TE Bvwg Erkenntnis 2020/8/14 L516 1414996-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 14.08.2020
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Entscheidungsdatum

14.08.2020

Norm

AsylG 2005 §10
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art133 Abs4
FPG §52
VwGVG §28 Abs2

Spruch

L516 1414996-2/33E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Paul NIEDERSCHICK als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb XXXX , StA Pakistan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Wien, vom 04.07.2016, Zahl 528045807-14678104, nach mündlicher Verhandlung am 05.09.2017, zu Recht:

I. Die Beschwerde wird gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 idgF hinsichtlich Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen.
II. Gemäß § 8 Abs 1 Z 1 AsylG 2005 wird XXXX der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan zuerkannt.
III. Gemäß § 8 Abs 4 AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 14.08.2021 erteilt.

IV. Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides wird gemäß § 28 Abs 2 VwGVG ersatzlos aufgehoben.

B)

Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

Der Beschwerdeführer ist pakistanischer Staatsangehöriger und stellte am 03.06.2014 einen Antrag auf internationalen Schutz. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) wies diesen Antrag mit gegenständlich angefochtenem Bescheid (I.) gemäß § 3 Abs 1 iVm § 2 Abs 1 Z AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und (II.) gemäß § 8 Abs 1 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ab. Das BFA erteilte unter einem (III.) keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG, erließ gemäß § 10 Abs 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs 2 Z 2 FPG und stellte gemäß § 52 Abs 9 FPG fest, dass die Abschiebung nach Pakistan gemäß § 46 FPG zulässig sei, sprach (IV.) aus, dass gemäß § 55 Abs 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe und erkannte (V.) einer Beschwerde gegen diese Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 18 Abs 1 Z 6 BFA-VG die aufschiebende Wirkung ab.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Der Bescheid wird zur Gänze angefochten.

Das Bundesverwaltungsgericht gab mit Teilerkenntnis vom 08.08.2016, L516 1414996-2/3E, der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV und V statt und stellte gleichzeitig fest, dass der Beschwerde aufschiebende Wirkung zukommt.

Gegenstand der vorliegenden Entscheidung bildet somit die Beschwerde gegen die verbleibenden Spruchpunkte I bis III des angefochtenen Bescheides.

Am 05.09.2017 führte das Bundesverwaltungsgericht in der Sache eine mündliche Verhandlung durch.

Das Bundesverwaltungsgericht übermittelte dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 02.03.2020 aktuelle Länderfeststellungen zu Pakistan, gab ihm damit die Möglichkeit, zu diesen Länderberichten eine schriftliche Stellungnahme abzugeben oder ergänzende Länderberichte vorzulegen und forderte den Beschwerdeführer auf, dem Bundesverwaltungsgericht etwaige Änderungen oder Neuigkeiten hinsichtlich seiner Fluchtgründe und Rückkehrbefürchtung, seines Gesundheitszustandes und seines Privat- und Familienlebens bekannt zu geben sowie alle bisher noch nicht vorgelegten Bescheinigungsmittel, Beweismittel und sonstige Dokumente zu seinen Fluchtgründen vorzulegen. (Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme und Aufforderung zur Mitwirkung vom 02.03.2020 (OZ 22Z). Der Beschwerdeführer äußerte sich dazu nicht.

1. Sachverhaltsfeststellungen:

[regelmäßige Beweismittel-Abkürzungen: AS=Aktenseite des Verwaltungsaktes des BFA; NS=Niederschrift; VS=Verhandlungsschrift der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht; S=Seite; OZ=Ordnungszahl des Verfahrensaktes des Bundesverwaltungsgerichtes; ZMR=Zentrales Melderegister; IZR=Zentrales Fremdenregister; GVS= Betreuungsinformationssystem über die Gewährleistung der vorübergehenden Grundversorgung für hilfs- und schutzbedürftige Fremde in Österreich; SD=Staatendokumentation des BFA; LIB=Länderinformationsblatt der Staatendokumentation des BFA]

1.1 Zur Person des Beschwerdeführers und seinen Lebensverhältnissen in Pakistan

Der Beschwerdeführer führt in Österreich den im Spruch angeführten Namen sowie das ebenso dort angeführte Geburtsdatum. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Pakistan und gehört der Volksgruppe der Jatt an. Seine Identität steht fest. Er stammt aus dem Ort XXXX im Distrikt Hafizabad in der Provinz Punjab (NS 03.06.2014, S 1 -3; OZ 25)

1.2 Zum Gesundheitszustand

Der Beschwerdeführer leidet seit 2016 an einer chronischen Hepatitis C Virusinfektion mit bereits bestehender Organschädigung im Stadium einer nicht mehr rückbildungsfähigen hochgradigen Fibrose F3 mit septenbildender Faservermehrung mit Achitekturzerstörung, die letzte Stufe vor einer Leberzirrhose. Zuvor wurde bei ihm auch einen Tuberkulose-Erkrankung diagnostiziert und behandelt (OZ 18).

1.3 Zu den Anträgen des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz

1.3.1 Der Beschwerdeführer stellte am 09.08.2010 in Österreich einen ersten Antrag auf internationalen Schutz. welcher im Rechtsmittelweg vom Asylgerichtshof mit Erkenntnis vom 19.05.2011, C8 414996-1/2010/2E, zur Gänze abgewiesen wurde.

Der Beschwerdeführer begründete jenen ersten Antrag auf internationalen Schutz zusammengefasst damit, dass er in einer religiösen Schule der Jamia Ashrafia unterrichtet worden sei. Dort seien immer wieder Taliban hingekommen und hätten den heiligen Krieg gepredigt. Zwei seiner Freunde seien von den Taliban verschleppt worden, wovon einer nur mehr als Leichnam zurückgekehrt sei. Seine beiden Freunde hätten aber auch angegeben, dass auch er beim heiligen Krieg mitmachen würde. Deshalb seien die Taliban ständig zu ihm gekommen und hätten verlangt, dass er mit ihnen mitgehen würde. Der Beschwerdeführer und dessen Brüder hätten dies aber abgelehnt. Eines Tages sei der Beschwerdeführer von den Taliban entführt worden und an einem ihm unbekannten Ort gebracht und gefoltert worden. Sie hätten ihm mit dem Umbringen gedroht und hätten deshalb einwilligen müssen. Sie hätten ihn nach Hause zurückgebracht und hätte er sich bereithalten müssen. Deshalb habe ihn sein Vater nach Lahore geschickt. Die Taliban hätten in seinem Haus Drohbriefe hinterlassen. Dann sei sein Vater und älterer Bruder von zwei maskierten Taliban angegriffen worden. Sein Bruder sei dabei am Bein angeschossen worden und habe amputiert werden müssen. Er sei ins Dorf zurückgefahren und sei so aufgebracht gewesen, dass er mit seinem Freund die zwei Taliban umgebracht habe. Deshalb habe er dann auch mit der Polizei Probleme bekommen und das Land verlassen müssen.

Der Asylgerichtshof erachtete das damalige Vorbringen des Beschwerdeführers zu dessen Ausreisegründen mit näherer Begründung für nicht glaubhaft und jene Entscheidung wurde rechtskräftig. (AsylGH 19.05.2011, C8 414996-1/2010/2E)

1.3.2 Der Beschwerdeführer stellte am 03.04.2014 den verfahrensgegenständlichen zweiten Antrag auf internationalen Schutz und brachte zu dessen Begründung zusammengefasst im Wesentlichen das Folgende vor:

Er sei nach seinem ersten negativen Asylverfahren von 17.09.2013 bis 06.04.2014 wieder in Pakistan gewesen. Am 15.11.2013 habe es bei einer religiösen Veranstaltung der Schiiten eine Auseinandersetzung mit der Gruppe Sipah-e-Sahaba gegeben, bei der es viele Verletzte gegeben habe und eine Person von der Gruppe Sipah-e-Sahaba ums Leben gekommen sei. Er sei Angehöriger der Schiiten und bei jener Veranstaltung sehr aktiv beteiligt gewesen und er und sein Bruder seien wegen dieser Auseinandersetzung verfolgt und mit dem Umbringen bedroht worden. Es sei behauptet worden, dass er der Anführer jener Versammlung gewesen sei. Er sei auch im Spital gewesen. Es gebe Anzeigen wegen Körperverletzung und Mordes gegen ihn, die von der Gruppe Sipah-e-Sahaba bei der Polizei eingebracht worden seien. Er habe auch schon vor jener Versammlung einen privaten Streit gehabt, wobei er auf der Straße von Sunniten angesprochen und kritisiert worden sei. Die Sunniten seien hinter ihm her gewesen und er sei auch bei der Polizei angezeigt worden. Auch sein Vater sei angezeigt worden. Er sei dann neuerlich ausgereist. (NS EB 03.06.2014, NS EV 11.06.2014, EV 22.07.2014, NS EV 18.05.2016)

Der Beschwerdeführer legte dem BFA zu seinem Vorbringen in Kopie Dokumente vor, darunter ein ärztliches Schreiben aus Pakistan sowie zwei von ihm als pakistanische polizeiliche Anzeigen vom 15.11.2013 und 29.10.2013 bezeichnete Schriftstücke (AS 71, 73; 102-109)

1.4 Zur Glaubhaftigkeit des Vorbringens im gegenständlichen Verfahren

Das Vorbringen des Beschwerdeführers zu der von ihm im gegenständlichen Verfahren behaupteten Verfolgung durch Angehörige der sunnitischen Gruppierung Sipah-e-Sahabe und durch die pakistanische Polizei ist nicht glaubhaft. Er hat damit nicht glaubhaft gemacht und es ergibt sich auch sonst nicht, dass er im Falle einer Rückkehr in seine Heimat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in ganz Pakistan einer aktuellen sowie unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung von erheblicher Intensität ausgesetzt wäre.

1.5 Zur Lage in Pakistan

Politische Lage

Pakistan ist ein Bundesstaat mit den vier Provinzen Punjab, Sindh, Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa. Die FATA (Federally Administered Tribal Areas / Stammesgebiete unter Bundesverwaltung) sind nach einer Verfassungsänderung im Mai 2018 offiziell in die Provinz Khyber Pakhtunkhwa eingegliedert worden. Daneben kontrolliert Pakistan die Gebiete von GilgitBaltistan und Azad Jammu & Kashmir, dem auf der pakistanischen Seite der Demarkationslinie (“Line of Control”) zwischen Indien und Pakistan liegenden Teil Kaschmirs. Beide Gebiete werden offiziell nicht zum pakistanischen Staatsgebiet gerechnet und sind in Teilen autonom. Das Hauptstadtterritorium Islamabad (“Islamabad Capital Territory”) bildet eine eigene Verwaltungseinheit (AA 1.2.2019a).

Die gesetzgebende Gewalt in Pakistan liegt beim Parlament (Nationalversammlung und Senat). Daneben werden in den Provinzen Pakistans Provinzversammlungen gewählt. Die Nationalversammlung umfasst 342 Abgeordnete, von denen 272 vom Volk direkt für fünf Jahre gewählt werden. Es gilt das Mehrheitswahlrecht. 60 Sitze sind für Frauen, 10 weitere für Vertreter religiöser Minderheiten reserviert (AA 1.2.2019a). Die reservierten Sitze werden von den Parteien gemäß ihrem Stimmenanteil nach Provinzen besetzt, wobei die Parteien eigene Kandidatenlisten für diese Sitze erstellen. (Dawn 2.7.2018).

Bei der Wahl zur Nationalversammlung (Unterhaus) am 25. Juli 2018 gewann erstmals die Pakistan Tehreek-e-Insaf (PTI: Pakistanische Bewegung für Gerechtigkeit) unter Führung Imran Khans die Mehrheit (AA 1.2.2019a). Es war dies der zweite verfassungsmäßig erfolgte Machtwechsel des Landes in Folge (HRW 17.1.2019). Die PTI konnte durch eine Koalition mit fünf kleineren Parteien sowie der Unterstützung von neun unabhängigen Abgeordneten eine Mehrheit in der Nationalversammlung herstellen (ET 3.8.2018). Imran Khan ist seit Mitte August 2018 Premierminister Pakistans (AA 1.2.2019).

Der Präsident ist das Staatsoberhaupt und wird von Parlament und Provinzversammlungen gewählt. Am 9. September 2018 löste Arif Alvi von der Regierungspartei PTI den seit 2013 amtierenden Präsidenten Mamnoon Hussain (PML-N) Staatspräsident regulär ab (AA 1.2.2019a).

[Beweisquelle: LIB Mai 2019 mwN]

Sicherheitslage allgemein

Die Bedrohung durch Terrorismus und Extremismus bleibt zentrales Problem für die innere Sicherheit des Landes (AA 1.2.2019a; vgl. USDOS 19.9.2018). Landesweit ist die Zahl der terroristischen Angriffe seit 2009, zurückgegangen (PIPS 7.1.2019; vgl. AA 21.8.2018, USDOS 19.9.2018). Konflikte mit dem Nachbarland Indien werden gelegentlich gewaltsam ausgetragen (EASO 10.2018 S 16).

Die Taliban und andere militante Gruppen verüben Anschläge insbesondere in Belutschistan und in Khyber-Pakhtunkhwa (AA 21.8.2018), aber auch in Großstädten wie Karatschi (AA 1.2.2019a). Über 90 % der terroristischen Anschläge sowie Todesopfer entfielen 2018 auf die zwei Provinzen Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa (PIPS 7.1.2019). Die Anschläge zielen vor allem auf Einrichtungen des Militärs und der Polizei. Opfer sind aber auch politische Gegner der Taliban, Medienvertreter, religiöse Minderheiten, Schiiten, sowie Muslime, die nicht der strikt konservativen Islam-Auslegung der Taliban folgen, wie die Sufis (AA 1.2.2019a).

Die Operationen der Rangers [siehe dazu Abschnitt 5] in Karatschi (ab 2013), Militäroperationen in Nord-Wasiristan und der Khyber Agency [Stammesbezirke der Provinz Khyber Pakhtunkhwa, Anm.], sowie landesweite Anti-Terror-Operationen als Teil des National Action Plan (NAP) trugen dazu bei, den rückläufigen Trend bei der Zahl der Vorfälle und der Opfer auch 2018 aufrecht zu halten (PIPS 7.1.2019 S 20; vgl. EASO 10.2018 S 18). In den ehemaligen Stammesgebieten (Federally Administered Tribal Areas – FATA) konnte das staatliche Gewaltmonopol überwiegend wiederhergestellt werden (AA 21.8.2018), die Militäraktionen gelten als abgeschlossen (Dawn 29.5.2018). Viele militante Gruppen, insbesondere die pakistanischen Taliban, zogen sich auf die afghanische Seite der Grenze zurück und agitieren von dort gegen den pakistanischen Staat (AA 21.8.2018).

Die verschiedenen militanten, nationalistisch-aufständischen und gewalttätigen religiöskonfessionellen Gruppierungen führten 2018 landesweit 262 terroristische Angriffe durch. Dabei kamen 595 Menschen ums Leben und weitere 1.030 wurden verletzt. Unter den Todesopfern waren 371 Zivilisten, 173 Angehörige der Sicherheitskräfte und 51 Aufständische. 136 (52 %) Angriffe zielten auf staatliche Sicherheitskräfte, jedoch die höchste Zahl an Opfern (218 Tote und 394 Verletzte) gab es bei insgesamt 24 Terrorangriffen auf politische Persönlichkeiten. Zivilisten waren das Ziel von 47 (18 %) Angriffen, acht waren Angriffe auf regierungsfreundliche Stammesälteste bzw. Mitglieder der Friedenskommittees und sieben hatten Mitglieder der schiitischen Gemeinschaft zum Ziel (PIPS 7.1.2019 S 17f). Im Vergleich zu 2017 gab es im Jahr 2018 29 Prozent weniger terroristische Angriffe, bei denen um 27 Prozent weniger Todesopfer und um 40 Prozent weniger Verletzte zu beklagen waren (PIPS 7.1.2019).

Insgesamt gab es im Jahr 2018 in Pakistan, inklusive der oben genannten terroristischen Anschläge, 497 Vorfälle von für die Sicherheitslage relevanter Gewalt (2017: 713; -30 %), darunter 31 operative Schläge der Sicherheitskräfte (2017: 75), 22 Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen (2017: 68), 131 Auseinandersetzungen an den Grenzen mit Indien, Afghanistan und Iran (2017: 171) und 22 Vorfälle von ethnischer oder politischer Gewalt (2017: vier) (PIPS 7.1.2019 S 19f; Zahlen für 2017: PIPS 7.1.2018 S 20). Die Zahl der bei diesen Vorfällen getöteten Personen sank um 46 % auf 869 von 1.611 im Jahr 2017, die Zahl der verletzten Personen sank im selben Zeitraum um 31 % von 2.212 auf 1.516 (PIPS 7.1.2019 S 20).

Nach dem Angriff auf die Militärschule in Peschawar im Dezember 2014 wurde der National Action Plan (NAP) gegen Terrorismus in Kraft gesetzt. Die 20 Punkte des Plans umfassen Maßnahmen sowohl gegen Terrorismus als auch gegen Extremismus. Gemäß Einschätzung von PIPS wurden in den vier Jahren, die der Plan nun in Kraft ist, zufriedenstellende Fortschritte im Bereich der Terrorismusbekämpfung erzielt. Die Fortschritte im Bereich der Extremismusbekämpfung werden als nicht zufriedenstellend angesehen (PIPS 7.1.2019 S 89ff).

[Beweisquelle: LIB Mai 2019 mwN]

Punjab und Islamabad

Die Bevölkerung der Provinz Punjab beträgt laut Zensus 2017 110 Millionen. In der Provinzhauptstadt Lahore leben 11,1 Millionen Einwohner (PBS 2017d). Islamabad, die Hauptstadt Pakistans, ist verwaltungstechnisch nicht Teil der Provinz Punjab, sondern ein Territorium unter Bundesverwaltung (ICTA o.D.). Die Bevölkerung des Hauptstadtterritoriums beträgt laut Zensus 2017 ca. zwei Millionen Menschen (PBS 2017d).

Die Sicherheitslage in Islamabad ist besser als in anderen Regionen (EASO 10.2018 S 93). Die Sicherheitslage im Punjab gilt als gut (SAV 29.6.2018). Mehrere militante Gruppierungen, die in der Lage sind, Anschläge auszuüben, sind im Punjab aktiv (EASO 10.2018 S 63-64; vgl. SAV 29.6.2018). In großen Städten wie Lahore und Islamabad-Rawalpindi gibt es gelegentlich Anschläge mit einer hohen Zahl von Opfern, durchgeführt von Gruppen wie den Tehreek-i-Taliban Pakistan (TTP), Al Qaeda oder deren Verbündeten (ACLED 7.2.2017); beispielsweise wurden bei einem Bombenanschlag durch die TTP-Splittergruppe Hizbul-Ahrar auf Polizeieinheiten vor einem Sufi-Schrein in Lahore am 8.5.2019 zehn Personen getötet. (Guardian 8.5.2019; vgl. Reuters 8.5.2019). Der Südpunjab gilt als die Region, in der die militanten Netzwerke und Extremisten am stärksten präsent sind (EASO 10.2018 S 63-64).

Für das erste Quartal 2019 (1.1. bis 31.3.) registrierte PIPS für das Hauptstadtterritorium Islamabad keinen und für den Punjab zwei terroristische Angriffe mit zwei Toten (Aggregat aus: PIPS 6.2.2019. PIPS 7.3.2019, PIPS 10.4.2019). Im Jahr 2018 wurde von PIPS im Hauptstadtterritorium kein terroristischer Angriff gemeldet. Im Punjab gab es vier terroristische Anschläge mit 20 Todesopfern. Zwei davon waren Selbstmordsprengangriffe durch die pakistanischen Taliban (PIPS 7.1.2019 S 49). Im Jahr 2017 kamen im Punjab bei 14 Anschlägen 61 Personen ums Leben, davon fanden sechs Vorfälle mit 54 Toten in Lahore statt. Das Hauptstadtterritorium verzeichnete drei Anschläge mit zwei Todesopfern (PIPS 7.1.2018).

Rechtsschutz / Justizwesen

Die Justiz steht weiterhin unter dem Einfluss der mächtigen pakistanischen Armee. Erhebliche Unzulänglichkeiten im Justizapparat und Schwächen bei der Durchsetzung des geltenden Rechts bestehen fort. Die Gerichte und das pakistanische Rechtssystem sind hochgradig ineffizient (AA 21.8.2018). Gerichte sind überlastet, die Judikative ist nicht in der Lage, Menschenrechte besser zu schützen (AA 1.2.2019). Laut NGOs und Rechtsexperten ist die Justiz in der Praxis oft von externen Einflüssen, wie der Angst vor Repressionen durch extremistische Elemente bei Fällen von Terrorismus, Blasphemie oder öffentlichkeitswirksamen politischen Fällen beeinträchtigt (USDOS 13.3.2019). Die im Rahmen des nationalen Anti-Terror-Aktionsplans vom 24.12.2014 vorgesehene grundlegende Reform des Systems der Strafjustiz kommt bislang nicht voran (AA 21.8.2018).

Viele Gerichte unterer Instanzen bleiben korrupt, ineffizient und anfällig für den Druck von wohlhabenden Personen und einflussreichen religiösen und politischen Akteuren. Es gibt Beispiele, wo Zeugen, Staatsanwälte oder ermittelnde Polizisten in High Profile Fällen von unbekannten Personen bedroht oder getötet wurden. Die oberen Gerichte und der Supreme Court werden allerdings von den Medien und der Öffentlichkeit als glaubwürdig eingestuft (USDOS 13.3.2019). Verzögerungen in zivilen und Kriminalfällen sind auf ein veraltetes Prozessrecht, unbesetzte Richterstellen, ein schlechtes Fallmanagement und eine schwache rechtliche Ausbildung zurückzuführen. Der Rückstand sowohl in den unteren als auch in den höheren Gerichten beeinträchtigt, zusammen mit anderen Problemen, den Zugang zu Rechtsmitteln oder eine faire und effektive Anhörung (USDOS 13.3.2019).

Gerichte versagen oft dabei, die Rechte religiöser Minderheiten zu schützen. Gesetze gegen Blasphemie werden diskriminierend gegen Schiiten, Christen, Ahmadis und andere religiöse Minderheiten eingesetzt. Untere Gerichte verlangen oft keine ausreichenden Beweise in Blasphemie-Fällen und einige Angeklagte oder Verurteilte verbringen Jahre im Gefängnis, bevor ein höheres Gericht ihre Freilassung anordnet oder ihren Schuldspruch aufhebt (USDOS 13.3.2019). Für mehr Informationen zu Blasphemiegesetzen siehe Abschnitt 16.5

Allgemeine Menschenrechtslage

Der Schutz der Menschenrechte ist in der Verfassung verankert: Grundrechte, Schutz der körperlichen Unversehrtheit und Selbstbestimmung, Schutz vor willkürlicher Verhaftung, des persönlichen Ansehens sowie das Recht auf Freiheit und Eigentum, Gleichheit aller Bürger vor dem Gesetz; Verbot willkürlicher Verhaftungen und Tötungen ohne gesetzliche Grundlage (die Todesstrafe ist in Pakistan nach wie vor nicht abgeschafft) (AA 21.8.2018).

Allerdings weichen der Anspruch der Verfassung und die gesellschaftliche Realität voneinander ab.

Die nachhaltige Entwicklung einer liberalen Demokratie mit effektivem Rechtsstaat und Schutz der Menschenrechte wird weiterhin behindert durch Extremismus/Islamismus, Korruption, die starke Stellung des Militärs, den Einfluss von Feudal/Stammes-Strukturen in Politik und Gesellschaft, sowie ein in Pakistan oft geleugnetes, aber weiterhin wirksames, durch religiöse Intoleranz angereichertes Kastenwesen. Korruption ist weit verbreitet. Die pakistanischen Gerichte sind überlastet. Die Judikative ist nicht in der Lage, Menschenrechte besser zu schützen (AA 5.3.2019). Die Menschenrechtslage in Pakistan bleibt kritisch. Grundsätzlich bekennt sich die pakistanische Regierung zu den Menschenrechten. In vielen Fällen fehlt ihr jedoch der politische Wille, Menschenrechtsverletzungen vorzubeugen, sie aufzuklären und Rechtsbrecher zur Verantwortung zu ziehen. Die Schwäche der staatlichen Institutionen, nicht zuletzt im Bereich der Justiz, führt in vielen Fällen dazu, dass dem Recht keine Geltung verschafft wird. Bei der Bekämpfung von Terrorismus und Militanz werden Menschenrechtsverletzungen in Kauf genommen. Führenden Politikern fehlt vielfach das Grundverständnis für die Relevanz menschenrechtlicher und anderer völkerrechtlicher Normen, zu deren Einhaltung sich Pakistan verpflichtet hat (AA 21.8.2018).

Bewegungsfreiheit

Das Gesetz gewährleistet die Bewegungsfreiheit im Land sowie uneingeschränkte internationale Reisen, Emigration und Repatriierung (USDOS 13.3.2019). Die Regierung schränkt den Zugang zu bestimmten Gebieten der ehemaligen FATA und Belutschistan aufgrund von Sicherheitsbedenken ein (USDOS 13.3.2019; vgl. FH 1.2019, HRCP 3.2019). Es gibt einzelne rechtliche Einschränkungen, Wohnort, Arbeits- oder Ausbildungsplatz zu wechseln (FH 1.2019)

Reisebewegungen von bestimmten religiösen und Gender-Minderheiten bleiben gefährlich (HRCP 3.2019). Seit 2009 haben pakistanische Bürger das Recht, sich in Gilgit Baltistan anzusiedeln, jedoch gibt es weiterhin Einschränkungen für eine Ansiedlung in Azad-Jammu und Kaschmir (FH 1.2018). Einschränkungen der Bewegungsfreiheit gibt es für Bewohner der ehemaligen FATA durch Ausgangssperren, Umzäunungen und eine starke Zunahme an Kontrollpunkten (ICG 20.8.2018).

[Beweisquelle: LIB Mai 2019 mwN]

Grundversorgung

Pakistans Wirtschaft hat wegen einer günstigen geographischen Lage, Ressourcenreichtum, niedrigen Lohnkosten, einer jungen Bevölkerung und einer wachsenden Mittelschicht Wachstumspotenzial. Dieses Potenzial ist jedoch aufgrund jahrzehntelanger Vernachlässigung der sozialen und wirtschaftlichen Infrastruktur, periodisch wiederkehrender makroökonomischer sowie politischer Instabilität und schwacher institutioneller Kapazitäten nicht ausgeschöpft. Als größte Wachstumshemmnisse gelten Korruption, ineffiziente Bürokratie, ein unsicheres regulatorisches Umfeld, eine trotz Verbesserungen in den letzten Jahren relativ teure bzw. unzureichende Energieversorgung und eine – trotz erheblicher Verbesserung seit 2014 – teils fragile Sicherheitslage (AA 5.3.2019).

Die pakistanische Wirtschaft wächst bereits seit Jahren mit mehr als vier Prozent. Für 2018 gibt der Internationale Währungsfonds (IWF) sogar ein Plus von 5,6 Prozent an. Das Staatsbudget hat sich stabilisiert und die Börse in Karatschi hat in den vergangenen Jahren einen Aufschwung erlebt. Erreicht wurde dies durch einschneidende Reformen, teilweise unterstützt durch den IWF. In der Vergangenheit konnte Pakistan über die Jahrzehnte hinweg jedoch weder ein solides Wachstum halten noch die Wirtschaft entsprechend diversifizieren. Dies kombiniert mit anderen sozioökonomischen und politischen Faktoren führte dazu, dass immer noch etwa ein Drittel der pakistanischen Bevölkerung unter der Armutsgrenze lebt (GIZ 2.2019a). Die Arbeitslosigkeit in Pakistan liegt Stand 2017 offiziell etwa bei 6 % (CIA 5.2.2019). CIA hält fest, dass die offiziellen Arbeitslosenzahlen die Situation nicht vollständig beschreiben können, da ein großer Teil der Wirtschaft informell und die Unterbeschäftigung hoch ist (CIA 5.2.2019a; vgl. GIZ 2.2019). Kritisch ist vor allem die Situation von jungen erwerbslosen/arbeitslosen Männern zwischen 15 und 30 Jahren. Als Folge dieser hohen Arbeitslosigkeit gepaart mit einer Verknappung natürlicher Ressourcen, vor allem auf dem Land, kommt es zu einer verstärkten Arbeitsmigration nicht nur in die großen Städte, sondern traditionell auch in die Golfstaaten.

[Beweisquelle: LIB Mai 2019 mwN]

Sozialbeihilfen

Die Edhi Foundation ist die größte Wohlfahrtstiftung Pakistans. Sie gewährt u.a. Unterkunft für Waisen und Behinderte, eine kostenlose Versorgung in Krankenhäusern und Apotheken, sowie Rehabilitation von Drogenabhängigen, kostenlose Heilbehelfe, Dienstleistungen für Behinderte sowie Hilfsmaßnahmen für die Opfer von Naturkatastrophen (Edih o.D.). Die pakistanische Entwicklungshilfeorganisation National Rural Support Programme (NRSP) bietet Mikrofinanzierungen und andere soziale Leistungen zur Entwicklung der ländlichen Gebiete an. Sie ist in 70 Distrikten der vier Provinzen – inklusive Azad Jammu und Kaschmir – aktiv. NRSP arbeitet mit mehr als 3,4 Millionen armen Haushalten zusammen, welche ein Netzwerk von ca. 217.000 kommunalen Gemeinschaften bilden (NRSP o.D).

[Beweisquelle: LIB Mai 2019 mwN]

Medizinische Versorgung

Die medizinische Versorgung ist in weiten Landesteilen unzureichend und entspricht medizinisch, hygienisch, technisch und organisatorisch meist nicht europäischem Standard. Die Versorgung mit zuverlässigen Medikamenten und eine ununterbrochene Kühlkette sind nicht überall gesichert (AA 13.3.2019).

In modernen Krankenhäusern in den Großstädten konnte – unter dem Vorbehalt der Finanzierbarkeit – eine Behandlungsmöglichkeit für die am weitesten verbreiteten Krankheiten festgestellt werden. Auch die meisten Medikamente, wie z. B. Insulin, können in den Apotheken in ausreichender Menge und Qualität erworben werden und sind für weite Teile der Bevölkerung erschwinglich (AA 21.8.2018). In staatlichen Krankenhäusern, die i.d.R. europäische Standards nicht erreichen, kann man sich bei Bedürftigkeit kostenlos behandeln lassen. Da Bedürftigkeit offiziell nicht definiert ist, reicht die Erklärung aus, dass die Behandlung nicht bezahlt werden kann. Allerdings trifft dies auf schwierige Operationen, z.B. Organtransplantationen, nicht zu. Hier können zum Teil gemeinnützige Stiftungen die Kosten übernehmen (AA 21.8.2018).

Trotz Verbesserungen in den letzten Jahren (HRCP 3.2019) führt der Großteil der öffentlichen Gesundheitseinrichtungen keine zufriedenstellende Behandlung durch. Die Menschen tendieren dazu, private Einrichtungen aufzusuchen (Kurji et al 2016; vgl. HRCP 3.2019). Diese sind jedoch für die ärmere Bevölkerung unleistbar (Kurji et al 2016). Das staatliche Wohlfahrts-Programm Bait-ul-Mal vergibt Unterstützungsleistungen und fördert die Beschaffung von Heilbehelfen (PBM o.D.).

[Beweisquelle: LIB Mai 2019 mwN]

Hepatitis C Behandlung

Eine Behandlung für Hepatitis C ist sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor erhältlich. Auch die Medikamente Entecavir und Ribavirin(e), Interferon sowie seit 2016 auch Sofosbuvir stehen demnach in Pakistan zur Verfügung. Außerdem geht hervor, dass Hepatitis C in Pakistan weit verbreitet ist. Ein eigenes Hepatitis Kontroll-Programm des Premierministers ermöglicht die Kostenübernahme durch die Zentralregierung. Darüber hinaus bieten z.B. auch Ärzte ohne Grenzen moderne, kostenfreie Behandlung an. Im Allgemeinen kostet die Behandlung im öffentlichen Bereich durch einen Arzt in der medizinischen Grundversorgung 5 Pakistanische Rupien (PKR) und Medikamente sind im Preis inbegriffen. Darüber hinaus bietet die soziale staatliche Einrichtung Pakistan Bailt-ul-Mal ein finanzielles Unterstützungsprogramm für medizinische Leistungen. Verschiedene Artikel u.a. in Fachjournalen lassen darauf schließen, dass international renommierte pakistanische Ärzte in diesem Bereich arbeiten, spezialisierte Zentren vorhanden sind und in diesem Bereich auch mehrere Forschungen unternommen werden. Eine Schwierigkeit in der Zugänglichkeit ist, dass für viele der Weg zu den öffentlichen Krankenhäusern und damit zur Behandlung sehr weit ist.

(Beweisquelle. BFA Staatendokumentation Anfragebeantwortung Pakistan, Behandlbarkeit Hepatitis C, 02.05.2017)

Zur aktuell vorherrschenden Pandemie aufgrund des Coronavirus (Covid-19, SARS-CoV-2)

COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) und Europäischem Zentrum für die Kontrolle von Krankheiten (ECDC) haben das höchste Risiko für eine schwere Erkrankung durch SARS-CoV-2 Menschen im Alter von über 60 Jahren sowie Menschen mit Grunderkrankungen wie Bluthochdruck, Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, chronischen Atemwegserkrankungen und Krebs. Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (wie z.B. Diabetes, Herzkrankheiten und Bluthochdruck) auf.

(Beweisquelle:
www.ages.at/themen/krankheitserreger/coronavirus/; www.sozialministerium.at/Informationen-zum-Coronavirus.html; www.oesterreich.gv.at/)

Personen mit chronischen Nieren- und Lebererkrankungen gehören gemäß dem deutschen Robert Koch Institut zur Risikogruppe für schwere Verläufe.

Man muss aktuell davon ausgehen, dass es frühestens 2021 einen Impfstoff gegen COVID-19 in relevanten Mengen geben wird.

(Beweisquelle: https://www.rki.de/DE/Content/InfAZ/N/Neuartiges_Coronavirus/Steckbrief.html#doc13776792bodyText4 )

2. Beweiswürdigung:

Die Sachverhaltsfeststellungen stützen sich auf den Verwaltungsverfahrensakt des BFA, den Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes und das Ergebnis der durchgeführten mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht. Eine ursprünglich für den 19.03.2020 anberaumte mündliche Beschwerdeverhandlung musste aufgrund der von der österreichischen Bundesregierung angeordneten Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus (auch: Covid-19, SARS-CoV-2) abberaumt werden. Jedoch wurden dem Beschwerdeführer vom Bundesverwaltungsgericht zur Vorbereitung der Verhandlung bereits mit Schreiben vom 02.03.2020 die hier getroffenen aktuellen Länderfeststellungen zu Pakistan übermittelt und ihm wurde die Möglichkeit geboten, zu diesen Länderberichten eine schriftliche Stellungnahme abzugeben oder ergänzende Länderberichte vorzulegen, die ihm wichtig erscheinen. Unter einem wurde er aufgefordert, dem Bundesverwaltungsgericht etwaige Änderungen oder Neuigkeiten hinsichtlich seiner Fluchtgründe und Rückkehrbefürchtung, seines Gesundheitszustandes und seines Privat- und Familienlebens bekannt zu geben sowie alle bisher noch nicht vorgelegten Bescheinigungsmittel, Beweismittel und sonstige Dokumente zu seinen Fluchtgründen vorzulegen. Gleichzeitig wurde er auf die gesetzliche Verfahrensförderungspflicht gem § 39 Abs 2a AVG hingewiesen (Verständigung vom Ergebnis der Beweisaufnahme und Aufforderung zur Mitwirkung vom 02.03.2020 (OZ 22Z)). Diese Verständigung wurde der zum damaligen Zeitpunkt bevollmächtigten Vertretung ordnungsgemäß zugestellt, ebenso dem Beschwerdeführer selbst. Die damalige Vertretung hat in der Folge noch danach am 02.03.2020 ohne weitere Erklärung die Auflösung des Vollmachtsverhältnisses bekannt gegeben (OZ 29); der Beschwerdeführer hat die beim Zustellpostamt ordnungsgemäß hinterlegte Verständigung nicht behoben. Der Beschwerdeführer hat sich bis dato nicht zu der Verständigung geäußert. Es ist daher davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer zu seinen bisherigen Angaben nichts mehr vorzubringen hat, er ist auch den Länderfeststellungen nicht entgegengetreten und hat keine Änderungen zu seinem bisherigen Vorbringen bekannt gegeben, sodass nunmehr Entscheidungsreife vorliegt.

Die konkreten Beweismittel sind bereits bei den Sachverhaltsfeststellungen bzw in der Beweiswürdigung jeweils in Klammer angeführt.

2.1 Zur Person des Beschwerdeführers und den Lebensverhältnissen in Pakistan (oben 1.1)

Die Angaben des Beschwerdeführers zu seiner Staatsangehörigkeit und Herkunft, die er im Zuge des Verfahrens vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung gemacht hat, waren auf Grund seiner Orts- und Sprachkenntnisse nicht zu bezweifeln. Seine Identität steht fest aufgrund des Reisepasses, den der Beschwerdeführer im Zuge eines Aufgriffs durch die österreichischen Behörden im Jahr 2018 vorlegte (OZ 25).

2.2 Zum Gesundheitszustand

Die Feststellungen zu seinem Gesundheitszustand beruhen auf den vorgelegten ärztlichen Dokumenten und den damit in Einklang stehenden Ausführungen im Rahmen der mündlichen Verhandlung und schriftlichen Stellungnahmen (VS 05.09.2017 S 5; OZ 5, 17, 18).

2.3 Zum Vorbringen und mangelnden Verfolgungsgefahr im Falle der Rückkehr (oben 1.3 und 1.4)

2.3.1 Die Ausführungen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen beruhen auf seinen protokollierten Aussagen im Zuge der Einvernahmen vor dem BFA sowie im Rahmen der mündlichen Verhandlung und auf seinen schriftlichen Eingaben.

2.2.2 Die Feststellungen dazu, dass das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinem Fluchtgrund und seiner Rückkehrbefürchtung nicht glaubhaft ist sowie zu einer mangelnden Gefährdung seiner Person im Falle seiner Rückkehr nach Pakistan (oben 1.4) waren aus den folgenden Gründen zu treffen:

Das Vorbringen des Beschwerdeführers erweist sich in wesentlichen Punkten widersprüchlich, unschlüssig und nicht nachvollziehbar.

Bei der Einvernahme am 22.07.2014 hatte der Beschwerdeführer angegeben, er sei der Ansprechpartner für jene Versammlung am 15.11.2013 gewesen und er sei angezeigt worden (NS 22.07.2014 AS 61/63). Demgegenüber gab er am 18.05.2016 erstmals an, sein Vater sei der Veranstalter gewesen und er sowie sein Vater seien angezeigt worden (NS EV 18.05.2016 S 3, 4). Dazu kommt, dass er bei der Einvernahme am 18.05.2016 überhaupt nach rund zwei Jahren in seinem das erste Mal seinen Vater in diesem Zusammenhang erwähnte, was er weder bei der Erstbefragung am 03.06.2014 noch bei seiner Einvernahme am 11.06.2014 und 22.07.2014 gemacht hatte. Bei der Erstbefragung am 03.06.2014 hatte er dagegen angegeben, dass er und sein Bruder verfolgt worden seien (NS EB 03.06.2014 S 3) Seinen Bruder erwähnte er dagegen in den späteren Einvernahmen dann überhaupt nicht mehr als verfolgte Person. In der mündlichen Verhandlung gab er dann erstmals an, dass sein Vater der Vorsitzende der schiitischen Gemeinschaft gewesen sei und bei jener Versammlung am 15.11.2013 „ganz vorne dabei“ gewesen sei (VS 05.09.2017 S 10), auch das hatte er bis dahin nicht erwähnt, was wohl zu erwarten gewesen wäre, würde dies den Tatsachen entsprechen.

In der Einvernahme am 18.05.2016 gab er an, dass er keinen Reisepass habe, er nie einen gebraucht habe (NS EV 18.05.2016 S 3). Der Beschwerdeführer wurde jedoch von den österreichischen Behörden am 20.04.2018 aufgegriffen und dabei war er im Besitz eines pakistanischen Reisepasses der bereits am 29.08.2013 ausgestellt worden und bis zum 28.08.2018 gültig gewesen war (OZ 25). In jenem Reisepass ist auch dokumentiert, dass der Beschwerdeführer am 22.01.2015 über den internationalen Flughafen Lahore in Pakistan eingereist ist und am 09.03.2015 über denselben Flughafen wieder aus Pakistan ausgereist ist (OZ 25). Das bedeutet, der Beschwerdeführer verschwieg bei allen seinen Einvernahmen vor dem BFA und in der mündlichen Verhandlung vorsätzlich, dass er die ganze Zeit einen Reisepass hatte und diesen auch für Reisen in sein Heimatland benutzte.

Bei seinen Einvernahmen und in der mündlichen Verhandlung hatte er angegeben, dass es polizeiliche Anzeigen gegen ihn wegen Körperverletzung und Mordes gebe und er von der Polizei gesucht werde ihm die Todesstrafe drohe (NS EV 18.05.2016 S 8, 9; VS 05.09.2017 S 16). Zu den Anzeigen gab er bei der Einvernahme am 11.06.2014 widersprüchlich an, dass er keine Beweismittel zu den Anzeigen habe, er seinen Vater kontaktieren werde (NS EV 11.06.2014 S 3), während er demgegenüber in der Einvernahme am 18.05.2016 angegeben hat, er selbst habe die Anzeigen (FIR) aus Pakistan mitgebracht (NS EV 18.05.2016 S 4). In der mündlichen Verhandlung gab er wiederum an, dass ihm jene Dokumente von seinem Vater geschickt worden seien (VS 05.09.2017 S 13). In der mündlichen Verhandlung war er auch nicht in der Lage, nähere Angaben zu den Anzeigen zu machen (VS 05.09.2017 S 13-15). Auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass die Ereignisse zum damaligen Zeitpunkt bereits mehrere Jahre zurücklagen, wäre es zu erwarten gewesen, dass der Beschwerdeführer den wesentlichen Inhalt der Anzeigen nach wie vor kennt, sind diese doch ein wesentlicher Grund, weshalb er sein Land verlassen hat.

Der Beschwerdeführer ist laut den Eintragungen in seinem Reisepass am 22.01.2015 über den internationalen Flughafen Lahore in Pakistan eingereist und am 09.03.2015 über denselben Flughafen wieder aus Pakistan ausgereist (OZ 25). Würde es tatsächlich die von ihm vorgebrachten Anzeigen der Sipah-e-Sahaba geben, hätte erstens er sich wohl nicht der Gefahr ausgesetzt, sofort am Flughafen in Lahore verhaftet zu werden und zweitens zeigt zusätzlich der Umstand, dass er tatsächlich ungehindert einreisen und wenige Wochen später wieder über denselben Flughafen ausreisen konnte, dass es diese vorgebrachten Anzeigen vom 15.11.2013 und 29.10.2013 bzw 30.10.2013 tatsächlich nicht gibt und er nicht von der pakistanischen Polizei gesucht wird, während er in der mündlichen Verhandlung am 05.09.2017 dies weiterhin behauptete.

Da es diese Anzeigen somit nicht gibt und diese demnach auch nicht von den Angehörigen der Sipah-e-Sahaba eingebracht wurden, ist es auch nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer von der Sipah-e-Sahaba oder von den pakistanischen Behörden verfolgt wird.

Davon unabhängig ist es auch nicht glaubhaft, dass der Beschwerdeführer tatsächlich Schiite ist. Dies zum einen deshalb, da er in seinem gesamten ersten Asylverfahren zu keinem Zeitpunkt vorgebracht hat, dass er Schiite sei, was er wohl gemacht hätte, wäre dies tatsächlich der Fall. Gegenteilig brachte er im ersten Asylverfahren vor, die Taliban hätten gewollt, dass er sich ihnen anschließe. Bei Taliban handelt es sich nach den Länderfeststellungen um extremistische Sunniten, die Schiiten verfolgen (oben 1.5 Sicherheitslage allgemein). Es ist daher unglaubhaft, dass der Beschwerdeführer als Schiite von den Taliban aufgefordert worden wäre, sich ihnen anzuschließen. Zudem gab er im ersten Asylverfahren an, dass er als Schüler die Jama Ashrafia Schule besucht habe und von den Taliban aufgefordert worden sei, bei diesen mitzuarbeiten. Bei der Jama Ashrafia Schule handelt es sich nach den eigenen Angaben des Beschwerdeführers um eine wahabitische Schule. Wahabismus ist eine puristisch-traditionalistischen Richtung des sunnitischen Islam, die unter anderem alle Formen des schiitischen Islams ablehnt (zB https://de.wikipedia.org/wiki/Wahhabiten). Es ist daher unglaubhaft, dass der Beschwerdeführer in jene Schule gegangen wäre, wenn er Schiit gewesen wäre und noch dazu, wenn sein Vater, wie er in der Verhandlung vorgebracht hat, schiitisch-religiös engagiert und tatsächlich der Vorsitze der Schiitischen Gemeinschaft gewesen wäre und es auch eine schiitsche Moschee in seinem Dorf gegeben hat. Seine Erklärung in der mündlichen Verhandlung, wonach man den Koran in irgendeiner Schule lernen könne (VS 05.09.2017 S 11), ist vor diesem Hintergrund nicht überzeugend.

Aufgrund der soeben aufgezeigten Widersprüche und unglaubhaften Darstellungen und Widerlegungen des Vorbringens des Beschwerdeführers gelangt das Bundesverwaltungsgericht zu der Überzeugung, dass die vom Beschwerdeführer zur Begründung seines Antrages behauptete Verfolgungsgefährdung in Pakistan nicht glaubhaft ist.

Vor dem Hintergrund der hier insgesamt getroffenen Ausführungen hat der Beschwerdeführer somit nicht glaubhaft dargelegt und es ergibt sich auch sonst nicht, dass er im Falle einer Rückkehr in seine Heimat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in ganz Pakistan einer aktuellen sowie unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, ausgesetzt wäre, weder von sunnitischen Extremisten noch von den pakistanischen Behörden.

2.3 Zur Lage in Pakistan (oben 1.5)

Die Feststellungen zur Lage in Pakistan ergeben sich aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom Mai 2019 sowie der zitierten Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zur Behandelbarkeit von Hepatitis C. Die Staatendokumentation des BFA berücksichtigt im Länderinformationsblatt Pakistan Berichte verschiedener staatlicher Spezialbehörden, etwa des Deutschen Auswärtigen Amtes und des deutschen Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge oder des US Department of State, ebenso, wie auch Berichte von Nichtregierungsorganisationen, wie etwa von ACCORD, Amnesty international, Human Rights Watch, oder der Schweizerischen Flüchtlingshilfe. Die herangezogenen Quellen sind aktuell und Großteils aus dem Jahr 2019. Angesichts der Ausgewogenheit und Seriosität der genannten Quellen sowie der Schlüssigkeit der weitestgehend übereinstimmenden Aussagen darin, besteht für das Bundesverwaltungsgericht kein Grund, an der Richtigkeit der Angaben zu zweifeln. Auch der Beschwerdeführer ist den in das Verfahren eingeführten Quellen nicht substantiiert entgegengetreten. Die Feststellungen betreffend die Pandemie aufgrund des Coronavirus basieren auf den Informationen der Österreichischen Agentur für Gesundheit und Ernährungssicherheit, des Sozialministeriums, der Weltgesundheitsorganisation und des deutschen Robert Koch Instituts.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

Spruchpunkt I

Zum Status eines Asylberechtigten (§ 3 AsylG 2005)

3.1 Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten ist die Glaubhaftmachung, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinn des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention, demnach aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht (VwGH 02.09.2015, Ra 2015/19/0143).

Zentraler Aspekt der in Art 1 Abschnitt A Z 2 GFK definierten Verfolgung im Herkunftsstaat ist die wohlbegründete Furcht davor. Eine Furcht kann nur dann wohlbegründet sein, wenn sie im Licht der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH 05.09.2016, Ra 2016/19/0074).

Das Vorbringen des Asylwerbers muss, um eine maßgebliche Wahrscheinlichkeit und nicht nur eine entfernte Möglichkeit einer Verfolgung glaubhaft zu machen, eine entsprechende Konkretisierung aufweisen. Die allgemeine Behauptung von Verfolgungssituationen, wie sie in allgemein zugänglichen Quellen auffindbar sind, wird grundsätzlich zur Dartuung von selbst Erlebtem nicht genügen. (VwGH 02.09.2019, Ro 2019/01/0009)

3.2 Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt ist das Vorbringen des Beschwerdeführers zu seinen Fluchtgründen und Rückkehrbefürchtungen nicht glaubhaft. Er hat damit nicht glaubhaft gemacht und es ergibt sich auch sonst nicht, dass er im Falle einer Rückkehr in seine Heimat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit in ganz Pakistan einer aktuellen sowie unmittelbaren persönlichen und konkreten Verfolgung, Bedrohung oder sonstigen Gefährdung von erheblicher Intensität ausgesetzt wäre.

Es liegt somit im Falle des Beschwerdeführers keine Verfolgung im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention vor. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten sind damit nicht gegeben.

3.3 Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I des angefochtenen Bescheides des BFA wird daher als unbegründet abgewiesen.

Spruchpunkt II

Zum Status eines subsidiär Schutzberechtigten (§ 8 Abs 1 AsylG 2005)

3.4 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat im Allgemeinen kein Fremder ein Recht, in einem fremden Aufenthaltsstaat zu verbleiben, bloß um dort medizinisch behandelt zu werden, und zwar selbst dann nicht, wenn er an einer schweren Krankheit leidet oder suizidgefährdet ist. Dass die Behandlung im Zielland (einer Abschiebung oder Überstellung) nicht gleichwertig, schwerer zugänglich oder kostenintensiver ist, ist unerheblich, allerdings muss der Betroffene auch tatsächlich Zugang zur notwendigen Behandlung haben, wobei die Kosten der Behandlung und Medikamente, das Bestehen eines sozialen und familiären Netzwerks und die für den Zugang zur Versorgung zurückzulegende Entfernung zu berücksichtigen sind. (VwGH 21.02.2017, Ra 2017/18/0008)

Nur bei Vorliegen außergewöhnlicher Umstände führt die Abschiebung zu einer Verletzung von Art 3 EMRK. Solche liegen jedenfalls vor, wenn ein lebensbedrohlich Erkrankter durch die Abschiebung einem realen Risiko ausgesetzt würde, unter qualvollen Umständen zu sterben, aber bereits auch dann, wenn stichhaltige Gründe dargelegt werden, dass eine schwerkranke Person mit einem realen Risiko konfrontiert würde, wegen des Fehlens angemessener Behandlung im Zielstaat der Abschiebung oder des fehlenden Zugangs zu einer solchen Behandlung einer ernsten, raschen und unwiederbringlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustands ausgesetzt zu sein, die zu intensivem Leiden oder einer erheblichen Verkürzung der Lebenserwartung führt. (vgl. VwGH 23.03.2017, Ra 2017/20/0038, mwN)

Zum gegenständlichen Fall

3.5 Ausgehend vom festgestellten Sachverhalt leidet der Beschwerdeführer seit 2016 an einer chronischen Hepatitis C Virusinfektion mit bereits bestehender Organschädigung im Stadium einer nicht mehr rückbildungsfähigen hochgradigen Fibrose F3 mit septenbildender Faservermehrung mit Achitekturzerstörung, die letzte Stufe vor einer Leber Zirrhose. Zuvor wurde bei ihm auch einen Tuberkulose-Erkrankung diagnostiziert und behandelt (OZ 18).

Die Hepatitis C-Virusinfektion ist für sich allein nach den getroffenen Länderfeststellungen in Pakistan ausreichend behandelbar. Der Beschwerdeführer gehört jedoch mit seiner dargestellten chronischen – und weit fortgeschrittenen – Erkrankung nach der Einschätzung des deutschen Robert Koch Instituts zur Risikogruppe für schwere Verläufe, sodass in seinem Fall eine Infektion mit dem Sars 2-Virus mit hoher Wahrscheinlichkeit einen schweren Verlauf nehmen würde, verbunden mit Lebensgefahr und notwendiger intensivmedizinischer Behandlungsmaßnahmen.

Bei einer personenbezogenen Risikoabschätzung wäre im Falle der Infektion des Beschwerdeführers mit dem Sars 2-Virus die erforderliche medizinische Versorgung aufgrund der getroffenen Länderfeststellungen, wonach die medizinische Versorgung in Pakistan in weiten Landesteilen unzureichend ist und der Großteil der öffentlichen Gesundheitseinrichtungen keine zufriedenstellende Behandlung durchführt, jedenfalls nicht mit der erforderlichen Sicherheit gegeben. Und ohne Impfstoff besteht eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit, an Covid-19 zu erkranken. Durch eine Rückführung in den Herkunftsstaat könnte der Beschwerdeführer – zum gegenwärtigen Zeitpunkt – unter Zugrundelegung der Länderberichte zu COVID-19 und zur medizinischen Versorgung aufgrund seiner fortgeschritten beeinträchtigen körperlichen Konstitution mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einer realen Gefahr ausgesetzt sein, in seinen Rechten nach Art 3 EMRK verletzt zu werden.

Im Hinblick darauf jedoch, dass es laut dem Robert Koch Institut nach aktuellem Stand frühestens 2021 einen Impfstoff gegen COVID-19 in relevanten Mengen geben wird, wird eine Überprüfung der individuellen Lage des Beschwerdeführers nach Ablauf der ersten befristeten Aufenthaltsberechtigung im Sommer 2021 dahingehend zu erfolgen haben, ob eine reale Gefahr der Verletzung der Rechte nach Art 3 EMRK bei einer Rückkehr nach Pakistan nach wie vor besteht.

Da somit im vorliegenden Fall auf Grund der besonderen beim Beschwerdeführer vorliegenden persönlichen Umstände bei einer Rückkehr des Beschwerdeführers – zum gegenwärtigen Zeitpunkt – die konkrete Gefahr einer Verletzung im Besonderen der auch durch Art 3 EMRK gewährleisteten Rechte besteht, wird gemäß § 8 Abs 1 Z 1 AsylG dem Beschwerdeführer der Status eines subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Pakistan zuerkannt.

3.6 Hinweise für das Vorliegen eines Abweisungsgrundes gemäß § 8 Abs 3a AsylG sind nicht hervorgekommen.

3.7 Demnach wird der Beschwerde gegen Spruchpunkt II des angefochtenen Bescheides stattgegeben und spruchgemäß entschieden.

Spruchpunkt III

Zur Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung (§ 8 Abs 4 AsylG 2005)

3.8 Gleichzeitig mit der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten ist auch eine befristete Aufenthaltsberechtigung zu erteilen. Diese gilt ein Jahr.

Spruchpunkt IV

Zur Behebung von Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides (§§ 10, 55, 57 AsylG; § 52 FPG; § 9 BFA-VG)

3.9 Nach dem zuvor dargestellten Ergebnis ist gleichzeitig Spruchpunkt III des angefochtenen Bescheides mangels des Vorliegens einer gesetzlichen Grundlage dafür ersatzlos zu beheben.

B)

Revision

3.10 Die ordentliche Revision ist nicht zulässig, da die für den vorliegenden Fall relevante Rechtslage durch die zitierte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geklärt ist.

3.11 Es ist daher spruchgemäß zu entscheiden.

Schlagworte

befristete Aufenthaltsberechtigung Gesundheitszustand Glaubwürdigkeit mangelnde Asylrelevanz medizinische Versorgung Pandemie Risikogruppe subsidiärer Schutz

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:L516.1414996.2.00

Im RIS seit

15.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

15.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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