TE Bvwg Beschluss 2020/7/13 L512 2232788-1

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Veröffentlicht am 13.07.2020
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Entscheidungsdatum

13.07.2020

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §57
BFA-VG §18
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52
FPG §53
FPG §55
VwGVG §28 Abs1
VwGVG §28 Abs2

Spruch

L512 2232788-1/2E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Marlene JUNGWIRT als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. der Volksrepublik Bangladesch, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Steiermark, vom XXXX , Zl. XXXX , beschlossen:

A) Der Beschwerde wird gemäß § 28 Absatz 1 und 2 VwGVG stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Begründung:

I. Verfahrensgang:

I.1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge kurz als „BF“ bezeichnet), ein Staatsangehöriger der Volksrepublik Bangladesch, (in weiterer Folge „Bangladesch“ genannt), wurde am 03.06.2020 in XXXX , zusammen mit 12 vermutlich illegal in Österreich aufhältigen Personen angetroffen. Da der BF weder über ein gültiges Ausweisdokument verfügte noch auch sonst die Identität nachweisen konnte, wurde der BF in der Folge festgenommen.

Die weiteren Ermittlungen ergaben, dass der BF unter Umgehung der Grenzkontrolle von Serbien kommend nach Österreich einreiste.

Am 04.06.2020 wurde der BF niederschriftlich einvernommen.

I.2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I). Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III). Gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 2 Ziffer 6 FPG wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV). Gemäß § 55 Absatz 4 FPG wurde die Frist zur freiwilligen Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt V). Einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung wurde gemäß § 18 Absatz 2 Ziffer 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (AS 79 ff.).

I.2.1. Zur abschiebungsrelevanten Lage in Bangladesch traf die belangte Behörde ausführliche, aktuelle Feststellungen mit nachvollziehbaren Quellenangaben.

I.2.2. Rechtlich führte die belangte Behörde aus, dass sich keine Hinweise auf einen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG ergeben hätten und stelle die Rückkehrentscheidung auch keinen ungerechtfertigten Eingriff in Art. 8 EMRK dar. Zudem sei die Abschiebung zulässig, da kein Sachverhalt im Sinne des § 50 Abs 1, 2 und 3 FPG vorliege. Gemäß § 53 Absatz 1 iVm Absatz 2 Ziffer 6 FPG könne der BF den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachweisen. Eine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe nicht, da die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Absatz 2 Ziffer 1 BFA-VG aberkannt wurde.

I.3. Der Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , wurde dem BF am XXXX persönlich ausgefolgt.

I.4. Am 18.06.2020 stellte der BF einen Antrag auf internationalen Schutz.

I.5. Gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX wurde mit im Akt ersichtlichen Schriftsatz innerhalb offener Frist Beschwerde wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften und inhaltlicher Rechtswidrigkeit erhoben (AS 197 ff.).

I.6. Hinsichtlich des Verfahrensherganges im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der BF reiste unter Umgehung der Grenzkontrolle nach Österreich ein und wurde am 03.06.2020 in XXXX , zusammen mit 12 vermutlich illegal in Österreich aufhältigen Personen angetroffen.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zl. XXXX , wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung nach Bangladesch gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 53 Absatz 1 iVn Absatz 2 Ziffer 6 FPG wurde gegen den BF ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen. Gemäß § 55 Absatz 4 FPG wurde die Frist zur freiwilligen Ausreise nicht gewährt (AS 79 ff.). Einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung wurde gemäß § 18 Absatz 2 Ziffer 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt.

Am 18.06.2020 stellte der BF einen Antrag auf internationalen Schutz.

2. Beweiswürdigung:

Der festgestellte Sachverhalt zur Einreise, zum Aufenthalt und der Asylantragstellung des BF ergibt sich aus den Unterlagen zum Aufgriff des BF sowie Einsicht in das Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR).

3. Rechtliche Beurteilung:

II.3.1. Zuständigkeit, Entscheidung durch den Einzelrichter, Anzuwendendes Verfahrensrecht

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Gegenständlich liegt somit Einzelrichterzuständigkeit vor.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 VwGVG erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Zu A)

II.3.2. Zur Behebung des angefochtenen Bescheides

Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (siehe diesbezügliche Ausführungen in der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 15.03.2018, Ra 2017/21/0138-9 mit Verweis auf VwGH 04.08.2016, Ra 2016/21/0162, Rn. 12 und 13 iVm Rn. 1) ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung nicht zulässig, bevor über einen anhängigen Antrag auf internationalen Schutz abgesprochen wurde. Auch dann, wenn ein Rückkehrentscheidungsverfahren - unabhängig vom Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz - bereits anhängig ist, darf die Rückkehrentscheidung grundsätzlich nicht vor der Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergehen. Zugleich mit der Rückkehrentscheidung ist nämlich die Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG zu treffen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist; dies würde aber jedenfalls in Bezug auf den Herkunftsstaat bedeuten, das Ergebnis des Verfahrens über den Antrag auf internationalen Schutz, in dem diese Frage erst zu klären ist, in unzulässiger Weise vorwegzunehmen. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung vor der Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ist daher grundsätzlich nicht zulässig.

Der BF hat im gegenständlichen Verfahren nach Erlassung einer Rückkehrentscheidung durch das BFA einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Folglich ist im gegenständlichen Fall zur gleichen Zeit sowohl ein Verfahren über eine Rückkehrentscheidung beim Bundesverwaltungsgericht als auch seit 18.06.2020 ein Verfahren über einen Antrag auf internationalen Schutz beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl anhängig.

Es war daher der Beschwerde stattzugeben und der angefochtene Bescheid ersatzlos zu beheben.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Asylantragstellung ersatzlose Behebung Rechtswidrigkeit Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L512.2232788.1.00

Im RIS seit

15.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

15.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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