Entscheidungsdatum
10.08.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs1 Z3Spruch
L516 2137803-1/18E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Paul NIEDERSCHICK als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb XXXX , StA Pakistan, vertreten durch Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH - ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 01.10.2016, 1082151006-151071715/BMI-BFA_STM_AST_01_TEAM_01, nach mündlicher Verhandlung am 28.07.2020, zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs 1, § 8 Abs 1, § 57, § 10 Abs 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG sowie § 52 Abs 2 Z 2 und Abs 9 sowie § 46 FPG als unbegründet abgewiesen
II. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt IV mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, als dass die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 28 Abs 2 VwGVG iVm § 55 Abs 2 FPG acht (8) Wochen beträgt.
B)
Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
Der Beschwerdeführer ist pakistanischer Staatsangehöriger und stellte am 13.08.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies mit gegenständlich angefochtenem Bescheid den Antrag (I.) gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und (II.) gemäß § 8 Abs 1 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab. Das BFA erteilte unter einem (III.) keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG, erließ gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG und stellte gemäß § 52 Abs 9 FPG fest, dass die Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei und sprach (IV.) aus, dass gemäß § 55 Abs 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Bescheid wird zur Gänze angefochten.
Das Bundesverwaltungsgericht führte in der Sache am 10.06.2020 und 28.07.2020 eine mündliche Verhandlung durch. Die Verhandlung am 10.06.2020 wurde unmittelbar nach Beginn aufgrund einer schmerzhaften Augenerkrankung des Beschwerdeführers vertagt und in der Folge am 28.07.2020 fortgesetzt. An der Verhandlung am 28.07.2020 nahmen der Beschwerdeführer, seine Vertretung und ein Vertreter der belangten Behörde teil.
1. Sachverhaltsfeststellungen:
[regelmäßige Beweismittel-Abkürzungen: AS=Aktenseite des Verwaltungsaktes des BFA; EB=Erstbefragung; EV=Einvernahme; NS=Niederschrift; VS=Verhandlungsschrift der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht; SN=schriftliche Stellungnahme; EG=Eingabe; S=Seite; OZ=Ordnungszahl des Verfahrensaktes des Bundesverwaltungsgerichtes; ZMR=Zentrales Melderegister; IZR=Zentrales Fremdenregister; GVS= Betreuungsinformationssystem über die Gewährleistung der vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde in Österreich; SD=Staatendokumentation des BFA; LIB=Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA]
1.1 Zur Person des Beschwerdeführers und seinen Lebensverhältnissen in Pakistan
Der Beschwerdeführer führt in Österreich den im Spruch angeführten Namen sowie das ebenso dort angeführte Geburtsdatum. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Pakistan, gehört der Volksgruppe der Muhajir sowie der sunnitischen Glaubensgemeinschaft an. Seine Identität steht fest. (EB NS S 1, 3; AS 229)
Der Beschwerdeführer wurde in XXXX in der Provinz Sindh geboren. Er besuchte in XXXX die Grundschule und dann das College. Danach arbeitete er bis zu seiner Ausreise aus Pakistan bzw bis Juni 2011 als Motorradmechaniker. Er lebte zuletzt mit seiner Ehefrau, seinem Sohn und seinen beiden Töchtern im Elternhaus seiner Ehefrau in Karachi. Die Ehefrau und die Kinder leben noch immer dort. Sein Sohn studiert an der Universität und macht gerade seinen Bachelor; nebenbei arbeitet er. Sein Bruder ist verheiratet und lebt mit seiner Familie in XXXX . Sein Bruder hat eine eigene XXXX . Die Schwester des Beschwerdeführers ist XXXX an den Folgen eines Schlaganfalles verstorben. Die Ehefrau des Beschwerdeführers wird vom Sohn, vom Beschwerdeführer selbst und von ihren Brüdern finanziell unterstützt, einer ihrer Brüder arbeitet als Motorradmechaniker in Saudi-Arabien. Seiner Familie geht es gut (NS EV 14.09.2016, S 4, 5; VS 28.07.2020, S 6, 7)
Der Beschwerdeführer verließ Pakistan im Dezember 2011 und reiste zunächst mit einem Visum rechtmäßig in die Türkei und arbeitete dort bis Juni 2015. Im Juni 2015 reiste er weiter nach Griechenland und über mehrere weitere Länder nach Österreich (NS EV 14.09.2016, S 4, 5)
1.2 Zu den Lebensverhältnissen in Österreich
Im August 2015 reiste der Beschwerdeführer nach Österreich ein, wo er sich gestützt auf das vorläufige Aufenthaltsrecht nach dem Asylgesetz seither ununterbrochen aufhält. Er ist nach wie vor auf Leistungen aus der Grundversorgung für hilfsbedürftige Fremde angewiesen. Er ist arbeitswillig und arbeitsfähig und verfügt über eine Einstellungszusage. Der Beschwerdeführer hat die ihm in der Verhandlung ohne Dolmetscher auf Deutsch gestellten Fragen nicht verstanden. Er ist strafrechtlich unbescholten. (IZR, GVS, VS 28.07.2020, S 6; Strafregister der Republik Österreich)
1.3 Zum Gesundheitszustand
Am 29.05.2020 wurde beim Beschwerdeführer eine rechtsseitige Gesichtslähmung mit unbekannter Ursache (Idiopathische periphere Facialisparese) diagnostiziert. Er wurde dazu ambulant in einem Krankenhaus behandelt. Zur Behandlung erhielt der Beschwerdeführer einen Augenverband, die Medikamente Prednisolon 25 mg für 10 Tage sowie Pantoprazol 40 mg als Magenschutz ebenso für 10 Tage sowie eine Salbe. Die aktuelle Behandlung besteht in einer ausgewogenen Ernährung und einer Salbe ohne weitere Tabletten. Der Gesamtbehandlungszeitraum bis zur Genesung beträgt 50-90 Tage (VS 10.06.2020, S 2-3; VS 10.06.2020 Beilage 1; OZ 13; VS 28.07.2020, S 5).
1.4 Der Beschwerdeführer brachte zur Begründung seines Antrages auf internationalen Schutz - zusammengefasst - vor:
Bei der Erstbefragung am 12.08.2015 führte der Beschwerdeführer zur Begründung seines Antrages auf internationalen Schutz aus, es seien in Karachi Leute seiner Volksgruppe von kriminellen Banden wegen Schutzgeld heimgesucht worden. Es seien viele Personen gezielt erschossen und angezündet worden. Die Polizei habe nichts unternommen und er fürchte um sein Leben. Er fürchte, von den Banden umgebracht zu werden. Die Verwaltung in Karachi werde vom Militär gemacht. Er habe Angst, unschuldig eingesperrt zu werden. (NS EB 12.08.2015, S 4, 5)
In der Einvernahme vor dem BFA am 04.05.2016 gab der Beschwerdeführer – zusammengefasst – an, er gehöre der Volksgruppe der Muhajir an. Dies sei keine Minderheit, es gebe viele Mohair in Karachi und auch viele in ganz Pakistan. Er sei Sympathisant, jedoch kein Mitglied der MQM, wisse auch nicht was MQM heiße, kenne auch deren Ziele nicht und sei nicht politisch aktiv, er habe mit Politik nichts zu tun. Er sei auch nicht polizeilich gesucht worden, nach ihm werde auch nicht gefahndet und er sei auch nicht behördlich verfolgt worden. Sein Fluchtgrund sei, dass er Probleme mit den Taliban gehabt habe. Die Taliban seien gegen seine Volksgruppe und würden diese vertreiben wollen. Deswegen habe er sein Land verlassen. Sonst gebe es nichts. Er sei 2011 mit dem Bus gefahren, man habe seine ID-Card gewollt und er und andere Mitfahrende seien festgenommen worden, weil sie Muhajir seien und man habe von ihm Geld gewollt. Nach der Zahlung sei er freigelassen worden. Er sei von den Taliban 2-3 Stunden festgehalten worden, bis seine Mutter das Geld organisiert habe. Er habe 2011 eine Anzeige erstattet, sei einmal dort gewesen, doch niemand höre zu. Es habe mehrere solche Vorfälle gegeben, 2009, 2010 und 2011. Vor 2011 habe er die Polizei nicht aufgesucht, da dies nichts bringe, jene zusammenarbeiten würden. Es betreffe nicht nur ihn, sondern alle Muhajir. Es sei nicht um ihn persönlich gegangen, Alle seiner Volksgruppe hätten jenes Problem gehabt. Es treffe nicht nur ihn. Nach dem Vorfall im Jänner 2011 habe sich nichts mehr ereignet. Auch sonst sei ihm persönlich nichts passiert, sonst gebe es nichts. Er habe bis Juni 2011 gearbeitet, habe dann das Geschäft zugesperrt und verkauft. Er habe bei der türkischen Botschaft in Karachi ein Visum bekommen, ein Business Visum. Er habe zunächst eigentlich ein Touristenvisum gewollt, habe aber dann das andere bekommen. Er habe das Visum ohne Probleme bekommen. Er sei selbst anwesend gewesen und habe die Behördenwege und alles problemlos erledigt. Den Reisepass habe er sich kurz vor seiner Ausreise beim Passamt ausstellen lassen. Bei der Ausreise in die Türkei habe es überhaupt keine Probleme gegeben, wenn man ein Visum habe, dann gebe es keine Probleme. Es habe auch keine Probleme bei den Kontrollen, etwa mit der Polizei gegeben. (NS EV 14.09.2016, S 6 ff)
In der Beschwerde vom 14.10.2016 wurde – zusammengefasst – vorgebracht, der Beschwerdeführer sei offiziell einfaches Mitglied er MQM gewesen. Er sei offiziell im Rahmen dieser politischen Mitgliedschaft für das soziale Engagement in Krankenhäusern zuständig gewesen. Er habe jedoch gleichzeitig verdeckt die Bewegungen und Tätigkeiten der Taliban ermitteln müssen. Der Beschwerdeführer sei nachweislich bereits 1992 von Sicherheitskräften geschlagen, festgenommen und während der darauffolgenden 6 Monate in Haft körperlich schwer misshandelt und gefoltert worden. Auch in den Jahren 2009 und 2010 sei es aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit zu Übergriffen auf ihn gekommen. Aufgrund der Tätigkeit im Rahmen der MQM, die sich mit verdeckten Ermittlungen gegen die Taliban gerichtet hätten, sei er von diesen im Jahr 2011 entführt und unter schrecklichen Umständen für mehrere Stunden angehalten und misshandelt worden. Er habe nur gegen Kaution wieder freikommen können. Er habe weiterhin in Angst gelebt, habe seine Heimat jedoch nicht sofort verlassen können, da ihm die nötigen finanziellen Mittel gefehlt hätten. Erst Ende des Jahres 2011 habe er den ersten Versuch angetreten, seine Heimat zu verlassen, sei von den Sicherheitskräften jedoch wieder aus dem Flugzeug geholt worden. Erst im zweiten Versuch sei es ihm gelungen, sein Heimatland zu verlassen und in die Türkei zu fliehen, wo er auch vier Jahre gelebt habe. (Beschwerde, Seite 2 f).
In der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht führte der Beschwerdeführer zu seiner Rückkehrbefürchtung – zusammengefasst – aus:
Bereits mit Beginn seiner Erinnerungen habe es mit den Grässlichkeiten angefangen. 1992 sei er von den Armee-Soldaten einmal aufgehalten und sehr viel geschlagen worden; seine Beine seien auch auseinandergedehnt worden. Es sei ihm vorgeworfen worden, ein Feuer gelegt zu haben, wovon er jedoch keine Ahnung gehabt habe. Er sei 40 Tage festgehalten worden, er sei zu Gericht gebracht und so dann freigekommen worden. Es sei einfach so weitergegangen. Er habe 1996 geheiratet und einmal, als er frisch verheiratet gewesen sei, habe er von mehreren Leuten „Lotteriegeld“ gesammelt; dass Geld werde eingesammelt und eine der Personen bekomme dann das ganze Geld. Er sei also mit jenem Geld im Bus unterwegs gewesen, die Polizei habe ihn wieder aus dem Bus geholt und ihm das Geld abgenommen, er sei zusammengeschlagen und in den Kanal geworfen worden. Er habe zum Glück schwimmen können. Dies sei überall so in Pakistan. Er selbst habe ursprünglich in XXXX ein Geschäft mit Fotokopiermaschinen gehabt, sei aber 1997 oder 1998 nach Karachi, nachdem es in XXXX zu Auseinandersetzungen zwischen Sindhi und Muhajir gekommen sei. Er habe dann in Karachi ein Geschäft für Motorradersatzteile und Reparaturen eröffnet; es seien dann unbekannte Personen gekommen, die von ihm Geld verlangt hätten. Im Jahr 2009 sei er von Räubern entführt und misshandelt worden, um Geld von ihm zu erpressen. Nach Verhandlungen habe seine Schwiegermutter das Lösegeld bezahlt und er sei freigelassen worden. Er habe wieder ein normales Leben führen und alles hinter sich lassen wollen. Wenn man im Bus reise, werde man von der Polizei kontrolliert. Wenn die Polizei sehe, dass man ein Muhajir sei, müsse man aussteigen. Die Polizei verlange dann Geld und drohe, dass man im Abwasserkanal lande. Dies sei ihm immer wieder passiert. Er sei zwar ein Sympathisant der MQM Partei, da diese auch Muhajir seien, sei aber nicht politisch aktiv, habe aber zB im Unit-Office der MQM aufgeräumt und den Ort saubergemacht und er habe Blutspenden organisiert, wenn eine Person angeschossen worden sei, er habe menschlich gehandelt; er habe auch die Leute benachrichtigt, wenn er in seinem Geschäft erfahren habe, dass es neue Personen im Ort gebe; er habe damit nur helfen und Leben retten wollen. Auch sein Bruder sei nur ein Sympathisant der MQM; jener lebe in XXXX an einem Ort, an dem nur Muhajir leben würden und habe eine eigene XXXX . Die MQM gebe es jetzt gar nicht mehr, sie sei von den Behörden ausgelöscht worden. Er habe sich schließlich nach all seinen Erfahrungen um ein Visum für die Türkei bemüht. Zuletzt habe man bei seiner Ausreise aus Pakistan in die Türkei Ende 2011 am Flughafenschalter Geld von ihm verlangt, weil man gesehen habe, dass er ein Muhajir sei, und ihm gedroht, sein Visum ablaufen zu lassen. Dabei habe er damals auch eine polizeiliche Bestätigung vorgelegt, dass er nichts angestellt habe. Er habe dann Schmuck von seiner Frau verkauft, um ausreisen zu können. Man habe ihn nicht aus dem Flugzeug geholt, soweit sei er zunächst gar nicht gekommen. Wenn man jetzt genau nach Pakistan schaue, überall, in jedem Haus, seien Taliban, denn diese würden Geld benötigen. Viele von ihnen würden aus Afghanistan nach Pakistan kommen, die Menschen ausrauben und dann wieder gehen. (VS 28.07.2020, 9 ff)
1.5 Zur Glaubhaftigkeit dieses Vorbringens und Gefährdung bei einer Rückkehr nach Pakistan
Das Vorbringen, wonach der Beschwerdeführer 1992 einmal zu Unrecht einer Straftat verdächtigt und deshalb von Armeeangehörigen bis zu seiner späteren Freilassung durch ein Gericht misshandelt und festgehalten worden war, ist glaubhaft. Ebenso glaubhaft ist, dass ihm im Laufe der Jahre vor seiner Ausreise bei verschiedenen Gelegenheiten jeweils von verschiedenen kriminellen Personen, Banden und Taliban unter Androhung und auch Anwendung von Gewalt Geld abgenommen wurde. Nicht glaubhaft ist hingegen, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr zu seinen Familienangehörigen zum gegenwärtigen Zeitpunkt tatsächlich individuell konkret einer unmittelbaren Bedrohung ausgesetzt sein wird.
1.6 Zur Lage in Pakistan
Politische Lage
Pakistan ist ein Bundesstaat mit den vier Provinzen Punjab, Sindh, Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa. Die FATA (Federally Administered Tribal Areas / Stammesgebiete unter Bundesverwaltung) sind nach einer Verfassungsänderung im Mai 2018 offiziell in die Provinz Khyber Pakhtunkhwa eingegliedert worden. Daneben kontrolliert Pakistan die Gebiete von GilgitBaltistan und Azad Jammu & Kashmir, dem auf der pakistanischen Seite der Demarkationslinie (“Line of Control”) zwischen Indien und Pakistan liegenden Teil Kaschmirs. Beide Gebiete werden offiziell nicht zum pakistanischen Staatsgebiet gerechnet und sind in Teilen autonom. Das Hauptstadtterritorium Islamabad (“Islamabad Capital Territory”) bildet eine eigene Verwaltungseinheit (AA 1.2.2019a).
Die gesetzgebende Gewalt in Pakistan liegt beim Parlament (Nationalversammlung und Senat). Daneben werden in den Provinzen Pakistans Provinzversammlungen gewählt. Die Nationalversammlung umfasst 342 Abgeordnete, von denen 272 vom Volk direkt für fünf Jahre gewählt werden. Es gilt das Mehrheitswahlrecht. 60 Sitze sind für Frauen, 10 weitere für Vertreter religiöser Minderheiten reserviert (AA 1.2.2019a). Die reservierten Sitze werden von den Parteien gemäß ihrem Stimmenanteil nach Provinzen besetzt, wobei die Parteien eigene Kandidatenlisten für diese Sitze erstellen. (Dawn 2.7.2018).
Bei der Wahl zur Nationalversammlung (Unterhaus) am 25. Juli 2018 gewann erstmals die Pakistan Tehreek-e-Insaf (PTI: Pakistanische Bewegung für Gerechtigkeit) unter Führung Imran Khans die Mehrheit (AA 1.2.2019a). Es war dies der zweite verfassungsmäßig erfolgte Machtwechsel des Landes in Folge (HRW 17.1.2019). Die PTI konnte durch eine Koalition mit fünf kleineren Parteien sowie der Unterstützung von neun unabhängigen Abgeordneten eine Mehrheit in der Nationalversammlung herstellen (ET 3.8.2018). Imran Khan ist seit Mitte August 2018 Premierminister Pakistans (AA 1.2.2019).
Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und wird von Parlament und Provinzversammlungen gewählt. Am 9. September 2018 löste Arif Alvi von der Regierungspartei PTI den seit 2013 amtierenden Präsidenten Mamnoon Hussain (PML-N) Staatspräsident regulär ab (AA 1.2.2019a).
Sicherheitslage allgemein
Die Bedrohung durch Terrorismus und Extremismus bleibt zentrales Problem für die innere Sicherheit des Landes (AA 1.2.2019a; vgl. USDOS 19.9.2018). Landesweit ist die Zahl der terroristischen Angriffe seit 2009, zurückgegangen (PIPS 7.1.2019; vgl. AA 21.8.2018, USDOS 19.9.2018). Konflikte mit dem Nachbarland Indien werden gelegentlich gewaltsam ausgetragen (EASO 10.2018 S 16).
Die Taliban und andere militante Gruppen verüben Anschläge insbesondere in Belutschistan und in Khyber-Pakhtunkhwa (AA 21.8.2018), aber auch in Großstädten wie Karatschi (AA 1.2.2019a). Über 90 % der terroristischen Anschläge sowie Todesopfer entfielen 2018 auf die zwei Provinzen Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa (PIPS 7.1.2019). Die Anschläge zielen vor allem auf Einrichtungen des Militärs und der Polizei. Opfer sind aber auch politische Gegner der Taliban, Medienvertreter, religiöse Minderheiten, Schiiten, sowie Muslime, die nicht der strikt konservativen Islam-Auslegung der Taliban folgen, wie die Sufis (AA 1.2.2019a).
Die Operationen der Rangers [siehe dazu Abschnitt 5] in Karatschi (ab 2013), Militäroperationen in Nord-Wasiristan und der Khyber Agency [Stammesbezirke der Provinz Khyber Pakhtunkhwa, Anm.], sowie landesweite Anti-Terror-Operationen als Teil des National Action Plan (NAP) trugen dazu bei, den rückläufigen Trend bei der Zahl der Vorfälle und der Opfer auch 2018 aufrecht zu halten (PIPS 7.1.2019 S 20; vgl. EASO 10.2018 S 18). In den ehemaligen Stammesgebieten (Federally Administered Tribal Areas – FATA) konnte das staatliche Gewaltmonopol überwiegend wiederhergestellt werden (AA 21.8.2018), die Militäraktionen gelten als abgeschlossen (Dawn 29.5.2018). Viele militante Gruppen, insbesondere die pakistanischen Taliban, zogen sich auf die afghanische Seite der Grenze zurück und agitieren von dort gegen den pakistanischen Staat (AA 21.8.2018).
Sicherheitslage - Punjab und Islamabad
Die Bevölkerung der Provinz Punjab beträgt laut Zensus 2017 110 Millionen. In der Provinzhauptstadt Lahore leben 11,1 Millionen Einwohner (PBS 2017d). Islamabad, die Hauptstadt Pakistans, ist verwaltungstechnisch nicht Teil der Provinz Punjab, sondern ein Territorium unter Bundesverwaltung (ICTA o.D.). Die Bevölkerung des Hauptstadtterritoriums beträgt laut Zensus 2017 ca. zwei Millionen Menschen (PBS 2017d).
Die Sicherheitslage in Islamabad ist besser als in anderen Regionen (EASO 10.2018 S 93). Die Sicherheitslage im Punjab gilt als gut (SAV 29.6.2018). Mehrere militante Gruppierungen, die in der Lage sind, Anschläge auszuüben, sind im Punjab aktiv (EASO 10.2018 S 63-64; vgl. SAV 29.6.2018). In großen Städten wie Lahore und Islamabad-Rawalpindi gibt es gelegentlich Anschläge mit einer hohen Zahl von Opfern, durchgeführt von Gruppen wie den Tehreek-i-Taliban Pakistan (TTP), Al Qaeda oder deren Verbündeten (ACLED 7.2.2017); beispielsweise wurden bei einem Bombenanschlag durch die TTP-Splittergruppe Hizbul-Ahrar auf Polizeieinheiten vor einem Sufi-Schrein in Lahore am 8.5.2019 zehn Personen getötet. (Guardian 8.5.2019; vgl. Reuters 8.5.2019). Der Südpunjab gilt als die Region, in der die militanten Netzwerke und Extremisten am stärksten präsent sind (EASO 10.2018 S 63-64).
Für das erste Quartal 2019 (1.1. bis 31.3.) registrierte PIPS für das Hauptstadtterritorium Islamabad keinen und für den Punjab zwei terroristische Angriffe mit zwei Toten (Aggregat aus: PIPS 6.2.2019. PIPS 7.3.2019, PIPS 10.4.2019). Im Jahr 2018 wurde von PIPS im Hauptstadtterritorium kein terroristischer Angriff gemeldet. Im Punjab gab es vier terroristische Anschläge mit 20 Todesopfern. Zwei davon waren Selbstmordsprengangriffe durch die pakistanischen Taliban (PIPS 7.1.2019 S 49). Im Jahr 2017 kamen im Punjab bei 14 Anschlägen 61 Personen ums Leben, davon fanden sechs Vorfälle mit 54 Toten in Lahore statt. Das Hauptstadtterritorium verzeichnete drei Anschläge mit zwei Todesopfern (PIPS 7.1.2018).
Sindh
Die Provinz Sindh unterteilt sich in 138 Tehsils in 29 Distrikten und hat ca. 48 Millionen Einwohner. Karatschi, die Hauptstadt der Provinz Sindh und größte Stadt Pakistans, hatte laut Zensus 2017 ca. 16 Millionen Einwohner (PBS 2017d). Aufgrund des wirtschaftlichen Potenzials der Stadt zieht Karatschi Zuwanderer aus allen größeren ethnischen Gruppen und Sprachgruppen Pakistans an und es kommt zu erheblichen religiös, ethnisch und politisch motivierten Ausschreitungen (EASO 10.2018 S 78; vgl. AA 13.3.2019) und Auseinandersetzungen terroristischer oder krimineller Gruppen mit Sicherheitskräften (AA 13.3.2019).
Die dem Innenministerium unterstehenden, paramilitärischen Rangers führen seit 2013 weiterhin Anti-Terror- und Anti-Verbrechens-Operationen in Karatschi durch (USDOS 13.3.2019; vgl. PIPS 7.1.2019 S 20), was zu deutlich reduzierter Präsenz aller Arten gewalttätiger Gruppierungen in der Stadt geführt hat (PIPS 7.1.2019 S 125). Die politische, religiös-konfessionelle und ethnische Gewalt in Karatschi ist gesunken und die Straßenkriminalität in Form von Gangs ist nicht mehr so verbreitet wie vor den Sicherheitsoperationen (USDOS 13.3.2019). Auch die militanten Flügel der ethno-politischen Parteien, die für die schlechte Sicherheitslage in besonderem Maße verantwortlich waren, waren durch die Operationen betroffen (PIPS 7.1.2019 S 128). Mit der Verbesserung der Sicherheitslage sind auch die Immobilienpreise in Karatschi deutlich gestiegen (Propakistani 1.2.2019).
Die in Karatschi dominierende politische Partei Muttahida Qaumi Movement (MQM) war durch die Sicherheitsoperationen besonders betroffen. Zahlreiche Mitglieder wurden verhaftet oder mussten untertauchen. Die Partei gibt an, dass zahlreiche ihrer Mitglieder durch Sicherheitskräfte außerhalb des Gesetzes getötet oder verschleppt wurden (PIPS 7.1.2019 S 128).
Für das erste Quartal 2019 (1.1. bis 31.3.) registrierte PIPS im Sindh acht terroristische Angriffe mit elf Todesopfern; davon fanden sechs Anschläge mit acht Toten in Karatschi statt (Aggregat aus: PIPS 6.2.2019. PIPS 7.3.2019, PIPS 10.4.2019). Im Jahr 2018 kam es im Sindh zu zwölf terroristischen Anschlägen mit 19 Todesopfern; davon entfielen neun Anschläge mit 18 Toten auf Karatschi. In Karatschi kam es 2018 weiters zu fünf ethno-politisch motivierten Zusammenstößen mit insgesamt fünf Todesopfern (PIPS 7.1.2019 S 46-48). Im Jahr 2017 kam es im Sindh zu 31 terroristischen Anschlägen mit 119 Toten. 24 Anschläge davon waren in Karatschi zu verzeichnen und 91 der 119 Tote entfielen auf einen einzigen Anschlag auf den Lal Shahbaz-Schrein in Sehwan Sharif (PIPS 7.1.2018).
Ethnische Minderheiten
Pakistan ist ein multiethnischer und multilingualer Staat (GIZ o.D.). Laut Volkszahlung 2017 leben in Pakistan ca. 207,7 Millionen Menschen (PBS 2017d). Laut CIA World Factbook ist die ethnische Zusammensetzung: Punjabi 44,7 %, Paschtunen 15,4 %, Sindhi 14,1 %, Saraiki 8,4 %, Muhajirs 7,6 %, Belutschen 3,6 %, andere ethnische Gruppen 6,3 % (CIA 5.2.2019). Laut Volkszahlung 2017 ist die Bevölkerungsverteilung nach Muttersprache: Punjabi 44,15 %, Paschto 15,42 %, Sindhi 14,1 %, Saraiki 10,53 %, Urdu 7,57 %, Belutschisch 3,57 %, andere 4,66 % (PBS 2017c).
In Karatschi ging die Regierung seit 2013 u.a. gegen die radikalen Flügel von politischen Parteien vor, die in erster Linie eine ethnische Gruppe vertreten. Durch dieses Vorgehen konnten die Opferzahlen von politischer und religiös-konfessioneller Gewalt sowie durch Bandenkriminalität massiv verringert werden (PIPS 7.1.2018).
Das Pak Institute for Peace Studies (PIPS) berichtet fur das Jahr 2018 von landesweit 22 Vorfallen ethnisch oder politisch motivierter Gewalt mit insgesamt 11 Todesopfern und 55 Verletzten (PIPS 7.1.2019).
Gemas Menschenrechtsorganisationen wurden zahlreiche paschtunische Rechtsaktivisten sowie sindhi- und belutschische Nationalisten ohne Grund oder Haftbefehl verhaftet oder es kam zu Fallen von Verschwindenlassen. Nationalistische Parteien im Sindh beschuldigen Sicherheitsbehörden der Entführung und Tötung von sindhi-politischen Aktivisten (USDOS 13.3.2019).
Polizei
Die Effizienz der Arbeit der Polizeikräfte variiert von Bezirk zu Bezirk und reicht von gut bis ineffizient (USDOS 13.3.2019). In der Öffentlichkeit genießt die vor allem in den unteren Rängen schlecht ausgebildete, gering bezahlte und oft unzureichend ausgestattete Polizei kein hohes Ansehen. So sind u.a. die Fähigkeiten und der Wille der Polizei im Bereich der Ermittlung und Beweiserhebung gering. Staatsanwaltschaft und Polizei gelingt es häufig nicht, belastende Beweise in gerichtsverwertbarer Form vorzulegen. Zum geringen Ansehen der Polizei tragen die extrem hohe Korruptionsanfälligkeit ebenso bei wie häufige unrechtmäßige Übergriffe und Verhaftungen sowie Misshandlungen von in Polizeigewahrsam genommenen Personen. Illegaler Polizeigewahrsam und Misshandlungen gehen oft Hand in Hand, um den Druck auf die festgehaltene Person bzw. deren Angehörige zu erhöhen, durch Zahlung von Bestechungsgeldern eine zügige Freilassung zu erreichen, oder um ein Geständnis zu erpressen. Die Polizeikräfte sind oft in lokale Machtstrukturen eingebunden und dann nicht in der Lage, unparteiische Untersuchungen durchzuführen. So werden Strafanzeigen häufig gar nicht erst aufgenommen und Ermittlungen verschleppt (AA 21.8.2018).
Die Polizeikräfte versagen oftmals dabei, Angehörigen religiöser Minderheiten – wie beispielsweise Ahmadis, Christen, Schiiten und Hindus – Schutz vor Übergriffen zu bieten. Es gibt jedoch Verbesserungen bei der Professionalität der Polizei. Einzelne lokale Behörden demonstrierten die Fähigkeit und den Willen, unter großer eigener Gefährdung Minderheiten vor Diskriminierung und Mob-Gewalt zu schützen (USDOS 13.3.2019).
Grundversorgung und Wirtschaft
Pakistans Wirtschaft hat wegen einer günstigen geographischen Lage, Ressourcenreichtum, niedrigen Lohnkosten, einer jungen Bevölkerung und einer wachsenden Mittelschicht Wachstumspotenzial. Dieses Potenzial ist jedoch aufgrund jahrzehntelanger Vernachlässigung der sozialen und wirtschaftlichen Infrastruktur, periodisch wiederkehrender makroökonomischer sowie politischer Instabilität und schwacher institutioneller Kapazitäten nicht ausgeschöpft. Als größte Wachstumshemmnisse gelten Korruption, ineffiziente Bürokratie, ein unsicheres regulatorisches Umfeld, eine trotz Verbesserungen in den letzten Jahren relativ teure bzw. unzureichende Energieversorgung und eine – trotz erheblicher Verbesserung seit 2014 – teils fragile Sicherheitslage (AA 5.3.2019).
Der wichtigste Wirtschaftssektor in Pakistan ist der Dienstleistungssektor (Beitrag zum BIP 59 %; der Sektor umfasst u. a. auch den überproportional großen öffentlichen Verwaltungsapparat). Auch der Industriesektor ist von Bedeutung (Beitrag zum BIP 21 %). Der bei weitem wichtigste Exportsektor ist die Textilbranche. Einen dem Industriesektor vergleichbaren Beitrag zum BIP (20 %) leistet die Landwirtschaft, in der jedoch 42 % der arbeitenden Bevölkerung tätig ist. Etwa 60 % der ländlichen Bevölkerung hängen direkt oder indirekt vom landwirtschaftlichen Sektor ab. Die Provinz Punjab gehört unter anderem bei Getreideanbau und Viehzucht zu den weltweit größten Produzenten (AA 5.3.2019; vgl. GIZ 2.2019a).
Die pakistanische Wirtschaft wächst bereits seit Jahren mit mehr als vier Prozent. Für 2018 gibt der Internationale Währungsfonds (IWF) sogar ein Plus von 5,6 Prozent an. Das Staatsbudget hat sich stabilisiert und die Börse in Karatschi hat in den vergangenen Jahren einen Aufschwung erlebt. Erreicht wurde dies durch einschneidende Reformen, teilweise unterstützt durch den IWF. In der Vergangenheit konnte Pakistan über die Jahrzehnte hinweg jedoch weder ein solides Wachstum halten noch die Wirtschaft entsprechend diversifizieren. Dies kombiniert mit anderen sozioökonomischen und politischen Faktoren führte dazu, dass immer noch etwa ein Drittel der pakistanischen Bevölkerung unter der Armutsgrenze lebt (GIZ 2.2019a).
Das Programm Tameer-e-Pakistan soll Personen bei der Arbeitssuche unterstützen (IOM 2018). Das Kamyab Jawan Programme, eine Kooperation des Jugendprogrammes des Premierministers und der Small and Medium Enterprises Development Authority (SMEDA), soll durch Bildungsprogramme für junge Menschen im Alter zwischen 15 und 29 die Anstellungsmöglichkeiten verbessern (Dawn 11.2.2019).
Sozialbeihilfen
Der staatliche Wohlfahrtsverband überprüft an Hand spezifischer Kriterien, ob eine Person für den Eintritt in das Sozialversicherungssystem geeignet ist. Die Sozialversicherung ist mit einer Beschäftigung im privaten oder öffentlichen Sektor verknüpft (IOM 2018). Das Benazir Income Support Program und das Pakistan Bait-ul-Mal vergeben ebenfalls Unterstützungsleistungen (USSSA 3.2017).
Pakistan Bait-ul-Mal ist eine autonome Behörde, die Finanzierungsunterstützung an Notleidende, Witwen, Waisen, Invalide, Kranke und andere Bedürftige vergibt. Eine Fokussierung liegt auf Rehabilitation, Bildungsunterstützung, Unterkunft und Verpflegung für Bedürftige, medizinische Versorgung für mittellose kranke Menschen, der Aufbau kostenloser medizinischer Einrichtungen, Berufsweiterbildung sowie die finanzielle Unterstützung für den Aufbau von selbständigen Unternehmen (PBM o.D).
Das Benazir Income Support Programme zielt auf verarmte Haushalte insbesondere in abgelegenen Regionen ab. Durch Vergabe von zinsfreien Krediten an Frauen zur Unternehmensgründung, freie Berufsausbildung, Versicherungen zur Kompensation des Verdienstausfalles bei Tod oder Krankheit des Haupternährers und Kinderunterstützungsgeld sollen insbesondere Frauen sozial und ökonomisch ermächtigt werden (ILO 2017).
Die Edhi Foundation ist die größte Wohlfahrtstiftung Pakistans. Sie gewährt u.a. Unterkunft für Waisen und Behinderte, eine kostenlose Versorgung in Krankenhäusern und Apotheken, sowie Rehabilitation von Drogenabhängigen, kostenlose Heilbehelfe, Dienstleistungen für Behinderte sowie Hilfsmaßnahmen für die Opfer von Naturkatastrophen (Edih o.D.).
Die pakistanische Entwicklungshilfeorganisation National Rural Support Programme (NRSP) bietet Mikrofinanzierungen und andere soziale Leistungen zur Entwicklung der ländlichen Gebiete an. Sie ist in 70 Distrikten der vier Provinzen – inklusive Azad Jammu und Kaschmir – aktiv. NRSP arbeitet mit mehr als 3,4 Millionen armen Haushalten zusammen, welche ein Netzwerk von ca. 217.000 kommunalen Gemeinschaften bilden (NRSP o.D).
Medizinische Versorgung
In Islamabad und Karatschi ist die medizinische Versorgung in allen Fachdisziplinen meist auf einem hohen Niveau und damit auch teuer (AA 13.3.2019). In modernen Krankenhäusern in den Großstädten konnte – unter dem Vorbehalt der Finanzierbarkeit – eine Behandlungsmöglichkeit für die am weitesten verbreiteten Krankheiten festgestellt werden. Auch die meisten Medikamente, wie z. B. Insulin, können in den Apotheken in ausreichender Menge und Qualität erworben werden und sind für weite Teile der Bevölkerung erschwinglich (AA 21.8.2018).
In staatlichen Krankenhäusern, die i.d.R. europäische Standards nicht erreichen, kann man sich bei Bedürftigkeit kostenlos behandeln lassen. Da Bedürftigkeit offiziell nicht definiert ist, reicht die Erklärung aus, dass die Behandlung nicht bezahlt werden kann. Allerdings trifft dies auf schwierige Operationen, z.B. Organtransplantationen, nicht zu. Hier können zum Teil gemeinnützige Stiftungen die Kosten übernehmen (AA 21.8.2018).
Bewegungsfreiheit
Das Gesetz gewährleistet die Bewegungsfreiheit im Land sowie uneingeschränkte internationale Reisen, Emigration und Repatriierung (USDOS 13.3.2019). Die Regierung schränkt den Zugang zu bestimmten Gebieten der ehemaligen FATA und Belutschistan aufgrund von Sicherheitsbedenken ein (USDOS 13.3.2019; vgl. FH 1.2019, HRCP 3.2019). Es gibt einzelne rechtliche Einschränkungen, Wohnort, Arbeits- oder Ausbildungsplatz zu wechseln (FH 1.2019).
Dokumente
Pakistan verfügt über eines der weltweit umfangreichsten Bürger-Registrierungssysteme. Die zuständige Behörde ist die National Database & Registration Authority (NADRA) (PI 1.2019). NADRA ist für die Ausstellung unterschiedlicher Ausweisdokumente zuständig (NADRA o.D.). Über 96 % der Bürgerinnen und Bürger Pakistans verfügen über biometrische Personalausweise (PI 1.2019). Die National Identity Card (NIC) wird für Staatsbürger über 18 Jahre ausgestellt und ist mit einer einzigartigen 13-stelligen Personennummer versehen (NADRA o.D.). Die 2012 eingeführte Smart National Identity Cart (SNIC) hat auf einem Chip zahlreiche biometrische Merkmale gespeichert und soll bis 2020 die älteren Versionen der NIC vollständig ersetzen (PI 1.2019). Eine SNIC wird benötigt, um beispielsweise Führerschein oder Reisepass zu beantragen, ein Bankkonto zu eröffnen und eine SIM-Karte oder Breitbandinternet zu erhalten (PI 1.2019; vgl. NADRA o.D.).
Weitere durch NADRA ausgestellte Dokumente sind die Pakistan Origin Card (POC) für ausländische Staatsbürger, die früher pakistanische Staatsangehörige waren bzw. deren Eltern oder Großeltern pakistanische Staatsbürger sind oder waren; National Identity Card for Overseas Pakistanis (NICOP) für Pakistani im Ausland, Emigranten oder Personen mit Doppelstaatsbürgerschaft; Child Registration Certificates (CRC) für alle Personen unter 18 Jahren (NADRA o.D.).
Dokumentenfälschungen sind in Pakistan ein weit verbreitetes Phänomen, v.a. von manuell angefertigten Dokumenten (ÖB 10.2018). Angesichts weit verbreiteter Korruption und des unzureichenden Zustands des Zivilstandswesens ist es einfach, fiktive oder verfälschte Standesfälle (Geburt, Tod, Eheschließung) in ein echtes Personenstandsregister eintragen zu lassen und auf der Basis dieser Eintragung formal echte Urkunden ausgestellt zu bekommen. Merkmale auf modernen Personenstandsurkunden und Reisepässen zur Erhöhung der Fälschungssicherheit können bereits bei der Dateneingabe durch korruptionsanfällige Verwaltungsbeamte mühelos unterlaufen werden (AA 21.8.2018; vgl. ÖB 10.2018).
Weit verbreitet sind außerdem gefälschte akademische Diplome, Bankunterlagen, Übereinkünfte, Referenzen und Eigentumsnachweise (IRB 14.1.2015; vgl. ÖB 10.2018). Es ist problemlos möglich, ein (Schein-) Strafverfahren gegen sich selbst in Gang zu bringen, in dem die vorgelegten Unterlagen (z.B. „First Information Report“ oder Haftverschonungsbeschluss) formal echt sind. Auch ist es möglich, religiöse Fatwen gegen sich selbst fälschen oder erstellen zu lassen bzw. Zeitungsartikel, in denen eine Verfolgungssituation geschildert wird, gegen Bezahlung oder dank Beziehungen veröffentlichen zu lassen. Die Ausführungen und Erklärungen zu einer geltend gemachten Verfolgung aus politischen oder religiösen Gründen halten einer Nachforschung vor Ort häufig nicht stand (AA 21.8.2018).
[Beweisquelle: LIB Mai 2019 mwN]
MQM
In Karatschi kommt es immer wieder zu Gewalt von und zwischen den radikalen Flügeln von jenen politischen Parteien, die in erster Linie eine ethnische Gruppe vertreten, wie MQM (Muttahida Quami Movement), ANP (Awami National Party; eine Partei der Paschtunen) und PPP (Pakistan People‘s Party) (PIPS 1.2017). Die MQM ist eine säkulare Partei, welche die Muhajir repräsentiert. Die Muhajir sind Urdu-sprachige Muslime, die nach der Teilung von Indien nach Pakistan emigrierten. Der populären MQM werden Gewaltakte vorgeworfen, während auch sie selbst ihre Gegner der Gewalt bezichtigt. (Jamestown Foundation 11.11.2016).
Die Sicherheitskräfte gehen verstärkt gegen die radikalen Flügeln der Parteien vor, wodurch deren Kapazitäten geschwächt wurden (PIPS 1.2017). Die MQM wirft den Sicherheitskräften vor, im Zuge dieser Sicherheitsoperationen 61 Mitglieder getötet zu haben, während 171 Mitglieder vermisst werden. Auch Sindhi Nationalisten bringen ähnliche Vorwürfe gegen die Sicherheitskräfte vor (USDOS 3.3.2017)
Trotzdem die MQM der Gewaltanwendung bezichtigt wurde und es diesbezüglich zu Verhaftungen kam, konnte die Partei immer Wahlerfolge verzeichnen (RSiS 3.1.2017). Sie hält eine beträchtliche Anhängerschaft und Sitze im Parlament (Jamestown Foundation 11.11.2016).
[Beweisquelle. BFA-Länderinformationsblatt Pakistan, 22.03.2017]
Zur aktuell vorherrschenden Pandemie aufgrund des Coronavirus (Covid-19, SARS-CoV-2)
COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) und Europäischem Zentrum für die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) haben das höchste Risiko für eine schwere Erkrankung durch SARS-CoV-2 Menschen im Alter von über 60 Jahren sowie Menschen mit Grunderkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, chronischen Atemwegserkrankungen und Krebs. Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (wie z.B. Diabetes, Herzkrankheiten und Bluthochdruck) auf.
(Beweisquelle: www.ages.at/themen/krankheitserreger/coronavirus/; www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus.html; www.oesterreich.gv.at/)
2. Beweiswürdigung:
Die Sachverhaltsfeststellungen stützen sich auf den Verwaltungsverfahrensakt des BFA, den Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes und das Ergebnis der durchgeführten mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Die konkreten Beweismittel sind bei den Sachverhaltsfeststellungen bzw in der Beweiswürdigung jeweils in Klammer angeführt.
2.1 Zur Person des Beschwerdeführers und den Lebensverhältnissen in Pakistan (oben 1.1)
Die Angaben des Beschwerdeführers zu seiner Staatsangehörigkeit und Herkunft, die er im Zuge des Verfahrens vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung gemacht hat, waren auf Grund seiner Orts- und Sprachkenntnisse nicht zu bezweifeln. Mangels Vorlage eines Identitätsdokumentes im Original konnte die Identität nicht abschließend festgestellt werden.
Seine Ausführungen zu seiner Schulbildung, seiner Berufstätigkeit, sowie zu seinen Familienangehörigen in Pakistan vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung waren kohärent, schlüssig und widerspruchsfrei und decken sich auch im Wesentlichen mit seinen diesbezüglichen Schilderungen vor dem BFA, sodass auch dieses Vorbringen als glaubhaft erachtet werden konnte.
2.2 Zu seinen Lebensverhältnissen in Österreich (1.2)
Seine Angaben zu seinem Aufenthalt in Österreich, zu seiner aktuellen Lebenssituation, erwiesen sich in der mündlichen Verhandlung als kohärent, schlüssig und widerspruchsfrei, und stehen auch im Einklang mit den vom Bundesverwaltungsgericht eingeholten Auszügen aus den behördlichen Datenregistern. In der Verhandlung wurde der Beschwerdeführer ohne Dolmetscherin auf Deutsch gefragt, was er am Tag vor der Verhandlung sowie am Samstag vor der Verhandlung alles gemacht hat. Der Beschwerdeführer hat diese Fragen nicht verstanden. Er gab auch an, in Österreich nur eine Woche lang einen Deutschkurs besucht zu haben (IZR, ZMR, GVS, Strafregister; VS 28.07.2020, S 5, 6).
2.3 Zum Gesundheitszustand
Die Feststellungen zu seinem Gesundheitszustand beruhen auf den kohärenten und widerspruchsfreien Angaben des Beschwerdeführers in der Verhandlung und auf den von ihm vorgelegten medizinischen Unterlagen.
2.4 Zum Vorbringen und mangelnden Gefährdung im Falle der Rückkehr (oben 1.4 – 1.5)
2.4.1 Die Ausführungen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen beruhen auf seinen protokollierten Aussagen im Zuge der Einvernahmen vor dem BFA sowie im Rahmen der mündlichen Verhandlung und auf seinen schriftlichen Eingaben.
2.4.2 Das Vorbringen, wonach der Beschwerdeführer 1992 einmal zu Unrecht einer Straftat verdächtigt und deshalb von Armeeangehörigen bis zu seiner späteren Freilassung durch ein Gericht misshandelt und festgehalten worden war, ist glaubhaft. Ebenso glaubhaft ist, dass ihm im Laufe der Jahre vor seiner Ausreise bei verschiedenen Gelegenheiten jeweils von verschiedenen kriminellen Banden und Taliban unter Androhung und auch Anwendung von Gewalt Geld abgenommen wurde. Dies deshalb, da dieses Vorbringen von ihm im Verlauf des gesamten Verfahrens von Beginn an in seinem für den vorliegenden Fall relevanten Kernbereich als im Wesentlichen widerspruchsfrei und schlüssig, jedoch nicht gleichlautend dargestellt wurde, sodass auch ein einstudiertes Vorbringen auszuschließen ist. Dieses Vorbringen steht auch im Einklang mit den Länderfeststellungen des BFA im angefochtenen Bescheid zur damaligen Ländersituation in Karachi, nach denen Taliban und andere militante Gruppen in Karachi regelmäßig Anschläge verübt haben (Bescheid, S 16) sowie mit den Länderfeststellungen des Bundesasylamtes zu Pakistan vom Februar 2012, wonach im Jahr 2010 in Karachi im Vergleich zu 2009 eine starke Zunahme der Opfer von gezielten Tötungen unter anderem aus kriminellen (organisierte Kriminalität) Gründen zu verzeichnen war.
2.4.3 Nicht glaubhaft ist hingegen, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr zu seinen Familienangehörigen zum gegenwärtigen Zeitpunkt tatsächlich individuell konkret einer unmittelbaren Bedrohung ausgesetzt sein wird, und zwar aus den folgenden Gründen:
2.4.3.1 Eine aktuelle Verfolgung aufgrund der im Jahr 1992 erfolgten einmaligen Festnahme und Misshandlung durch Armeeangehörige ist auszuschließen, da der Beschwerdeführer noch in jenem Jahr von einem Gericht freigelassen wurde, er danach bis zu seiner Ausreise im November 2011 weiter in Pakistan leben konnte und er in diesen rund 19 Jahren heiraten und eine Familie gründen konnte und in XXXX zunächst ein Fotokopiergeschäft sowie später in Karachi ein Geschäft für Motorradersatzteile und Reparaturen führen konnte (VS 28.07.2020, S 10).
2.4.3.2 In der fremdverfassten Beschwerde wurde dann vorgebracht, dass der Beschwerdeführer „einfaches Mitglied bei der MQM“ sei. In der Beschwerde wurde auch erstmals vorgebracht, dass der Beschwerdeführer „im Rahmen seiner politischen Mitgliedschaft für das soziale Engagement in Krankenhäuern zuständig gewesen sei“, und gleichzeitig „verdeckt die Bewegungen und Tätigkeiten der Taliban ermitteln“ habe müssen und „aufgrund der Tätigkeit im Rahmen der MQM“ sei er im Jahr 2011 von den Taliban entführt worden, er habe „nur gegen Kaution“ freikommen können. Eine nähere Erklärung dazu erfolgte in der Beschwerde nicht. (Beschwerde, S 2)
Dies widerspricht jedoch seinen persönlichen Aussagen in der Einvernahme vor dem BFA und der Beschwerde nachfolgend in der mündlichen Verhandlung. Der Beschwerdeführer gab bei der Einvernahme vor dem BFA auf die ihm zunächst gestellte Frage nach einer Parteimitgliedschaft an, dass er Mitglied der MQM sei. Dazu näher befragt gab er dann in weiterer Folge an, dass er nicht wisse, was MQM heiße, er auch kein Mitglied, sondern nur Sympathisant sei, er die Ziele und Aufgaben der Partei nicht kenne und damit auch nichts zum Ausdruck bringen wolle, er nur die Frage habe beantworten wollen und mit Politik nichts zu tun habe (vgl NS EV 14.09.2016, S 7, 8).
Auch in der Verhandlung am 28.07.2020 antwortete er auf die Frage, ob er irgendetwas mit der MQM zu tun habe, dass er ein „Sympathisant und sonst gar nichts“ sei. Und nach der Aufforderung, alle seine Tätigkeiten für die MQM aufzuzählen, gab er an, dass er nur das Büro der MQM saubergemacht habe und beispielsweise für Ausmalarbeiten jemanden besorgt habe, und „sonst nichts“. (VS 28.07.2020, S 12). Erst als er in der Verhandlung auf die Beschwerdeausführung konkret angesprochen wurde, wonach er gegen die Taliban ermittelt hätte, antwortete er: „Wenn man das bezeichnen möchte, dass ich jemanden sein Leben retten möchte, dann bin ich jemand, der hinterher schnüffelt“. Er führte dann aus, dass er durch sein Ersatzteilgeschäft natürlich erfahren habe, wenn es neue Personen im Ort gebe und er habe damit Leben retten und helfen wollen. Und konkret auf die Beschwerdeausführungen angesprochen, wonach er für das „soziale Engagement in Krankenhäuern“ zuständig gewesen sei, gab er an, dass er Personen für die Blutspende organisiert habe, wenn wer angeschossen worden sei (VS 28.07.2020, S 13).
Es ist deshalb nicht glaubhaft, dass er „aufgrund der Tätigkeit im Rahmen der MQM“ im Jahr 2011 von den Taliban entführt worden wäre, wie dies in der Beschwerde ohne nähere Erläuterung behauptet worden war (Beschwerde, S 2).
Auch das Vorbringen in der Beschwerde, wonach der Beschwerdeführer auf seinem Weg in die Türkei „von den Sicherheitskräften jedoch wieder aus dem Flugzeug geholt“ worden sei (Beschwerde, S 2), stellte sich in der Verhandlung als unrichtig heraus. Der Beschwerdeführer gab in der Verhandlung vielmehr an, dass man am Flughafenschalter von ihm Geld haben wollte, um ihn durchzulassen (VS 28.07.2020, S 12), was mit den Länderfeststellungen zur allgemeinen Korruption in Pakistan durchaus im Einklang steht. Davor hatte er in der Verhandlung auch angegeben, dass er am Flughafen sogar ein polizeiliches Dokument vorgelegt habe, wonach er nichts angestellt habe, woraus sich ergibt, dass er keine Bedenken hatte, sich für dieses Dokument an die Polizeibehörden zu wenden.
Aus den Antworten des Beschwerdeführers in der Einvernahme vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung zeigt sich daher, dass er selbst zu keinem Zeitpunkt die von ihm erlebten Vorfälle jemals in Zusammenhang mit seinen im Verlauf des Verfahrens vorgebrachten Hilfstätigkeiten für die MQM gestellt hat. Eine Verfolgungsgefahr wegen dieser Hilfstätigkeiten ist daher ebenso auszuschließen.
2.4.3.3 Der Beschwerdeführer brachte bei der Erstbefragung und bei der Einvernahme vor dem BFA ausschließlich eine Bedrohung durch die Taliban und kriminelle Banden wegen Schutzgelder vor sowie, dass die Polizei nichts unternommen habe (NS EB 12.08.2015, S 5; NS 14.09.2016, S 8). So antwortete der Beschwerdeführer auf die Aufforderung, seine Flucht- und Asylgründe möglichst ausführlich zu schildern: „Ich hatte Probleme mit den Taliban. Die Taliban sind gegen unsere Volksgruppe. Sie wollen uns vertreiben. Deswegen habe ich mein Land verlassen. Sonst gibt es nichts. Das sind meine Asylgründe.“ Nachdem der Beschwerdeführer die daran anschließende Frage, ob er aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer sozialen Gruppe oder politischen Gesinnung verfolgt werde, verneint hatte und deshalb gefragt wurde, warum er dann um Asyl ansuche, gab er an, „nur wegen den Taliban“ (NS 14.09.2016, S 8) Auch in der Folge vom BFA nach weiteren konkreten Vorfällen befragt, gab er an: „Nein, ich habe alles gesagt. Es sind die Taliban. Es hat sonst nichts gegeben“ (NS 14.09.2016, S 11).
Erstmals knapp vier Jahre später in der mündlichen Verhandlung brachte er vor, dass auch immer wieder von Polizisten Geld verlangt worden sei (VS 28.07.2020, S 9 ff). Dies erscheint vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen zur Korruption (oben 1.6) zunächst glaubhaft, doch angesichts des späten Zeitpunkt dieses Vorbringens ist davon auszugehen, dass im Falle des Beschwerdeführers das nunmehrige Vorbringen tatsächlich entweder keinem realen Ereignis entspricht, oder aber – auch für den Beschwerdeführer selbst – eher unbedeutend war, andernfalls er dieses wohl bereits bei der ersten ihm gebotenen Gelegenheit, bei der Einvernahme vor dem BFA vier Jahre früher erstattet hätte. Auch bieten die Länderfeststellungen keine Anhaltspunkte für eine systematische Verfolgung der Volksgruppe der Muhajir durch pakistanische Behörden, zumal der Beschwerdeführer in der Einvernahme vor dem BFA auch selbst angegeben hat, dass die Muhajir keine Minderheit in Karachi seien, es viele Muhajir in Karachi und auch viele in ganz Pakistan gebe (vgl NS EV 14.09.2016, S 4) und sich aus den Länderfeststellungen ergibt, dass 7,6 Prozent oder rund 15,9 Millionen der insgesamt ungefähr 207,7 Millionen Einwohner Pakistans Angehörige der Muhajir sind (oben 1.6 Ethnische Minderheiten). Der Beschwerdeführer selbst hat vor seiner Ausreise im Jahr 2011 auch eine Anzeige bei der Polizei erstattet (NS EV 14.09.2016, S 11) sowie eine polizeiliche Unbedenklichkeitsbescheinigung für seine Ausreise in die Türkei eingeholt sei (VS 28.07.2020, S 9), was ebenso gegen eine mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohenden Verfolgung durch die Polizei spricht, da er sich ansonsten wohl nicht an die Polizei gewendet hätte.
2.4.3.4 Zur allgemeinen Lage in Pakistan ist auszuführen, dass fallbezogen der Beschwerdeführer aus keiner der regionalen Problemzonen, sondern aus der Provinz Sindh stammt. Der Beschwerdeführer selbst gab, wie bereits zuvor dargestellt, in der Einvernahme vor dem BFA an, dass die Muhajir keine Minderheit in Karachi seien, es viele Muhajir in Karachi und auch viele in ganz Pakistan gebe (vgl NS EV 14.09.2016, S 4) und aus den Länderfeststellungen ergibt sich, dass 7,6 Prozent oder rund 15,9 Millionen der insgesamt ungefähr 207,7 Millionen Einwohner Pakistans Angehörige der Muhajir sind (oben 1.6 Ethnische Minderheiten). Laut den Länderfeststellungen (oben 1.6 Sicherheitslage allgemein und Sindh) führen die dem Innenministerium unterstehenden, paramilitärischen Rangers seit 2013 weiterhin Anti-Terror- und Anti-Verbrechens-Operationen in Karatschi durch, was zu deutlich reduzierter Präsenz aller Arten gewalttätiger Gruppierungen in der Stadt geführt hat. Die politische, religiös-konfessionelle und ethnische Gewalt in Karatschi ist gesunken und die Straßenkriminalität in Form von Gangs ist nicht mehr so verbreitet wie vor den Sicherheitsoperationen. Für das erste Quartal 2019 (1.1. bis 31.3.) registrierte PIPS im Sindh acht terroristische Angriffe mit elf Todesopfern; davon fanden sechs Anschläge mit acht Toten in Karatschi statt. Im Jahr 2018 kam es im Sindh zu zwölf terroristischen Anschlägen mit 19 Todesopfern; davon entfielen neun Anschläge mit 18 Toten auf Karatschi. In Karatschi kam es 2018 weiters zu fünf ethno-politisch motivierten Zusammenstößen mit insgesamt fünf Todesopfern.
Auf Grundlage dieser getroffenen Länderfeststellungen kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht von einer solchen extremen Gefährdungslage in Pakistan und insbesondere in der Herkunftsregion des Beschwerdeführers gesprochen werden, dass gleichsam jede Person, die sich dort aufhält oder dorthin zurückkehrt, einer unmittelbaren Gefährdung ausgesetzt ist. Ebenso kann auf Grundlage dieser Feststellungen die Deckung der existentiellen Grundbedürfnisse als zumutbar angenommen werden.
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt an, dass das Leben in Pakistan teilweise von Korruption geprägt ist und eine wirtschaftlich und sozial durchaus schwierige Situation besteht, in der sich die Beschaffung der Mittel zum Lebensunterhalt auch als schwieriger darstellen könnte als in Österreich, zumal auch die Arbeitsplatzchancen als nicht befriedigend bezeichnet werden können. Es geht jedoch aus den Länderfeststellungen keinesfalls hervor, dass die Lage für alle Personen ohne Hinzutreten von besonderen Umständen dergestalt wäre, dass das existentielle Überleben gefährdet wäre.
Dies zeigt sich auch an den nach wie vor in Pakistan lebenden Familienangehörigen des Beschwerdeführers. Laut seinen Angaben in der Verhandlung leben seine Ehefrau und seine Kinder nach wie vor in jenem Haus in Karachi, in dem auch schon er selbst gelebt hat. Sein Sohn hat bereits das College absolviert, studiert gegenwärtig an der Universität um seinen Bachelor zu erwerben und arbeitet nebenbei. Der Bruder des Beschwerdeführers ist wie der Beschwerdeführer selbst Sympathisant der MQM und lebt mit seiner Familie seit vielen Jahren in XXXX und betreibt dort seine eigene XXXX . Dass die Familienangehörigen Probleme hätten, hat der Beschwerdeführer nicht behauptet; er gab vielmehr an, dass es ihnen gut gehe (VS 28.07.2020, S 6, 7).
Aus diesem Grund und in Verbindung mit den von den pakistanischen Sicherheitsbehörden inzwischen getroffenen Sicherheitsmaßnahmen ist es nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer im Fall seiner Rückkehr zu seinen Familienangehörigen nach Karachi oder nach XXXX zum gegenwärtigen Zeitpunkt mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit tatsächlich individuell konkret einer unmittelbaren Bedrohung ausgesetzt sein wird, da nicht erkennbar ist, dass in seinem Fall die Gefahr entscheidend größer ist, als im Fall seiner in Pakistan lebenden Familienangehörigen.
2.5 Zur Lage in Pakistan (oben 1.6)
Die Feststellungen zur Lage in Pakistan ergeben sich aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom Mai 2019. Die Staatendokumentation des BFA berücksichtigt im Länderinformationsblatt Pakistan Berichte verschiedener staatlicher Spezialbehörden, etwa des Deutschen Auswärtigen Amtes und des deutschen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge oder des US Department of State, ebenso, wie auch Berichte von Nichtregierungsorganisationen, wie etwa von ACCORD, Amnesty international, Human Rights Watch, oder der Schweizerischen Flüchtlingshilfe. Die herangezogenen Quellen sind aktuell und Großteils aus dem Jahr 2019. Angesichts der Ausgewogenheit und Seriosität der genannten Quellen sowie der Schlüssigkeit der weitestgehend übereinstimmenden Aussagen darin, besteht für das Bundesverwaltungsgericht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Auch der Beschwerdeführer ist den mit Parteiengehör vom 19.05.2020 in das Verfahren eingeführten Quellen nicht entgegengetreten. Die Feststellungen betreffend die Lage zur Pandemie aufgrund des Coronavirus basieren auf den Informationen der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit, des Sozialministeriums und der Weltgesundheitsorganisation.
3. Rechtliche Beurteilung:
Zu A)
Spruchpunkt I
Zum Status eines Asylberechtigten (§ 3 AsylG 2005)
3.1 Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ist die Glaubhaftmachung, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention, demnach aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht (VwGH 02.09.2015, Ra 2015/19/0143).
3.2 Zentraler Aspekt der in Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074).
3.3 Das Vorbringen des Asylwerbers muss, um eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit und nicht nur eine entfernte Möglichkeit einer Verfolgung glaubhaft zu machen, eine entsprechende Konkretisierung aufweisen. Die allgemeine Behauptung von Verfolgungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, wird grundsätzlich zur Dartuung von selbst Erlebtem nicht genügen. (VwGH 02.09.2019, Ro 2019/01/0009)
3.4 Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt ist das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen und Rückkehrbefürchtungen nicht glaubhaft. Er hat damit nicht glaubhaft gemacht und es ergibt sich auch sonst nicht, dass er im Falle einer Rückkehr in seine Heimat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in ganz Pakistan einer aktuellen sowie unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung von erheblicher Intensität ausgesetzt wäre.
Es liegt somit im Falle des Beschwerdeführers keine Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention vor. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten sind damit nicht gegeben.
3.5 Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides des BFA wird daher als unbegründet abgewiesen.
Zum Status eines subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs 1 AsylG 2005)
3.6 Die Deckung der existentiellen Grundbedürfnisse kann aus den Feststellungen zur Lage in Pakistan als gesichert angenommen werden (siehe oben 1.6). Es liegen keine aktuellen Hinweise auf das Vorliegen von akut existenzbedrohenden Krankheitszuständen oder Hinweise auf eine unzumutbare Verschlechterung der Krankheitszustände im Falle einer Rückverbringung des Beschwerdeführers in den Herkunftsstaat vor. Der Beschwerdeführer ist arbeitsfähig. Es ist nicht erkennbar, warum er in eine aussichtslose Lage geraten sollte oder ihm eine Existenzsicherung in seinem Heimatland nicht zumutbar sein sollte, zumal auch aus den Länderfeststellungen keinesfalls hervorgeht, dass die Lage für alle Personen (ohne Hinzutreten von besonderen Umständen) dergestalt wäre, dass das existentielle Überleben gefährdet wäre.
Dies gilt auch unter Berücksichtigung der aktuell vorherrschenden Pandemie aufgrund des Coronavirus: Der Beschwerdeführer gehört zu keiner Risikogruppe (siehe oben 1.6); es besteht daher für den Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Pakistan kein "real risk" einer Verletzung von Art 3 EMRK im Sinne der Rechtsprechung des EGMR und des EuGH.
Es ergeben sich aus den Länderfeststellungen auch keine Hinweise auf das Vorliegen einer allgemeinen existenzbedrohenden Notlage (allgemeine Hungersnot, Seuchen, Naturkatastrophen oder sonstige diesen Sachverhalten gleichwertige existenzbedrohende Elementarereignisse).
Eine die physische Existenz nur unzureichend sichernde Versorgungssituation im Herkunftsstaat, die im Einzelfall eine Verletzung der durch Art 3 EMRK gewährleisteten Rechte darstellen würde (vgl VwGH 08.09.2016, Ra 2016/20/0063), liegt somit nicht vor. Das Bundesverwaltungsgericht verkennt dabei nicht, dass die wirtschaftliche Lage des Beschwerdeführers in seinem Herkunftsstaat, insbesondere in dessen Herkunftsregion, möglicherweise schlechter sein wird, als in Österreich; aus den getroffenen Ausführungen ergibt sich aber eindeutig, dass der Schutzbereich des Art 3 EMRK nicht tangiert ist.
3.7 Da Herkunftsstaat des Beschwerdeführers befindet sich auch nicht im Zustand willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes – derartiges kann trotz der in manchen Landesteilen regional und temporär angespannten Sicherheitslage vor dem Hintergrund der Länderfeststellungen nicht angenommen werden. Es kann daher bei Berücksichtigung sämtlicher bekannter Tatsachen nicht festgestellt werden, dass für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines solchen internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes besteht (vgl VwGH 30.09.2019, Ra 2018/01/0068).
3.8 Aufgrund der getroffenen Feststellungen kann ferner auch nicht davon gesprochen werden, dass praktisch jedem, der nach Pakistan abgeschoben wird, Gefahr für Leib und Leben in einem Maße drohen, sodass die Abschiebung im Lichte des Art 3 EMRK unzulässig erschiene (vgl VwGH 31.01.2019, Ra 2018/14/0196). Etwaige persönliche Gefährdungsmerkmale sind im gegenständlichen Verfahren nicht hervorgekommen.