TE Vwgh Erkenntnis 1997/6/27 97/05/0159

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Veröffentlicht am 27.06.1997
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Index

L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Wien;
L80009 Raumordnung Raumplanung Flächenwidmung Bebauungsplan Wien;
L80409 Altstadterhaltung Ortsbildschutz Wien;
L82000 Bauordnung;
L82009 Bauordnung Wien;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §42 Abs1;
AVG §8;
BauO Wr §134a;
BauRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Kail und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde der Dr. W in X, vertreten durch Dr. E, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 8. April 1997, Zl. MD-VfR - B XIV - 18/97, betreffend Nachbareinwendungen im Bauverfahren (mitbeteiligte Partei: X Gemeinnützige Siedlungs- und Bauaktiengesellschaft in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Aufgrund der Beschwerde und der dieser angeschlossenen Ausfertigung des angefochtenen Bescheides ist von folgendem Sachverhalt auszugehen:

Im Juli 1996 ersuchte die Mitbeteiligte um die Erteilung der Baubewilligung für die Überbauung der U-Bahn-Station in Wien XIV., Hütteldorferstraße 106, Breitenseerstraße 5-7 und Breitenseerstraße 9-11, mit einer Wohnanlage. Bei der am 4. November 1996 abgehaltenen mündlichen Verhandlung trug die Beschwerdeführerin als Miteigentümerin der benachbarten Liegenschaft EZ 124, KG Breitensee, folgendes vor:

"Ich erhebe Einspruch gegen die Errichtung eines Fahrradweges in der Grassigasse. Begründung: Extreme Gefährdung der Fußgänger, ebenso der Radfahrer selbst, durch die Ein- und Ausfahrt der garagierten Autos (aus den zahlreichen Garagen der unmittelbaren Umgebung und des Durchfahrtsaufkommens in Richtung Gurkgasse.

Ebenso wird Einspruch erhoben gegen die geplante Absicherung des Kinderspielplatzes und Ruheplatzes auf dem Niveau des 1. Stockes, falls nicht eine ganz besondere Absicherung durch dichtes, hohes Strauchwerk errichtet wird."

Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien vom 20. Jänner 1997 wurde die Bewilligung für die Errichtung einer Wohnhausanlage mit Geschäftspassage erteilt. Die Einwendungen u. a. der Beschwerdeführerin betreffend den Kinderspielplatz und die Verkehrsverhältnisse auf öffentlichem Gut wurden als unzulässig zurückgewiesen.

Die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin wurde mit dem angefochtenen Bescheid als unzulässig zurückgewiesen. Die Entscheidung wurde nach Anführung des § 134 Abs. 3 und § 134a Abs. 1 Bauordnung für Wien im wesentlichen damit begründet, daß die Beschwerdeführerin mit ihren Einwendungen keine subjektiv-öffentlichen Nachbarrechte im Sinne des § 134a Bauordnung für Wien geltend gemacht habe. Die Vorschriften der Bauordnung für Wien, die die Sicherung von absturzgefährlichen Stellen beträfen, gehörten nicht zu den Bestimmungen, die außer dem öffentlichen Interesse auch dem Interesse der Nachbarschaft dienten. Hinsichtlich der Absicherung des Kinderspielplatzes sei den Nachbarn somit ein Mitspracherecht nicht eingeräumt.

Ebenso stehe dem Nachbarn, wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargetan habe, hinsichtlich der Verkehrsverhältnisse auf öffentlichen Straßen kein subjektiv-öffentliches Recht zu. Er besitze keinen Rechtsanspruch darauf, daß sich die Verkehrsverhältnisse auf öffentlichen Verkehrsflächen nicht ändern. Aufgrund des Unterbleibens von rechtswirksamen Einwendungen habe die nunmehrige Berufungswerberin somit gemäß § 134 Abs. 3 Bauordnung für Wien und gemäß § 42 AVG keine Parteistellung erlangt. Da aber nur den Parteien eines Baubewilligungsverfahrens das Recht auf Berufung zukomme, sei die eingebrachte Berufung, ohne auf das Berufungsvorbringen eingehen zu müssen, als unzulässig zurückzuweisen.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihren Nachbarrechten gemäß §§ 134 und 134a Bauordnung für Wien verletzt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 134 Abs. 3 Bauordnung für Wien, LGBl. Nr. 11/1930 (im folgenden: WBO) in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 34/1992, sind im Baubewilligungsverfahren die Eigentümer (Miteigentümer) benachbarter Liegenschaften dann Parteien, wenn der geplante Bau und dessen Widmung ihre im § 134a erschöpfend festgelegten subjektiv-öffentlichen Rechte berührt und sie spätestens, unbeschadet Abs. 4, bei der mündlichen Verhandlung Einwendungen im Sinne des § 134a gegen die geplante Bauführung erheben. Gemäß § 134a Abs. 1 WBO in der Fassung der Novelle LGBl. Nr. 42/1996 werden subjektiv-öffentliche Nachbarrechte, deren Verletzung die Eigentümer (Miteigentümer) benachbarter Liegenschaften (§ 134 Abs. 3) im Baubewilligungsverfahren geltend machen können, durch folgende Bestimmungen, sofern sie ihrem Schutz dienen, begründet:

"a)

Bestimmungen über den Abstand eines Gebäudes oder einer baulichen Anlage zu den Nachbargrundgrenzen, jedoch nicht bei Bauführungen unterhalb der Erdoberfläche;

b)

Bestimmungen über die Gebäudehöhe;

c)

Bestimmungen über die flächenmäßige Ausnützbarkeit von Bauplätzen, Baulosen und Kleingärten;

d)

Bestimmungen des Bebauungsplanes hinsichtlich der Fluchtlinien;

e)

Bestimmungen, die den Schutz vor Immissionen, die sich aus der widmungsgemäßen Benützung eines Gebäudes oder einer baulichen Anlage ergeben können, zum Inhalt haben. Die Beeinträchtigung durch Immissionen, die sich aus der Benützung eines Gebäudes oder einer baulichen Anlage zu Wohnzwecken oder für Stellplätze im gesetzlich vorgeschriebenen Ausmaß ergibt, kann jedoch nicht geltend gemacht werden."

Die Beschwerdeführerin macht geltend, daß sie Einwendungen gegen die geplante Absicherung des Spielplatzes und Ruheplatzes auf dem Niveau des ersten Stockes erhoben habe. Es handle sich dabei um die Geltendmachung einer Beeinträchtigung von Immissionen gemäß § 134a lit. e WBO. Die Behörde begründe nicht näher, warum die aus dem Kinderspielplatz hervorgehenden Immissionen nicht unter diese Norm subsumierbar sein sollten. Die Wiener Spielplatzverordnung enthalte auch Normen, die das Verhältnis zu angrenzenden Liegenschaften beträfen. So normiere § 2 dieser Verordnung Abstände zu Nachbarbauplätzen.

Diesem Vorbringen ist entgegenzuhalten, daß - wie die Beschwerdeführerin dies selbst ausführt - sich die Einwendung, die im angefochtenen Bescheid ausdrücklich zitiert wurde, nicht gegen Emissionen des Kinderspielplatzes und Ruheplatzes auf dem Niveau des ersten Stockes, sondern gegen "die geplante Absicherung des Kinderspielplatzes und Ruheplatzes" gewendet hat. Aus dieser Einwendung kann nicht - wie dies die Beschwerdeführerin nunmehr in der Beschwerde versucht - abgeleitet werden, sie hätte sich damit gegen Emissionen dieses Spiel- und Ruheplatzes gewendet. In diesem Zusammenhang hat die belangte Behörde zutreffend die Auffassung vertreten, daß Vorschriften der Bauordnung für Wien, die die Sicherung von absturzgefährlichen Stellen betreffen, nicht zu jenen Bestimmungen gehören, die außer dem öffentlichen Interesse auch dem Interesse der Nachbarschaft dienen.

Die belangte Behörde hat auch mit Recht die Einwendung der Beschwerdeführerin gegen die Errichtung eines Fahrradweges, weil er die Fußgänger und auch die Radfahrer extrem gefährde, als eine nicht im Interesse des Nachbarn gelegene Einwendung qualifiziert (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 26. Jänner 1960, Slg. Nr. 5182/A). Es besteht auch kein Rechtsanspruch des Nachbarn, daß sich die Verkehrsverhältnisse auf öffentlichen Verkehrsflächen nicht ändern (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 22. Oktober 1985, Zl. 85/05/0112, BauSlg. Nr. 539). Abgesehen davon ist in diesem Zusammenhang festzustellen, daß die Errichtung des Fahrradweges in der Grassigasse überhaupt nicht Gegenstand des vorliegenden Bauverfahrens war. Die belangte Behörde ist daher zutreffend davon ausgegangen, daß die Beschwerdeführerin bis spätestens in der mündlichen Verhandlung keine Einwendungen im Sinne des § 134a WBO gegen die geplante Bauführung erhoben hat und somit im Sinne des § 134 Abs. 3 WBO nicht Partei des Baubewilligungsverfahrens geworden ist. Die Berufung wurde daher zutreffend als unzulässig zurückgewiesen.

Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die von der Beschwerdeführerin geltend gemachten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997050159.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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