Entscheidungsdatum
28.07.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
L519 2178998-2/3E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Dr. ZOPF als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , StA. Irak, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 10.7.2020, Zl. 1101106106-200144714, zu Recht erkannt:
A) Die Beschwerde wird gemäß § 68 Abs. 1 AVG 1991 idgF, §§ 10 Abs. 1 Z 3, 57 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG idgF sowie §§ 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 9, 46, 55 Abs. 1a und 53 Abs. 1 und 2 Z. 6 FPG 2005 idgF sowie § 15b Abs. 1 AsylG 2005 idgF als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (in weiterer Folge kurz als „BF“ bezeichnet), ein Staatsangehöriger des Irak stellte am 7.1.2016 erstmals einen Antrag auf internationalen Schutz. Dazu wurde er am selben Tag erstbefragt und von einem Organwalter des BFA am 16.5.2017 niederschriftlich einvernommen.
Als Begründung für das Verlassen des Herkunftsstaates brachte der BF bei seiner Erstbefragung zusammengefasst vor, dass es im Irak keine Sicherheit gebe und er Angst um sein Leben gehabt habe. Die Kurden würden immer in Angst leben, verfolgt und bedroht zu werden. Medizinische Probleme führte der BF auf Nachfrage nicht an.
Beim BFA gab er zusammengefasst an, dass er aufgrund eines von ihm verfassten IS-kritischen Facebook-Kommentars 9 Monate vor der Ausreise telefonisch bedroht worden sei. Er habe dann das Facebookkonto gelöscht und keine weiteren Drohanrufe erhalten. Er habe auch Alkohol getrunken und nicht gebetet, weshalb er schief angeschaut worden sei. Abgesehen von einem Augenleiden, wofür er Augentropfen nimmt, sei er gesund.
2. Der Antrag des BF auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des BFA vom 15.11.2017 gemäß § 3 Absatz 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt. Gem. § 8 Absatz 1 Z 1 AsylG 2005 wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak nicht zugesprochen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung des BF in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.
3. Die dagegen fristgerecht erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 24.5.2019, Zl. G308 21789981-1, gem. §§ 3, 8 Abs. 1, 57,10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG idgF, §§ 52Abs. 2 Z.2 und Abs. 9, 46 und 55 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.
Zusammengefasst wurde im Rahmen der Beweiswürdigung ausgeführt, dass das Fluchtvorbringen unsubstantiiert und nicht glaubhaft sei. Insbesondere habe der BF weder Angaben zu Daten, Orten oder beteiligten Personen genannt und war er auch nicht in der Lage, den Inhalt seines behaupteten Facebook-Postings zumindest sinngemäß wiederzugeben. Trotz mehrfachen Nachfragens habe er keine näheren Angaben zu seinem angeblichen Posing und dem folgenden Drohanruf machen können. Auch in der Beschwerde sei keinerlei Konkretisierung des Fluchtvorbringens erfolgt. Darüber hinaus gab der BF an, der angebliche Bedroher habe ihn lediglich dazu aufgefordert, weitere Postings zu unterlassen. Darin kann selbst bei Wahrunterstellung keine nachvollziehbare, relevante und fluchtauslösende Bedrohung erkannt werden. Schließlich gab der BF in der Erstbefragung ausschließlich als Fluchtgrund an, er habe den Irak wegen der allgemeinen Lage und der Wirtschaftslage verlassen. Erst auf mehrmaliges Nachfragen des BFA brachte er die unsubstantiierte Bedrohung infolge eines Facebook-Postings vor, wobei er auch bei dieser Einvernahme als seinen überwiegenden Fluchtgrund die allgemeine und wirtschaftliche Lage im Irak nannte.
Eine generelle und systematische Verfolgung von männlichen Kurden mit sunnitischer Glaubensrichtung ergibt sich aus den zum Entscheidungszeitpunkt maßgeblichen Länderberichten nicht. Die Lage im gesamten Irak hat sich insbesondere hinsichtlich sicherheitsrelevanter Vorfälle gebessert. Der IS ist weitgehend auf Zellen von Aufständischen reduziert worden, die meist aus jenen Gebieten heraus operieren, die früher unter IS-Kontrolle standen. Die Zahl an verzeichneten Übergriffen und zivilen Todsesopfern sank im Vergleich zu den Vormonaten Ende 2018 stark ab.
Bezogen auf Kurdistan, woher der BF stammt, ergibt sich aus den Länderberichten, dass die Sicherheitslage in Erbil und XXXX vergleichsweise besser ist als im übrigen Irak. Dennoch finden auch in XXXX immer wieder Kämpfe zwischen Peshmerga und diversen Milizen statt. Auch die türkische Luftwaffe fliegt immer wieder Luftangriffe auf PKK-Ziele in Kurdistan, wobei insbesondere Nordkurdistan betroffen ist. In Einzelfällen können auch Zivilisten betroffen sei. Die iranischen Revolutionsgarden führen in Kurdistan gezielt Tötungen von Mitgliedern der KDPI durch, der IS rekrutiert auch in der kurdischen Autonomieregion.
Diese Berichte zeigen eine instabile politische und wirtschaftliche Lage, lassen jedoch ein individuelles Verfolgungsrisiko des BF nicht glaubhaft erscheinen.
Dieses Erkenntnis des BVwG erwuchs am 31.5.2019 in Rechtskraft.
4. Spätestens am 14.7.2019 tauchte der BF unter und entzog sich dadurch dem Zugriff der österreichischen Behörden. Am 6.2.2020 wurde der BF im Rahmen der Dublinbestimmungen von der BRD, wo er am 16.9.2019 ebenfalls einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, nach Österreich rücküberstellt.
5. Am 6.2.2020 brachte der BF in Österreich den verfahrensgegenständlichen zweiten Antrag auf internationalen Schutz ein.
Im Rahmen der Erstbefragung gab der BF an, dass er immer noch dieselben Fluchtgründe wie im ersten Verfahren hat. Außerdem hätten die Terroristen im Irak bei seiner Mutter nach ihm gefragt. Das habe er von seiner Mutter vor 4,5 Monaten erfahren. Er befürchte, dass sie ihn töten, weil sie ihn im Irak bereits geschlagen hätten. Mit den Behörden habe er kein Problem.
Beim BFA gab der BF am 18.2.2020 zusammengefasst an, dass er psychische Probleme habe und deshalb Medikamente nehme. Er habe öfter Angst, könne nicht einschlafen und habe schlechte Träume. Außerdem habe er Kopfschmerzen und Magenprobleme.
Die Leute hätten 2 Mal nach ihm gefragt, einmal sei vor ca. 4,5 Monaten gewesen. Seine Mutter sei unterwegs zum Bäcker gewesen, als ein Auto mit 3 Insassen anhielt und sie gefragt wurde, wo der BF sei und was er mache. In dieser Zeit sei auch ein 2. Mal nach dem BF gefragt worden, auf die gleiche Art. Seine Mutter habe ihm das vor 4,5 Monaten erzählt, wann nach ihm gefragt wurde, könne er aber nicht sagen. Die Mutter habe den Leuten gesagt, dass sie keinen Kontakt zum BF habe Es handle sich um eine islamistische terroristische Gruppierung, mit der der BF vor seiner Ausreise Probleme hatte. Diese habe ihn ca. 9 Mal geschlagen und ihn am Kopf und am Kinn verletzt. Ihm sei auch eine Pistole an den Kopf gehalten worden. Diese Schläge habe er bei seiner früheren Einvernahme nicht angegeben, weil ihm jeder gesagt habe, er solle sein Problem zusammengefasst schildern und keine Details erzählen. Er habe in Kurdistan auch wie ein Europäer gelebt und sei deshalb gehasst worden.
Bei einer weiteren Einvernahme am 25.2.2020 gab der BF zusammmengefasst an, dass die Dosierung seiner Medikamente verringert worden sei. Vor 8 oder 9 Jahren sei ihm eine Pistole an den Kopf gehalten worden. Es seien viele Leute anwesend gewesen. Eine andere person habe zum Täter gesagt, er solle das nicht in der öffentlichkeit machen. Er habe dann dem BF mit dem Griff der Pistole auf den Kopf geschlagen. Der BF sei damals noch jung gewesen und habe viel über Frauen- und Kinderrechte gesprochen. Er habe kritisiert, dass ein Mann 4 Frauen haben und ein 8-jähriges Mädchen heiraten darf. Die „Anderen“ seinen dann sauer gewesen und hätten ihn bedroht. Nachgefragt, wer die „Anderen“ sind, gab der BF an, es handle sich um islamische Gruppen. Nach diesem Vorfall sei der BF noch 3 Jahre im Irak geblieben. 5 bis 6 Monate vor der Ausreise habe er noch etwas auf Facebook geschrieben, was er aber bereits im 1. Verfahren erzählt habe. Eine Vergewaltigung, wie in den Befunden der Arztstation angeführt, habe es nie gegeben.
6. In der Folge wurde vom BFA ein Facharztgutachten aus dem Bereich der Neurologie-Psychiatrie eingeholt. Dieses ergab im Wesentlichen, dass erste Symptome bereits vor 1 ½ bis 2 Jahren aufgetreten sind. Festgestellt wurde, dass der BF Symptome einer PTBS schilderte, wobei sich das Krankheitsbild bereits in Remissison befindet. Außerdem liegt eine leicht- bis mittelgradige rezidivierend depressive Störung vor. Von einer dauerhaften Behandlungsbedürfigkeit des Krankheitsbildes ist nicht auszugehen und wird die Behandlungsbedürftigkeit ca. noch 1 bis 2 Monate andauern. Eine Psychotherapie wurde empfohlen, ebenso eine regelmäßige fachärztliche Kontrolle. Eine reale Gefahr, dass der BF aufgrund der psychischen Störung in einen lebensbedrohlichen Zustand gerät, besteht nicht. Spezifische medizinische Maßnahmen sind nicht erforderlich, die eingeleitete medikamentöse antidepressive Therapie sollte aber weitergeführt werden.
7. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen (Spruchpunkte I. und II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.). Es wurde zudem gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG in den Irak zulässig sei (Spruchpunkt V.). Gem. § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z.6 FPG wurde über den BF ein auf die Dauer von 2 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt VI).
Gemäß § 55 Absatz 1a FPG wurde eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt VII.). Gem. § 15b Abs. 1 AsylG wurde dem BF aufgetragen von 6.2. bis 6.3.2020 in der AIBE XXXX und ab 6.3.2020 in der XXXX Unterkunft zu nehmen (Spruchpunkte VIII. und IX.).
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass kein neuer entscheidungsrelevanter Sachverhalt hervorgekommen sei, zumal der BF sich auf jene Gründe stütze, die er im bereits rechtskräftig entschiedenen vorangegangenen Verfahren vorbrachte. Diesen Fluchtgründen kam keine Glaubhaftigkeit bzw. Asylrelevanz zu.
Im nunmehrigen Verfahren brachte der BF vor, dass man seine Mutter 2 Mal nach seinem Verbleib gefragt habe, das sei ca. im September/Oktober 2019 gewesen. Die Personen hätten sich nicht zu erkennen gegeben. Der BF sei aber sicher, dass diese zu jener Gruppe gehören, mit der er bereits vor der Ausreise Probleme hatte. Diese Gruppe habe ihn damals auch geschlagen. Die Mutter des BF sei nicht weiter bedroht oder behelligt worden. Der BF würde aber wissen, dass es sich um eine islamische Gruppierung handelt, welche ihn damals geschagen und ihm auch eine Pistole an den Kopf gehalten hat. Beweise für dieses Vorbringen brachte der BF nicht bei. Probleme mit Behörden gab er nicht an.
Der BF brachte bislang keine Beweise bei und konnte somit auch nicht belegen, dass er wie im ersten Verfahren behauptet, im Irak eine Person oder Organisation kritisiert habe. Nicht zuletzt deshalb wurde diesem Vorbringen im ersten Asylverfahren die Glaubwürdigkeit abgesprochen. Auch konnte er nicht glaubwürdig begründen, weshalb er 4 ½ Jahre nach einer bereits im 1. Asylverfahren als unglaubwürdig festgestellten Kritik an einer islamischen Gruppierung (im Erstverfahren nannte der BF den IS) immer noch gesucht werden sollte.
Das Vorbringen sei in sich nicht konsistent, da der BF im 1. Verfahren noch anführte, auf Facebook für die Peshmerga und gegen den IS gepostet zu haben. Nunmehr führt er jedoch an, sich für Frauen- und Kinderrechte eingesetzt zu haben und sich gegen die Viel- und Kinderehe ausgesprochen zu haben.
Zudem steigerte der BF sein Vorbringen nunmehr erheblich, indem er erstmalig angab, dass er von diesen Personen mehrmals geschlagen wurde und dass ihm sogar eine Pistole an den Kopf gehalten worden sei. Gegenüber dem Arzt der Betreuungsstelle führte er auch einen sexuellen Mißbrauch ins Treffen, welchen er jedoch bei der Einvernahme darauf angesprochen als Mißverständnis des Dolmetschers relativierte.
Diese Vorfälle hätten sich 3 Jahre vor Verlassen des Irak ereignet, womit diese eindeutig nicht als fluchtkausal anzusehen sind. Wäre dies der Fall, hätte der BF den Irak bereits unmittelbar nach diesen Vorfällen verlassen, verfügte er doch bereits seit 2014 über einen gültigen Reisepass und damit alle Möglichkeiten, den Irak legal zu verlassen. Diese Vorfällle habe der BF beim ersten Verfahren nicht angegeben, da er sein Problem im Erstverfahren nicht im Detail, sondern nur zusammenfassend geschildert habe.
Zudem ist darauf zu verweisen, dass der BF sein nunmehriges Vorbringen mit einem Vorbringen verknüpft, welches bereits im ersten Verfahren rechtskräftig als unglaubwürdig festgestellt wurde.
Der BF wurde über seine Mitwirkungspflichten bereits im ersten Asylverfahren sowie bei der Folgeantragstellung nachweislich informiert und hat in der Folge gegen das Neuerungsverbot des § 20 BFA-VG verstossen. Eine individuelle, den BF persönlich betreffende Bedrohungslage brachte derBF auch im ggst. Verfahren nicht vor. Das Vorbringen war wortkarg und konnte der BF auch auf Nachfragen keine Details angeben, die Grund zur Annahme geben, er habe das Geschilderte tatsächlich erlebt.
Zum Gesundheitszustand des BF führte das BFA im Wesentlichen aus, dass die nunmehr behaupteten gesundheitlichen Probleme laut Angabe des BF gegenüber dem Gutachter bereits während des Erstverfahrens bestanden und auch eine fachärztliche Behandlung erfolgte. Der Sachverhalt war dem BF daher bereits vor Rechtskraft des erstinstanzlichen Verfahrens (31.5.2019) bekannt und hätte er nicht nur die Möglichkeit, sondern sogar die Verpflichtung gehabt, dies im ersten Asylverfahren vorzubringen. Dass dieses gesundheitliche Problem nunmehr von lebensbedrohlichem Charakter wäre, wurde vom BF weder vorgebracht noch ergibt sich Derartiges aus dem Sachverständigengutachten. Auch wurde kein Ausmaß erreicht, das eine eingehendere ambulante oder stationäre Behandlung erforderlich gemacht hätte. Die seit längerem andauernde medikamentöse Behandlung hat zudem Wirkung gezeigt, da der BF selbst von einer Besserung berichtet. Auch der Gutachter kommt zum Schluss, dass sich die Erkrankung in Remission befindet. Eine Weiterführung der medikamentösen Therapie wurde zudem Anfang Juni 2020 für 1 bis 2 Monate für erforderlich gehalten, womit nicht auszuschließen ist, dass auch diese Therapie noch vor der Rückkehr des BF abgeschlossen werden kann.
Abgesehen von der Sicherstellung der Medikation während und nach der Überstellung wurden auch vom Gutachter keine speziellen medizinischen Erfordernisse erkannt. Unbestritten besteht für den BF ein uneingeschränkter Zugang zum irakischen Gesundheitssystem, welches lediglich durch eine Legitimation mit einem irakischen Ausweis regelementiert ist, über den der BF unstrittig in Form seines Reisepasses verfügt. Darüber hinaus wird der BF vor der Überstellung hinsichtlich seiner Transporttauglichkeit untersucht. Im Zuge der Überstellung wird zudem Sorge getragen, dass der BF über ausreichende Medikation während der Überstellung, welche im Bedarfsfall auch medizinisch begleitet werden kann, verfügt. Insgesamt kam auch der Gutachter zum Schluss, dass keine reale Gefahr einer lebensbedrohlichen Verschlechterung des Gesundheitszustandes des BF im Fall einer Rückführung besteht.
Im Irak wurden bisher 69.612 Fälle von mit dem Covid19 Virus infizierten Personen nachgewiesen, wobei bisher 2.882 diesbezügliche Todesfälle bestätigt wurden und 39.502 Personen als geheilt anzusehen sind. Wie gefährlich dieser Erreger tatsächlich ist, kann derzeit noch nicht genau beurteilt werden. Man geht aber von einer Sterblichkeitsrate von bis zu 3 % aus, wobei v.a. alte Menschen und immungeschwächte Personen betroffen sind.
Das BFA konnte auch keine Art. 3 EMRK widersprechende Behandlung des BF im Falle einer Rückkehr in den Irak erkennen. Auch habe sich die allgemeine maßgebliche Lage im Irak seit der letzten rechtskräftigen Entscheidung im ersten Asylverfahren nicht geändert.
Zu Art 8 EMRK wurde ausgeführt, dass der BF keine nenneswerten familiären Bindungen in Österreich habe. Ein Cousin ist seit 29.8.1996 durchgehend im Bundesgebiet gemeldet. Ein weiterer Cousin war von 7.1.2016 bis 9.3.2020 in Österreich gemeldet bzw. in Grundversorgung. Gegenwärtig liegt keine aufrechte Meldung vor und ist dieser Cousin aufgrund des rechtskräftig negativ abgeschlossenen Asylverfahrens auch nicht zum Aufenthalt in Österreich berechtigt. Der BF brachte auch vor, sonst keine familiären oder privaten Bindungen im Bundesgebiet zu haben.
In einer Gesamtabwägung würden daher jedenfalls die öffentlichen Interessen an einer Rückkehrentscheidung überwiegen.
Zum Einreiseverbot wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass der BF die erstmals zur freiwilligen Ausreise eingeräumte Frist unbestritten nicht eingehalten hat. Dass sich der BF in weiterer Folge durch Untertauchen und unrechtmäßige Weiterreise in die BRD freiwillig in die Mittellosigkeit begab und infolgedessen rechtswidrig seine Abschiebung in das Heimatland verhinderte, ergibt sich zweifelsfrei aus dem Akteninhalt. Die Mittellosigkeit ergibt sich aus dem Akteninhalt und dem Umstand, dass der BF seinen Lebensunterhalt aus staatlichen Unterstützungsleistungen bestreitet und selbst angibt, auf diese angewiesen zu sein.
Zur angeordneten Unterkunftnahme führte das BFA im Wesentlichen aus, dass zum Zeitpunkt der Antragstellung eine aufrechte Rückkehrentscheidung bestand. Weiter verfügte der BF über keinen Wohnsitz im Bundesgebiet. Aus Gründen der zügigen Bearbeitung und Überwachung des ggst. Antrages sei die Anordnung der Unterkunftnahme erforderlich gewesen.
8. Mit Schriftsatz vom 23.7.2020 wurde fristgerecht Beschwerde wegen Mangelhaftigkeit des Verfahrens, unrichtiger Feststellungen sowie unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhoben. Die belangte Behörde habe ein mangelhaftes Ermitttlungsverfahren durchgeführt, indem sie sich nicht näher mit der Covid19-Situation im Irak und der Lage des BF auseinandergesetzt habe. Ein Konnex zwischen der psychischen Erkrankung und der Pandemie sei nicht hergestellt worden. Eine adäquate Versorgung von an Corona Erkrankten sei im Irak nicht gewährleistet. Außerdem habe sich die Anzahl der an Covid19 Erkrankten in der Zwischenzeit neuerlich erhöht.
Das BFA habe sich auch nicht näher mit der Konfessionslosigkeit des BF auseinandergesetzt. Die Länderberichte seien mangelhaft, da unvollständig und veraltet. Es fehle an Länderberichten zu Covid19 und die daraus resultierende Gesundheits- und Versorgungslage. Berichte über die Behandlungsmöglichkeiten psychischer erkrankungen seien unvollständig.
Die allgemeine Sicherheitslage sei höchst prekär, durch Demonstrationen in vielen irakischen Städten sei es zu Gewalt durch Polizei und andere staatsnahe Organisationen gekommen.
Die Beweiswürdigung sei mangelhaft, da der BF ein neues Vorbringen erstattet habe. Die Lage im Irak sowie der psychische Zustand des BF hätten sich verschlechtert. Der Fokus der Sicherheitskräfte liege nicht mehr auf der Bekämpfung des IS, weil die Pandemie im Vordergrund stehe.
Durch die Pandsemie sei nicht davon auszugehen, dass die kurdischen Sicherheitskräfte den BF vor seinen Verfolgern schützen können, weil sich deshalb deren Schutzfähigkeit verringert habe.
Der BF sei seit Jänner 2016 in Österreich und habe einen Cousin hier, zu dem ein inniges Verhältnis besteht.
Ein Einreiseverbot sei nicht gerechtfertigt bzw. in einer kürzeren Dauer festzusetzen gewesen. Der BF habe einen in Österreich lebenden Bruder, bei dem er wohnt und der für in aufkommt, außerdem leben in Österreich 2 asylberechtigte Onkel, die ihn ebenfalls unterstützen.
Unter anderem wurde beantragt, eine mündliche Verhandlung durchzuführen.
9. Hinsichtlich des Verfahrensinhalts im Detail wird auf den Akteninhalt verwiesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
Der Beschwerdeführer
Beim BF handelt es sich um einen ledigen, kinderlosen, männlichen irakischen Staatsbürger, dessen Muttersprache Kurdisch ist. Der BF gehört zur Volksgrupppe der Kurden und bekennt sich zum sunnitisch-muslimischen Glauben. Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF seit der Rechtskraft der Entscheidung im 1. Asylverfahren sich von seinem Glauben abgewendet hätte.
Die Identität des BF steht aufgrund des vorgelegten irakischen Reisepasses fest
.
Laut medizinischem Gutachten vom 3.6.2020 sind beim BF erste Symptome einer psychischen Erkrankung vor 1 ½ bis 2 Jahren aufgetreten. Der BF hat Symptome einer PTBS, wobei sich das Krankheitsbild bereits in Remissison befindet. Außerdem liegt eine leicht- bis mittelgradige rezidivierend depressive Störung vor. Von einer dauerhaften Behandlungsbedürfigkeit des Krankheitsbildes ist nicht auszugehen und wird die Behandlungsbedürftigkeit ca. bis maximal Anfang August 2020 andauern. Eine Psychotherapie wurde empfohlen, ebenso eine regelmäßige fachärztliche Kontrolle. Eine reale Gefahr, dass der BF aufgrund der psychischen Störung in einen lebensbedrohlichen Zustand gerät, besteht nicht. Spezifische medizinische Maßnahmen sind nicht erforderlich, die eingeleitete medikamentöse antidepressive Therapie sollte aber weitergeführt werden.
Der BF reiste legal aus dem Irak aus und illegal in das östereichische Bundesgbeit ein Bundesgebiet ein. Am 16.9.2019 brachte er in der BRD einen Antrag auf internationalen Schutz ein. Am 6.2.2020 wurde er von der BRD nach Österreich rücküberstellt.
Er stammt aus XXXX , wo er überwiegend im Elternhaus in XXXX lebte, und wo nach wie vor seine Eltern und 4 seiner Geschwister leben. 2 Brüder sind bereits verheiratet.
Der BF hat die Grundschule und die Mittelschule besucht, diese aber abgebrochen. Gearbeitet hat er im Irak als Taxifahrer, Gemüseverkäufer und in der Landwirtschaft. Zudem wurde er vom Vater, der eine Pension bezieht, unterstützt.
Der 1. Antrag des BF auf internationalen Schutz wurde mit Bescheid des BFA vom 15.11.2017 gemäß § 3 Absatz 1 AsylG 2005 abgewiesen und der Status eines Asylberechtigten nicht zuerkannt. Gem. § 8 Absatz 1 Z 1 AsylG 2005 wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Irak nicht zugesprochen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG wurde nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass eine Abschiebung des BF in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei. Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung.
Die dagegen erhobene Beschwerde wurde mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 24.5.2019, G308 21789981-1 gem. §§ 3, 8 Abs. 1, 57,10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 idgF iVm § 9 BFA-VG idgF, §§ 52Abs. 2 Z.2 und Abs. 9, 46 und 55 FPG idgF als unbegründet abgewiesen.
Diese Entscheidung erwuchs am 31.5.2019 in Rechtskraft.
Der BF ist in Österreich bislang unbescholten.
Der BF geht in Österreich keiner legalen Erwerbstätigkeit nach. In Österreich lebt legal ein Cousin des BF, der die österreichische Staatsbürgerschaft besitzt und zu dem ein loser Kontakt besteht. Das Asylverfahren eines mit dem BF miteingereisten Cousins wurde rechtskräftig negativ abgeschlossen und ist dieser seither untergetaucht. Der BF befindet sich auch nicht in einer familienähnlichen Lebensgemeinschaft. Es besteht auch kein finanzielles oder sonstiges Abhängigkeitsverhältnis zum in Österreich legal lebenden Cousin. Der BF hat keine Deutschprüfung abgelegt und hat auch keine nennenswerten sozialen Bindungen zu Österreichern. Er ist nicht Mitglied in einem Verein oder einer Organisation und besucht weder eine Schule noch eine sonstige Bildungseinrichtung.
Im gegenständlichen Fall ergab sich weder eine maßgebliche Änderung bzw. Verschlechterung in Bezug auf die den BF betreffende asyl- und abschiebungsrelevante Lage im Herkunftsstaat, noch in sonstigen in der Person des BF gelegenen Umständen.
Ebenso ergab sich keine sonstige aktuelle und entscheidungsrelevante Bedrohungssituation des BF.
Eine relevante Änderung der Rechtslage konnte ebenfalls nicht festgestellt werden.
In Bezug auf die individuelle Lage des BF im Falle einer Rückkehr in den Irak konnte keine im Hinblick auf den Zeitpunkt, an dem letztmalig über den Antrag auf internationalen Schutz inhaltlich entschieden wurde, maßgeblich geänderte oder gar verschlechterte Situation festgestellt werden.
Es konnte nicht festgestellt werden, dass dem BF eine aktuelle sowie unmittelbare persönliche und konkrete Gefährdung oder Verfolgung in seinem Heimatland Irak droht. Ebenso konnte unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände nicht festgestellt werden, dass der BF im Falle einer Rückkehr in den Irak der Gefahr einer Verfolgung aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung iSd GFK ausgesetzt wäre.
Weiter konnte unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände nicht festgestellt werden, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung in den Irak eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention bedeuten würde oder für den BF als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Des Weiteren liegen die Voraussetzungen für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ nicht vor und ist die Erlassung einer Rückkehrentscheidung geboten. Die Abschiebung des BF in den Irak ist zulässig und möglich.
Weitere Ausreisegründe und/oder Rückkehrhindernisse kamen bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen nicht hervor.
Zur Lage im Irak
Politische Lage:
Letzte Änderung: 17.3.2020
Die politische Landschaft des Irak hat sich seit dem Sturz Saddam Husseins im Jahr 2003 enorm verändert (KAS 2.5.2018) und es wurde ein neues politisches System im Irak eingeführt (Fanack 2.9.2019). Gemäß der Verfassung vom 15.10.2005 ist der Irak ein islamischer, demokratischer, föderaler und parlamentarisch-republikanischer Staat (AA 12.1.2019; vgl. GIZ 1.2020a; Fanack 2.9.2019), der aus 18 Gouvernements (muhafaz?t) besteht (Fanack 2.9.2019). Artikel 47 der Verfassung sieht eine Gewaltenteilung zwischen Exekutive, Legislative und Judikative vor (RoI 15.10.2005). Die Kurdische Region im Irak (KRI) ist Teil der Bundesrepublik Irak und besteht aus den drei nördlichen Gouvernements Dohuk, Erbil und Sulaymaniyah. Sie wird von einer Regionalverwaltung, der kurdischen Regionalregierung (Kurdistan Regional Government, KRG), verwaltet und verfügt über eigene Streitkräfte (Fanack 2.9.2019). Beherrschende Themenblöcke der irakischen Innenpolitik sind Sicherheit, Wiederaufbau und Grundversorgung, Korruptionsbekämpfung und Ressourcenverteilung, die systemisch miteinander verknüpft sind (GIZ 1.2020a).
An der Spitze der Exekutive steht der irakische Präsident, der auch das Staatsoberhaupt ist. Der Präsident wird mit einer Zweidrittelmehrheit des irakischen Parlaments (majlis al-nuww?b, engl.: Council of Representatives, dt.: Repräsentantenrat) für eine Amtszeit von vier Jahren gewählt und kann einmal wiedergewählt werden. Er genehmigt Gesetze, die vom Parlament verabschiedet werden. Der Präsident wird von zwei Vizepräsidenten unterstützt, mit denen er den Präsidialrat bildet, welcher einstimmige Entscheidungen trifft (Fanack 2.9.2019).
Der Premierminister wird vom Präsidenten designiert und vom Parlament bestätigt (Fanack 2.9.2019; vgl. RoI 15.10.2005). Der Premierminister führt den Vorsitz im Ministerrat und leitet damit die tägliche Politik und ist auch Oberbefehlshaber der Streitkräfte (Fanack 27.9.2018).
Die gesetzgebende Gewalt, die Legislative, wird vom irakischen Repräsentantenrat (Parlament) ausgeübt (Fanack 2.9.2019). Er besteht aus 329 Abgeordneten (CIA 28.2.2020; vgl. GIZ 1.2020a). Neun Sitze werden den Minderheiten zur Verfügung gestellt, die festgeschriebene Mindest-Frauenquote im Parlament liegt bei 25% (GIZ 1.2020a).
Nach einem ethnisch-konfessionellen System (Muhasasa) teilen sich die drei größten Bevölkerungsgruppen des Irak - Schiiten, Sunniten und Kurden - die Macht durch die Verteilung der Ämter des Präsidenten, des Premierministers und des Parlamentspräsidenten (AW 4.12.2019). So ist der Parlamentspräsident gewöhnlich ein Sunnit, der Premierminister ist ein Schiit und der Präsident der Republik ein Kurde (Al Jazeera 15.9.2018). Viele sunnitische Iraker stehen der schiitischen Dominanz im politischen System kritisch gegenüber. Die Machtverteilungsarrangements zwischen Sunniten, Schiiten und Kurden festigen den Einfluss ethnisch-religiöser Identitäten und verhindern die Herausbildung eines politischen Prozesses, der auf die Bewältigung politischer Sachfragen abzielt (AA 12.1.2019).
Am 12.5.2018 fanden im Irak Parlamentswahlen statt, die fünfte landesweite Wahl seit der Absetzung Saddam Husseins im Jahr 2003. Die Wahl war durch eine historisch niedrige Wahlbeteiligung und Betrugsvorwürfe gekennzeichnet, wobei es weniger Sicherheitsvorfälle gab als bei den Wahlen in den Vorjahren (ISW 24.5.2018). Aufgrund von Wahlbetrugsvorwürfen trat das Parlament erst Anfang September zusammen (ZO 2.10.2018).
Am 2.10.2018 wählte das neu zusammengetretene irakische Parlament den moderaten kurdischen Politiker Barham Salih von Patriotischen Union Kurdistans (PUK) zum Präsidenten des Irak (DW 2.10.2018; vgl. ZO 2.10.2018; KAS 5.10.2018). Dieser wiederum ernannte den schiitischen Politik-Veteranen Adel Abd al-Mahdi zum Premierminister und beauftragte ihn mit der Regierungsbildung (DW 2.10.2018). Nach langen Verhandlungsprozessen und zahlreichen Protesten wurden im Juni 2019 die letzten und sicherheitsrelevanten Ressorts Innere, Justiz und Verteidigung besetzt (GIZ 1.2020a).
Im November 2019 trat Premierminister Adel Abdul Mahdi als Folge der seit dem 1.10.2019 anhaltenden Massenproteste gegen die Korruption, den sinkenden Lebensstandard und den ausländischen Einfluss im Land, insbesondere durch den Iran, aber auch durch die Vereinigten Staaten (RFE/RL 24.12.2019; vgl. RFE/RL 6.2.2020). Präsident Barham Salih ernannte am 1.2.2020 Muhammad Tawfiq Allawi zum neuen Premierminister (RFE/RL 6.2.2020). Dieser scheiterte mit der Regierungsbildung und verkündete seinen Rücktritt (Standard 2.3.2020; vgl. Reuters 1.3.2020). Am 17.3.2020 wurde der als sekulär geltende Adnan al-Zurfi, ehemaliger Gouverneur von Najaf als neuer Premierminister designiert (Reuters 17.3.2020).
Im Dezember 2019 hat das irakische Parlament eine der Schlüsselforderung der Demonstranten umgesetzt und einem neuen Wahlgesetz zugestimmt (RFE/RL 24.12.2019; vgl. NYT 24.12.2019). Das neue Wahlgesetz sieht vor, dass zukünftig für Einzelpersonen statt für Parteienlisten gestimmt werden soll. Hierzu soll der Irak in Wahlbezirke eingeteilt werden. Unklar ist jedoch für diese Einteilung, wie viele Menschen in den jeweiligen Gebieten leben, da es seit über 20 Jahren keinen Zensus gegeben hat (NYT 24.12.2019).
Die nächsten Wahlen im Irak sind die Provinzwahlen am 20.4.2020, wobei es sich um die zweite Verschiebung des ursprünglichen Wahltermins vom 22.12.2018 handelt. Es ist unklar, ob die Wahl in allen Gouvernements des Irak stattfinden wird, insbesondere in jenen, die noch mit der Rückkehr von IDPs und dem Wiederaufbau der Infrastruktur zu kämpfen haben. Die irakischen Provinzwahlen umfassen nicht die Gouvernements Erbil, Sulaymaniyah, Duhok und Halabja, die alle Teil der KRI sind, die von ihrer eigenen Wahlkommission festgelegte Provinz- und Kommunalwahlen durchführt (Kurdistan24 17.6.2019).
Quellen:
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- Al Jazeera (15.9.2018): Deadlock broken as Iraqi parliament elects speaker, https://www.aljazeera.com/news/2018/09/deadlock-broken-iraqi-parliament-elects-speaker-180915115434675.html, Zugriff 13.3.2020
- AW - Arab Weekly, The (4.12.2019): Confessional politics ensured Iran’s colonisation of Iraq, https://thearabweekly.com/confessional-politics-ensured-irans-colonisation-iraq, Zugriff 13.3.2020
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Kurdische Region im Irak (KRI) / Autonome Region Kurdistan
Letzte Änderung: 17.3.2020
Die Kurdische Region im Irak (KRI) wird in der irakischen Verfassung, in Artikel 121, Absatz 5 anerkannt (Rudaw 20.11.2019). Die KRI besteht aus den Gouvernements Erbil, Dohuk und Sulaymaniyah. sowie aus dem im Jahr 2014 durch Ministerratsbeschluss aus Sulaymaniyah herausgelösten Gouvernement Halabja, wobei dieser Beschluss noch nicht in die Praxis umgesetzt wurde. Verwaltet wird die KRI durch die kurdische Regionalregierung (KRG) (GIZ 1.2020a).
Das Verhältnis der Zentralregierung zur KRI hat sich seit der Durchführung eines Unabhängigkeitsreferendums in der KRI und einer Reihe zwischen Bagdad und Erbil „umstrittener Gebiete“ ab dem 25.9.2017 deutlich verschlechtert. Im Oktober 2017 kam es sogar zu lokal begrenzten militärischen Auseinandersetzungen (AA 12.1.2019). Der langjährige Präsident der KRI, Masoud Barzani, der das Referendum mit Nachdruck umgesetzt hatte, trat als Konsequenz zurück (GIZ 1.2020a).
Der Konflikt zwischen Bagdad und Erbil hat sich im Lauf des Jahres 2018 wieder beruhigt, und es finden seither regelmäßig Gespräche zwischen den beiden Seiten statt. Grundlegende Fragen wie Öleinnahmen, Haushaltsfragen und die Zukunft der umstrittenen Gebiete sind jedoch weiterhin ungelöst zwischen Bagdad und der KRI (AA 12.1.2019).
Die KRI ist seit Jahrzehnten zwischen den beiden größten Parteien geteilt, der Kurdischen Demokratischen Partei (KDP), angeführt von der Familie Barzani, und deren Rivalen, der Patriotischen Union Kurdistans (PUK), die vom Talabani-Clan angeführt wird (France24 22.2.2020; vgl. KAS 2.5.2018). Die KDP hat ihr Machtzentrum in Erbil, die PUK ihres in Sulaymaniyah. Beide verfügen einerseits über eine bedeutende Anzahl von Sitzen im Irakischen Parlament und gewannen andererseits auch die meisten Sitze bei den Wahlen in der KRI im September 2018 (CRS 3.2.2020). Der Machtkampf zwischen KDP und PUK schwächt einerseits inner-kurdische Reformen und andererseits Erbils Position gegenüber Bagdad (GIZ 1.2020a). Dazu kommen Gorran („Wandel“), eine 2009 gegründete Bewegung, die sich auf den Kampf gegen Korruption und Nepotismus konzentriert (KAS 2.5.2018; vgl. WI 8.7.2019), sowie eine Reihe kleinerer islamistischer Parteien (KAS 2.5.2018).
Auch nach dem Rücktritt von Präsident Masoud Barzani teilt sich die Barzani Familie die Macht. Nechirvan Barzani, langjähriger Premierminister unter seinem Onkel Masoud, beerbte ihn im Amt des Präsidenten der KRI. Masrour Barzani, Sohn Masouds, wurde im Juni 2019 zum neuen Premierminister der KRI ernannt (GIZ 1.2020a) und im Juli 2019 durch das kurdische Parlament bestätigt (CRS 3.2.2020).
Proteste in der KRI gehen auf das Jahr 2003 zurück. Die Hauptforderungen der Demonstranten sind dabei gleich geblieben und drehen sich einerseits um das Thema Infrastrukturversorgung und staatliche Leistungen (Strom, Wasser, Bildung, Gesundheitswesen, Straßenbau, sowie die enormen Einkommensunterschiede) und andererseits um das Thema Regierungsführung (Rechenschaftspflicht, Transparenz und Korruption) (LSE 4.6.2018). Insbesondere in der nordöstlichen Stadt Sulaymaniyah kommt es zu periodischen Protesten, deren jüngste im Februar 2020 begannen (France24 22.2.2020).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 13.3.2020
- CRS - Congressional Research Service (3.2.2020): Iraq and U.S. Policy, https://fas.org/sgp/crs/mideast/IF10404.pdf, Zugriff 13.3.2020
- France24 (22.2.2020): Iraqi Kurds rally against 'corruption' of ruling elite, https://www.france24.com/en/20200222-iraqi-kurds-rally-against-corruption-of-ruling-elite, Zugriff 13.3.2020
- GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (1.2020a): Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/irak/geschichte-staat/, Zugriff 13.3.2020
- KAS - Konrad Adenauer Stiftung (2.5.2018): Mapping the Major Political Organizations and Actors in Iraq since 2003, http://www.kas.de/wf/doc/kas_52295-1522-1-30.pdf?180501131459, Zugriff 13.3.2020
- LSE - London School of Economics and Political Science (4.6.2018): Iraq and its regions: The Future of the Kurdistan Region of Iraq after the Referendum, http://eprints.lse.ac.uk/88153/1/Sleiman%20Haidar_Kurdistan_Published_English.pdf, Zugriff 13.3.2020
- Rudaw (20.11.2019): Will the Peshmerga reform – or be integrated into the Iraqi Army?, https://www.rudaw.net/english/analysis/201120191, Zugriff 13.3.2020
- WI - Washington Institute (8.7.2019): Gorran and the End of Populism in the Kurdistan Region of Iraq , https://www.washingtoninstitute.org/fikraforum/view/gorran-and-the-end-of-populism-in-the-kurdistan-region-of-iraq, Zugriff 13.3.2020
Sicherheitslage
Letzte Änderung: 17.3.2020
Im Dezember 2017 erklärte die irakische Regierung den militärischen, territorialen Sieg über den Islamischen Staat (IS) (Reuters 9.12.2017; vgl. AI 26.2.2019). Die Sicherheitslage hat sich, seitdem verbessert (FH 4.3.2020). Ende 2018 befanden sich die irakischen Sicherheitskräfte (ISF) in der nominellen Kontrolle über alle vom IS befreiten Gebiete (USDOS 1.11.2019).
Derzeit ist es staatlichen Stellen nicht möglich, das Gewaltmonopol des Staates sicherzustellen. Insbesondere schiitische Milizen, aber auch sunnitische Stammesmilizen handeln eigenmächtig. Die im Kampf gegen den IS mobilisierten, zum Teil vom Iran unterstützten Milizen sind nur eingeschränkt durch die Regierung kontrollierbar und stellen eine potenziell erhebliche Bedrohung für die Bevölkerung dar. Durch die teilweise Einbindung der Milizen in staatliche Strukturen (zumindest formaler Oberbefehl des Ministerpräsidenten, Besoldung aus dem Staatshaushalt) verschwimmt die Unterscheidung zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren (AA 12.1.2019).
In der Wirtschaftsmetropole Basra im Süden des Landes können sich die staatlichen Ordnungskräfte häufig nicht gegen mächtige Stammesmilizen mit Verbindungen zur Organisierten Kriminalität durchsetzen. Auch in anderen Landesteilen ist eine Vielzahl von Gewalttaten mit rein kriminellem Hintergrund zu beobachten (AA 12.1.2019). Insbesondere in Bagdad kommt es zu Entführungen durch kriminelle Gruppen, die Lösegeld für die Freilassung ihrer Opfer fordern (FIS 6.2.2018). Die Zahl der Entführungen gegen Lösegeld zugunsten extremistischer Gruppen wie dem IS oder krimineller Banden ist zwischenzeitlich zurückgegangen (Diyaruna 5.2.2019), aber UNAMI berichtet, dass seit Beginn der Massenproteste vom 1.10.2019 fast täglich Demonstranten in Bagdad und im gesamten Süden des Irak verschwunden sind. Die Entführer werden als „Milizionäre“, „bewaffnete Organisationen“ und „Kriminelle“ bezeichnet (New Arab 12.12.2019).
Die zunehmenden Spannungen zwischen dem Iran und den USA stellen einen zusätzlichen, die innere Stabilität des Irak gefährdenden Einfluss dar (ACLED 2.10.2019a). Nach einem Angriff auf eine Basis der Volksmobilisierungskräfte (PMF) in Anbar, am 25. August (Al Jazeera 25.8.2019), erhob der irakische Premierminister Mahdi Ende September erstmals offiziell Anschuldigungen gegen Israel, für eine Reihe von Angriffen auf PMF-Basen seit Juli 2019 verantwortlich zu sein (ACLED 2.10.2019b; vgl. Reuters 30.9.2019). Raketeneinschläge in der Grünen Zone in Bagdad, nahe der US-amerikanischen Botschaft am 23. September 2019, werden andererseits pro-iranischen Milizen zugeschrieben, und im Zusammenhang mit den Spannungen zwischen den USA und dem Iran gesehen (ACLED 2.10.2019b; vgl. Al Jazeera 24.9.2019; Joel Wing 16.10.2019).
Als Reaktion auf die Ermordung des stellvertretenden Leiters der PMF-Kommission, Abu Mahdi Al-Muhandis, sowie des Kommandeurs der Quds-Einheiten des Korps der Islamischen Revolutionsgarden des Iran, Generalmajor Qassem Soleimani, durch einen Drohnenangriff der USA am 3.1.2020 (Al Monitor 23.2.2020; vgl. MEMO 21.2.2020; Joel Wing 15.1.2020) wurden mehrere US-Stützpunkte durch den Iran und PMF-Milizen mit Raketen und Mörsern beschossen (Joel Wing 15.1.2020).
Quellen:
- AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff 13.3.2020
- ACLED - The Armed Conflict Location & Event Data Project (2.10.2019a): Mid-Year Update: Ten Conflicts to Worry About in 2019, https://www.acleddata.com/2019/08/07/mid-year-update-ten-conflicts-to-worry-about-in-2019/, Zugriff 13.3.2020
- ACLED - The Armed Conflict Location & Event Data Project (2.10.2019b): Regional Overview – Middle East 2 October 2019, https://www.acleddata.com/2019/10/02/regional-overview-middle-east-2-october-2019/, Zugriff 13.3.2020
- AI - Amnesty International (26.2.2019): Human rights in the Middle East and North Africa: Review of 2018 - Iraq [MDE 14/9901/2019], https://www.ecoi.net/en/file/local/2003674/MDE1499012019ENGLISH.pdf, Zugriff 13.3.2020
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- Al Jazeera (25.8.2019): Iraq paramilitary: Israel behind drone attack near Syria border, https://www.aljazeera.com/news/2019/08/iraq-paramilitary-israel-drone-attack-syria-border-190825184711737.html, Zugriff 13.3.2020
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- Joel Wing, Musings on Iraq (15.1.2020): Pro-Iran Hashd Continue Attacks Upon US Interests In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2020/01/pro-iran-hashd-continue-attacks-upon-us.html, Zugriff 13.3.2020
- Joel Wing, Musings on Iraq (16.10.2019): Islamic State Not Following Their Usual Pattern In Attacks In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/10/islamic-state-not-following-their-usual.html, Zugriff 13.3.2020
- MEMO - Middle East Monitor (21.1.2020): Iraq’s PMF appoints new deputy head as successor to Al-Muhandis, https://www.middleeastmonitor.com/20200221-iraqs-pmf-appoints-new-deputy-head-as-successor-to-al-muhandis/, Zugriff 13.3.2020
- New Arab, The (12.12.2019): 'We are not safe': UN urges accountability over spate of kidnappings, assassinations in Iraq, https://www.alaraby.co.uk/english/news/2019/12/11/un-urges-accountability-over-spate-of-iraq-kidnappings-assassinations, Zugriff 13.3.2020
- Reuters (9.12.2017): Iraq declares final victory over Islamic State, https://www.reuters.com/article/us-mideast-crisis-iraq-islamicstate/iraq-declares-final-victory-over-islamic-state-idUSKBN1E30B9, Zugriff 13.3.2020
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Islamischer Staat (IS)
Letzte Änderung: 17.3.2020
Seit der Verkündigung des territorialen Sieges des Irak über den Islamischen Staat (IS) durch den damaligen Premierminister al-Abadi im Dezember 2017 (USCIRF 4.2019; vgl Reuters 9.12.2017) hat sich der IS in eine Aufstandsbewegung gewandelt (Military Times 7.7.2019) und kehrte zu Untergrund-Taktiken zurück (USDOS 1.11.2019; vgl. BBC 23.12.2019; FH 4.3.2020). Zahlreiche Berichte erwähnen Umstrukturierungsbestrebungen des IS sowie eine Mobilisierung von Schläferzellen (Portal 9.10.2019) und einen neuerlichen Machtzuwachs im Norden des Landes (PGN 11.1.2020).
Der IS unterhält ein Netz von Zellen, die sich auf die Gouvernements Ninewa, Salah ad-Din, Kirkuk und Diyala konzentrieren, während seine Taktik IED-Angriffe auf Sicherheitspersonal, Brandstiftung auf landwirtschaftlichen Flächen und Erpressung von Einheimischen umfasst (Garda 3.3.2020). Der IS führt in vielen Landesteilen weiterhin kleinere bewaffnete Operationen, Attentate und Angriffe mit improvisierten Sprengkörpern (IED) durch (USCIRF 4.2019). Er stellt trotz seines Gebietsverlustes weiterhin eine Bedrohung für Sicherheitskräfte und Zivilisten, einschließlich Kinder, dar (UN General Assembly 30.7.2019). Er ist nach wie vor der Hauptverantwortliche für Übergriffe und Gräueltaten im Irak, insbesondere in den Gouvernements Anbar, Bagdad, Diyala, Kirkuk, Ninewa und Salah ad-Din (USDOS 11.3.2020; vgl. UN General Assembly 30.7.2019). Im Jahr 2019 war der IS insbesondere in abgelegenem, schwer zugänglichem Gelände aktiv, hauptsächlich in den Wüsten der Gouvernements Anbar und Ninewa sowie in den Hamrin-Bergen, die sich über die Gouvernements Kirkuk, Salah ad-Din und Diyala erstrecken (ACLED 2.10.2019a). Er ist nach wie vor dabei sich zu reorganisieren und versucht seine Kader und Führung zu erhalten (Joel Wing 16.10.2019).
Der IS setzt weiterhin auf Gewaltakte gegen Regierungziele sowie regierungstreue zivile Ziele, wie Polizisten, Stammesführer, Politiker, Dorfvorsteher und Regierungsmitarbeiter (ACLED 2.10.2019a; vgl. USDOS 1.11.2019), dies unter Einsatz von improvisierten Sprengkörpern (IEDs) und Schusswaffen sowie mittels gezielten Morden (USDOS 1.11.2019), sowie Brandstiftung. Die Übergriffe sollen Spannungen zwischen arabischen und kurdischen Gemeinschaften entfachen, die Wiederaufbaubemühungen der Regierung untergraben und soziale Spannungen verschärfen (ACLED 2.10.2019a).
Insbesondere in den beiden Gouvernements Diyala und Kirkuk scheint der IS im Vergleich zum Rest des Landes mit relativ hohem Tempo sein Fundament wieder aufzubauen, wobei er die lokale Verwaltung und die Sicherheitskräfte durch eine hohe Abfolge von Angriffen herausfordert (Joel Wing 16.10.2019). Der IS ist fast vollständig in ländliche und gebirgige Regionen zurückgedrängt, in denen es wenig Regierungspräsenz gibt, und wo er de facto die Kontrolle über einige Gebiete insbesondere im Süden von Kirkuk und im zentralen und nordöstlichen Diyala aufgebaut hat (Joel Wing 3.2.2020).
Im Mai 2019 hat der IS im gesamten Mittelirak landwirtschaftliche Anbauflächen in Brand gesetzt, mit dem Zweck die Bauernschaft einzuschüchtern und Steuern einzuheben, bzw. um die Bauern zu vertreiben und ihre Dörfer als Stützpunkte nutzen zu können. Das geschah bei insgesamt 33 Bauernhöfen - einer in Bagdad, neun in Diyala, 13 in Kirkuk und je fünf in Ninewa und Salah ad-Din - wobei es gleichzeitig auch Brände wegen der heißen Jahreszeit und infolge lokaler Streitigkeiten gab (Joel Wing 5.6.2019; vgl. ACLED 18.6.2019). Am 23.5.2019 bekannte sich der Islamische Staat (IS) in seiner Zeitung Al-Nabla zu den Brandstiftungen. Kurdische Medien berichteten zudem von Brandstiftung in Daquq, Khanaqin und Makhmour (BAMF 27.5.2019; vgl. ACLED 18.6.2019). Im Jänner 2020 hat der IS eine Büffelherde in Baquba im Distrikt Khanaqin in Diyala abgeschlachtet, um eine Stadt einzuschüchtern (Joel Wing 3.2.2020; vgl. NINA 17.1.2020).
Mit Beginn der Massenproteste im Oktober 2019 stellte der IS seine Operation weitgehend ein, wie er es stets während Demonstrationen getan hat, trat aber mit dem Nachlassen der Proteste wieder in den Konflikt ein (Joel Wing 6.1.2020).
Quellen:
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- ACLED - The Armed Conflict Location & Event Data Project (18.6.2019): Regional Overview – Middle East 18 June 2019, https://www.acleddata.com/2019/06/18/regional-overview-middle-east-18-june-2019/, Zugriff 13.3.2020
- BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Deutschland) (27.5.2019): Briefing Notes 27. Mai 2019, https://www.ecoi.net/en/file/local/2010482/briefingnotes-kw22-2019.pdf, Zugriff 13.3.2020
- BBC News (23.12.2019): Isis in Iraq: Militants 'getting stronger again', https://www.bbc.com/news/world-middle-east-50850325, Zugriff 13.3.2020
- FH - Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020 – Iraq, https://freedomhouse.org/country/iraq/freedom-world/2020, Zugriff 13.3.2020
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Sicherheitsrelevante Vorfälle, Opferzahlen
Letzte Änderung: 17.3.2020
Vom Irak-Experten Joel Wing wurden im Lauf des Monats November 2019 für den Gesamtirak 55 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 47 Toten und 98 Verletzten verzeichnet, wobei vier Vorfälle, Raketenbeschuss einer Militärbasis und der „Grünen Zone“ in Bagdad (Anm.: ein geschütztes Areal im Zentrum Bagdads, das irakische Regierungsgebäude und internationale Auslandvertretungen beherbergt), pro-iranischen Volksmobilisierungskräften (PMF) zugeschrieben werden (Joel Wing 2.12.2019). Im Dezember 2019 waren es 120 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 134 Toten und 133 Verletzten, wobei sechs dieser Vorfälle pro-iranischen Gruppen zugeschrieben werden, die gegen US-Militärlager oder gegen die Grüne Zone gerichtet waren (Joel Wing 6.1.2020).