TE Vwgh Erkenntnis 1997/6/27 95/19/0496

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Veröffentlicht am 27.06.1997
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AufG 1992 §2 Abs3 Z4;
AufG 1992 §6 Abs2;
AufG 1992 §6 Abs3;
AufG Anzahl der Bewilligungen 1995 §3 Z3;
FrG 1993 §5;
FrG 1993 §82 Abs1 Z4;
MRK Art8 Abs2;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Schick als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des Z in W, vertreten durch Dr. X, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 7. Juli 1995, Zl. 301.716/2-III/11/95, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesministerium für Inneres) Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, dessen letzter Wiedereinreise-Sichtvermerk am 19. November 1993 ablief, stellte bereits am 5. November 1993 einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung, der im Instanzenzug vom Bundesminister für Inneres mit Bescheid vom 31. Jänner 1995 abgewiesen wurde.

Einen neuerlichen, am 6. Februar 1995 gestellten und als "Verlängerungsantrag" bezeichneten Antrag wies zunächst der Landeshauptmann von Wien gemäß § 6 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) ab. In der dagegen erhobenen Berufung brachte der Beschwerdeführer vor, eine Antragstellung vor der Einreise nach Österreich komme für ihn schon deshalb nicht in Betracht, weil er in Österreich geboren sei und sich überhaupt noch nie im Ausland aufgehalten habe.

Mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 7. Juli 1995, zugestellt am 19. Juli 1995, wurde die Berufung gemäß § 6 Abs. 2 AufG abgewiesen.

Begründend führte der Bundesminister für Inneres aus, die Behörde erster Instanz habe den Antrag mit der Begründung abgewiesen, daß der (Erst-)Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen sei. Der Beschwerdeführer hätte sich aber vor bzw. bei der Antragstellung nach der vorliegenden Aktenlage in Österreich aufgehalten und den Antrag auch im Inland eingebracht.

Gegen diese Beurteilung hätte der Beschwerdeführer im wesentlichen eingewendet, daß er in Österreich geboren sei und hier mit seiner Familie leben möchte. Aus diesem Grund könne eine Abweisung des Antrages nicht auf § 6 Abs. 2 AufG gestützt werden.

Diese Annahme sei unzutreffend. Der Beschwerdeführer habe nach der auf seinen eigenen Angaben beruhenden Aktenlage den Antrag nicht vor der Einreise, mit der sein derzeitiger Aufenthalt begonnen habe, gestellt.

Der Antrag sei in Österreich eingebracht worden. Der Beschwerdeführer sei vor, während und nach der Antragstellung in Österreich polizeilich gemeldet bzw. aufhältig gewesen. Allein diese Tatsachen stützten die Beurteilung der Behörde erster Instanz in vollem Umfang.

Feststehe nämlich, daß der letzte Sichtvermerk des Beschwerdeführers bis 19. November 1993 gültig gewesen sei. Seither halte sich der Beschwerdeführer ohne Sichtvermerk und damit illegal in Österreich auf. Der Beschwerdeführer gehe hier einer Erwerbstätigkeit nach und sei nach wie vor aufrecht polizeilich in Österreich gemeldet.

Aus all diesen Umständen ergebe sich, daß die Verfahrensvorschrift des § 6 Abs. 2 AufG anzuwenden und die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ausgeschlossen sei.

Angesichts dieses Ermittlungsergebnisses sei auf das Vorbringen des Beschwerdeführers - auch im Zusammenhang mit seinen persönlichen Verhältnissen - nicht weiter einzugehen gewesen. Trotzdem habe eine Interessenabwägung der Berufungsbehörde ergeben, daß die öffentlichen Interessen - im Hinblick auf die Einhaltung fremdenrechtlicher Bestimmungen - die privaten Interessen des Beschwerdeführers überwögen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Der Beschwerdeführer erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in seinem Recht auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung verletzt: Es sei in keiner Weise berücksichtigt worden, daß der Beschwerdeführer nicht vor seiner Einreise nach Österreich einen Antrag stellen könne, da es eine Einreise nach Österreich überhaupt nicht gebe. Der Beschwerdeführer sei in Österreich geboren, es könne daher auch keine Rede davon sein, daß ein Antrag vor der Einreise nach Österreich zu stellen sei, da der Beschwerdeführer Österreich nicht verlassen habe. Im übrigen sei das gegen ihn ursprünglich erlassene Aufenthaltsverbot am 19. Jänner 1995 durch die Fremdenpolizei aufgehoben worden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:

Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Zustellung des angefochtenen Bescheides ist für die Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof das Aufenthaltsgesetz in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 maßgeblich.

§ 6 Abs. 2 AufG lautet in der Fassung dieser Novelle (auszugsweise):

"§ 6.

...

(2) Der Antrag auf Erteilung einer Bewilligung ist vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Eine Antragstellung im Inland ist ausnahmsweise zulässig: ...; schließlich für jene im Bundesgebiet aufhältigen Personen, für die dies in einer Verordnung gemäß § 2 Abs. 3 Z. 4 festgelegt ist. Der Antrag auf Verlängerung einer Bewilligung ... kann bis zum Ablauf der Geltungsdauer der Bewilligung auch vom Inland aus gestellt werden."

§ 3 Z. 1 der am 27. Juni 1995 kundgemachten Verordnung der Bundesregierung über die Anzahl der Bewilligungen nach dem Aufenthaltsgesetz für 1995, BGBl. Nr. 408/1995, lautet:

"§ 3. Der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung kann ausnahmsweise im Inland gestellt werden von:

1.

In Österreich geborenen Kindern von Fremden, die aufgrund einer Aufenthaltsbewilligung oder einem vor dem 1. Juli 1993 ausgestellten Sichtvermerk zum Aufenthalt in Österreich berechtigt sind.

...

3.

Personen, für die eine Beschäftigungsbewilligung, eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein ausgestellt ist, und deren Familienangehörigen im Sinne des § 3 des Aufenthaltsgesetzes, die eine Aufenthaltsbewilligung hatten und

..."

Im Falle des Beschwerdeführers, eines jugoslawischen Staatsangehörigen, kommt die Stellung eines Verlängerungsantrages nicht in Frage, da die Gültigkeitsdauer seines letztgültigen Sichtvermerkes bereits mit 19. November 1993 endete. Die belangte Behörde hat den Antrag daher zu Recht als Erstantrag qualifiziert.

Gemäß § 6 Abs. 2 erster Satz AufG ist der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Mit "der Einreise nach Österreich" im Sinne der Bestimmung ist die Einreise des Antragstellers gemeint (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 14. Mai 1996, Zl. 95/19/1168, mwN).

Nach dem u.a. aus den Gesetzesmaterialien erschließbaren Normzweck des § 6 Abs. 2 AufG wird für die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung nicht nur vorausgesetzt, daß der Antrag vor der Einreise in das Bundesgebiet gestellt wird, sondern auch, daß die Entscheidung über den Antrag vom Ausland aus abgewartet wird (vgl. das hg. Erkenntnis vom 22. Februar 1996, Zl. 95/19/1703, mwN).

Der Beschwerdeführer bestreitet weder, daß er seinen Antrag im Inland gestellt hat, noch, daß er sich zum maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides im Inland aufgehalten hat. Sein Beschwerdevorbringen geht vielmehr dahin zu zeigen, daß von einem Fremden, der in Österreich geboren sei und Österreich nie verlassen habe, eine Antragstellung "vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus" nicht in Frage komme. Dieses Vorbringen ist schon deswegen nicht zutreffend, weil der letzte Aufenthaltstitel des Beschwerdeführers, sein Wiedereinreise-Sichtvermerk, am 19. November 1993 abgelaufen war, er sich somit seit 20. November 1993 unrechtmäßig in Österreich aufhielt. Nach den §§ 5 und 82 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes wäre der Beschwerdeführer verpflichtet gewesen, das Bundesgebiet nach Ablauf seines Wiedereinreise-Sichtvermerkes zu verlassen. Eine Antragstellung "vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus" wäre nach einer solchen - gebotenen - Ausreise sehr wohl in Frage gekommen.

Aus dem Blickwinkel des Aufenthaltsrechtes wäre aber unter bestimmten Voraussetzungen eine Antragstellung im Inland zulässig gewesen.

§ 6 Abs. 2 dritter Satz AufG (in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 351/1995) ermächtigt die Bundesregierung, bestimmten Personen, die sich im Bundesgebiet aufhalten, ausnahmsweise die Antragstellung im Inland zu erlauben. Gemäß § 3 Z. 1 der Verordnung BGBl. Nr. 408/1995 kann von in Österreich geborenen Kindern von Fremden, die aufgrund einer Aufenthaltsbewilligung oder eines vor dem 1. Juli 1993 ausgestellten Sichtvermerkes zum Aufenthalt in österreich berechtigt sind, ein Antrag auch im Inland gestellt werden.

Es wäre Sache des Beschwerdeführers gewesen aufzuzeigen, ob seine Eltern aufgrund einer Aufenthaltsbewilligung oder eines vor dem 1. Juli 1993 ausgestellten Sichtvermerkes zum Aufenthalt im Inland berechtigt waren oder allenfalls die Voraussetzungen für die Anwendung anderer Ziffern der Verordnung BGBl. Nr. 408/1995 gegeben wären. Da in der Beschwerde aber nur vorgebracht wird, der Beschwerdeführer habe Österreich niemals verlassen, weshalb eine Antragstellung im Ausland vor der Einreise nach Österreich für ihn nicht in Frage gekommen wäre, ist für den Verwaltungsgerichtshof nicht ersichtlich, ob die belangte Behörde bei Vermeidung ihres Verfahrensmangels zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können.

Der Beschwerdeführer konnte sich schließlich auch nicht auf § 3 Z. 3 der Verordnung BGBl. Nr. 408/1995 berufen, weil er über keine Aufenthaltsbewilligung, wie sie nach dieser Vorschrift verlangt wird, verfügte. Als "Aufenthaltsbewilligung" im Sinne des § 3 Z. 3 der erwähnten Verordnung sowie des § 2 Abs. 3 Z. 4 AufG ist der hier gegenständliche Wiedereinreise-Sichtvermerk nicht anzusehen. Im vorliegenden Fall bestehen dagegen auch unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 MRK keine Bedenken, weil der ursprüngliche Verlängerungsantrag des Beschwerdeführers vom 5. November 1993 bereits aus einem anderen Grund als dem der Fristversäumnis abgewiesen worden war (vgl. das hg. Erkenntnis vom 28. Februar 1997, Zlen. 95/19/0566 bis 0571).

Da die behauptete Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit Art. I der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert werden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1995190496.X00

Im RIS seit

11.07.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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