Entscheidungsdatum
24.07.2020Norm
AsylG 2005 §10Spruch
L527 2196793-1/28E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter MMag. Christian AUFREITER, LL.B. als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , Staatsangehörigkeit Iran, vertreten durch den Verein Menschenrechte Österreich, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.04.2018, Zahl XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 28.05.2020, zu Recht:
A)
I. Der Beschwerde wird stattgegeben und XXXX , geb. XXXX , gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs 5 AsylG 2005 wird festgestellt, dass XXXX , geb. XXXX , damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
II. Die Spruchpunkte II bis VI des angefochtenen Bescheids werden ersatzlos behoben.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer, ein iranischer Staatsangehöriger, reiste im Juli 2012 erstmals und zwar legal (Visum D) in das Bundesgebiet ein und erhielt hier einen Aufenthaltstitel für Studierende, der nach Verlängerungen zuletzt bis XXXX 2015 gültig war. Im Jahr 2013 reiste der Beschwerdeführer legal in den Iran zurück und anschließend wieder legal nach Österreich, ebenso im Jahr 2014. Auch im Frühjahr 2015 reiste er wieder legal von Österreich in den Iran und hielt sich einige Wochen dort auf. Nach diesem Besuch habe er den Iran illegal verlassen und anschließend reiste er im Mai 2015 – unrechtmäßig – wieder nach Österreich ein, wo er am 29.05.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte. Am selben Tag fand die Erstbefragung statt.
Am 03.11.2017 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge: [belangte] Behörde) einvernommen. Seinen Antrag auf internationalen Schutz begründete der Beschwerdeführer im verwaltungsbehördlichen Verfahren – auf das Wesentliche zusammengefasst – wie folgt: Er habe in Österreich ein Interesse am Christentum entwickelt und eine Kirche besucht. Als er 2015 zurück in den Iran gereist sei, habe er sich mit ein paar Freunden getroffen. Diese haben mit ihm in eine Moschee gehen wollen, woraufhin er ihnen mitgeteilt habe, dass er kein Interesse daran habe. Nachdem diese Freunde ihn immer wieder zum Moscheebesuch aufgefordert haben, habe er ihnen gegenüber seine Abneigung gegen den Islam bekundet und ihnen gesagt, dass er kein Moslem sei, sondern Christ. Etwa eine Woche später sei es zu einer Hausdurchsuchung gekommen, bei welcher Zivilbeamte seinen Reisepass und seinen Laptop mitgenommen haben. Auf dem Laptop haben sich viele Bilder vom Beschwerdeführer in der Kirche befunden. Zu diesem Zeitpunkt sei der Beschwerdeführer nicht zuhause gewesen und er sei danach auch nicht mehr nach Hause gegangen. Er habe sich ca. einen Monat lang bei einem Freund versteckt und sei danach schlepperunterstützt nach Österreich geflüchtet. Der Beschwerdeführer bezeichnete sich gegenüber der Behörde als Protestant; er sei am 21.05.2016 in Österreich getauft worden.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag auf internationalen Schutz sowohl hinsichtlich des Status des Asylberechtigten als auch hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab (Spruchpunkte I und II). Die belangte Behörde erteilte keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen (Spruchpunkt III), erließ eine Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt IV), sprach die Zulässigkeit der Abschiebung in den Iran aus (Spruchpunkt V) und setzte für die freiwillige Ausreise eine Frist von zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest (Spruchpunkt VI). Die Behörde gelangte zu dem Ergebnis, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers nicht den wahren Gegebenheiten entspreche. Es sei nicht nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer vor einer ihm unbekannten Person über das Christentum spreche. Ferner habe er größtenteils nur oberflächliche Antworten gegeben. Aufgrund der vagen und unkonkreten Angaben zu seinem Fluchtgrund habe dem Beschwerdeführer die Glaubwürdigkeit abgesprochen werden müssen.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer die gegenständliche Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
Am XXXX heiratete der Beschwerdeführer standesamtlich die iranische Staatsangehörige und in Österreich asylberechtigte XXXX .
Das Bundesverwaltungsgericht hielt am 28.05.2020 eine öffentliche mündliche Verhandlung ab, in der es neben dem Beschwerdeführer seine Ehefrau (als Zeugin) einvernahm. Die belangte Behörde hatte schon im Vorfeld erklärt, auf die Durchführung einer und die Teilnahme an einer mündlichen Verhandlung zu verzichten.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zum Beschwerdeführer:
1.1.1. Der Beschwerdeführer führt in Österreich den im Kopf der Entscheidung genannten Namen und wurde zum dort angegebenen Datum geboren. Er ist iranischer Staatsangehöriger und seit XXXX standesamtlich mit XXXX , geb. XXXX , iranische Staatsangehörige und in Österreich asylberechtigt, verheiratet.
Der Beschwerdeführer wurde im Iran geboren und wuchs dort auf. Im Juli 2012 reiste er erstmals und zwar legal mit einem Visum der Kategorie D in das österreichische Bundesgebiet ein und erhielt hier einen Aufenthaltstitel für Studierende, der nach Verlängerungen zuletzt bis XXXX 2015 gültig war. Im Jahr 2013 reiste der Beschwerdeführer legal in den Iran zurück und anschließend wieder legal nach Österreich, ebenso im Jahr 2014. Auch im Frühjahr 2015 reiste er wieder legal von Österreich in den Iran und hielt sich einige Wochen dort auf. Nach diesem Besuch reiste er im Mai 2015 – unrechtmäßig – wieder nach Österreich ein, wo er am 29.05.2015 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz stellte.
Im Strafregister der Republik Österreich scheint in Bezug auf den Beschwerdeführer keine Verurteilung auf.
1.1.2. Der Beschwerdeführer war ursprünglich muslimischen Glaubens. Während seines Aufenthalts in Österreich aufgrund des Aufenthaltstitels für Studierende kam der Beschwerdeführer erstmals mit dem christlichen Glauben in Berührung. Im Sommer 2013 besuchte er erstmals einen christlichen Gottesdienst und zwar in einer katholischen Kirche. In der Folge nahm er dort noch einige wenige Male an Gottesdiensten teil. Das Interesse des Beschwerdeführers am Christentum wuchs im Laufe der Zeit und er setzte sich mit dem Christentum und Unterschieden zwischen Christentum und Islam zunehmend mehr auseinander. Im Jänner 2015 fand er Zugang zur Persischen Christengemeinde Wien, die zur Freien Christengemeinde – Pfingstgemeinde zählt, welche wiederum im Rahmen der „Freikirchen in Österreich“ als Kirche (Religionsgesellschaft) anerkannt ist (BGBl II 250/2013). Nachdem er den so genannten Alphakurs absolviert hatte, wurde der Beschwerdeführer am 21.05.2016 in der Freien Christengemeinde – Pfingstgemeinde, Persische Christengemeinde Wien, getauft und dadurch Mitglied derselben. Der Beschwerdeführer nimmt nach wie vor regelmäßig öffentlichkeitswirksam am Leben der Gemeinde teil und befasst sich weiterhin eingehend mit dem christlichen Glauben. Konkret besucht er regelmäßig Gottesdienste und fallweise Kurse. Am XXXX .2019 legten der Beschwerdeführer und seine Ehegattin in der Gemeinde ein Ehegelübde ab.
Der Beschwerdeführer lebt und bezeugt seinen christlichen Glauben konsequent und ist praktizierender Christ.
Es ist davon auszugehen, dass sich der Beschwerdeführer aus innerer Überzeugung zum Christentum bekennt und dementsprechend im Falle der Rückkehr in den Iran nicht zum Islam zurückkehren, sondern Christ bleiben und seinen Glauben aktiv leben würde.
Es kann vor dem Hintergrund der unten angeführten Länderfeststellungen nicht mit der erforderlichen Sicherheit ausgeschlossen werden, dass der Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr in den Iran wegen des Glaubenswechsels mit asylrelevanten Verfolgungshandlungen seitens iranischer Behörden in Form von Schikanen, Verhaftungen und Strafverfolgung bis hin zur Todesstrafe zu rechnen hat.
1.2. Zur Konversion vom Islam zum Christentum und den Folgen im Iran bzw. für Iraner:
Die Konversion vom Islam zu einer anderen Religion wird im Iran als Abtrünnigkeit vom Islam gewertet (Apostasie), ist verboten und mit langen Haftstrafe und Todesstrafe bedroht. Dennoch nehmen die Konversionen zum sunnitischen Islam und zum Christentum zu. Zumeist werden Konvertierte allerdings nicht wegen Apostasie bestraft, sondern wegen anderer Delikte, z. B. „moharebeh“ („Waffenaufnahme gegen Gott“), „mofsid-fil-arz/fisad-al-arz“ („Verdorbenheit auf Erden“), oder „Handlungen gegen die nationale Sicherheit“.
Konkret werden christliche Konvertiten normalerweise nicht wegen Apostasie bestraft, sondern Fälle von Konversion werden als Angelegenheiten der nationalen Sicherheit angesehen und diese werden vor den Revolutionsgerichten verhandelt. Konversion wird als politische Aktivität angesehen. Die Todesstrafe ist bei Fällen, die mit Konversion zusammenhängen, keine geläufige Bestrafung. Schon seit vielen Jahren wurde kein Christ mehr vom Regime getötet, wahrscheinlich aus Angst vor den daraus resultierenden internationalen Folgen. Anklagen lauten meist auf „Organisation von Hauskirchen“ und „Beleidigung des Heiligen“, wohl um die Anwendung des Scharia-Rechts und damit die Todesstrafe wegen Apostasie zu vermeiden. Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass gegen christliche Konvertiten hohe Haftstrafen auch tatsächlich verhängt werden.
Eine Konversion und ein anonymes Leben als konvertierter Christ allein führen nicht zu einer Verhaftung. Wenn der Konversion aber andere Aktivitäten folgen (z. B. Missionierung oder Unterricht im Glauben), kann das zu einem Problem führen.
Ebenso wenig kann in jedem Fall ausgeschlossen werden, dass ein im Ausland Konvertierter im Iran wegen Apostasie verfolgt wird. Einige Geistliche, die in der Vergangenheit im Iran verfolgt oder ermordet wurden, waren im Ausland zum Christentum konvertiert. Welche Konsequenzen Iraner, die im Ausland zum Christentum konvertiert sind und in den Iran zurückkehren, erwarten, hängt vom konkreten Einzelfall ab (insbesondere von der religiösen und konservativen Einstellung des Umfelds). Die Rückkehr in den Iran ist kein Problem, wenn die betreffende Person den Behörden nicht bereits bekannt war. Außerdem werden konvertierte Rückkehrer, die keine Aktivitäten in Bezug auf das Christentum setzen, für die Behörden nicht von Interesse sein; bei Konvertiten, die bereits vor ihrer Ausreise den Behörden bekannt waren, ist das anders zu beurteilen. Im Übrigen hängt es auch vom Verhalten des konvertierten Rückkehrers ab, ob die Behörden auf ihn aufmerksam werden. Dies kann z. B. der Fall sein, wenn die betreffende Person über ihre Konversion sehr freimütig in den sozialen Medien berichtet. Dann kann es bei der Rückkehr zu Verhaftungen und Befragungen kommen. Die weiteren Konsequenzen hängen wiederum vom Einzelfall ab, namentlich davon, was der Rückkehrer den Behörden erzählt. Harsche Strafen sind zumindest bei missionarischen Tätigkeiten oder anderen Aktivitäten, die als Bedrohung der nationalen Sicherheit angesehen werden, nicht ausgeschlossen. Ansonsten kann eine Veröffentlichung der Konversion in den sozialen Medien die Beobachtung durch die Behörden zur Konsequenz haben, zu einer Verfolgung führt sie jedoch nicht. Ein gepostetes Foto im Internet kann von den Behörden ausgewertet werden, gemeinsam mit einem Profil und den Aktivitäten der konvertierten Person. Wenn die Person vor dem Verlassen des Landes keine Verbindung mit dem Christentum hatte, wird sie nicht verfolgt werden. Wenn eine konvertierte Person die Religion in politischer Weise heranzieht, um z. B. Nachteile des Islams mit Vorteilen des Christentums auf sozialen Netzwerken zu vergleichen, kann das zu einem Problem werden.
Strenger als (bloße) Konversion werden missionarische Tätigkeiten unter Muslimen geahndet; oftmals erfolgt eine Anklage wegen „Gefährdung der nationalen Sicherheit“, „Organisation von Hauskirchen“ und „Beleidigung des Heiligen“.
Hauskirchen sind im Iran zwar verboten und werden teils überwacht, ihre Anzahl steigt aber. Erlangen Behörden Kenntnis von einer Hauskirche (z. B. durch Nachbarn), wird eine Überwachung veranlasst. Eine dauerhafte flächendeckende Überwachung ist nicht möglich, die Behörden haben jedoch eine Atmosphäre geschaffen, in der die Bürger von einer ständigen Beobachtung ausgehen. Ein sofortiges Eingreifen ist unwahrscheinlich, weil die Behörden (zunächst) nähere Informationen gewinnen wollen (über die Mitglieder und deren Aktivitäten). Ob die Behörden eingreifen, hängt von den Aktivitäten und der Größe der Hauskirche ab. Im Fokus der Behörden stehen vor allem die Organisatoren von Hauskirchen; ihnen droht, wegen „Verbrechen gegen Gott“ angeklagt zu werden, worauf die Todesstrafe steht. Sie werden mit dem Ziel festgenommen, die Gemeinschaft zu schwächen. Aber auch einfache Mitglieder von Hauskirchen werden bisweilen verfolgt. Dabei spielt eine Rolle, welchen Aktivitäten das Mitglied nachgeht und ob es im Ausland bekannt ist. Üblicherweise werden Mitglieder bei ihrer ersten Festnahme nach ca. 24 Stunden wieder freigelassen, mitunter unter der Bedingung, sich vom Missionieren fernzuhalten. Leisten sie der Bedingung Folge, hören die Behörden meist auf, Informationen über die betreffenden Personen zu sammeln. Ansonsten riskieren die Mitglieder von Hauskirchen, von den Behörden zu regelmäßigen Befragungen vorgeladen zu werden. Das Ziel ist, die Personen zu schikanieren und einzuschüchtern. In den letzten Jahren gab es jedenfalls mehrere Razzien in Hauskirchen und Anführer und Mitglieder wurden verhaftet.
Die dargestellte Lage betrifft ausnahmslos den gesamten Iran. Regionale oder lokale Ausnahmen, z. B. dergestalt, dass in bestimmten Gebieten des Irans die Konversion vom Islam zum Christentum erlaubt wäre, sind nicht feststellbar.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Rechtliche Grundlagen für die Feststellung des Sachverhalts und die Beweiswürdigung:
2.1.1. Zur Begründung von Anträgen auf internationalen Schutz braucht die behauptete Verfolgung nicht bewiesen, sondern gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 lediglich glaubhaft gemacht zu werden.
Dies bedeutet zum einen eine erhöhte Mitwirkungspflicht des Antragstellers bzw. Beschwerdeführers. Dieser hat nämlich initiativ alles darzulegen, was für das Zutreffen der betreffenden Fakten spricht und diesbezüglich konkrete Umstände anzuführen, die objektive Anhaltspunkte für deren Vorliegen liefern; vgl. z. B. VwGH 15.09.2004, 2002/04/0201.
Zum anderen wird, wenn eine Tatsache (lediglich) glaubhaft gemacht werden muss, das Beweismaß herabgesetzt; vgl. Rechberger in Fasching/Konecny3 III/1 § 274 ZPO Rz 1 (Stand 1.8.2017, rdb.at); zur Relevanz dieser Bestimmung im Verwaltungsverfahren: Schulev-Steindl, Verwaltungsverfahrensrecht6 (2018) Rz 206. Für die Glaubhaftmachung (im Unterschied zum vollen Beweis) genügt es, dass die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht von der überwiegenden Wahrscheinlichkeit des Vorliegens einer bestimmten Tatsache überzeugt ist. Die Glaubhaftmachung hat also das Ziel, die Überzeugung von der Wahrscheinlichkeit bestimmter Tatsachenbehauptungen zu vermitteln. Glaubhaftmachung ist somit der Nachweis einer Wahrscheinlichkeit. Dafür genügt ein geringerer Grad der Wahrscheinlichkeit als der, der die Überzeugung von der Gewissheit rechtfertigt; VwGH 29.05.2006, 2005/17/0252. Im Gegensatz zum strikten Beweis bedeutet Glaubhaftmachung ein reduziertes Beweismaß und lässt durchwegs Raum für gewisse Einwände und Zweifel an dem Vorbringen des Asylwerbers. Entscheidend ist, ob die Gründe, die für die Richtigkeit der Sachverhaltsdarstellung sprechen, überwiegen oder nicht. Dabei ist eine objektivierte Sichtweise anzustellen. Ob die Glaubhaftmachung behaupteter Tatsachen gelungen ist oder nicht, ist das Ergebnis richterlicher Beweiswürdigung und keine Frage der rechtlichen Beurteilung; so mwN Rechberger in Fasching/Konecny3 III/1 § 274 ZPO Rz 5 (Stand 1.8.2017, rdb.at).
2.1.2. Bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion kommt es nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung des Konvertiten an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln ist; z. B. VwGH 14.03.2019, Ra 2018/18/0441, und VwGH 26.03.2019, Ra 2018/19/0530. Eine Zeugeneinvernahme ist allerdings, wie der Verwaltungsgerichtshof mehrmals ausgesprochen hat, keineswegs in allen Fällen geboten; vgl. z. B. VwGH 25.02.2019, Ra 2019/19/0017, VwGH 23.01.2019, Ra 2018/19/0453, und VwGH 21.06.2018, Ra 2017/01/0381.
Maßgebliche Indizien für einen aus innerer Überzeugung vollzogenen Religionswechsel sind beispielsweise das Wissen über die neue Religion, die Ernsthaftigkeit der Religionsausübung, welche sich etwa in regelmäßigen Gottesdienstbesuchen oder sonstigen religiösen Aktivitäten manifestiert, eine mit dem Religionswechsel einhergegangene Verhaltens- bzw. Einstellungsänderung des Konvertiten sowie eine schlüssige Darlegung der Motivation bzw. des auslösenden Moments für den Glaubenswechsel; vgl. mwN VwGH 22.06.2020, Ra 2020/19/0151.
In ihrer Entscheidung, namentlich auch in der Beweiswürdigung und bei der Feststellung des Sachverhalts, sind die belangte Behörde und das Bundesverwaltungsgericht nach dem geltenden Recht nicht an die Erwägungen Dritter gebunden – und zwar auch nicht an die Erwägungen von Pfarrern, Pastoren, Geistlichen und sonstigen kirchlichen oder religiösen Repräsentanten, die im Rahmen ihrer Funktion darüber befinden, ob jemand die Voraussetzungen dafür aufweise, das Sakrament der Taufe zu empfangen; vgl. VwGH 11.12.2019, Ra 2019/20/0538.
2.1.3. Von Bedeutung ist weiters, dass sich nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs alleine mit der Unglaubwürdigkeit (wohl gemeint: Unglaubhaftigkeit) des Vorbringens zum Ausreisegrund nicht schlüssig begründen lässt, dass alle im Zusammenhang mit dem neu erworbenen Glauben stehenden weiteren Aktivitäten eines Asylwerbers nur zum Schein mit dem (ausschließlichen) Ziel der Asylerlangung entfaltet worden seien; vgl. VwGH, 02.09.2015, Ra 2015/19/0091.
2.2. Zu den Feststellungen zum Beschwerdeführer:
2.2.1. Die Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen Angaben vor der belangten Behörde und in der mündlichen Verhandlung (AS 1, 54; OZ 22, S 8) in Zusammenschau mit vor der belangten Behörde sowie einer österreichischen Personenstandsbehörde vorgelegten Dokumenten (AS 67; OZ 25, 26) und den Eintragungen bezüglich Aufenthaltstitel im Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (OZ 15). Anhaltspunkte dafür, dass diese Angaben nicht stimmen sollten, sind nicht hervorgekommen.
Auch gestützt auf die Angaben des Beschwerdeführers und die Eintragungen im Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister konnte das Bundesverwaltungsgericht die Feststellungen zur erstmaligen Einreise nach Österreich mittels Visums, zum Erhalt von Aufenthaltstiteln für Studierende sowie zur Rückkehr in den Iran und vom Iran zurück nach Österreich jeweils in den Jahren 2013, 2014 und 2015 treffen (AS 5 ff, 55, 62; OZ 15, OZ 22, S 9 f). Die standesamtliche Hochzeit des Beschwerdeführers ist angesichts der von einer österreichischen Personenstandsbehörde ausgestellten Heiratsurkunde nicht zweifelhaft (OZ 13).
Wann der Beschwerdeführer den Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, ist in einer unbedenklichen Urkunde dokumentiert (AS 1 ff) und wurde nicht in Zweifel gezogen
Dass im Strafregister der Republik Österreich keine Verurteilung des Beschwerdeführers aufscheint, ergibt sich aus dem entsprechenden aktuellen Auszug aus diesem Register (OZ 27).
2.2.2. Die belangte Behörde vernahm den Beschwerdeführer ein, und zwar am 03.11.2017. Die Einvernahme dauerte – inklusive Rückübersetzung (AS 63) – von 09:00 bis 12:00 h, wobei zwei kleinere Pausen von insgesamt 25 Minuten eingelegt wurden. Der Leiter der Einvernahme stellte dem Beschwerdeführer zahlreiche Fragen, die durchaus dazu geeignet waren, die Indizien für einen aus innerer Überzeugung vollzogenen Religionswechsel zu ermitteln (vgl. insbesondere AS 58 bis 62). Sie setzte sich damit bzw. mit den Antworten des Beschwerdeführers auf die Fragen in der Beweiswürdigung im angefochtenen Bescheid allerdings nicht im Einzelnen auseinander (AS 140 f). Darüber hinaus ist grundsätzlich – unabhängig von den Erwägungen der belangten Behörde – zu bedenken, dass zwischen der behördlichen Einvernahme sowie Entscheidung und der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts mehr als zwei Jahre liegen. Dass sich die religiöse Überzeugung innerhalb dieses Zeitraums verändert oder sich aus Interesse für das Christentum eine Identifikation mit demselben entwickelt, erscheint keineswegs ausgeschlossen. Hinzukommt, dass das Bundesverwaltungsgericht, insbesondere durch die eingehende Befragung des Beschwerdeführers in der Verhandlung, mindestens ebenso gründlich wie die belangte Behörde ermittelt hat, ob die Indizien für einen aus innerer Überzeugung vollzogenen Religionswechsel vorliegen (OZ 22, S 12 ff). Im Unterschied zur belangten Behörde hat sich das Bundesverwaltungsgericht zudem nicht damit begnügt, die aktuelle Glaubensüberzeugung des Beschwerdeführers allein anhand seiner Aussagen und der von ihm vorgelegten Unterlagen zu beurteilen, sondern das Bundesverwaltungsgericht hat darüber hinaus die – im Hinblick auf die vorgebrachte Konversion sowie ein schützenswertes Privat- und Familienleben vom Beschwerdeführer beantragte (OZ 13) – Ehefrau als Zeugin einvernommen (OZ 22, Beilage Z). Damit kann das Bundesverwaltungsgericht seine Feststellungen aufgrund umfassenderer Ermittlungen und Informationen treffen; das Bundesverwaltungsgericht hat sich von der aktuellen Glaubensüberzeugung ein breiteres Bild verschafft als die belangte Behörde und konnte dementsprechend auch zu einem anderen Ergebnis kommen.
2.2.3. Schon die Behörde musste einräumen, dass der Beschwerdeführer getauft sei (AS 141; Taufschein: AS 75). Das Bundesverwaltungsgericht übersieht durchaus nicht, dass der Beschwerdeführer weder vor der Behörde noch vor dem Bundesverwaltungsgericht alle Wissensfragen bzw. Fragen, deren Beantwortung auch Wissen erforderten, beantworten oder gar fundiert beantworten konnte (z. B. AS 60; OZ 22, S 15, 19). Allerdings lassen die Antworten in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht durchaus den Schluss zu, der Beschwerdeführer habe sich jedenfalls zwischenzeitlich mit dem christlichen Glauben und der evangelischen Konfession näher befasst (z. B. OZ 22, S 19, 20). Nicht außer Acht zu lassen ist ferner, dass an das Wissen eines (angeblichen) Konvertiten über dessen (angeblichen) neuen Glauben keine überzogene Erwartungshaltung zu stellen ist; vgl. VwGH 14.03.2019, Ra 2018/18/0455.
Dass der Beschwerdeführer ursprünglich muslimischen Glaubens war, ist angesichts seiner entsprechenden Aussage (AS 58; OZ 22, S 10) nicht zweifelhaft. Dass der Beschwerdeführer insofern einen Grund haben könnte, wahrheitswidrige Angaben zu machen, ist nicht ersichtlich. Dasselbe gilt hinsichtlich der Aussage des Beschwerdeführers zu den ersten Berührungspunkten mit dem Christentum in Österreich (AS 58; OZ 22, S 13).
Dass der Beschwerdeführer einige wenige Male eine katholische Kirche besuchte sowie im Jänner 2015 Zugang zur persischen Christengemeinde Wien, die zur Freien Christengemeinde – Pfingstgemeinde zählt, fand, am 21.05.2016, nachdem er den Alphakurs absolviert hatte, getauft und damit Mitglied der Freien Christengemeinde – Pfingstgemeinde, Persische Christengemeinde Wien, wurde, der regelmäßige Besuch von Gottesdiensten sowie die Teilnahme an weiteren Veranstaltungen in dieser Gemeinde und die Ablegung eines Ehegelübdes ergeben sich aus den glaubhaften Aussagen des Beschwerdeführers (AS 59, OZ 22, S 17 f, 24), einer schriftlichen Bestätigung der Persischen Christengemeinde Wien bzw. des Pastors und Leiters der Gemeinde (OZ 13) und der glaubhaften Aussage der als Zeugin in der mündlichen Verhandlung am 28.05.2020 einvernommenen Ehegattin (OZ 22, Beilage Z, S 6). Auch die belangte Behörde stellte nicht (dezidiert) in Abrede, dass der Beschwerdeführer regelmäßig die Kirche besuche (AS 141).
Diese äußeren Umstände müssen freilich nicht zwingend bedeuten, dass sich der Beschwerdeführer tatsächlich aus innerer Überzeugung dem Christentum angeschlossen hat und sich zu diesem bekennt. Erst in Zusammenschau mit folgenden Tatsachen und Erwägungen, die vor allem die persönliche Glaubensüberzeugung betreffen, ergibt sich die überwiegende Wahrscheinlichkeit einer echten Konversion des Beschwerdeführers:
Wenngleich einzelne Zweifel bestehen bleiben, geht das Bundesverwaltungsgericht in der geforderten Gesamtbetrachtung doch davon aus, dass der Hinwendung des Beschwerdeführers zum Christentum ein gewisser Prozess vorausging. Dieser Prozess bestand darin, dass sich der Beschwerdeführer über einen bestimmten Zeitraum ernsthaft und näher mit dem christlichen Glauben beschäftigt hatte, ehe er sich für das Christentum entschied (AS 58, OZ 22, S 10, 13 f). Dass der Entschluss, Christ zu werden, demnach über einen gewissen, vom Beschwerdeführer plausibel dargelegten Zeitraum gereift ist, spricht aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts im konkreten Fall für die Glaubhaftigkeit einer echten Konversion.
Der Beschwerdeführer konnte ferner in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht in unterschiedlichen Zusammenhängen einen persönlichen Zugang zum Christentum und insbesondere eine individuelle Bedeutung des christlichen Glaubens und christlicher Lehre glaubhaft machen (z. B OZ 22, S 19). Antworten auf vom Richter gestellte Fragen ließen überdies nachvollziehbar erkennen, dass und weshalb es für den Beschwerdeführer von persönlicher Bedeutung ist, den christlichen Glauben zu praktizieren, sowie dass er eine affektive Bindung zum Christentum hat (z. B. OZ 22, S 14, 18).
Zwar obliegt es (im Beschwerdeverfahren) grundsätzlich allein dem Bundesverwaltungsgericht, zu beurteilen, ob eine echte, innere Konversion oder eine Scheinkonversion vorliegt, und es ist zu bedenken, dass die Aussagen eines Zeugen naturgemäß nur den persönlichen Eindruck, den der Zeuge vom Beschwerdeführer hat, wiedergeben konnten. Einzelne – individuell auf den Beschwerdeführer bezogene – Aussagen der Ehegattin des Beschwerdeführers, die als Zeugin unter Wahrheitspflicht vor dem Bundesveraltungsgericht aussagte, fügen sich aber in das bereits dargelegte Bild, das der Beschwerdeführer selbst vermittelte (OZ 22, Beilage Z, S 6).
Im gegebenen Gesamtkontext (!) sprechen die relevanten Indizien und Umstände aus Sicht des Bundesverwaltungsgerichts überwiegend dafür, dass sich der Beschwerdeführer dem christlichen Glauben aus innerer Überzeugung angeschlossen hat und dass er nicht lediglich mit dem Ziel, außenwirksam ein (angebliches) Interesse am christlichen Glauben zu dokumentieren, am Leben einer christlichen Gemeinde in Österreich teilnimmt.
2.2.4. Im Ergebnis konnte der Beschwerdeführer also jedenfalls im Beschwerdeverfahren eine ernsthafte Konversion zum Christentum glaubhaft machen. Dass in einzelnen Details nach wie vor gewisse Zweifel am Vorbringen des Beschwerdeführers bestehen mögen (insbesondere hinsichtlich der behaupteten Vorfälle im Iran im Jahr 2015 [AS 56; OZ 22, S 11 f, 21 ff], zumal sich der Beschwerdeführer von der Botschaft seines Herkunftsstaats ein Ehefähigkeitszeugnis ausstellen ließ, nachdem er den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hatte [OZ 25], und angesichts einer – im Vergleich zur Position, die der Beschwerdeführer zum Islam bezog – wenig(er) kritisch wirkenden Haltung gegenüber dem Christentum und Widersprüchen in der Bibel, woraus letztlich eine bisweilen verzerrt wirkende Darstellung der beiden Religionen durch den Beschwerdeführer zu resultieren schien [AS 58 f; OZ 22, S 14 ff]), steht dieser Schlussfolgerung im Ergebnis nicht entgegen. Der Beschwerdeführer erweckte in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht durchaus den Eindruck, sich dem christlichen Glauben letztlich aus innerer Überzeugung angeschlossen zu haben.
2.3. Zu den Feststellungen zur Konversion vom Islam zum Christentum und den Folgen im Iran bzw. für Iraner:
Diese Feststellungen waren auf der Grundlage der Ausführungen zu „Apostasie, Konversion zum Christentum, Proselytismus, Hauskirchen“ im Länderinformationsblatt der Staatendokumentation für den Iran, Gesamtaktualisierung am 14.06.2019, zu treffen. Die Feststellungen geben freilich die Informationen aus dem Länderinformationsblatt nur insoweit wieder, als sie im konkreten Fall entscheidungsrelevant sind. Die vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Länderinformationen erscheinen durchwegs schlüssig, vollständig und richtig, sie sind auch – unter Bedachtnahme auf den Beschwerdeführer und sein Vorbringen – hinreichend aktuell.
Das Bundesverwaltungsgericht hat das Länderinformationsblatt dem Beschwerdeführer mit der Ladung zur Verhandlung zur Kenntnis gebracht (OZ 8). Der Beschwerdeführer bzw. dessen Rechtsvertretung nahmen die Länderinformationen zur Kenntnis und der in der Verhandlung anwesende Vertreter der bevollmächtigten Rechtsberatungsorganisation legte dar, dass die Apostasie im Iran ein Kapitalverbrechen sei (OZ 22, S 29). Die belangte Behörde, die derartige Länderinformationen ihren Bescheiden selbst zugrunde legt (vgl. AS 99 ff, 142), machte von der ausdrücklich eingeräumten Möglichkeit, das Länderinformationsblatt beim Bundesverwaltungsgericht anzufordern, nicht Gebrauch (OZ 8, 14). Den angefochtenen Bescheid hatte die Behörde auf eine ältere Version des Länderinformationsblatts zum Iran gestützt. Die vom Bundesverwaltungsgericht herangezogenen Länderinformationen erscheinen durchwegs schlüssig, vollständig und richtig, sie sind auch hinreichend aktuell. Sie basieren auf einer Vielzahl verschiedener, voneinander unabhängiger unbedenklicher Quellen. Die Feststellungen konnten daher darauf gestützt werden.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A) Stattgabe der Beschwerde:
3.1. Gemäß § 3 Abs 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz iSd § 2 Abs 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), droht.
Nach Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK ist Flüchtling, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.
Gemäß § 3 Abs 3 AsylG 2005 ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative iSd § 11 AsylG 2005 offen steht oder der Fremde einen Asylausschlussgrund iSd § 6 AsylG 2005 gesetzt hat.
Mit der Frage der asylrechtlichen Relevanz einer Konversion zum Christentum in Bezug auf den Iran hat sich der Verwaltungsgerichtshof wiederholt befasst. Soweit nicht eine bloß vorübergehende, der Asylerlangung dienende Annahme des christlichen Glaubens (Scheinkonversion) vorliegt, ist entscheidend, ob der Fremde bei weiterer Ausführung seines (behaupteten) inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, im Falle seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktionen belegt zu werden. Ob die Konversion bereits – durch die Taufe – erfolgte oder bloß beabsichtigt ist, ist nicht entscheidend vgl. VwGH 30.06.2005, 2003/20/0544, und VwGH 23.06.2015, Ra 2014/01/0210, zum Herkunftsstaat Marokko; diese Judikatur scheint mit der aktuellen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs im Einklang zu stehen; siehe EuGH 04.10.2018, C-56/17.
3.2. Nach dem im Iran vorherrschenden islamischem Verständnis bedeutet der Abfall vom Islam einen hochverratsähnlichen Angriff auf das Staats- und Gesellschaftssystem. Wie das Bundesverwaltungsgericht festgestellt hat, hat sich der Beschwerdeführer (jedenfalls zwischenzeitlich) aus innerer Überzeugung zum christlichen Glauben hingewandt und würde ihn auch im Falle der Rückkehr in den Iran weiterhin leben. Aus den Feststellungen des Bundesverwaltungsgerichts zur Konversion vom Islam zum Christentum und den Folgen im Iran bzw. für Iraner wiederum folgt, dass der Beschwerdeführer – unter den konkreten, individuell seine Person betreffenden Umständen – bei einer Rückkehr in den Iran tatsächlich dort Verfolgungshandlungen bis hin zur Todesstrafe ausgesetzt wäre.
Daher ist für den Beschwerdeführer von Verfolgung in asylrelevanter Intensität im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention, und zwar aus religiösen und politischen Gründen, auszugehen.
Es ist daher objektiv nachvollziehbar, dass der Beschwerdeführer aus Furcht vor ungerechtfertigten Eingriffen von erheblicher Intensität aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes seines Herkunftsstaats zu bedienen.
Im Verfahren haben sich keine Hinweise auf das Vorliegen der in Artikel 1 Abschnitt C und F GFK genannten Endigungs- und Ausschlussgründe und der Ausschlussgründe nach § 6 AsylG 2005 ergeben.
Da dem Beschwerdeführer die genannten Verfolgungshandlungen im gesamten Iran drohen würden, kann eine innerstaatliche Fluchtalternative iSd § 11 AsylG 2005 nicht erkannt werden.
3.3. Im vorliegenden Fall sind somit unter Berücksichtigung der zuvor zitierten Judikatur die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten gegeben. Vor diesem Hintergrund erübrigt sich - wie bereits ausgeführt - eine (noch) nähere Auseinandersetzung mit den ursprünglichen Ausreisegründen und das weitere Vorbringen des Beschwerdeführers war damit nicht mehr zu beurteilen.
Gemäß § 3 Abs 5 AsylG 2005 war die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Fremden damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukommt.
Da mit der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten die rechtliche Voraussetzung für die Erlassung der Spruchpunkte II bis VI des angefochtenen Bescheids wegfällt, sind diese Spruchpunkte ersatzlos zu beheben.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.
3.4. Da der verfahrensgegenständliche Antrag auf internationalen Schutz vor dem 15.11.2015 gestellt wurde, kommt dem Beschwerdeführer das dauernde Einreise- und Aufenthaltsrecht gemäß § 2 Abs 1 Z 15 AsylG 2005 idF vor Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl I 24/2016 zu (§ 75 Abs 24 AsylG 2005).
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art 133 Abs 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Die vorliegende Entscheidung hing in erster Linie davon ab, ob das konkrete Vorbringen des Beschwerdeführers als glaubhaft zu qualifizieren war. Hierbei handelt es sich nicht um eine Rechtsfrage, sondern eine Frage der Beweiswürdigung im Einzelfall. Die für die Entscheidung relevanten Rechtsfragen sind entweder durch Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs geklärt oder von Vornherein klar. Vgl. die zitierten Entscheidungen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Apostasie asylrechtlich relevante Verfolgung Christentum Flüchtlingseigenschaft KonversionEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:L527.2196793.1.00Im RIS seit
15.01.2021Zuletzt aktualisiert am
15.01.2021