Entscheidungsdatum
25.05.2020Norm
AsylG 2005 §3Spruch
W195 2224859-1/11E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Vizepräsidenten Dr. Michael SACHS als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Bangladesch, vertreten durch Rechtsanwalt XXXX gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.09.2019, XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 18.05.2020 zu Recht erkannt:
A)
I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 3 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
II. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 8 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
III. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt III. des angefochtenen Bescheides betreffend die Nichterteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen wird gemäß § 57 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
IV. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. und Spruchpunkt V. des angefochtenen Bescheides betreffend die Rückkehrentscheidung und Zulässigkeit einer Abschiebung sowie gegen Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und die Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch gemäß § 52 FPG in Verbindung mit § 9 BFA-VG auf Dauer für unzulässig erklärt.
V. Gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 in Verbindung mit § 54 Abs. 2 AsylG 2005 wird XXXX der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
I.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), Staatsangehöriger von Bangladesch, stellte am 25.06.2019 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.
Im Rahmen einer am gleichen Tag vor einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes erfolgten niederschriftlichen Erstbefragung legte der BF einen Aufenthaltstitel mit Gültigkeit bis zum 30.03.2016 vor und gab zu seinem Fluchtgrund befragt an, dass er am 07.06.2015 nach Bangladesch geflogen sei. Einige Tage danach hätten ihn fünf bis sechs junge Männer darauf angesprochen, dass der BF Anhänger der Bangladesh Nationalist Party (im Folgenden: BNP) sei. Einer davon, der damalige Vorsitzende der Gemeinde und ein kleiner Führer der Awami League, habe daraufhin begonnen, den BF herumzustoßen. Der BF sei von diesen Personen umzingelt und bedroht worden, woraufhin mehrere Personen gekommen seien, um den BF zu retten. Jeder in der Ortschaft habe von diesem Vorfall erfahren. Die Familie des BF habe dem BF daraufhin geraten, die Ortschaft zu verlassen, da der Führer der Awami League sehr gefährlich sei. Der BF sei gemeinsam mit seiner Ehefrau und seinen Kindern nach Chittagong gegangen und habe aufgrund von Warnungen seiner Verwandten hinsichtlich eines Aufenthalts in Dhaka zwei Mal seinen Rückflug nach Wien nach hinten verschoben. Am 18.10.2015 sei er schließlich nach Dhaka gekommen und am 19.10.2015 habe er von seinem Hotel in Dhaka einen Anruf erhalten, dass er nicht mehr zurück in dieses Hotel gehen solle, da nach ihm gesucht worden sei. Der BF habe daher das Hotel gewechselt und sei am 20.10.2015 nach Wien geflogen. Zudem habe der BF am 11.04.2015 einen Eintrag auf Facebook gegen einen Führer der Awami League gemacht, woraufhin er am 08.11.2015 einen Kommentar erhalten habe, dass der BF bei einer Rückkehr nach Bangladesch getötet werden würde. Im Fall einer Rückkehr befürchte der BF eine politische Verfolgung, weil er Angehöriger der BNP sei, sowie eine Anzeige wegen seines Eintrages auf Facebook.
I.2. Am 06.08.2019 wurde der BF vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) niederschriftlich einvernommen.
Der BF gab in seiner Befragung zu seinem Fluchtgrund im Wesentlichen an, dass er seit ungefähr 2013 Mitglied bei der BNP sei und daher politisch verfolgt werde. Der BF habe keine Funktion in der Partei innegehabt. Seine Probleme hätten am 07.06.2015 begonnen, als er nach Bangladesch gereist sei. Fünf bis sieben Tage nach seiner Einreise sei ein Vorfall passiert, an dem fünf bis sieben Personen beteiligt gewesen seien. Der BF kenne eine dieser Personen gut. Dieser sei der Bürgermeister des Gemeindesverbandes im Heimatort.
Nachgefragt, weshalb der BF den Asylantrag erst im Juni 2019 gestellt habe, gab er an, dass die Verlängerung seines Studententitels abgelehnt worden sei, er darauf einen Antrag gemäß Art. 8 gestellt habe und daraufhin habe er sein Problem erstmals geschildert. Seit 2015 versuche der BF, ein Visum zu erhalten, damit er nicht nach Bangladesch zurückkehren müsse.
Aufgefordert, alle seine Fluchtgründe zu nennen, gab der BF zusammengefasst an, dass bei dem bereits erwähnten Vorfall fünf bis sieben Personen zum BF gekommen seien und ihn gestoßen und beschimpft hätten. Leute aus der Nachbarschaft hätten dies mitbekommen und den BF gerettet. Der Bruder des BF habe von diesem Vorfall erfahren, bevor der BF ihm davon erzählen habe können, und habe dem BF geraten, die Ortschaft zu verlassen. Zwei Tage danach sei der BF mit seiner Ehefrau und seinen Kindern nach XXXX gegangen. Von dort habe er von seiner Familie regelmäßig Informationen erhalten, wie die Lage sei. Der BF habe sein Rückflugticket nach Österreich mehrmals ändern müssen. Er sei in XXXX von seinem Hotel angerufen worden, dass zwei Personen nach dem BF suchen würden, weshalb er das Hotel gewechselt habe. Am 08.11.2015 habe zudem jemand einen Facebook-Eintrag des BF kommentiert und geschrieben, dass der BF Glück gehabt habe, dass er im Hotel nicht angetroffen worden sei. Der BF werde durchgehend bedroht, dass man ihn einsperren würde, weshalb er auf keinen Fall zurück in sein Heimatland gehen könne. Die Frage, ob der BF etwas gegen die Politik in Bangladesch auf Facebook geschrieben habe, danach nach Bangladesch gereist sei und aufgrund dieses Eintrags angegriffen worden sei, bejahte der BF und gab dazu ergänzend an, dass er zuvor schon viele ähnliche Einträge gemacht habe, diese aber nicht kommentiert worden seien. Der BF sei bei seinem Angriff direkt auf diesen Eintrag angesprochen worden. Nach diesem Vorfall habe er keinen diesbezüglichen Eintrag mehr gemacht.
Im Rahmen der Befragung legte der BF eine Mitgliedbestätigung bei der BNP, eine Bestätigung darüber, dass der BF gefoltert worden sei, einen Auszug des Kommentars des BF auf Facebook, Bestätigungen über Hotelreservierungen, diverse Flugunterlagen, diverse Fotos sowie ein Deutschzertifikat B2 und eine Bestätigung über einen Erste-Hilfe-Kurs vor.
I.3. Am 27.08.2019 übermittelte der anwaltlich vertretene BF dem BFA diverse Medienberichte, darunter einen Artikel bezüglich der Inhaftierung aufgrund eines Facebook-Eintrags.
I.4. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 20.09.2019 wies das BFA den Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch (Spruchpunkt II.) ab. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 wurde dem BF nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Darüber hinaus wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.) und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass es dem BF nicht gelungen sei, seine Angaben glaubhaft zu machen. Der BF habe kein kohärentes und detailliertes Vorbringen hinsichtlich einer Verfolgung in Bangladesch machen können. Die Angaben des BF seien absolut vage gewesen und die vorgelegten Beweismittel seien teilweise untauglich gewesen bzw. würden in keinem zeitlichen Zusammenhang mit der Antragstellung stehen und die behauptete Bedrohung nicht untermauern. Dass der BF im Fall einer Abschiebung in eine aussichtslose Situation geraten würde, sei nicht feststellbar. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer "Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz" würden nicht vorliegen und würden zudem die öffentlichen Interessen an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens gegenüber den privaten Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiegen, weswegen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen sei.
I.5. Am 13.10.2019 wurde der Bescheid des BFA seitens des anwaltlich vertretenen BF zur Gänze angefochten. Der bereits vom BF geschilderte Sachverhalt wurde erneut wiedergegeben und ergänzt, dass der BF seit August 2019 als Zusteller bei einem Zustelldienst arbeite und damit rund 1.500 Euro verdiene. Auch davor habe der BF seinen Lebensunterhalt selbst verdient bzw. von seinen Ersparnissen aus seiner Studienzeit gelebt. Der BF sei selbst versichert und komme für seinen Unterhalt auf. Er lebe in einer privaten Unterkunft und zahle dafür 150 Euro Miete pro Monat (Untermiete bei einer Familie). Es sei dem BF sehr wichtig, sich in die österreichische Gesellschaft einzubringen und sich hier nützlich zu machen. Er habe in Österreich viele Freunde gefunden. Der BF habe einen Deutsch B2-Test bestanden und einen Führerschein in Österreich gemacht.
Der Vorwurf des BFA, der BF habe kein detailliertes Vorbringen erstatten können, sei unrichtig. Zudem übersehe das BFA, dass im Asylverfahren Bescheinigungen genügen und das BFA nicht beachte, dass der BF sämtlich Unterlagen habe vorlegen können, welche er in realistischer Weise haben könne. Unverständlich sei der Vorwurf des BFA, dass der BF seine politischen Kommentare nicht hätte öffentlich machen sollen. Die öffentliche politische Meinung sei allerdings ein Menschenrecht und nicht verhandelbar.
Zudem hätte dem BF ein Aufenthaltsrecht nach § 55 AsylG erteilt werden müssen, da ein solcher nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes in der Regel nach einem 10 Jahre dauernden Aufenthalt zu erteilen sei.
I.6. Am 28.10.2019 legte das BFA die Beschwerde und den Akt des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht zur Entscheidung vor.
I.7. Am 18.05.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Bengali eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, an der der BF und seine Rechtsvertretung teilnahmen. Im Zuge der Verhandlung wurde der BF erneut ausführlich u.a. zu seinen Fluchtgründen, seinen Rückkehrbefürchtungen, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensverhältnissen in Bangladesch befragt.
Im Rahmen dieser Verhandlung führte der BF – zusammengefasst – aus, dass seine Ehefrau und seine beiden Kinder in Bangladesch leben würden. In Österreich habe er keine Partnerschaft oder Kinder, jedoch – auch österreichische - Freunde, mit denen er Plaudern könne, Bier und Kaffee trinke. Manche Freunde seien auch Arbeitskollegen. Seine Deutschkenntnisse seien auf dem Niveau B2, wovon sich der vorsitzende Richter auch ein entsprechendes Bild machen konnte. Der BF liefere Essensbestellungen aus und bekäme dafür ca 1.400 bis 1.500 € pro Monat.
Der BF sei seit 2007 in Österreich und ursprünglich legal mit einem Studentenvisum eingereist. Sein Studium war nicht sehr erfolgreich, er habe nur eine Prüfung absolviert, diese aber nicht bestanden. Seither, nämlich seit 2015, habe er aufgehört zu studieren.
Zwischen 2007 und 2020 sei er viermal nach Bangladesch geflogen, nämlich 2010, 2011, 2013 und 2015. Er habe als Student einen Aufenthaltstitel bis Ende 2016 gehabt.
Wann genau er in Bangladesch zwischen 2007 und 2020 gewesen sei, könne er nicht mehr sagen, aber es sei jeweils zwei, drei vier Monate lang gewesen. 2010 wäre er im August/September in Bangladesch gewesen, weil er geheiratet habe. 2011 und 2013 sei er „fast drei Monate“ vermutlich im Juni/Juli in Bangladesch gewesen, genaueres wisse er nicht mehr.
2015 sei er vier Monate im Heimatland geblieben. Er sei am 07.07.2015 nach Bangladesch geflogen und am 20.10.2015 wieder nach Österreich gekommen.
Zusammengefasst schilderte der BF bereits wie vor dem BFA seinen Fluchtgrund: er sei in seinem Heimatland von Awami-League-Aktivisten angegriffen worden, weil er auf Facebook über die Regierung in Bangladesch geschrieben habe. Diese Personen hätten ihn in seiner Ortschaft angegriffen und ihn bedroht. Danach schilderte der BF wiederholend und ausführlich, wie er vor seinem Abflug aus Bangladesch in der Stadt XXXX sein Hotel gewechselt habe, weil zwei Personen sich nach ihm im Hotel erkundigt hätten und das Personal des Hotels den BF telefonisch gewarnt habe. Letztlich waren die Ausführungen auf konkrete Nachfrage, wer ihn wann und weswegen gewarnt hätte, unklar und widersprüchlich: einmal waren es Verwandte, dann Freunde, die den BF vor der politisch heißen und für ihn gefährlichen Aufenthalt in XXXX gewarnt hätten; Hinsichtlich der Personen, die ihn im Hotel gesucht hätten, konnte der BF keine Angaben machen, weil er ja nicht im Hotel gewesen sei und im Hotel kannten sie diese Personen auch nicht, sie hätten nur gesagt, dass deren Verhalten nicht gut sei, wobei der BF nicht definieren konnte, was er darunter verstünde.
Nachgefragt über den Vorfall in seinem Dorf meinte der BF, dass er diese Leute kenne, die ihn angegriffen hätten; sie hätten ihm „unterstellt, dass ich von der BNP bin“ und sie würden ihm schon zeigen, was passieren könne. Der BF vermutet, dass sie ihn deshalb angegriffen hätten, weil er auch auf Facebook postet. Eine Anzeige bei der Polizei machte der BF nicht.
Die Aus- und Einreisen nach Bangladesch erfolgten immer problemlos.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
II.1. Feststellungen:
II.1.1. Zur Person des BF:
Der volljährige BF ist Staatsangehöriger von Bangladesch und der muslimischen Glaubensgemeinschaft zugehörig. Seine Muttersprache ist Bengali.
Der BF stammt aus dem Distrikt XXXX . Er hat in Bangladesch hat nach seinem Schulbesuch eine Universität besucht und einen Bachelorabschluss gemacht. Seine Familie ist in Bangladesch für seinen Lebensunterhalt aufgekommen.
Der Vater des BF ist verstorben. Die Mutter, seine Geschwister, die Ehefrau und die zwei minderjährigen Kinder des BF leben in Bangladesch.
Die Ehefrau und die Töchter des BF leben bei den Schwiegereltern des BF. Die Ehefrau des BF ist selbständig und betreibt einen Kleidungshandel. Der BF hat (fast täglichen) Kontakt zu seinen Familienangehörigen in Bangladesch.
Der BF reiste Anfang 2007 erstmals legal in Österreich ein, um in Österreich zu studieren. Danach reiste der BF viermal (2010, 2011, 2013 und 2015) jeweils für einige Monate, nach Bangladesch. Seine diesbezüglichen Angaben sind hinsichtlich der Zeiträume verschwommen, unklar und schwer nachvollziehbar (etwa Aufenthalt in Bangladesch 2013 im Juni/Juli, Geburt der zweiten Tochter im November 2013).
Zuletzt flog der BF am 07.06.2015 nach Bangladesch. Am 20.10.2015 kehrte der BF erneut nach Österreich zurück.
Der BF verfügte bis 30.03.2016 über einen Aufenthaltstitel. Der letzte Verlängerungsantrag des BF wurde am 13.10.2016 abgewiesen.
Am 25.06.2019 stellte der BF den gegenständlichen Asylantrag.
Der BF ist Mitglied in der XXXX .
Der BF verfügt über Deutschkenntnisse auf dem Niveau B2. Ein Studienerfolg des BF war nicht gegeben, die einzige Prüfung, zu der der BF antrat, hat der BF nicht bestanden.
Der BF besuchte in Österreich einen Erste-Hilfe-Kurs.
Der BF bezog in Österreich keine Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung und lebt in einer privaten Unterkunft. Der BF hat – nach eigenen Angaben - im Bundesgebiet während seines aufrechten Aufenthaltstitels in mehreren Restaurants geringfügig bzw. für 20 Stunden als Koch gearbeitet und zeitweise Nachhilfeunterricht gegeben. Seit August 2010 arbeitet der BF als Zusteller und verdient ungefähr 1.500 Euro brutto. Der BF ist selbsterhaltungsfähig.
Im Bundesgebiet befinden sich keine Familienangehörigen des BF.
Der BF ist strafrechtlich unbescholten.
Der BF ist arbeitsfähig und gesund.
II.1.2. Zum Fluchtvorbringen des BF:
Der BF hatte in Bangladesch keine Funktion in der BNP inne; der BF gab an, dass er „seit ungefähr 2013“ Mitglied der BNP sei.
Der BF wurde in Bangladesch nicht von Mitgliedern der Awami League angegriffen. Der BF war in Bangladesch keiner Verfolgung aufgrund eines kritischen Facebook-Eintrags ausgesetzt.
Der BF wurde bzw. wird in Bangladesch auch nicht von der Polizei gesucht. Die Aus- und Einreisen von bzw. nach Bangladesch erfolgten immer problemlos.
Der BF ist in seinem Herkunftsland keiner konkret gegen seine Person gerichteten Bedrohung oder Verfolgung aus politischen Gründen ausgesetzt gewesen und droht auch keine Verfolgung im Falle einer Rückkehr.
Neben der behaupteten Verfolgungsgefährdung aus politischen Gründen liegen auch keine anderen Gründe vor, aufgrund derer der BF in seinem Heimatland eine Verfolgung bzw. Gefährdung zu befürchten hätte.
II.1.3. Zur maßgeblichen Lage in Bangladesch:
Politische Lage
Bangladesch – offizielle Bezeichnung Volksrepublik Bangladesch (People's Republic of Bangladesh / Ga?apraj?tantr? B??l?de?) ist seit 1991 eine parlamentarische Demokratie (GIZ 11.2019a). Das Land befindet sich größtenteils in der Deltaebene, die durch die Mündung der Flüsse Ganges und Brahmaputra in den Golf von Bengalen (Indischer Ozean) gebildet wird. Nachbarstaaten sind Indien (Westen, Norden und Osten) und Myanmar (Südosten). Die Hauptstadt ist Dhaka (ca. 20 Millionen Einwohner). Auf einer Fläche von ca. 148.000 km² (CIA 13.3.2020) leben etwa 163 Millionen Einwohner (CIA 13.3.2020; vgl. GIZ 3.2020, AA 6.3.2020a). Bangladesch ist mit 1.127 Einwohnern pro Quadratkilometer, der am dichtesten besiedelte Flächenstaat der Welt (zum Vergleich: Österreich 104 Einwohner pro km²) (WPR o.D.; vgl. AA 6.3.2020a).
Das Staatsoberhaupt ist der Präsident, der vom Parlament alle fünf Jahre gewählt wird. Eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Er übt größtenteils zeremonielle Funktionen aus, während die Macht in den Händen des Premierministers als Regierungschef liegt. Dieser wird von der stärksten im Parlament vertretenen Partei nominiert und vom Präsidenten formell ernannt. Der Premierminister ernennt die Regierungsmitglieder, die vom Präsidenten bestätigt werden. Nach Ende der fünfjährigen Legislaturperiode bildet der Präsident unter seiner Führung eine unabhängige Übergangsregierung, deren verfassungsmäßige Aufgabe es ist, innerhalb von 90 Tagen die Voraussetzungen für Neuwahlen zu schaffen (ÖB 8.2019; vgl. GIZ 11.2019a). Zusätzlich obliegt dem Premierminister die Kontrolle der Geheimdienste, der Streitkräfte und der paramilitärischen Einheiten (GIZ 11.2019a).
Das Parlament (National Parliament oder Jatiya Sangsad) besteht aus einer Kammer mit 300, in Einzelwahlkreisen auf fünf Jahre direkt gewählten, Abgeordneten (ÖB 8.2019) mit zusätzlichen 50 Sitzen, die nur für Frauen reserviert sind (USDOS 11.3.2020; vgl. GIZ 11.2019a). Diese werden nicht direkt durch eine Wahl vergeben, sondern durch die Parteien, die es ins Parlament schaffen, nominiert (GIZ 11.2019a; vgl. USDOS 11.3.2020). Das Parlament tagt nicht während der Amtszeit der Übergangsregierung. Das Mehrheitswahlrecht führt zu stabilen Mehrheiten im Parlament und hat die Herausbildung der Bangladesch Nationalist Party (BNP) und der Awami League (AL) als dominierende und konkurrierende Parteien begünstigt. Während die konservative BNP Verbündete bei den islamistischen Parteien wie der Jamaat-e-Islami (JI) hat, bekommt die AL traditionell Unterstützung von linken und säkularen Parteien, wie der Arbeiterpartei, der liberaldemokratischen Partei, der national-sozialen Partei Jatiyo Samajtantrik Dal und jüngst auch von der Jatiya Partei, unter dem ehemaligen Militärdiktator Hossain Mohammad Ershad (ÖB 8.2019).
Das politische Leben wird durch die beiden dominierenden und konkurrierenden größten Parteien, die „Awami League“ (AL) und „Bangladesh Nationalist Party“ (BNP) bestimmt (ÖB 8.2019). Klientelismus und Korruption sind weit verbreitet. Gewerkschaften, Studentenorganisationen, Polizei und Verwaltung sind parteipolitisch durchdrungen (AA 22.7.2019; vgl. DGVN 2016). Beide Parteien haben keine demokratische interne Struktur und werden von Familien geführt, die Bangladesch seit der Unabhängigkeit geprägt haben (FH 2020).
Seit 2009 ist Sheikh Hasina Wazed von der Awami League (AL) Premierministerin (GIZ 11.2019a; vgl. ÖB 8.2019). Im Jänner 2019 wurde Sheikh Hasina für ihre vierte Amtszeit, die dritte Amtszeit in Folge, als Premierministerin angelobt. Im Februar 2019 gab sie bekannt, dass sie nach dieser Amtszeit an die „junge Generation“ übergeben wolle (DW 14.2.2019).
Bei den elften bangladeschischen Parlamentswahlen vom 30.12.2018 erzielte die „Große Allianz“ um die regierende AL einen Erdrutschsieg mit 96 % der Stimmen und 289 der 300 zur Wahl stehenden Parlamentssitze (Guardian 30.12.2018; vgl. BN24 31.12.2018, DT 27.1.2019, DS 10.1.2019, DW 14.2.2019), wobei in zwei Wahlkreisen aufgrund von Gewalt (DS 10.1.2019) bzw. dem Tod eines Kandidaten Nachwahlen notwendig waren (DT 27.1.2019).
Es gibt Berichte über Wahlmanipulation. Die Opposition verurteilte die Wahl als „Farce“ und fordert die Annullierung des Ergebnisses und Neuwahlen. Die Regierungspartei weist die Manipulationsvorwürfe und Neuwahlforderungen zurück und nennt die Wahl „völlig frei und unabhängig“ (BBC 31.12.2018). In einer vorläufigen Bewertung erklärten Wahlbeobachter der SAARC (South Asian Association for Regional Cooperation), dass die Wahl „viel freier und fairer“ ablief als die vorherigen (Hindu 1.1.2019). Bereits im Vorfeld der Wahl kam es zu Gewalt zwischen rivalisierenden Anhängern und zu harten Vorgehen der Regierung (BBC 31.12.2018; vgl. Hindu 1.1.2019). Die Wahlen vom 30. Dezember 2018 waren durch Übergriffe auf Oppositionelle, willkürliche Verhaftungen und Einschüchterungen der Stimmberechtigten gekennzeichnet (HRW 14.1.2020). Am Wahltag waren rund 600.000 Sicherheitskräfte, darunter Armee und paramilitärische Truppen, im Einsatz, um die Gewalt einzudämmen (Guardian 30.12.2018). Frühzeitig wurde die Wahl durch die Wahlkommission als frei und fair bezeichnet. Unregelmäßigkeiten wurden nicht untersucht. Stattdessen wurden Journalisten wegen ihrer Berichterstattung verhaftet (HRW 14.1.2020). Es wurden mindestens 17 Menschen bei Zusammenstößen zwischen Anhängern der regierenden Partei und der Opposition getötet (Reuters 1.1.2019).
Die oppositionelle BNP hat aufgrund ihrer starken gesellschaftlichen Verankerung das Potenzial, durch Generalstreiks großen außerparlamentarischen Druck zu erzeugen (GIZ 11.2019a).
Infolge der Dominanz der AL und der fehlenden, innerparteilichen Demokratie hat de facto die exekutive Spitze das ausschließliche Sagen bei Gesetzesentwürfen. Wie schon die Vorgängerregierungen baut auch die gegenwärtige AL-Regierung ihre Netzwerke in Verwaltung, Rechtswesen und Militär aus. Verschärfend kommt hinzu, dass die BNP als vormals größte Oppositionspartei das Wahlergebnis angefochten hatte und nun nicht mehr im Parlament vertreten ist (GIZ 11.2019a).
Die erste Verfassung trat 1972 in Kraft und setzte neben der demokratischen Staatsform auch Säkularismus, Sozialismus und Nationalismus als Ziele fest. Nach zahlreichen Verfassungsänderungen wurde 1988 der Islam als Staatsreligion eingeführt bei gleichzeitiger verfassungsrechtlicher Verankerung des Rechts auf friedliche Ausübung anderer Religionen (ÖB 8.2019). Die verfassungsändernde Mehrheit der AL im Parlament führt zu einer enormen Machtkonzentration. Gesetzesinitiativen schränken den Spielraum der Zivilgesellschaft weiter ein (ACCORD 12.2016). Die Ankündigung von PM Sheik Hasina, ein Tribunal einzusetzen, um erstmals die Verantwortlichen für die Kriegsverbrechen im Unabhängigkeitskrieg 1971, aber auch für die Ermordung ihres Vaters und Staatsgründers Sheikh Rajibur Rahman 1975 sowie versuchte Mordanschläge auf ihr eigenes Leben 2004 zur Rechenschaft zu ziehen, stoßen in gewissen (pro-pakistanischen Kreisen) in Bangladesch auf heftigen Widerstand (ÖB 8.2019).
Die Kommunalwahlen 2019 fanden an fünf verschiedenen Wahltagen zwischen 10.3. und 18.6.2019 statt (bdnews24 20.6.2019; vgl. bdnews24 3.2.2019). Nachdem die BNP und einige andere Parteien die Wahlen boykottierten, wurde eine niedrige Wahlbeteiligung beobachtet (bdnews24 20.6.2019; vgl. DS 10.3.2019). Die Kandidaten der AL waren in 317 von 470 Upazillas [Landkreisen] siegreich, in 149 Upazillas gewannen unabhängige Kandidaten, die vorwiegend abtrünnige der Regierungsparteien sind. In 115 Upazillas gab es keine Gegenkandidaten (bdnews 20.6.2019). Für die Nachwahlen in insgesamt 8 Upazillas am 14.10.2019 kündigte die BNP jedoch eine Teilnahme an (PA 8.9.2019).
Der Verwaltungsaufbau von Bangladesch ist zentralistisch: Das Land ist in acht Regionen (Divisions), 64 Bezirke (Districts), 92 Landkreise bzw. Großstädte (Upazilas / City Corporations), über 4.500 Gemeindeverbände (Union Councils / Municipalities) und circa 87.000 Dorfgemeinden gegliedert (ÖB 8.2019). Im Gebiet der Chittagong Hill Tracts gilt eine besondere Verwaltung, die der lokalen (indigenen), nicht-bengalischen Bevölkerung verstärkte Mitwirkungsmöglichkeiten einräumen soll (ÖB 8.2019).
Quellen:
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? ACCORD – Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (12.2016): Länderkurzübersicht Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/1047992/90_1485186416_122016-bangladesch.pdf, Zugriff 2.4.2020
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? Guardian, The (30.12.2018): Bangladesh PM Hasina wins thumping victory in elections opposition reject as 'farcical', https://www.theguardian.com/world/2018/dec/30/bangladesh-election-polls-open-after-campaign-marred-by-violence, Zugriff 6.4.2020
? Hindu, The (1.1.2019): Hasina’s triumph: on Bangladesh election results, https://www.thehindu.com/opinion/editorial/hasinas-triumph/article25874907.ece, Zugriff 6.4.2020
? HRW – Human Rights Watch (14.1.2020): World Report 2020 – Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2022700.html, Zugriff 1.4.2020
? ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi (8.2019): Asylländerbericht Bangladesch
? PA – Prothom Alo (8.9.2019): BNP to join upazila polls: Fakhrul, https://en.prothomalo.com/bangladesh/news/201499/BNP-to-join-upazila-polls-Fakhrul, Zugriff 6.4.2020
? Reuters (1.1.2019): Western powers call for probe into Bangladesh election irregularities, violence, https://www.reuters.com/article/us-bangladesh-election/western-powers-call-for-probe-into-bangladesh-election-irregularities-violence-idUSKCN1OV1PK, Zugriff 6.4.2020
? HRW - Human Rights Watch (13.12.2018): Bangladesh: Crackdown as Elections Loom, https://www.ecoi.net/de/dokumet/n1454483.html, Zugriff 6.4.2020
? USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026382.html, Zugriff 24.3.2020
? WPR – World Population Review (o.D.): World Countries by Population Density 2020, http://worldpopulationreview.com/countries/countries-by-density/. Zugriff 6.4.2020
Sicherheitslage
Der Hass zwischen den politischen Parteien, insbesondere Awami League (AL) und die Bangladesch National Party (BNP), ist für den größten Teil an Gewalt im Land verantwortlich (ACLED 9.11.2018). Die regierende Awami-Liga (AL) hat ihre politische Macht durch die nachhaltige Einschüchterung der Opposition, wie auch jener mit ihr verbündet geltenden Kräfte, sowie der kritischen Medien und Stimmen in der Zivilgesellschaft ausgebaut (FH 2020). Beide Parteien sind – gemeinsam mit unidentifizierten bewaffneten Gruppen – in Vandalismus und gewalttätige Auseinandersetzungen verwickelt und greifen auch friedliche Zivilisten an (ACLED 9.11.2018).
Von nicht-staatlichen Akteuren (insbesondere Opposition, Islamisten, Studenten) geht nach wie vor in vielen Fällen Gewalt aus. Die öffentliche Sicherheit ist fragil. Das staatliche Gewaltmonopol wird durchbrochen. Es kommt häufig zu Morden und gewalttätigen Auseinandersetzungen aufgrund politischer (auch innerparteilicher) oder krimineller Rivalitäten. Eine Aufklärung erfolgt selten. Die großen Parteien verfügen über eigene „Studentenorganisationen“. Mit dem stillschweigenden Einverständnis der Mutterparteien fungieren diese bewaffneten Organisationen als deren Schild und Schwert. Ihr Mitwirken im politischen Prozess ist eine der wichtigsten Ursachen für die politische Gewalt in Bangladesch (AA 22.7.2019).
Spontane Streiks und Kundgebungen können jederzeit stattfinden (BMEIA 18.3.2020; vgl. AA 22.3.2020), dabei können Kämpfe zwischen Sicherheitsbehörden und Demonstranten, Brandstiftung, Gewalt und Vandalismus unvorhergesehen auftreten (UKFCO 29.3.2020a).
Gewalt gegen Zivilisten oder staatliche Kräfte durch Rebellen macht einen relativ kleinen Anteil an allen Gewaltereignissen aus. Es gibt radikale islamistische Gruppen wie die Mujahideen Bangladesh (JMB) und Ansarullah Bangla Team (ABT). Sowohl der Islamische Staat (IS) und Al Qaeda in the Indian Subcontinent (AQIS) geben an, in Bangladesch aktiv zu sein, was von der Regierung jedoch dementiert wird (ACLED 9.11.2018). 2017 kam es zu fünf Selbstmordattentaten mit Todesfolge, zu denen sich der Islamische Staat bekannte (BMEIA 18.3.2020; vgl. SATP 2.4.2020). 2019 gab es mehrere Angriffe gegen Polizei und Sicherheitskräfte in Dhaka und in der Stadt Khulna. Am 29.2.2020 erfolgte ein Anschlag auf die Polizei in Chittagong, bei welchem auch improvisierten Sprengkörper (IEDs) eingesetzt worden sind. Die bangladeschischen Behörden sind weiterhin in höchster Alarmbereitschaft und vereiteln geplante Angriffe. Es wurde eine Reihe von Verhaftungen vorgenommen. Einige Operationen gegen mutmaßliche Militante haben ebenfalls zu Todesfällen geführt (UKFCO 29.3.2020b). Extremistische Gruppen führen Angriffe auf Angehörige vulnerabler Gruppen durch (USDOS 11.3.2020; AA 27.7.2019). In vielen Fällen ist nicht eindeutig differenzierbar, ob religiöse Motive oder säkulare Interessen, wie z.B. Racheakte oder Landraub, Grund für die Vorfälle sind. Sicherheitsbehörden reagieren manchmal nicht zeitnah bzw. überhaupt nicht auf religiös motivierte Vorfälle (AA 22.7.2019).
In der Division Chittagong, insbesondere im Gebiet der Chittagong Hill Tracts (Bezirke Rangamati, Khagrachari und Bandarban) kommt es zu bewaffneten Unruhen und kriminellen Übergriffen (AA 22.3.2020; vgl. UKFCO 29.3.2020a, AI 30.1.2020). Im südöstlichen Verwaltungsbezirk Cox’s Bazar der Gebietsverwaltung Chittagong hat es zuletzt unter anderem in der Nähe von Flüchtlingslagern vereinzelt gewalttätige Zwischenfälle gegeben. Es gibt Berichte über Sicherheitsprobleme, Protestkundgebungen sowie Gewalttätigkeiten und Unruhen sowohl in der örtlichen Bevölkerung als auch unter den Bewohnern der Lager, nachdem ein lokaler politischer Führer ermordet worden ist (HRW 18.9.2019; vgl. AA 5.11.2019, TDS 24.8.2019).
Im März 2019 wurden bei den Kommunalwahlen im Gebiet Baghicahhari im Norden des Distrikts Rangamati mehrere Wahl- und Sicherheitsbeamte getötet (UKFCO 29.3.2020a).
An der Grenze zu Indien kommt es gelegentlich zu Schusswechseln zwischen indischen und bangladeschischen Grenzwächtern. Regelmäßig werden Menschen getötet, die versuchen, illegal die Grenze zu überqueren (UKFCO 29.3.2020a).
Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2016 insgesamt 907 Todesopfer durch terrorismusrelevante Gewalt. Im Jahr 2017 wurden 812 Personen durch terroristische Gewalt getötet und im Jahr 2018 kamen 940 Menschen durch Terrorakte ums Leben. 2019 belief sich die Opferzahl terrorismus- relevanter Gewalt landesweit auf insgesamt 621 Tote. Bis zum 5.3.2020 wurden 81 Todesopfer durch terroristische Gewaltanwendungen registriert [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 17.3.2020).
Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2017 insgesamt 263 Vorfälle terrorismus-relevanter Gewalt. Im Jahr 2018 wurden 135 solcher Vorfälle verzeichnet und 2019 wurden 104 Vorfälle registriert. Bis zum 2.4.2020 wurden 29 Vorfälle terroristischer Gewaltanwendungen registriert (SATP 2.4.2020).
In der Monsunzeit von Mitte Juni bis Mitte Oktober muss mit Überschwemmungen gerechnet werden, im südlichen Landesdrittel von Oktober bis November und Mitte April bis Mitte Mai grundsätzlich auch mit Wirbelstürmen (AA 22.3.2020). Regelmäßig wiederkehrende Überschwemmungen sowie die Erosion von Flussufern führen zu einer umfangreichen Binnenmigration (AA 22.7.2019; vgl. Kaipel 2018). Die Kriminalität ist hoch, insbesondere Raubüberfälle (BMEIA 18.3.2020).
Quellen:
? AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (22.3.2020): Bangladesch: Reise- und Sicherheitshinweise, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/bangladesch-node/bangladeschsicherheit/206292, Zugriff 2.4.2020
? AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (22.7.2019): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/2014277/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2019%29%2C_22.07.2019.pdf, Zugriff 19.3.2020
? ACLED – Armed Conflict Location & Event Data Project (9.11.2018): The Anatomy of Violence in Bangladesh, https://www.acleddata.com/2018/11/09/the-anatomy-of-violence-in-bangladesh/, Zugriff 6.3.2019
? AA - Anadolu Agency (5.11.2019): Bangladesh rejects Amnesty report on Rohingya killings, https://www.aa.com.tr/en/asia-pacific/bangladesh-rejects-amnesty-report-on-rohingya-killings/1636457, Zugriff 2.4.2020
? AI – Amnesty International (30.1.2020): Human Rights in Asia-Pacific; Review of 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2023864.html, Zugriff 2.4.2020
? BMEIA – Bundesministerium Europa, Integration und Äußeres (18.3.2020): Bangladesch – Reiseinformation, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/bangladesch/, Zugriff 2.4.2020
? FH – Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 – Bangladesh, https://freedomhouse.org/country/bangladesh/freedom-world/2020, Zugriff 1.4.2020
? HRW – Human Rights Watch (18.9.2019):
Spate of Bangladesh ‘Crossfire’ Killings of Rohingya, https://www.hrw.org/news/2019/09/18/spate-bangladesh-crossfire-killings-rohingya, Zugriff 4.2.2020
? Kaipel, Simione Christina (2018): „Globaler Wandel – regionale Krisen? Ökologische und sozioökonomische Perspektiven umweltbedingter Migrationsflüsse“, Masterarbeit, Seite 41 – 54, http://othes.univie.ac.at/54839/1/56687.pdf, Zugriff 2.4.2020
? SATP - South Asia Terrorism Portal (2.4.2020): Data Sheet – Bangladesh,
Number of Terrorism Related Incidents Year Wise 2000 - 2020, https://www.satp.org/datasheet-terrorist-attack/incidents-data/bangladesh, Zugriff 6.4.2020
? SATP - South Asia Terrorism Portal (2.4.2020): Data Sheet – Bangladesh,
Yearly Suicide Attacks, Advance Search 2000 - 2020, https://www.satp.org/datasheet-terrorist-attack/incidents-data/bangladesh, Zugriff 6.4.2020
? TDS – The Daily Star (24.8.2019): Jubo League leader killed by ‘Rohingyas’, https://www.thedailystar.net/frontpage/news/jubo-league-leader-killed-rohingyas-1789726, Zugriff 15.1.2020
? UKFCO – UK Foreign and Commonwealth Office (6.9.201929.3.2020a): Foreign travel advice Bangladesh - Safety and security, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/bangladesh/safety-and-security, Zugriff 4.2.2020
? UKFCO – UK Foreign and Commonwealth Office (6.9.201929.3.2020b): Foreign travel advice Bangladesh – Terrorism, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/bangladesh/terrorism, Zugriff 4.2.2020
? USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026382.html, Zugriff 24.3.2020
Rechtsschutz / Justizwesen
Das Gerichtssystem besteht aus zwei Instanzen, den untergeordneten Gerichten (Magistrates, Session- und District Judges) und dem Obersten Gerichtshof (Supreme Court). Beide verhandeln Zivil- und Strafrechtssachen. Das Rechtssystem beruht weitgehend auf dem englischen „Common Law“. Der Oberste Gerichtshof besteht aus zwei Abteilungen, dem „High Court“, der Verfassungsfragen verhandelt und als Berufungsinstanz zu den erstinstanzlichen Gerichten fungiert, sowie dem „Appellate Court“, dessen Entscheidungen für alle übrigen Gerichte bindend sind. Die Richter beider Abteilungen werden gemäß der Verfassung vom Präsidenten ernannt (ÖB 8.2019).
Die Unabhängigkeit der Richter wird von der Verfassung garantiert. In der Praxis unterstellt allerdings eine schon lange geltende temporäre Bestimmung der Verfassung die erstinstanzlichen Richter der Exekutive. Auch ihre Ernennung und Remuneration ist Sache der Exekutive. Demgegenüber haben die Richter des Obersten Gerichtshofs des öfteren ihre Unabhängigkeit demonstriert und gegen die Regierung entschieden (ÖB 8.2019). Gemäß einer Verfassungsänderung können Richter abgesetzt werden (AA 22.7.2019).
Auf Grundlage mehrerer Gesetze („Public Safety Act“, „Law and Order Disruption Crimes Speedy Trial Act”, “Women and Children Repression Prevention Act”, „Special Powers Act“) wurden Sondertribunale errichtet, die Fälle innerhalb eines festgesetzten Zeitrahmens erledigen müssen. Es fehlen allerdings Vorschriften für den Fall, dass sie dieser Verpflichtung nicht nachkommen. Diese „Speedy Trial“ Tribunale haben Medienberichten zufolge in den vergangenen Jahren mehrere Hundert Personen zum Tode verurteilt (ÖB 8.2019).
Wie die meisten Beobachter von Bangladesch übereinstimmend angeben, stellen Korruption, Ineffizienz der Justiz, gezielte Gewalt gegen Richter und ein gewaltiger Rückstau an offenen Fällen große Probleme dar (ÖB 8.2019; vgl. FH 2020). Strafanzeigen gegen Mitglieder der regierenden Partei werden regelmäßig zurückgezogen (FH 2020). Die schiere Zahl der gegen die politische Opposition eingeleiteten Klagen im Vorfeld zur 11. Parlamentswahl vom 30.12.2018, deutet auf ein ungehindertes Spielfeld und die Kontrolle der Regierungspartei über die Justiz- und Sicherheitsinstitutionen hin (FIDH 29.12.2018).
Zwei Drittel aller Streitfälle erreichen nicht das formelle Justizsystem, sondern werden von informellen Dorfgerichten oder bedeutenden Persönlichkeiten der lokalen Gemeinschaften entschieden. Diese behandeln meist Fälle betreffend Familienrecht, Unterhalt, Zweitehen, Mitgiftstreitigkeiten und Landeigentum. Obwohl diese „Gerichte“ eine durch Tradition legitimierte, schnellere und günstigere Alternative zu ordentlichen Gerichten darstellen, sind sie hinsichtlich der Einflussnahmemöglichkeiten durch lokal bedeutsame Persönlichkeiten sowie der gesellschaftlichen Stellung von Frauen nicht unproblematisch. Die islamische Scharia ist zwar nicht formell als Gesetz eingeführt, spielt aber insbesondere in den Bereichen des Zivilrechts (Erbschaft, Grunderwerb, Heirat und Scheidung etc.) eine große Rolle (ÖB 8.2019).
Quellen:
? AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (22.7.2019): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/2014277/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2019%29%2C_22.07.2019.pdf, Zugriff 19.3.2020
? FH – Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 – Bangladesh, https://freedomhouse.org/country/bangladesh/freedom-world/2020, Zugriff 1.4.2020
? FIDH - International Federation for Human Rights (Hg.) (29.12.2018): Joint statement on the undemocratic electoral environment in Bangladesh, https://www.fidh.org/en/region/asia/bangladesh/joint-statement-on-the-undemocratic-electoral-environment-in, Zugriff 3.4.2020
? ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi (8.2019): Asylländerbericht Bangladesch
Korruption
Korruption ist in Bangladesch weit verbreitet und hat alle Teile der Gesellschaft durchdrungen (AA 27.7.2019; vgl. LIFOS 25.2.2019, ODHIKAR 8.2.2020). Auf dem Korruptionsindex von Transparency International belegte Bangladesch im Jahr 2019 den 146. Platz unter 180 Staaten (TI 23.1.2020). Das bedeutet eine Verbesserung gegenüber 2018 (149. Platz unter 180 untersuchten Staaten) um drei Positionen (Vergleich zum Jahr 2017: 143/180) (TI 29.1.2019).
Vor allem im Bereich der erstinstanzlichen Gerichte, der Gerichtsbediensteten, der öffentlichen Ankläger, der Magistrate und der Anwälte wird Korruption als ein weit verbreitetes Problem angesehen. Wohlhabenden oder in den großen Parteien verankerten Personen stehen die Möglichkeiten des ineffizienten und korrupten Justizsystems offen. Das Ausmaß der Korruption stellt jedoch sicher, dass auch Opfer staatlicher Verfolgung davon profitieren können (ÖB 8.2019).
Das Strafgesetzbuch von 1860 verbietet es Beamten, Bestechungsgelder anzunehmen [Absatz 161, 165] oder Beihilfe zur Bestechung zu leisten [Absatz 165 A] (TI 1.2019). Als korrupteste Behörden werden die Migrationsbehörden, die Polizei sowie die Rechtspflege genannt. NGOs und Militär genießen den besten Ruf (AA 27.7.2019).
Als Korruptionsbekämpfungs- sowie Rechtsschutzinstrument besteht die Antikorruptionsbehörde (Anti Corruption Commission - ACC). Diese wird seitens der deutschen Botschaft Dhaka jedoch als „eher zahnloser Papiertiger“ sowie „reines Aushängeschild“ beurteilt (ÖB 8.2019). Die Antikorruptionsbehörde (ACC) darf der Korruption verdächtigte Beamte nur mit Erlaubnis der Regierung anklagen. Faktisch ist die „Anti Corruption Commission“ machtlos (AA 27.7.2019; vgl. ODHIKAR 2.8.2020). Die Regierung nutzt die ACC für politisch motivierte Strafverfolgung beispielsweise gegen die oppositionelle BNP (FH 2020).
Es gibt Ambitionen der jüngsten Regierungen, Korruption einzuschränken (LIFOS 25.2.2019) und die Regierung setzt Schritte zur Bekämpfung der weit verbreiteten Polizeikorruption (USDOS 11.3.2020).
Quellen:
? AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (22.7.2019): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/2014277/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2019%29%2C_22.07.2019.pdf, Zugriff 19.3.2020
? FH – Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 – Bangladesh, https://freedomhouse.org/country/bangladesh/freedom-world/2020, Zugriff 1.4.2020
? LIFOS – Center för landinformation och landanalys inom migrationsområdet (25.2.2019): Bangladesh falska handlingar, https://www.ecoi.net/en/file/local/1458189/1226_1551169348_190225550.pdf, Zugriff 5.3.2019
? ODHIKAR (8.2.2020): Annual Human Rights Report 2019; Bangladesh, 8. Februar 2020, https://www.fidh.org/IMG/pdf/annual-hr-report-2019_eng.pdf, Zugriff 3.4.2020
? ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi (8.2019): Asylländerbericht Bangladesch
? TI – Transparency International (23.1.2020): Corruption Perceptions Index 2019, https://www.transparency.org/files/content/pages/2019_CPI_Report_EN.pdf, Zugriff 6.4.2020
? TI – Transparency International (1.2019): Korruptionsvermeidung in der Bekleidungsindustrie: Szenarien aus Bangladesch, https://www.transparency.de/fileadmin/Redaktion/Publikationen/2019/Broschuere_Undress_Corruption_Fassung_2019.pdf, Zugriff 6.4.2020
? TI – Transparency International (29.1.2019): Corruption Perceptions Index 2018, https://www.transparency.org/cpi2018, https://www.transparency.org/files/content/pages/2018_CPI_Methodology.zip, Zugriff 6.3.2019
? USDOS – US Department of State (11.3.2020): Country Report on Human Rights Practices 2019 - Bangladesh, https://www.ecoi.net/de/dokument/2026382.html, Zugriff 24.3.2020
Allgemeine Menschenrechtslage
Bangladesch hat bisher mehrere UN Menschenrechtskonventionen ratifiziert, ist diesen beigetreten oder hat sie akzeptiert (ÖB 8.2019; vgl. UNHROHC o.D.). Die Verfassung von Bangladesch in der seit
17. Mai 2004 geltenden Fassung listet in Teil III, Artikel 26 bis 47A, einen umfassenden Katalog an Grundrechten auf. Artikel 102 aus Teil VI, Kapitel 1 der Verfassung regelt die Durchsetzung der Grundrechte durch die High Court Abteilung des Obersten Gerichtshofes. Jeder Person, die sich in ihren verfassungsmäßigen Grundrechten verletzt fühlt, steht der direkte Weg zum „High Court“ offen. Die „National Human Rights Commission“ wurde im Dezember 2007 unter dem „National Human Rights Commission Ordinance“ von 2007 eingerichtet, hat aber noch keine nennenswerte Aktivität entfaltet (ÖB 8.2019).
Teils finden Menschenrechtsverletzungen auch unter Duldung und aktiver Mitwirkung der Polizei und anderer Sicherheitskräfte statt (GIZ 11.2019a). Dazu zählen außergerichtliche Tötungen, Verschwinden lassen von Personen, willkürliche Festnahmen und Verhaftungen und Folter (USDOS 11.3.2020). Die Regierung verhaftete laut neuesten Berichten bis zu 2000 Mitglieder der RABs wegen diverser Vergehen. Obwohl die RABs in den letzten Jahren hunderte Tötungen bzw. mutmaßliche Morde verübt haben, kam es noch zu keiner Verurteilung wegen außergerichtlicher Tötungen, Folter oder willkürlicher Verhaftungen (ÖB 8.2019, siehe auch Abschnitt 5).
Menschenrechtsverletzungen beinhalten weiters harte und lebensbedrohende Haftbedingungen, politische Gefangene, willkürliche oder rechtswidrige Eingriffe in die Privatsphäre, Zensur, Sperrung von Websites und strafrechtliche Verleumdung; erhebliche Behinderungen der Versammlungs- und Vereinigungsfreiheit, wie beispielsweise restriktive Gesetze für Nichtregierungsorganisationen (NGOs) und Beschränkungen der Aktivitäten von NGOs; erhebliche Einschränkungen der Bewegungsfreiheit; Einschränkungen der politischen Partizipation, da Wahlen nicht als frei oder fair empfunden werden; Korruption, Menschenhandel; Gewalt gegen Lesben, Homosexuelle, Bisexuelle, Transgender- und Intersexuelle (LGBTI) und Kriminalisierung gleichgeschlechtlicher sexueller Aktivitäten; Einschränkungen für unabhängige Gewerkschaften und der Arbeitnehmerrechte sowie die Anwendung der schlimmsten Formen der Kinderarbeit (USDOS 11.