben festgestellten Krankheitsbilder der BF1 wiederum ergeben sich aus einem vom BVwG in Auftrag gegebenen Sachverständigen Gutachten des Dr. XXXX , Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, vom XXXX .2020. (siehe G307 2209749-1 (im Folgenden Akt BF1) OZ 10). Dem Vorbringen der BF1 in der mündlichen Verhandlung, welches durch ärztliche Befunde des Dr. XXXX vom XXXX .2019 (siehe Akt BF1 OZ 18) und XXXX .2020 (siehe Akt BF1 OZ 17) gestützt wird, kann zudem entnommen werden, dass diese in regelmäßiger ärztlicher und medikamentöser Behandlung steht.

Die gesundheitlichen Einschränkungen des BF4 ergeben sich ferner aus in Vorlage gebrachten medizinischen Unterlagen, welchen auch die stationäre Behandlung des BF4 entnommen werden kann (siehe Akt BF1 OZ 20). Aus diesen geht auch hervor, dass BF4 Tätigkeiten, die ein gewisses Verletzungspotential aufweisen, entweder unterlassenen soll oder bei diesen beaufsichtigt werden muss.

Die BF brachten Ablichtungen der oben erwähnten Einstellungszusagen in Vorlage, denen auch das jeweilige Ausmaß der Beschäftigung sowie die Entlohnung derselben entnommen werden können (siehe Akt BF1 OZ 18; G307 2209750-1 (im Folgenden AKT BF2) OZ 12).

Die Arbeitsfähigkeit des BF1 erschließt sich aus dessen Gesundheitszustand sowie den in Vorlage gebrachten Einstellungszusagen, zumal der Wille eine Beschäftigung aufzunehmen, eine dementsprechende Erwerbsfähigkeit voraussetzt.

Die Erwerbslosigkeit der BF ergibt sich aus dem Inhalt ihres jeweiligen Sozialversicherungsauszuges und ließ sich durch Einsichtnahme in das GVS-Informationsprogramm der Republik Österreich der Bezug von Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung ermitteln.

Die jeweiligen Schulbesuche von BF3 bis BF5 ergeben sich ferner aus in Vorlage gebrachte Ablichtungen ihrer Schulzeugnisse (siehe Akt BF1 OZ 17) und beruht der weitere Bildungswunsch der BF3 auf ihren eigenen Angaben in der mündlichen Verhandlung. Der positive Schulerfolg lässt sich ebenfalls aus den besagten Zeugnisablichtungen der erwähnten BF insofern entnehmen, als diese in allen Schulfächern eine positive Benotung aufweisen.

Die Mitgliedschaft des BF5 beim Sportverein XXXX sowie dessen Spielereinsatz in diversen Nachwuchsmannschaften desselben Vereins vermochte er durch die Vorlage einer Bestätigung des genannten Vereins nachzuweisen (siehe Akt BF1 OZ 18).

Ferner brachten die BF Bestätigungen über ihre ehrenamtlichen Tätigkeiten in der Wohn- und Kirchengemeinde in Vorlage (siehe Akt BF1 OZ 18; Akt BF2 OZ 12)

Das Bestehen eines großen sozialen Netzwerkes sowie der Einsatz einer größeren Anzahl an Personen für einen Verbleib der BF in Österreich wurde seitens der BF in der mündlichen Verhandlung zum einen konkret behauptet und zum anderen durch Unterschriftenlisten zudem untermauert (sehe Akt BF1 OZ 8; Akt BF2 OZ 6).

Die familiären Bezugspunkte der BF1 im Kosovo folgen deren konkreten Angaben in der mündlichen Verhandlung und wurden die jeweiligen Deutschkenntnisse der BF1 und des BF2 sowie die positive Absolvierung der Integrationsprüfung durch Vorlage entsprechender Bestätigungen belegt (siehe Akt BF1 OZ 17; Akt BF2 OZ 8).

Die strafgerichtliche Unbescholtenheit der BF folgt dem Amtswissen des erkennenden Gerichtes durch Einsichtnahme in das Strafregister der Republik Österreich und ergibt sich die Einstufung der Republik Kosovo als sicherer Herkunftsstaat aus § 1 Z 2 HStV.

Ferner wurden bis dato von den BF keine konkreten Angaben zu ihren konkreten finanziellen Verhältnissen gemacht und auch kein Vermögenbekenntnis vorgelegt, sondern bloß das Bestehen prekärer finanzieller Verhältnisse behauptet. Zudem gestand BF1 in der mündlichen Verhandlung ein, dass ein Bruder des BF2 BF für die Kosten des RV der BF aufkomme.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zur Stattgabe der Beschwerde:

3.1.1.  Gemäß § 2 Abs. 4 Z 1 FPG gilt als Fremder, wer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt, und gemäß Abs. 4 Z 10 leg cit, jeder Fremder der nicht EWR-Bürger oder Schweizer Bürger ist, als Drittstaatsangehöriger.

Die BF als Staatsangehörige von Kosovo sind sohin Drittstaatsangehörige iSd. § 2 Abs. 4 Z 10 FPG.

3.1.2. Gemäß § 31 Abs. 1 FPG halten sich Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet auf, wenn sie rechtmäßig eingereist sind und während des Aufenthaltes im Bundesgebiet die Befristung oder Bedingungen des Einreisetitels oder des visumfreien Aufenthaltes oder die durch zwischenstaatliche Vereinbarungen, Bundesgesetz oder Verordnung bestimmte Aufenthaltsdauer nicht überschritten haben (Z 1), oder sie auf Grund einer Aufenthaltsberechtigung oder eine Dokumentation des Aufenthaltsrechtes nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz zur Niederlassung oder zum Aufenthalt oder aufgrund einer Verordnung für Vertriebene zum Aufenthalt berechtigt sind (Z 2).

Der mit „Aufenthaltsrecht“ betitelte § 13 AsylG lautet:

„§ 13. (1) Ein Asylwerber, dessen Asylverfahren zugelassen ist, ist bis zur Erlassung einer durchsetzbaren Entscheidung, bis zur Einstellung oder Gegenstandslosigkeit des Verfahrens oder bis zum Verlust des Aufenthaltsrechtes (Abs. 2) zum Aufenthalt im Bundesgebiet berechtigt. Ein auf Grund anderer Bundesgesetze bestehendes Aufenthaltsrecht bleibt unberührt.

(2) Ein Asylwerber verliert sein Recht zum Aufenthalt im Bundesgebiet, wenn

1.       dieser straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3),

2.       gegen den Asylwerber wegen einer gerichtlich strafbaren Handlung, die nur vorsätzlich begangen werden kann, eine Anklage durch die Staatsanwaltschaft eingebracht worden ist,

3.       gegen den Asylwerber Untersuchungshaft verhängt wurde (§§ 173 ff StPO, BGBl. Nr. 631/1975) oder

4.       der Asylwerber bei der Begehung eines Verbrechens (§ 17 StGB) auf frischer Tat betreten worden ist.

Der Verlust des Aufenthaltsrechtes ist dem Asylwerber mit Verfahrensanordnung (§ 7 Abs. 1 VwGVG) mitzuteilen. Wird ein Asylwerber in den Fällen der Z 2 bis 4 freigesprochen, tritt die Staatsanwaltschaft von der Verfolgung der Straftat zurück (§§ 198 ff StPO) oder wird das Strafverfahren eingestellt, lebt sein Aufenthaltsrecht rückwirkend mit dem Tage des Verlustes wieder auf.

(3) Hat ein Asylwerber sein Recht auf Aufenthalt im Bundesgebiet gemäß Abs. 2 verloren, kommt ihm faktischer Abschiebeschutz (§ 12) zu.

(4) Das Bundesamt hat im verfahrensabschließenden Bescheid über den Verlust des Aufenthaltsrechtes eines Asylwerbers abzusprechen.“

Die BF fallen nicht in den Anwendungsbereich des 6. Hauptstückes des FPG.

Die BF sind nicht im Besitz eines zum Aufenthalt in Österreich berechtigenden Rechtstitels und sind kosovarische Staatsbürger gemäß Art 3 Abs. 1 iVm. Anlage I der Verordnung (EU) Nr. 2018/1806, vom 14.11.2018 nach wie vor (siehe alte Rechtslage: Art 1 Abs. 2 iVm. Anlage I der Verordnung (EG) Nr. 539/2011, vom 15.03.2011, idF. VO (EU) Nr. 509/2014, vom 22.05.2014) nicht von der Visumpflicht befreit. Ferner wurde ihr seinerzeitiger Antrag auf Zuerkennung des internationalen Schutzes mangels Zuständigkeit der Republik Österreich als unzulässig zurückgewiesen.

Der Aufenthalt der BF in Österreich erweist sich sohin als unrechtmäßig.

3.1.3. Der mit „Rückkehrentscheidung“ betitelte § 52 FPG lautet:

„§ 52. (1) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich
1.         nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält oder
2.         nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde.

(2) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem (§ 10 AsylG 2005) mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn
1.         dessen Antrag auf internationalen Schutz wegen Drittstaatsicherheit zurückgewiesen wird,
2.         dessen Antrag auf internationalen Schutz sowohl bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten als auch der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abgewiesen wird,
3.         ihm der Status des Asylberechtigten aberkannt wird, ohne dass es zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten kommt oder
4.         ihm der Status des subsidiär Schutzberechtigten aberkannt wird

und ihm kein Aufenthaltsrecht nach anderen Bundesgesetzen zukommt. Dies gilt nicht für begünstigte Drittstaatsangehörige.

(3) Gegen einen Drittstaatsangehörigen hat das Bundesamt unter einem mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn dessen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß §§ 55, 56 oder 57 AsylG 2005 zurück- oder abgewiesen wird.

(4) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der sich rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält, hat das Bundesamt mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn
1.         nachträglich ein Versagungsgrund gemäß § 60 AsylG 2005 oder § 11 Abs. 1 und 2 NAG eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Aufenthaltstitels entgegengestanden wäre,
1a.         nachträglich ein Versagungsgrund eintritt oder bekannt wird, der der Erteilung des zuletzt erteilten Einreisetitels entgegengestanden wäre oder eine Voraussetzung gemäß § 31 Abs. 1 wegfällt, die für die erlaubte visumfreie Einreise oder den rechtmäßigen Aufenthalt erforderlich ist,
2.         ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht und im ersten Jahr seiner Niederlassung mehr als vier Monate keiner erlaubten unselbständigen Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,
3.         ihm ein Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 oder 2 NAG erteilt wurde, er länger als ein Jahr aber kürzer als fünf Jahre im Bundesgebiet niedergelassen ist und während der Dauer eines Jahres nahezu ununterbrochen keiner erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen ist,
4.         der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund (§ 11 Abs. 1 und 2 NAG) entgegensteht oder
5.         das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, aus Gründen, die ausschließlich vom Drittstaatsangehörigen zu vertreten sind, nicht rechtzeitig erfüllt wurde.

Werden der Behörde nach dem NAG Tatsachen bekannt, die eine Rückkehrentscheidung rechtfertigen, so ist diese verpflichtet dem Bundesamt diese unter Anschluss der relevanten Unterlagen mitzuteilen. Im Fall des Verlängerungsverfahrens gemäß § 24 NAG hat das Bundesamt nur all jene Umstände zu würdigen, die der Drittstaatsangehörige im Rahmen eines solchen Verfahrens bei der Behörde nach dem NAG bereits hätte nachweisen können und müssen.

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes auf Dauer rechtmäßig niedergelassen war und über einen Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt – EU“ verfügt, hat das Bundesamt eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 die Annahme rechtfertigen, dass dessen weiterer Aufenthalt eine gegenwärtige, hinreichend schwere Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit darstellen würde.

(6) Ist ein nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältiger Drittstaatsangehöriger im Besitz eines Aufenthaltstitels oder einer sonstigen Aufenthaltsberechtigung eines anderen Mitgliedstaates, hat er sich unverzüglich in das Hoheitsgebiet dieses Staates zu begeben. Dies hat der Drittstaatsangehörige nachzuweisen. Kommt er seiner Ausreiseverpflichtung nicht nach oder ist seine sofortige Ausreise aus dem Bundesgebiet aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich, ist eine Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 zu erlassen.

(7) Von der Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß Abs. 1 ist abzusehen, wenn ein Fall des § 45 Abs. 1 vorliegt und ein Rückübernahmeabkommen mit jenem Mitgliedstaat besteht, in den der Drittstaatsangehörige zurückgeschoben werden soll.

(8) Die Rückkehrentscheidung wird im Fall des § 16 Abs. 4 BFA-VG oder mit Eintritt der Rechtskraft durchsetzbar und verpflichtet den Drittstaatsangehörigen zur unverzüglichen Ausreise in dessen Herkunftsstaat, ein Transitland gemäß unionsrechtlichen oder bilateralen Rückübernahmeabkommen oder anderen Vereinbarungen oder einen anderen Drittstaat, sofern ihm eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht eingeräumt wurde. Liegt ein Fall des § 55a vor, so wird die Rückkehrentscheidung mit dem Ablauf der Frist für die freiwillige Ausreise durchsetzbar. Im Falle einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung ist § 28 Abs. 2 Bundesgesetz über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG), BGBl. I Nr. 33/2013 auch dann anzuwenden, wenn er sich zum Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung nicht mehr im Bundesgebiet aufhält.

(9) Mit der Rückkehrentscheidung ist gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

(10) Die Abschiebung eines Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 kann auch über andere als in Abs. 9 festgestellte Staaten erfolgen.

(11) Der Umstand, dass in einem Verfahren zur Erlassung einer Rückkehrentscheidung deren Unzulässigkeit gemäß § 9 Abs. 3 BFA-VG festgestellt wurde, hindert nicht daran, im Rahmen eines weiteren Verfahrens zur Erlassung einer solchen Entscheidung neuerlich eine Abwägung gemäß § 9 Abs. 1 BFA-VG vorzunehmen, wenn der Fremde in der Zwischenzeit wieder ein Verhalten gesetzt hat, das die Erlassung einer Rückkehrentscheidung rechtfertigen würde.“

Der mit „Aufenthaltstitel aus Gründen des Art 8 EMRK“ betitelte § 55 ASylG lautet:

„§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ zu erteilen, wenn

1.       dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2.       der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955) erreicht wird.

(2) Liegt nur die Voraussetzung des Abs. 1 Z 1 vor, ist eine „Aufenthaltsberechtigung“ zu erteilen.“

Der mit „Schutz des Privat- und Familienlebens“ betitelte § 9 BFA-VG lautet:

„§ 9. (1) Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist.

(2) Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind insbesondere zu berücksichtigen:

1.       die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war,

2.       das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens,

3.       die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

4.       der Grad der Integration,

5.       die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden,

6.       die strafgerichtliche Unbescholtenheit,

7.       Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts,

8.       die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren,

9.       die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist.

(3) Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005) verfügen, unzulässig wäre.

(Anm.: Abs. 4 aufgehoben durch Art. 4 Z 5, BGBl. I Nr. 56/2018)

(5) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf mangels eigener Mittel zu seinem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes, mangels eigener Unterkunft oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft eine Rückkehrentscheidung gemäß §§ 52 Abs. 4 iVm 53 FPG nicht erlassen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn der Drittstaatsangehörige glaubhaft macht, die Mittel zu seinem Unterhalt und seinen Krankenversicherungsschutz durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern oder eine andere eigene Unterkunft beizubringen, und dies nicht aussichtslos scheint.

(6) Gegen einen Drittstaatsangehörigen, der vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war, darf eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 4 FPG nur mehr erlassen werden, wenn die Voraussetzungen gemäß § 53 Abs. 3 FPG vorliegen. § 73 Strafgesetzbuch (StGB), BGBl. Nr. 60/1974 gilt.“

3.1.4.  Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich:

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jede Person Anspruch auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihres Briefverkehrs.

Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit ein Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Bei der Setzung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, wie sie eine Ausweisung eines Fremden darstellt, kann ein ungerechtfertigter Eingriff in das Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens des Fremden iSd. Art. 8 Abs. 1 EMRK vorliegen. Daher muss überprüft werden, ob die Ausweisung einen Eingriff und in weiterer Folge eine Verletzung des Privat- und/oder Familienlebens des Fremden darstellt:

Die Zulässigkeit einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme, insbesondere die gegenständlichen Rückkehrentscheidung, setzt nach § 9 Abs. 1 BFA-VG unter dem dort genannten Gesichtspunkt eines Eingriffs in das Privat- und/oder Familienleben voraus, dass ihre Erlassung zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist (vgl. VwGH vom 12.11.2015, Zl. Ra 2015/21/0101).

Zu den in der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) zu Art. 8 EMRK entwickelten Grundsätzen zählt unter anderem, dass das durch Art. 8 EMRK gewährleistete Recht auf Achtung des Familienlebens, das Vorhandensein einer „Familie“ voraussetzt. Der Begriff des „Familienlebens“ in Art. 8 EMRK umfasst nicht nur die Kernfamilie von Eltern und (minderjährigen) Kindern bzw. von verheirateten Ehegatten, sondern auch andere nahe verwandtschaftliche Beziehungen, sofern diese Beziehungen eine hinreichende Intensität für die Annahme einer familiären Beziehung iSd. Art. 8 EMRK erreichen. Der EGMR unterscheidet in seiner Rechtsprechung nicht zwischen einer ehelichen Familie (sog. „legitimate family“ bzw. „famille légitime“) oder einer unehelichen Familie („illegitimate family“ bzw. „famille naturelle“), sondern stellt auf das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens ab (siehe EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 454; 18.12.1986, Johnston u.a., EuGRZ 1987, 313; 26.05.1994, Keegan, EuGRZ 1995, 113; 12.07.2001 [GK], K. u. T., Zl. 25702/94; 20.01.2009, ?erife Yi?it, Zl. 03976/05). Als Kriterien für die Beurteilung, ob eine Beziehung im Einzelfall einem Familienleben iSd. Art. 8 EMRK entspricht, kommen tatsächliche Anhaltspunkte in Frage, wie etwa das Vorliegen eines gemeinsamen Haushaltes, die Art und die Dauer der Beziehung sowie das Interesse und die Bindung der Partner aneinander, etwa durch gemeinsame Kinder, oder andere Umstände, wie etwa die Gewährung von Unterhaltsleistungen (EGMR 22.04.1997, X., Y. und Z., Zl. 21830/93; 22.12.2004, Merger u. Cros, Zl. 68864/01). So verlangt der EGMR auch das Vorliegen besonderer Elemente der Abhängigkeit, die über die übliche emotionale Bindung hinausgeht (siehe Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention3 [2008] 197 ff.). In der bisherigen Spruchpraxis des EGMR wurden als unter dem Blickwinkel des Art. 8 EMRK zu schützende Beziehungen bereits solche zwischen Enkel und Großeltern (EGMR 13.06.1979, Marckx, EuGRZ 1979, 458; auch EKMR 07.12.1981, B 9071/80, X-Schweiz, EuGRZ 1983, 19), zwischen Geschwistern (EKMR 14.03.1980, B 8986/80, EuGRZ 1982, 311) und zwischen Onkel bzw. Tante und Neffen bzw. Nichten (EKMR 19.07.1968, 3110/67, Yb 11, 494 (518); EKMR 28.02.1979, 7912/77, EuGRZ 1981/118; EKMR 05.07.1979, B 8353/78, EuGRZ 1981, 120) anerkannt, sofern eine gewisse Beziehungsintensität vorliegt (vgl. Baumgartner, ÖJZ 1998, 761; Rosenmayer, ZfV 1988, 1). Das Kriterium einer gewissen Beziehungsintensität wurde von der Europäischen Kommission für Menschenrechte auch für die Beziehung zwischen Eltern und erwachsenen Kindern gefordert (EKMR 06.10.1981, B 9202/80, EuGRZ 1983, 215).

Wie der Verfassungsgerichtshof (VfGH) bereits in zwei Erkenntnissen vom 29.09.2007, Zl. B 328/07 und Zl. B 1150/07, dargelegt hat, sind die Behörden stets dazu verpflichtet, das öffentliche Interesse an der Aufenthaltsbeendigung gegen die persönlichen Interessen des Fremden an einem weiteren Verbleib in Österreich am Maßstab des Art. 8 EMRK abzuwägen, wenn sie eine Ausweisung verfügt. In den zitierten Entscheidungen wurden vom VfGH auch unterschiedliche – in der Judikatur des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) fallbezogen entwickelte – Kriterien aufgezeigt, die in jedem Einzelfall bei Vornahme einer solchen Interessenabwägung zu beachten sind und als Ergebnis einer Gesamtbetrachtung dazu führen können, dass Art. 8 EMRK einer Ausweisung entgegensteht:

•        die Aufenthaltsdauer, die vom EGMR an keine fixen zeitlichen Vorgaben geknüpft wird (EGMR 31.01.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Zl. 50435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 16.09.2004, Ghiban, Zl. 11103/03, NVwZ 2005, 1046),

•        das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (EGMR 28.05.1985, Abdulaziz ua., Zl. 9214/80, 9473/81, 9474/81, EuGRZ 1985, 567; 20.06.2002, Al-Nashif, Zl. 50963/99, ÖJZ 2003, 344; 22.04.1997, X, Y und Z, Zl. 21830/93, ÖJZ 1998, 271) und dessen Intensität (EGMR 02.08.2001, Boultif, Zl. 54273/00),

•        die Schutzwürdigkeit des Privatlebens,

•        den Grad der Integration des Fremden, der sich in intensiven Bindungen zu Verwandten und Freunden, der Selbsterhaltungsfähigkeit, der Schulausbildung, der Berufsausbildung, der Teilnahme am sozialen Leben, der Beschäftigung und ähnlichen Umständen manifestiert (vgl. EGMR 04.10.2001, Adam, Zl. 43359/98, EuGRZ 2002, 582; 09.10.2003, Slivenko, Zl. 48321/99, EuGRZ 2006, 560; 16.06.2005, Sisojeva, Zl. 60654/00, EuGRZ 2006, 554; vgl. auch VwGH 05.07.2005, Zl. 2004/21/0124; 11.10.2005, Zl. 2002/21/0124),

•        die Bindungen zum Heimatstaat,

•        die strafgerichtliche Unbescholtenheit, aber auch Verstöße gegen das Einwanderungsrecht und Erfordernisse der öffentlichen Ordnung (vgl. zB EGMR 24.11.1998, Mitchell, Zl. 40447/98; 11.04.2006, Useinov, Zl. 61292/00), sowie

•        auch die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (EGMR 24.11.1998, Mitchell, Zl. 40447/98; 05.09.2000, Solomon, Zl. 44328/98; 31.01.2006, Rodrigues da Silva und Hoogkamer, Zl. 50435/99, ÖJZ 2006, 738 = EuGRZ 2006, 562; 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07).

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) sind die Staaten im Hinblick auf das internationale Recht und ihre vertraglichen Verpflichtungen befugt, die Einreise, den Aufenthalt und die Ausweisung von Fremden zu überwachen (EGMR 28.05.1985, Abdulaziz ua., Zl. 9214/80 ua, EuGRZ 1985, 567; 21.10.1997, Boujlifa, Zl. 25404/94; 18.10.2006, Üner, Zl. 46410/99; 23.06.2008 [GK], Maslov, 1638/03; 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07). Die EMRK garantiert Ausländern kein Recht auf Einreise, Aufenthalt und Einbürgerung in einem bestimmten Staat (EGMR 02.08.2001, Boultif, Zl. 54273/00; 28.06.2011, Nunez, Zl. 55597/09).

Hinsichtlich der Rechtfertigung eines Eingriffs in die nach Art. 8 EMRK garantierten Rechte muss der Staat ein Gleichgewicht zwischen den Interessen des Einzelnen und jenen der Gesellschaft schaffen, wobei er in beiden Fällen einen gewissen Ermessensspielraum hat. Art. 8 EMRK begründet keine generelle Verpflichtung für den Staat, Einwanderer in seinem Territorium zu akzeptieren und Familienzusammenführungen zuzulassen. Jedoch hängt in Fällen, die sowohl Familienleben als auch Einwanderung betreffen, die staatliche Verpflichtung, Familienangehörigen von ihm Staat Ansässigen Aufenthalt zu gewähren, von der jeweiligen Situation der Betroffenen und dem Allgemeininteresse ab. Von Bedeutung sind dabei das Ausmaß des Eingriffs in das Familienleben, der Umfang der Beziehungen zum Konventionsstaat, weiters ob im Ursprungsstaat unüberwindbare Hindernisse für das Familienleben bestehen, sowie ob Gründe der Einwanderungskontrolle oder Erwägungen zum Schutz der öffentlichen Ordnung für eine Ausweisung sprechen. War ein Fortbestehen des Familienlebens im Gastland bereits bei dessen Begründung wegen des fremdenrechtlichen Status einer der betroffenen Personen ungewiss und dies den Familienmitgliedern bewusst, kann eine Ausweisung nur in Ausnahmefällen eine Verletzung von Art. 8 EMRK bedeuten (EGMR 31.07.2008, Omoregie ua., Zl. 265/07, mwN; 28.06.2011, Nunez, Zl. 55597/09; 03.11.2011, Arvelo Aponte, Zl. 28770/05; 14.02.2012, Antwi u.a., Zl. 26940/10).

Das "Kindeswohl" ist bei der Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG 2014 zu berücksichtigen (Hinweis B 30. Juni 2015, Ra 2015/21/0059 bis 0062; E 22. November 2012, 2011/23/0451; E 12. September 2012, 2012/23/0017 E VfGH 12. Oktober 2016, E 1349/2016). (vgl. VwGH 31.08.2017, Ro 2017/21/0012)

Eine Rückkehrentscheidung, die zwangsläufig zu einer Trennung eines Kleinkindes von Mutter oder Vater (die in Lebensgemeinschaft leben) führt, stellt in jedem Fall eine maßgebliche Beeinträchtigung des Kindeswohls dar. Kontakte der Mutter zu ihrem Lebensgefährten über Telefon oder E-Mail können das nicht wettmachen (vgl. VfGH 19.6.2015, E 426/2015, und VfGH 26.6.2018, E 1791/2018). (vgl. VwGH 25.09.2018, Ra 2018/21/0108)

Laut VfGH seien die Auswirkungen der Entscheidung und die Konsequenzen einer Außerlandesbringung des Beschwerdeführers auf das Familienleben und auf das Kindeswohl der Kinder zu erörtern. Das Kindeswohl und die Auswirkungen der Aufenthaltsbeendigung auf die Eltern-Kind-Beziehung haben Erwähnung zu finden, und seien aufgrund einer grundrechtlichen Verpflichtung, die Auswirkungen einer Aufenthaltsbeendigung auf die Beziehung des Beschwerdeführers zu seinem Kind und das Kindeswohl zu ermitteln. (vgl. VfGH 24.09.2018, E1416/2018)

3.1.5. BF1 ist mit BF2 verheiratet und sind diese leibliche Eltern von BF3 bis BF5. Sie leben allesamt miteinander im gemeinsamen Haushalt im Bundesgebiet. BF1 und BF2 sind im Besitz von Einstellungszusagen und besuchen BF3 bis BF5 erfolgreich die Schule in Österreich. Zudem haben BF1 und BF2 Anstrengungen hinsichtlich des Erlernens der deutschen Sprache getätigt und benötigt BF4, aber auch BF1 aufgrund ihrer Erkrankungen mehr familiäre Zuwendung. Darüber hinaus ist der BF5 Mitglied in einem Sportverein, pflegen die BF intensive soziale Kontakte in Österreich und sind die BF allesamt ehrenamtlich im Bundesgebiet tätig.

Demzufolge ist jedenfalls vom Vorliegen eines Privat- und Familienlebens iSd. Art 8 EMRK in Österreich auszugehen.

Hinzu kommt, dass sich die BF mittlerweile seit 5 Jahren und 10 Monaten durchgehend im Bundesgebiet aufhalten. Die BF, insbesondere BF3 bis BF5 haben – wie ihre positiven Schulleistungen zeigen – die Zeit ihres Aufenthaltes in Österreich zur Integration genutzt und sich neben der Begründung sozialer Kontakte, Bemühungen die deutsche Sprache zu erlernen und eine Schulausbildung zu absolvieren, ehrenamtlich engagiert. Zudem haben sowohl BF1 als auch BF2 ihren Willen, ein selbstfinanziertes Leben führen zu wollen und ihre diesbezüglichen Bemühungen eine Einstellung zu erhalten, durch die Vorlage von Einstellungszusagen untermauert.

Zwar erweist sich der besagte Aufenthalt der BF beinahe als durchgehend unrechtmäßig und haben es die BF bisher unterlassen, entgegen einer seinerzeitigen behördlichen Anordnung das Bundesgebiet zu verlassen. Dennoch sind die von den BF erbrachten Integrationsleistungen zu berücksichtigen, zumal der Umstand unrechtmäßig in Österreich aufhältig zu sein, Integrationsleitungen an sich nicht gänzlich zu verdrängen vermag (vgl. VwGH 17.07.2008, 2007/21/0074). Zudem kann den minderjährigen BF – also den BF 3 bis BF5 – das Verhalten bzw. die Entscheidungen ihrer Eltern, konkret nach Österreich gereist zu sein und im Bundesgebiet verbleiben zu wollen, nicht vorgehalten werden, zumal nicht verlangt werden kann, dass diese entgegen der Entscheidung ihrer Eltern – damals wie heute – ohne diese, allein in ihrem Herkunftsstaat geblieben wären oder in diesen zurückkehren.

Unter der Berücksichtigung der aufgezeigten Integrationsleistungen der BF, insbesondere aber auch des Umstandes, dass bei Kindern eine Verwurzelung im Aufnahmestaat schneller von statten geht, ist davon auszugehen, dass angesichts des mittlerweile beinahe 6jährigen Aufenthaltes im Bundesgebiet jedenfalls eine tiefe Verbundenheit der minderjährigen BF zu Österreich und eine damit einhergehende maßgebliche Entfremdung vom Herkunftsstaat eingetreten ist. Der Lebensmittelpunkt der genannten BF liegt seit 6 Jahren durchgehend in Österreich und spielt sich deren soziales Leben ausschließlich im Bundesgebiet ab. Zudem entspricht die bisherige Aufenthaltsdauer einem nicht unwesentlichen Zeitraum der Lebenszeiten der minderjährigen BF; insbesondere bei BF5, bei dem es sich dabei beinahe um die Hälfte seiner bisherigen Lebenszeit handelt.

Das Verwaltungsgericht verkennt keinesfalls, dass der Beachtung fremdenrechtlicher, die Einreise und den Aufenthalt von Fremden in Österreich regelnder Normen sowie an der Beendigung unrechtmäßiger Aufenthalte im Bundesgebiet (vgl. VwGH 09.03.2003, 2002/18/0293) große Bedeutung zukommt, die BF weiterhin Bezugspunkte im Herkunftsstaat aufweisen, sie nicht selbsterhaltungsfähig sind und sich ihr aktueller Aufenthalt in Österreich als überwiegend unrechtmäßig erweist.

Nach Abwägung der sich widerstreitenden Interessen ist im konkreten Fall jedoch von einem Überwiegen der privaten Interessen der BF, insbesondere der BF3 bis BF5 auszugehen. Insbesondere unter Berücksichtigung der Erkrankung des BF4 ist aus Sicht des Kindeswohls aber auch im Hinblick auf Art 8 EMRK ein intaktes Familienleben zwischen den BF von großer Bedeutung und damit im privaten Interesse der minderjährigen BF. Dies gilt ebenso für die psychisch erkrankte BF1 und die BF2 als Eltern derselben.

Die Anordnung einer Rückkehrentscheidung gegen die BF zöge sohin im konkreten Fall eine Verletzung der nach Art. 8 EMRK geschützten Rechte nach sich und erweist sich eine solche sohin aufgrund des nicht nur vorübergehenden Wesens der dieser Verletzung zugrundeliegenden besonderen Umständ, als iSd. § 9 Abs. 3 BFA-VG auf Dauer unzulässig.

Demzufolge war den Beschwerden der BF stattzugeben.

Insofern liegen die Voraussetzungen für die Erteilungen eines Aufenthaltstitels an die BF gemäß §§ 58 Abs. 2 iVm. 55 AsylG vor (vgl. Szymanski, AsylG § 55 Anm. 1, in Schrefler-König/Szymanski (Hrsg) Fremdenpolizei- und Asylrecht Teil II: wonach § 55 AsylG das Bleiberecht iSd. der Judikatur des VfGH umsetzt, und hiefür Bedingung sei, dass eine Aufenthaltsbeendigung im Hinblick auf Art 8 EMRK auf Dauer unzulässig ist).

Vor dem Hintergrund der Erfüllung des Moduls 1 der Integrationsvereinbarung iSd. § 9 Abs. 4 Z 1 IntG durch den BF2 sowie – in analoger Anwendung – der Befreiungsregelung iSd. § 9 Abs. 5 Z 1 IntG, der Minderjährigkeit der BF3 bis BF5 im Zeitpunkt der gegenständlichen Entscheidung (Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem AsylG), welche – abweichend von nach dem NAG erteilten Aufenthaltstiteln (siehe § 9 Abs. 1 und 2 IntG) – gemäß § 55 Abs. 1 Z 2 AsylG mit dem Zeitpunkt der Erfüllungspflicht des Moduls I zusammenfällt, war BF2, BF3, BF4 und BF5 jeweils ein Aufenthaltstitel gemäß § 55 Abs. 1 iVm. § 54 Abs. 2 AsylG „Aufenthaltsberechtigung plus“ jeweils für die Dauer von 12 Monaten zu erteilen.

In Ermangelung der Erfüllung des Moduls I der Integrationsvereinbarung iSd. § 9 IntG durch BF1 ist dieser ein Aufenthaltstitel gemäß § 55 Abs. 2 AsylG „Aufenthaltsberechtigung“ für die Dauer von 12 Monaten zu erteilen.

Ausschlussgründe iSd. § 60 AsylG liegen nicht vor.

3.1.6. Aufgrund erfolgter – die Aufhebung der von der belangten Behörde ausgesprochenen aufenthaltsbeendenden Maßnahme bewirkender – Feststellung der dauerhaften Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung und Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG an die BF fällt auch die Voraussetzung für einen Ausspruch über die Zulässigkeit der Abschiebung (siehe § 52 Abs. 9 FPG), sowie im Hinblick auf die BF1 und den BF2 für die Erlassung eines Einreiseverbotes (§ 53 FPG) weg, weshalb die entsprechenden Spruchpunkte der angefochtenen Bescheide – im Zuge der Stattgabe der Beschwerde – als aufgehoben gelten.

Zu Spruchteil C)

3.2. Zur Abweisung der Anträge auf Bewilligung der Verfahrenshilfe:

Soweit durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, ist gemäß § 8a Abs. 1 VwGVG einer Partei Verfahrenshilfe zu bewilligen, soweit dies auf Grund des Art. 6 Abs. 1 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BGBl. Nr. 210/1958, oder des Art. 47 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union, ABl. Nr. C 83 vom 30.03.2010 S. 389, geboten ist, die Partei außerstande ist, die Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts zu bestreiten, und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung nicht als offenbar mutwillig oder aussichtslos erscheint. Juristischen Personen ist Verfahrenshilfe sinngemäß mit der Maßgabe zu bewilligen, dass an die Stelle des Bestreitens der Kosten der Führung des Verfahrens ohne Beeinträchtigung des notwendigen Unterhalts das Aufbringen der zur Führung des Verfahrens erforderlichen Mittel durch die Partei oder die an der Führung des Verfahrens wirtschaftlich Beteiligten tritt.

Dadurch wird zum Ausdruck gebracht, dass es sich bei der Regelung der Verfahrenshilfe im VwGVG um eine sogenannte "subsidiäre Bestimmung" handelt: Sie soll nur dann zur Anwendung gelangen, wenn durch Bundes- oder Landesgesetz nicht anderes bestimmt ist, also dann, wenn das sogenannte "Materiengesetz" keine Regelung enthält, deren Gegenstand der Verfahrenshilfe entspricht. Gemäß § 52 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF, ist einem Fremden oder Asylwerber im verwaltungsgerichtlichen Verfahren in bestimmten Angelegenheiten von Amts wegen kostenlos ein Rechtsberater zur Seite zu stellen. § 52 BFA-VG entspricht damit den Vorgaben des Art. 47 GRC. Im Anwendungsbereich des BFA-VG gelangt daher die Bestimmung des § 8a VwGVG (überhaupt) nicht zur Anwendung (siehe ErläutRV 1255 BlgNR 25. GP zu § 8a VwGVG).

Das BFA-VG sieht für seinen, das verwaltungsgerichtliche Verfahren betreffenden Anwendungsbereich allerdings keine ausdrückliche Regelung vor, ob oder inwieweit im Rahmen der kostenlosen Rechtsberatung nach § 52 BFA-VG auch eine Befreiung von allfälligen zu entrichtenden Gerichtsgebühren oder anderen bundesgesetzlich geregelten staatlichen Gebühren (§ 64 Abs. 1 Z 1 lit. a ZPO) möglich ist. Für Bescheidbeschwerdeverfahren gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG gegen Entscheidungen des BFA nach § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG - wie im gegenständlichen Fall - sind die Bestimmungen des VwGVG anzuwenden. Da in diesen Fällen eine gesetzliche Gebührenbefreiung nicht besteht, unterliegen derartige Beschwerden der Verpflichtung zur Entrichtung der Eingabegebühr nach § 14 Tarifpost 6 Abs. 5 Z 1 lit. b Gebührengesetz 1957, BGBl. Nr. 267/1957 idgF, in Verbindung mit der BuLVwG-Eingabengebührverordnung, BGBl. II Nr. 387/2014 idgF.

Der gegenständliche Antrag auf Gewährung der Verfahrenshilfe im Umfang der Befreiung von der Entrichtung der Eingabengebühr findet somit in § 8a VwGVG iVm. § 64 Abs. 1 Z 1 lit. a ZPO grundsätzlich eine geeignete Rechtsgrundlage, allerdings erweist sich der Antrag dennoch aus folgendem Grund als unzulässig:

Die BF haben bis dato keine Vermögensaufstellung vorgelegt und konnte zudem durch Einsicht in das GVS-Informationssystem entnommen werden, dass die BF Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung erhalten. Vor dem Hintergrund, dass die Unterhaltskosten der BF durch die staatliche Grundversorgung als gedeckt angesehen werden können und BF1 in der mündlichen Verhandlung eingestand, dass der Bruder des BF2 für die Kosten der Rechtsvertretung der BF aufkommt, sie sohin familiäre Zuwendungen erhalten, vermochten die BF im Ergebnis nicht darzulegen durch die Bezahlung der Eingabegebühr in der Höhe von € 30,00 eine maßgebliche Beeinträchtigung ihres notwendigen Unterhalts (siehe VwGH 25.01.2018, Ra 2017/21/0205) zu erfahren.

Der Antrag auf Verfahrenshilfe war daher gemäß § 8a Abs. 1 VwGVG abzuweisen.

Zu Spruchteil B) und D): Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 (VwGG), BGBl. Nr. 10/1985 idgF, hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Da im gegenständlichen Fall eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung weder im Zusammenhang mit der Entscheidung in der Sache (Spruchteil A.) noch im Zusammenhang mit dem Beschluss über die Verfahrenshilfe (Spruchteil C.) vorliegt, war die Revision jeweils gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig zu erklären (Spruchteile B. und D.).

Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weich

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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