Entscheidungsdatum
19.11.2020Norm
AWG 2002 §1 Abs3Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Mag. Binder als Einzelrichterin über die Beschwerde der A GmbH, vertreten durch B, Rechtsanwalt in ***, ***, ***, gegen den Bescheid der Landeshauptfrau von Niederösterreich vom 19. Februar 2020, Zl. ***, betreffend Entfernungsauftrag zur Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes gemäß § 62 Abs. 2 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002), zu Recht:
1. Die Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 1 und Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG) als unbegründet abgewiesen.
Die Frist für die ordnungsgemäße Entfernung und Entsorgung der konsenswidrig eingebrachten Abfälle im Ausmaß von insgesamt 17.361 m³ wird mit 31. März 2021, die Frist für die Vorlage der Entsorgungsnachweise mit 10. April 2021, sowie die Frist für die Vorlage der Entsorgungsnachweise für die bisher entfernten Abfälle im Ausmaß von 5.580 m³ mit
15. Dezember 2020 neu festgelegt.
2. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a Verwaltungsgerichtshofgesetz 1985 (VwGG) eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG) nicht zulässig.
Entscheidungsgründe:
1. Zum verwaltungsbehördlichen Verfahren:
Das Deponieaufsichtsorgan stellte am 07. November 2019 im Zuge einer Überprüfung der Bodenaushubdeponie auf den Grundstücken Nr. ***, ***, ***, ***, ***, ***, ***, *** und ***, KG ***, Gemeinde ***, und in der Folge anhand von Bemessungsunterlagen fest, dass in die gegenständliche Bodenaushubdeponie Abfälle im Ausmaß von ca. 22.941 m³ eingebracht worden wären, obwohl keine Kollaudierungsanzeige gemäß § 61 Abs. 1 AWG 2002 vorliege und keine Überprüfung der Anlage und Maßnahmen gemäß § 63 Abs. 1 AWG 2002 erfolgt sei.
Mit Schreiben der Landeshauptfrau von Niederösterreich (in der Folge: belangte Behörde) vom 04. Dezember 2019, Zl. ***, erging an die Beschwerdeführerin folgende Verfahrensanordnung (Hervorhebungen im Original):
„Die A GmbH (vorher C GmbH, vorher D Ges.m.b.H.) betreibt auf den Gst. Nr. ***, ***, ***, ***, ***, ***, ***, *** und ***, in der KG ***, Gemeinde ***, eine abfallrechtlich genehmigte Bodenaushubdeponie.
Aus den beiliegenden Sonderberichten des Deponieaufsichtsorganes, Herrn E, ergibt sich, dass am 7. November 2019 im Zuge einer Überprüfung festgestellt wurde, dass von der A GmbH in die Bodenaushubdeponie am Standort Gst. Nr. ***, ***, ***, ***, ***, ***, ***, *** und ***, KG ***, Gemeinde ***, Abfälle in einem Ausmaß von ca. 22.941 m³ (!) eingebracht wurden, obwohl keine Kollaudierungsanzeige gem. § 61 Abs. 1 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 und keine Überprüfung der Anlage und Maßnahmen gem. § 63 Abs. 1 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 vorliegt, d.h. dass die Abfalleinbringung außerhalb des kollaudierten Deponiebereiches erfolgte.
Dabei macht es keinen Unterschied, ob das Material in die Deponie eingebaut wird oder das Material lediglich zwischengelagert wird (siehe dazu das Erkenntnis des UVS im Land NÖ vom 26. Mai 2003, Senat-NK-02-0050).
Besteht der Verdacht eines konsenswidrigen Betriebs einer Behandlungsanlage, die gemäß den §§ 37, 52 oder 54 AWG 2002 genehmigungspflichtig ist, so hat die Behörde gemäß § 62 Abs. 2 AWG 2002 - unabhängig von der Einleitung eines Strafverfahrens - den Inhaber einer Behandlungsanlage zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustands innerhalb einer angemessenen Frist aufzufordern. Kommt der Inhaber dieser Aufforderung innerhalb der gesetzten Frist nicht nach, so hat die Behörde mit Bescheid die zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustands erforderlichen, geeigneten Maßnahmen, wie die Stilllegung von Maschinen oder die teilweise oder gänzliche Schließung, zu verfügen.
Es ergeht daher gemäß § 62 Abs. 2 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 der Auftrag zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes, in dem die rechtswidrig eingebrachten Abfälle in einem Ausmaß von ca. 22.941 m³ nachweislich ordnungsgemäß zu entsorgen sind. Die entsprechenden Nachweise sind der Behörde bis spätestens 15. Jänner 2020 vorzulegen.
Wird dieser Aufforderung innerhalb der gesetzten Frist nicht nachgekommen, so hat die Behörde mit Bescheid die zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustands erforderlichen, geeigneten Maßnahmen zu Verfügen“.
Mit Sonderbericht vom 12. Februar 2020 teilte das Deponieaufsichtsorgan unter Anschluss eines Vermessungsprotokolls vom 24. Jänner 2020 sowie einer Fotodokumentation über Begehungen bzw. Überprüfungen der gegenständlichen Bodenaushubdeponie am 22. Jänner 2020 und 11. Februar 2020 mit, dass ein Teil der verfahrensgegenständlichen Materialien, konkret ca. 5.580 m³, entfernt worden sei und weiterhin Abfälle im Ausmaß von ca. 17.361 m³ zwischengelagert werden.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom
19. Februar 2020, Zl. ***, erging an die Beschwerdeführerin als Konsensinhaberin der Bodenaushubdeponie am Standort Gst. Nr. ***, ***, ***, ***, ***, ***, ***, *** und ***, KG ***, Gemeinde ***, folgender Entfernungsauftrag (Hervorhebungen im Original):
„In die Bodenaushubdeponie am Standort Gst. Nr. ***, ***, ***, ***, ***, ***, ***, *** und ***, KG ***, Gemeinde ***, wurden von der A GmbH konsenswidrig Abfälle im Ausmaß von insgesamt 22.941 m³ eingebracht.
Aus dem Sonderbericht des Deponieaufsichtsorganes, Herrn E, vom 12. Februar 2020 ergibt sich, dass aufgrund der ha. Aufforderung zur Herstellung des rechtmäßigen Zustandes gemäß § 62 Abs. 2 AWG 2002 vom 4. Dezember 2019, ***, bisher lediglich 5580 m³ Abfälle entfernt wurden (Stand. 24. Jänner 2020) und somit weiterhin konsenswidrige Abfälle im Ausmaß von insgesamt 17.361 m³ eingebracht sind.
Es ergeht daher an die A GmbH zur Herstellung des der Rechtsordnung
entsprechenden Zustandes folgender Auftrag:
Entfernungsauftrag:
Die in die Bodenaushubdeponie am Standort Gst. Nr. ***, ***, ***, ***, ***, ***, ***, *** und ***, KG ***, Gemeinde ***, konsenswidrig
eingebrachten Abfälle im Ausmaß von insgesamt 17.361 m³ sind
bis spätestens 31. März 2020 nachweislich ordnungsgemäß zu entfernen und zu entsorgen. Die entsprechenden Nachweise sind der Behörde im Wege der
Deponieaufsicht bis spätestens 3. April 2020 vorzulegen.
Für die bisher entfernten Abfälle im Ausmaß von 5580 m³ sind der Behörde im Wege der Deponieaufsicht bis spätestens 28. Februar 2020 Entsorgungsnachweise vorzulegen.
Rechtsgrundlage:
§ 62 Abs. 2 Abfallwirtschaftsgesetz 2002 – AWG 2002 BGBL. I 102/2002 i.d.g.F.“
In der Begründung nahm die belangte Behörde auf den Sonderbericht des Deponieaufsichtorganes vom 12. November 2019 Bezug, wonach im Zuge einer Überprüfung am 07. November 2019 in die Bodenaushubdeponie Abfälle in einem Ausmaß von ca. 22.941 m³ eingebracht worden seien, obwohl keine Kollaudierungsanzeige gemäß § 61 Abs. 1 AWG 2002 und keine Überprüfung der Anlage und Maßnahmen gemäß § 63 Abs. 1 AWG 2002 vorliegen würden.
Weiters verwies die Abfallrechtsbehörde auf das Erkenntnis des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land NÖ vom 26. Mai 2003, Senat-NK-02-0050, und führte aus, dass es keinen Unterschied mache, ob das Material in die Deponie eingebaut oder lediglich zwischengelagert werde. Letztlich ergebe sich aus dem Sonderbericht des Deponieaufsichtsorganes vom 12. Februar 2020, dass lediglich 5.580 m³ Abfälle entfernt worden seien, weshalb weiterhin konsenswidrige Abfälle im Ausmaß von insgesamt 17.361 m³ eingebracht worden seien.
Nach Wiedergabe der gesetzlichen Bestimmung kam die belangte Behörde zu dem Schluss, dass im konkreten Fall nicht nur ein Verdacht eines konsenswidrigen Betriebes einer Behandlungsanlage im Sinne des § 62 Abs. 2 AWG 2002 vorliege, sondern die Einbringung konsenswidrigen Abfalls durch die Sonderberichte des Deponieaufsichtsorganes sogar dokumentiert sei. Dem mit Verfahrensanordnung vom 04. Dezember 2019, Zl. ***, erlassenen Auftrag gemäß § 62 Abs. 2 AWG 2002 sei die Beschwerdeführerin nicht nachgekommen, weshalb mit Bescheid die zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes erforderlichen, geeigneten Maßnahmen zu verfügen gewesen seien.
2. Zum Beschwerdevorbringen:
Die Beschwerdeführerin erhob gegen diesen Bescheid durch ihre rechtsfreundliche Vertretung fristgerecht Beschwerde und beantragte die Durchführung einer mündlichen Verhandlung sowie die ersatzlose Aufhebung des angefochtenen Bescheides. In eventu möge der angefochtene Bescheid aufgehoben und die Angelegenheit an die belangte Behörde zurückverwiesen werden.
Begründet wurden diese Anträge im Wesentlichen wie folgt (Hervorhebungen im Original):
„2. Beschwerdegründe
2.1 Allgemeines
(10) Die belangte Behörde geht, wie oben ausgeführt, offenkundig davon aus, dass das verfahrensgegenständliche Material in die Deponie der Beschwerdeführerin „konsenswidrig eingebracht“ wurde. Gleichzeitig ist die belangte Behörde der Auffassung, dass es für die Frage des Bestehens einer Kollaudierungspflicht gemäß § 61 Abs 1 bzw § 63 Abs 1 AWG 2002 keinen Unterschied machen würde, ob das Material in die Deponie eingebaut oder dort lediglich zwischengelagert wird.
(11) Die Behörde irrt damit in dreierlei Hinsicht:
• hinsichtlich des Vorliegens einer Konsenswidrigkeit;
• hinsichtlich der rechtlichen Qualifikation der Lagerung der verfahrensgegenständlichen Materialien;
• über die Wesentlichkeit der Unterscheidung zwischen Einbringung und Zwischenlagerung in Bezug auf das Bestehen einer Kollaudierungspflicht.
(12) Dazu im Einzelnen:
2.2 Keine Konsenswidrigkeit
(13) Laut dem oben zitierten Spruch des bekämpften Bescheids erblickt die belangte Behörde in der Lagerung der verfahrensgegenständlichen Materialien eine Konsenswidrigkeit. Allerdings enthält die Begründung des bekämpften Bescheids keinerlei Hinweis darauf, worin diese Konsenswidrigkeit bestehen würde. Vielmehr ist in der Bescheidbegründung ausschließlich von einer gemäß § 61 und 63 AWG 2002 angeblich gebotenen und nicht erfolgten Kollaudierung die Rede. Schon alleine daraus folgt, dass die belangte Behörde den Vorwurf der konsenswidrigen Einbringung von Abfällen durch nichts darzutun vermag.
(14) Soweit man hingegen in dem in der Bescheidbegründung enthaltenen Verweis auf den Sonderbericht des E vom 12.11.2019 (Seite 2 unten des bekämpften Bescheids) den Vorwurf des Verstoßes gegen Auflage 5 des Genehmigungsbescheides des LH von NÖ vom 24.10.2012, ***, Beilage ./1, erkennen wollen würde, genügt der Hinweis, dass Auflage 5 sich ausdrücklich auf die „Ablagerung“ von Abfällen bezieht. Auflage 5 lautet (Hervorhebungen hinzugefügt):
„Mit der Ablagerung darf erst nach Vorliegen eines positiven Überprüfungsbescheides für den jeweiligen Deponieabschnitt inkl der dazugehörigen Anlagenteile begonnen werden. Dazu ist der Behörde im Wege des Deponieaufsichtsorgans eine Fertigstellungsmeldung unter Anschluss eines Kollaudierungsoperates zu übermitteln.“
(15) Die verfahrensgegenständlichen Materialien wurden allerdings nicht in der Deponie abgelagert im Sinne einer auf den dauerhaften Verbleib der Abfälle ausgerichteten Einbringung in die Deponie, sondern lediglich vorübergehend auf dem Deponiegelände zwischengelagert. Dazu noch näher im nächsten Kapitel.
2.3 Material wurde nicht eingebracht, sondern zwischengelagert
(16) Die A GmbH hat das in Rede stehende Material nicht in die Deponie eingebracht, sondern auf dem Gelände der Deponie lediglich zwischengelagert.
(17) Dass die verfahrensgegenständlichen Mengen an Abfall lediglich zwischengelagert wurden, ergibt sich schon alleine aus dem Sonderbericht des E vom 12.2.2020, der dem bekämpften Bescheid als Beilage angeschlossen ist und auf den die belangte Behörde selbst verweist, worin ausdrücklich von „Zwischenlagerungen“ die Rede ist.
Beweis: + Sonderbericht des E vom 12.2.2020 (als Beilage dem bekämpften Bescheid angeschlossen)
(18) Bei diesen Abfällen handelt es sich um Material zur Rekultivierung des Deponiegeländes, das erst im Herbst 2019 angeliefert wurde, um nach Beendigung der Deponie als Rekultivierungsschicht über den Deponiekörper verteilt zu werden. Das Material ist laut Beurteilungsnachweis der F GmbH & Co KG vom 12.8.2019 (bereits im Akt der Behörde) der Kategorie
„Bodenaushubmaterial der Klasse A2“ zuzuordnen. Im Bescheid des LH von NÖ vom 24.10.2012, RU4-K-1198/003/2012, Beilage ./1, mit dem die abfallrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb der Deponie in *** erteilt wurde, wurde die Auflage erteilt, dass nach Beendigung der Ablagerungstätigkeiten eine Rekultivierungsschicht aufzubringen ist, die die Schadstoffgrenzen der Klasse A2 einzuhalten hat (Seite 9 f des Bescheids). Damit ist das Material in Einklang mit den Auflagen im Genehmigungsbescheid auch für den Einsatz als Rekultivierungsschicht
geeignet.
Beweis: + Bescheid des LH von NÖ vom 24.10.2012, ***, Beilage ./1
+ Beurteilungsnachweis der F GmbH & Co KG vom 12.8.2019 (bereits im Akt der Behörde)
+ G, pA der Beschwerdeführerin, als Zeuge
(19) Zudem wurde das Material auch deshalb auf dem Deponiegelände zwischengelagert, weil dadurch die zur Sicherstellung iSd § 44 DVO 2008 geforderte Bankgarantie vermindert werden konnte (vgl Seite 51 des Genehmigungsbescheids des LH von NÖ vom 24.10.2012, ***, Beilage ./1).
Beweis: + Bescheid des LH von NÖ vom 24.10.2012, ***, Beilage ./1
+ PV
(20) Dass die Abfälle gar nicht in die Deponie eingebaut, sondern dort lediglich zwischengelagert wurden, ist im Übrigen auch anhand der im Akt der Behörde befindlichen Fotodokumentationen ersichtlich: Die Photographien in diesen Fotodokumentationen zeigen, dass die Materialien auf dem Deponiekörper getürmt sind (siehe die zahlreichen „Haufen“) und nicht in den Deponiekörper eingebaut wurden. Auch im Prüfbericht der H G.m.b.H. vom 1.3.2019 ist ausdrücklich vom „Zwischenlager“ und der „kegelförmigen Aufschüttung“ die Rede (bereits im Akt der Behörde).
(21) Bestätigt wird all dies auch durch die jüngste Fotodokumentation vom 5.3.2020, wo klar ersichtlich ist, dass das in Rede stehende Material in Haufen gelagert ist (die Bilder auf den Seiten 3 und 4 dieser Fotodokumentation sind dabei nicht einschlägig, sondern handelt es sich dabei um Sohlenerkundigungen ohne Zusammenhang zu den Zwischenlagerungen, welche mit Billigung durch den ASV I durchgeführt wurden).
Beweis: + Fotodokumentation vom 7.11.2019 (bereits im Akt der Behörde)
+ Fotodokumentation der F GmbH (bereits im Akt der Behörde)
+ Prüfbericht der H G.m.b.H. vom 1.3.2019 (bereits im Akt der Behörde)
+ Fotodokumentation der Deponieaufsicht E vom 5.3.2020
(22) Ein Teil des Materials wurde, wie die belangte Behörde im bekämpften Bescheid selbst festgestellt hat, auch wieder von der Deponie verbracht. Sowohl dem Vermessungsprotokoll vom 24.1.2020 als auch aus dem Sonderbericht des E vom 12.2.2020, beides dem bekämpften Bescheid als Beilagen angeschlossen, ist unstrittig zu entnehmen, dass am 24.1.2020 nur noch ca 17.361 m³ des Materials am Deponiegeländer vorhanden, sohin rund 5.580 m³ weniger im Vergleich zur ursprünglich zwischengelagerten Menge. Aus dem Umstand, dass Teile des verfahrensgegenständlichen Materials binnen weniger Wochen von der Beschwerdeführerin aus eigenem wieder verbracht wurden, folgt, dass es sich im vorliegenden Fall unmöglich um eine Einbringung des Materials in die Deponie im Sinne einer dauerhaften Ablagerung (=Einbau in den Deponiekörper) handeln kann.
Beweis: + Vermessungsprotokoll vom 24.1.2020 (als Beilage dem bekämpften Bescheid angeschlossen)
2.4 Bloße Zwischenlagerung gilt nicht als „Einbringen“
(23) Die Unterscheidung zwischen Einbringung in eine Deponie und Zwischenlagerung von Abfällen ist entgegen den Ausführungen auf Seite 2 f des bekämpften Bescheids, wonach es keinen Unterschied machen würde, ob die Abfälle in die Deponie eingebaut oder lediglich zwischengelagert würden, für die Frage des Bestehens einer Kollaudierungspflicht sowohl nach Maßgabe der Auflage 5 des Genehmigungsbescheides als auch gemäß § 61 Abs 1 bzw § 63 Abs 1 AWG 2002 sehr wohl wesentlich.
(24) Das AWG 2002 unterscheidet zwischen dem langfristigen „Ablagern“ und dem lediglich vorübergehenden „Lagern“ bzw „Zwischenlagern“ (VwGH 29.1.2004, 2003/07/0121; 23.4.2009, 2006/07/0164; 26.6.2012, 2008/07/0078). Diese Unterscheidung leitet sich ab aus der Definition von Deponie in § 2 Abs 7 Z 4 AWG 2002, wonach Deponien Anlagen zur langfristigen Ablagerung von Abfällen sind, wobei ausdrücklich gemäß § 2 Abs 7 Z 4 lit a bis c AWG 2002 Anlagen zur Zwischenlagerung keine Deponien sind (vgl Scheichl/Zauner/Berl, AWG 2002 [2015] § 2 Rz 189 ff; ebenda § 15 Rz 6).
(25) Die Einbringung von Abfällen in die Deponie durch Einbauung in den Deponiekörper hat den Zweck, dass die Abfälle dort langfristig verbleiben, und stellt daher ein „Ablagern“ iSd AWG 2002 dar (VwGH 23.3.2006, 2005/07/0109; 29.10.2015, Ro 2015/07/0032). Im Umkehrschluss gilt: Wird Abfall in eine Deponie nicht abgelagert, sondern nur vorübergehend zwischengelagert, so liegt kein
Fall der Einbringung in die Deponie vor. Die Zwischenlagerung von Abfällen stellt daher auch keine Aufnahme des Betriebs der Behandlungsanlage dar (VwGH 29.10.2015, Ro 2015/07/0032).
(26) Daran ändert auch nichts das Erkenntnis des UVS aus dem Land NÖ vom 26.5.2003, Senat-NK-02-0050, auf das die belangte Behörde auf Seite 3 oben des bekämpften Bescheides verweist, weil die Rsp des UVS durch die oben zitierte Rsp des VwGH, insb das VwGH-Erk vom 29.10.2015, Ro 2015/07/0032, wonach zwischen der dauerhaften Einbringung und der vorübergehenden Zwischenlagerung sehr wohl zu differenzieren ist, längst überholt wurde.
(27) Unabhängig davon kann das von der belangten Behörde ins Treffen geführte UVS-Erk zur rechtlichen Beurteilung des vorliegenden Falls auch aus folgenden Gründen nichts beitragen:
• Erstens erging die UVS-Entscheidung nicht zum AWG 2002, sondern noch zum „alten“ Abfallwirtschaftsgesetz („AWG alt“), sodass sie schon aus diesem Grund keine Bedeutung für den vorliegenden Fall haben kann.
• Zweites lag dieser Entscheidung ein gänzlich anderer Sachverhalt zugrunde, da über die damals verfahrensgegenständliche Deponie bescheidmäßig ein Einbringungsverbot verhängt wurde. Die verfahrensgegenständliche Deponie der Beschwerdeführerin unterliegt hingegen keinem Einbringungsverbot.
• Drittens war Gegenstand der UVS-Ent nicht ein angeblicher Verstoß gegen das AWG alt selbst, sondern gegen den Bescheid, mit dem das Einbringungsverbot verhängt wurde. Daher orientierte sich der UVS auch bei seiner Ent am Wortlaut dieses Bescheides. Die Auslegung des Wortlauts einer individuell-konkreten Entscheidung einer Verwaltungsbehörde vermag aber keinerlei Bindungswirkung für die Auslegung sonstiger Rechtsakte zu entfalten.
(28) Das bloß vorübergehende Zwischenlagern von Abfällen, mag dies auch auf dem zur Nutzung als Deponie genehmigten Grundstück erfolgen, stellt daher weder einen Verstoß gegen Auflage 5 des Genehmigungsbescheides dar noch wird dadurch die Pflicht zur Erstattung einer Kollaudierungsanzeige gemäß § 61 Abs 1 AWG 2002 bzw zur Überprüfung der Anlage und Maßnahmen gemäß § 63 Abs 1 AWG 2002 ausgelöst.
2.5 Fazit
(29) Da die A GmbH die verfahrensgegenständliche Menge an Abfällen lediglich auf der Deponie zwischenlagert, kann darin kein Verstoß gegen Auflage 5 des Genehmigungsbescheides, wonach nur die Ablagerung kollaudierungspflichtig ist, liegen. Die Zwischenlagerung der Materialien auf der Bodenaushubdeponie der Beschwerdeführerin ist daher nicht konsenswidrig.
(30) Ebenso wenig erfordert die bloße Zwischenlagerung von Abfällen die vorherige Erstattung einer Kollaudierungsanzeige gemäß § 61 Abs 1 AWG 2002 oder vorherige Überprüfung der Anlage und Maßnahmen gemäß § 63 Abs 1 AWG 2002. Die Zwischenlagerung der Materialien begründet daher auch unter diesem Gesichtspunkt keine sonstige Gesetzwidrigkeit.
(31) Folglich besteht für den im bekämpften Bescheid verfügten Entfernungsauftrag gemäß § 62 Abs 2 AWG 2002 keine Rechtsgrundlage. Der bekämpfte Bescheid ist daher rechtswidrig“.
3. Zum durchgeführten Ermittlungsverfahren:
Mit Schreiben vom 26. März 2020 legte die belangte Behörde dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich die Beschwerde mit dem Ersuchen um Entscheidung vor.
Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erhob durch Einsichtnahme in den unbedenklichen Verwaltungsakt zur Zl. *** sowie durch Einsichtnahme in den Verwaltungsgerichtsakt zur Zl. LVwG-AV-378/001-2020 Beweis.
4. Feststellungen:
Auf den Grundstücken Nr. ***, ***, ***, ***, ***, ***, ***, *** und ***, KG ***, Gemeinde ***, befindet sich eine abfallrechtlich und naturschutzrechtlich genehmigte Bodenaushubdeponie.
Die abfallrechtliche Genehmigung zur Errichtung und zum Betrieb dieser Bodenaushubdeponie wurde der D Ges.m.b.H. hinsichtlich der Grundstücke Nr. ***, ***, ***, ***, ***, ***, *** und ***, KG ***, Gemeinde ***, mit Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 24. Oktober 2012, Zl. ***, wie folgt erteilt:
Gesamtausmaß ca. 122.767 m²; Gesamtkapazität ca. 660.000 m³; 9 Verfüllabschnitte; Einbringungszeitraum bis 31. Oktober 2032; Rekultivierung bis 31. Oktober 2033.
Im Genehmigungsbescheid wurde kein Konsens für die Errichtung und den Betrieb eines Zwischenlagers auf der Deponie erteilt. Lediglich auf Grundstück Nr. *** in der Südecke wurde die Aufstellung eines Containers zur Zwischenlagerung von insgesamt 50 t für aussortierte Abfälle bewilligt.
Die Auflage 5 des Genehmigungsbescheides lautet wie folgt:
„Mit der Ablagerung darf erst nach Vorliegen eines positiven Überprüfungsbescheides für den jeweiligen Deponieabschnitt inkl. der dazugehörigen Anlagenteile begonnen werden. Dazu ist der Behörde im Wege des Deponieaufsichtsorgans eine Fertigstellungsmeldung unter Anschluss eines Kollaudierungsoperates zu übermitteln.“
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 14. Mai 2019, Zl. ***, wurde die abfallrechtliche Genehmigung im Wesentlichen dahingehend geändert, als die Deponie um das Grundstück Nr. ***, KG ***, erweitert wurde, wodurch sich die Verfüllkubatur auf 840.000 m³, sowie die Anzahl der Deponieabschnitte auf 12 erhöhte.
Während des Genehmigungsverfahrens wurde die gegenständliche Anlage an die C GmbH verkauft. Mit Schreiben vom 10. April 2019 wurde die Beschwerdeführerin als Konsensinhaberin der abfallrechtlichen Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb der spruchgegenständlichen Bodenaushubdeponie bekanntgegeben.
Mit Bescheid vom 02. August 2013, ***, wurde die Errichtung der Deponieabschnitte 1 und 2 behördlich kollaudiert, mit Bescheid vom 16. November 2015 die Errichtung der Oberflächenabdeckung dieser Deponieabschnitte, sowie die Errichtung der Deponieabschnitte 3, 4 und 9/1. Mit letztgenanntem Bescheid wurde auch eine Abänderung der Abschnittseinteilung und Abschnittsgrößen bewilligt.
Im Herbst 2019 wurden von der Beschwerdeführerin auf einem (nicht kollaudierten) Teil der verfahrensgegenständlichen Deponie Zwischenlagerungen mit Bodenaushubmaterial im Ausmaß von ca. 22.941 m³ getätigt, welches Material beim Bauvorhaben *** anfiel und dort entfernt wurde, um die Verwirklichung dieses Bauvorhabens nicht zu gefährden.
Mit Verfahrensanordnung vom 04. Dezember 2019, Zl. ***, wurde die Beschwerdeführerin einerseits zur ordnungsgemäßen Entsorgung dieser Abfälle im Ausmaß von ca. 22.941 m³ und andererseits zur Vorlage entsprechender Nachweise aufgefordert.
Bis 22. Jänner 2020 wurde ein Teil dieser Abfälle, konkret 5.580 m³, vom Deponieareal entfernt, wobei Entsorgungsnachweise der Abfallrechtsbehörde bis dato nicht vorgelegt wurden.
Die Zwischenlagerungen wurden im November 2019 und am 24. Jänner 2020 messtechnisch erfasst.
Im Zuge einer Überprüfung durch das Deponieaufsichtsorgan am 11. Februar 2020 wurde festgestellt, dass diese Zwischenlagerungen weiterhin auf der gegenständlichen Bodenaushubdeponie bestanden, allerdings augenscheinlich reduziert wurden. Aufzeichnungen bzw. Entsorgungsnachweise wurden der Abfallrechtsbehörde nicht vorgelegt.
Mit Bescheid der belangten Behörde vom 19. Februar 2020, Zl. ***, erging der nunmehr angefochtene Entfernungsauftrag.
Die Nachweise über eine ordnungsgemäße Entfernung und Entsorgung von Materialien vom Deponieareal wurden zwischenzeitlich weder der Abfallrechtsbehörde noch dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich vorgelegt.
5. Beweiswürdigung:
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem Inhalt des Verwaltungsaktes, insbesondere den darin enthaltenen Sonderberichten des Deponieaufsichtsorganes samt angefertigten Lichtbilddokumentationen über die Begehungen am 07. November 2019, 22. Jänner 2020, 11. Februar 2020 und 05. März 2020.
Die getroffenen Feststellungen hinsichtlich des Standortes der Deponie und der Eigenschaft der Beschwerdeführerin als Konsensinhaberin sind unbestritten und ergeben sich aus dem Verwaltungsakt, insbesondere dem Bescheid der belangten Behörde vom 24. Oktober 2012, Zl. ***, sowie der Erweiterung dieser Deponie auf das Grundstück Nr. *** aus dem Bescheid der belangten Behörde vom 14. Mai 2019, Zl. ***.
Dass auf dem Gelände der gegenständlichen Deponie Abfälle im Ausmaß von insgesamt ca. 22.941 m³ verbracht wurden und dort nunmehr ca. 17.361 m³ verblieben sind, ist unbestritten. Dies wird von der Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde vom 20. März 2020 konkret vorgebracht (arg „knapp 23.000 m³“) und beruhen diese Feststellungen zudem auf dem Sonderbericht des Deponieaufsichtsorganes vom 12. Februar 2020 samt Lichtbildaufnahmen im Zusammenschau mit den Vermessungsunterlagen der Firma J GmbH vom 15. November 2019 und vom 24. Jänner 2020.
Die Feststellung, dass 5.580 m³ der gegenständlichen Abfälle entfernt wurden, beruht auf den Vermessungsunterlagen der Firma J GmbH vom 24. Jänner 2020, vorgelegt von der Beschwerdeführerin und erfolgte auch von der Beschwerdeführerin in der Beschwerde vom 20. März 2020 ein diesbezügliches Vorbringen.
Unstrittig ist überdies, dass hinsichtlich der Zwischenlagerungen kein Konsens besteht. Dies wird auch von der Beschwerdeführerin nicht vorgebracht.
Dass das verfahrensgegenständliche Material aus dem Bauvorhaben *** stammt, ergibt sich aus den im Verwaltungsakt vorliegenden Unterlagen.
Dass die Beschwerdeführerin dem Entfernungsauftrag vom 04. Dezember 2019 nicht nachgekommen ist, bringt die Beschwerdeführerin in ihrer Beschwerde auch konkret vor und ist daher unbestritten.
6. Rechtslage:
§ 28 VwGVG lautet wie folgt:
(1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.
(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn
1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder
2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.
[…]
Gemäß § 17 VwGVG sind auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG – soweit das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz selbst nichts anderes normiert - die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zentrale Bedeutung für die Anwendung des AWG 2002 kommt dem Abfallbegriff zu. Demnach sind gemäß § 2 Abs. 1 Z 1 und 2 AWG 2002 Abfälle bewegliche Sachen, derer sich der Besitzer entledigen will oder entledigt hat oder deren Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall erforderlich ist um die öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) nicht zu beeinträchtigen.
Nach § 1 Abs. 3 AWG 2002 ist im öffentlichen Interesse die Sammlung, Lagerung, Beförderung und Behandlung als Abfall dann erforderlich, wenn andernfalls
1. die Gesundheit der Menschen gefährdet oder unzumutbare Belästigungen bewirkt werden können,
2. Gefahren für Wasser, Luft, Boden, Tiere oder Pflanzen und deren natürlichen Lebensbedingungen verursacht werden können,
3. die nachhaltige Nutzung von Wasser oder Boden beeinträchtigt werden kann,
4. die Umwelt über das unvermeidliche Ausmaß hinaus verunreinigt werden kann,
5. Brand- oder Explosionsgefahren herbeigeführt werden können,
6. Geräusche oder Lärm im übermäßigen Ausmaß verursacht werden können,
7. das Auftreten oder die Vermehrung von Krankheitserregern begünstigt werden können,
8. die öffentliche Ordnung und Sicherheit gestört werden kann oder
9. Orts- und Landschaftsbild sowie Kulturgüter erheblich beeinträchtigt werden können.
Wie im Sachverhalt festgestellt, stammen die Materialien von einem Bauvorhaben. Da dieses Bodenaushubmaterial im Rahmen von Bauarbeiten in Entledigungsabsicht übergeben wurde, ist bei diesem Bodenaushubmaterial der subjektive Abfallbegriff erfüllt. Der Entledigungswille ist beim Abfallerzeuger unabhängig vom Verhalten anderer zu beurteilen. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist eine Sache als Abfall zu beurteilen, wenn bei irgendeinem Voreigentümer oder Vorinhaber die Entledigungsabsicht bestanden hat (VwGH 23.04.2015, 2013/07/0043).
Nach der Lebenserfahrung geht es einem Bauherrn, wenn bei der Realisierung von Bauvorhaben das angefallene Aushubmaterial oder Abbruchmaterial von der Baustelle weggeführt wird, im Regelfall darum, das Bauvorhaben zu vollenden und ist somit üblicherweise mit dessen Fortschaffung von der Baustelle eine Entledigungsabsicht verbunden. Es bedarf konkreter Anhaltspunkte, dass - abweichend von der dargestellten Erfahrungstatsache - sich ein Bauherr nicht des bei diesem Bauvorhaben angefallenen Aushubmaterials entledigen will (vgl. VwGH 25.02.2009, 2008/07/0182). Diesbezügliche Anhaltspunkte sind gegenständlich nicht hervorgekommen, sodass die verwendeten Materialien als Abfall im subjektiven Sinn zu qualifizieren sind.
Bei den zwischengelagerten Materialien ist somit der subjektive Abfallbegriff erfüllt.
Abfall im Sinne des AWG 2002 liegt bereits dann vor, wenn entweder der objektive oder der subjektive Abfallbegriff erfüllt ist (VwGH 23.02.2012, 2008/07/0179; 28.11.2013, 2010/07/0144), weshalb seitens des erkennenden Gerichts eine Auseinandersetzung mit dem objektiven Abfallbegriff nicht mehr erforderlich war.
Der angefochtene Bescheid der Landeshauptfrau von NÖ stützt sich auf
§ 62 Abs. 2 AWG 2002, welcher wie folgt lautet:
„Besteht der Verdacht eines konsenswidrigen Betriebs einer Behandlungsanlage, die gemäß den §§ 37, 52 oder 54 genehmigungspflichtig ist, so hat die Behörde – unabhängig von der Einleitung eines Strafverfahrens – den Inhaber einer Behandlungsanlage zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustands innerhalb einer angemessenen Frist aufzufordern. Kommt der Inhaber dieser Aufforderung innerhalb der gesetzten Frist nicht nach, so hat die Behörde mit Bescheid die zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustands erforderlichen, geeigneten Maßnahmen, wie die Stilllegung von Maschinen oder die teilweise oder gänzliche Schließung, zu verfügen.“
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Beschwerdeführerin gemäß § 62 Abs. 2 AWG 2002 zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes durch nachweisliche ordnungsgemäße Entfernung und Entsorgung der zwischengelagerten Abfälle von der verfahrensgegenständlichen Bodenaushubdeponie verpflichtet.
Maßgeblich für ein Vorgehen nach § 62 Abs. 2 AWG 2002 ist ein konsenswidriger Betrieb. § 62 Abs. 2 AWG 2002 dient der Einhaltung des Genehmigungskonsenses beim Betrieb einer Behandlungsanlage und nicht - wie etwa § 62 Abs. 3 leg. cit. - dem Schutz der gemäß § 43 leg. cit. wahrzunehmenden Interessen durch Vorschreibung geeigneter (zusätzlicher) Maßnahmen (vgl. VwGH 20.09.2012, 2011/07/0235).
Vergleichsmaßstab ist aber nicht nur der Genehmigungsbescheid schlechthin, sondern jene Vorgaben, die sich aus der Rechtsordnung, insbesondere aus dem Abfallwirtschaftsgesetz 2002 (AWG 2002) sowie der Deponieverordnung 2008 (DVO 2008) ergeben. Das ergibt sich daraus, dass einerseits jene Maßnahmen nach § 62 Abs. 2 AWG 2002 vorzuschreiben sind, welche zur Einhaltung der Rechtsordnung (und nicht nur des Genehmigungskonsenses) erforderlich sind. Andererseits verleiht der Genehmigungsbescheid dem Antragsteller ein individuelles Recht, welches ua voraussetzt, dass durch das zu genehmigende Deponieprojekt die Einhaltung der Bestimmungen der DVO 2008 garantiert ist (vgl. § 43 Abs. 4 AWG 2002).
Zu prüfen ist daher, ob die Lagerung der gegenständlichen Materialien in der genehmigten Bodenaushubdeponie dem erteilten Konsens und der Rechtsordnung, insbesondere der DVO 2008, entspricht.
Bei der spruchgegenständlichen Bodenaushubdeponie handelt es sich unstrittig um eine nach § 37 AWG 2002 genehmigungspflichtige und grundsätzlich mit Bescheid vom 24. Oktober 2012 genehmigte Abfallbehandlungsanlage im Sinne des § 62 AWG 2002.
Gemäß § 37 Abs. 1 AWG 2002 bedarf die Errichtung, der Betrieb und die wesentliche Änderung von ortsfesten Behandlungsanlagen der Genehmigung der Landeshauptfrau.
Eine Behandlungsanlage ist eine ortsfeste oder mobile Einrichtung, in der Abfälle behandelt werden, einschließlich der damit unmittelbar verbundenen, in einem technischen Zusammenhang stehenden Anlagenteile (§ 2 Abs. 7 Z 1 AWG 2002).
Eine abfallrechtliche Behandlung im Sinne des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 ist jedes Verwertungs- oder Beseitigungsverfahren, einschließlich der Vorbereitung vor der Verwertung oder Beseitigung (§ 2 Abs. 5 Z 1 AWG 2002). Jedenfalls sind als abfallrechtliche Behandlung die in Anhang 2 zum Abfallwirtschaftsgesetz 2002 angeführten Behandlungsverfahren zu verstehen.
Zu den Beseitigungsverfahren zählen die Ablagerungen in oder auf dem Boden
(zB Deponien usw.) (D1 gemäß Anhang 2 zum Abfallwirtschaftsgesetz 2002).
Auch ist die Lagerung bis zur Anwendung eines der unter D1 bis D14 angeführten Verfahren (ausgenommen die zeitweilige Lagerung – bis zur Sammlung – auf dem Gelände der Entstehung der Abfälle) als Beseitigungsverfahren einzustufen.
Gemäß § 2 Abs. 7 Z 4 AWG 2002 sind „Deponien“ Anlagen, die zur langfristigen Ablagerung von Abfällen oberhalb oder unterhalb (dh. unter Tage) der Erdoberfläche errichtet oder verwendet werden, einschließlich betriebseigener Anlagen für die Ablagerung von Abfällen, oder auf Dauer (dh. für länger als ein Jahr) eingerichtete Anlagen, die für die vorübergehende Lagerung von Abfällen genutzt werden.
Nicht als Deponien gelten hingegen
„a) Anlagen, in denen Abfälle abgeladen werden, damit sie für den Weitertransport zur Behandlung an einem anderen Ort vorbereitet werden können,
b) Anlagen zur Zwischenlagerung von Abfällen vor der Verwertung, sofern die Dauer der Zwischenlagerung drei Jahre nicht überschreitet, und
c) Anlagen zur Zwischenlagerung von Abfällen vor der Beseitigung, sofern die Dauer der Zwischenlagerung ein Jahr nicht überschreitet.“
Im gegenständlichen Fall erfolgte die Lagerung auf einer Bodenaushubdeponie, also auf einer Abfallbehandlungsanlage. Zwar ist der technische Anlagenbegriff des Abfallwirtschaftsgesetzes 2002 enger als jener der Gewerbeordnung 1994, weshalb auch der zur gewerberechtlichen Betriebsanlage im Sinne der GewO 1994 entwickelte Grundsatz der „Einheit der Betriebsanlage“ auf das AWG 2002 nicht übertragbar ist (vgl. Scheichl/Zauner/Berl, AWG 2002 (2015) § 2 Rz 178).
Als Abfallbehandlungsanlage ist jedoch die Behandlungsanlage in ihrer Gesamtheit (zB eine Deponie mit den entsprechenden Einrichtungen, wie Zwischenlager, Labor, Gebäude des Personals) und andererseits ein bestimmter Anlagenteil einer Produktionsanlage (zB eine betriebseigene Deponie oder eine Verbrennungsanlage im Zusammenhang mit einer Produktionsanlage) zu verstehen (vgl. Scheichl/Zauner/Berl, AWG 2002 (2015) § 2 Rz 176 mwN).
Es besteht unzweifelhaft sowohl ein örtlicher als auch sachlicher Zusammenhang zwischen der Deponie und den verfahrensrelevanten Zwischenlagerungen, fanden diese doch am festgestellten Deponieareal statt, sodass die verfahrensgegenständliche Zwischenlagerung mit der Bodenaushubdeponie eine Einheit bilden.
Gemäß § 34 Abs. 2 Deponieverordnung 2008 (DVO 2008) ist ein Lagern oder Zwischenlagern von Abfällen, einschließlich ein kurzzeitiges Lagern vor oder nach einer Behandlung, nur in einer dafür genehmigten anderen Anlage innerhalb des Deponiebereichs oder in einem Zwischenlager gemäß § 33 Abs. 1 oder bei Abfällen zur Deponierung im Zuge der Eingangskontrolle entsprechend § 18 Abs. 2 im Ablagerungsbereich des Deponiekörpers zulässig. Nach § 34 Abs. 3 gilt Abs. 1 und 2 nicht für Kompartimente, bei denen die endgültige Oberflächenabdeckung aufgebracht ist.
§ 33 Abs. 1 DVO 2008 lautet:
Der Deponieinhaber hat im Deponiebereich getrennt vom Deponiekörper geeignete Einrichtungen, insbesondere für die Übernahme und die Eingangskontrolle von Abfällen (sofern nicht eine Ausnahme gemäß § 18 Abs. 1 genehmigt ist), einschließlich Abstell- und Umkehrflächen für Anlieferfahrzeuge, und das auf der Deponie beschäftigte Personal vorzusehen. Sofern Abfälle vor der Annahme und dem Einbau in den Deponiekörper zwischengelagert werden sollen, zB bei Verdacht auf eine unzulässige Kontamination, sind geeignete Zwischenlager getrennt vom Deponiekörper einzurichten. Für diese Zwischenlager gilt § 34 Abs. 1 Z 1 bis 3 sinngemäß.
Zumindest seit Inkrafttreten der DVO 2008 stellt ein Zwischenlager auf einer Deponie eine „andere Anlage“ im Sinne des § 34 Abs. 2 leg. cit. dar, und ist somit nach § 37 AWG 2002 genehmigungspflichtig. Dies bedeutet konkret, dass der erteilte Konsens für die Deponie für das Zwischenlager einer rechtlichen Erweiterung bedarf. Anhaltspunkte, dass die Zwischenlagerungen nämlich auf den abgeschlossenen, endkollaudierten Abschnitten erfolgten, liegen nämlich nicht vor und wurde dies von der Beschwerdeführerin auch nicht behauptet.
Zwar liegt nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kein Fall von Einbringung in die Deponie (im engeren Sinn) vor, wenn Abfall in die Deponie nicht abgelagert, sondern nur zwischengelagert wird (vgl. VwGH 29.10.2015, Ro 2015/07/0032), allerdings bilden die – wie bereits dargelegt – verfahrensgegenständlichen Zwischenlagerungen mit der Deponie eine Einheit. Da für diese Zwischenlagerungen kein abfallrechtlicher Konsens besteht, wird die Deponie in ihrer Gesamtheit konsenswidrig betrieben.
Die Voraussetzungen für ein Vorgehen nach § 62 Abs. 2 AWG sind aus folgenden Gründen erfüllt:
Nach § 62 Abs. 2 AWG 2002 hat die Behörde den Inhaber einer Behandlungsanlage zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustands aufzufordern und bei Nichterfüllung der Aufforderung die zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustands erforderlichen, geeigneten Maßnahmen, wie die Stilllegung von Maschinen oder die teilweise oder gänzliche Schließung, zu verfügen.
Ein Bescheid nach § 62 Abs. 2 AWG 2002, mit welchem Maßnahmen zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes verfügt werden, setzt voraus, dass ein Abweichen eines vom vorliegenden Konsens für eine nach §§ 37, 52 oder 54 AWG 2002 genehmigungspflichtige Behandlungsanlage vorliegt und dass die verfügte Maßnahme zur Herstellung des rechtmäßigen Zustandes erforderlich ist. Zudem muss bereits vor Erlassung des Bescheides mittels Verfahrensanordnung zur Herstellung des der Rechtsordnung entsprechenden Zustandes binnen einer angemessenen Frist aufgefordert worden sein und in der Folge dieser Aufforderung nicht innerhalb der gesetzlichen Frist nachgekommen werden.