TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/2 G304 2177007-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.10.2020
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Entscheidungsdatum

02.10.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

G304 2177007-1/14E

Schriftliche Ausfertigung des am 18.08.2020 mündlich verkündeten Erkenntnisses

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. Beatrix LEHNER als Einzelrichterin über die Beschwerde des XXXX, geb. XXXX, StA. Irak, vertreten durch ARGE Rechtsberatung, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.09.2017, Zl. XXXX, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 18.08.2020 zu Recht erkannt:

A)

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

Text

Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA oder belangte Behörde) vom 13.09.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers (im Folgenden: BF) auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG abgewiesen (Spruchpunkt I.), gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z. 13 AsylG sein Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf seinen Herkunftsstaat Irak abgewiesen (Spruchpunkt II.), dem BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt, gemäß § 10 Abs. 1 Z. 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z. 2 FPG erlassen und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 52 Abs. 9 FPG in den Irak zulässig ist (Spruchpunkt III.), und ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung beträgt (Spruchpunkt IV.).

2. Gegen diesen Bescheid wurde Beschwerde erhoben.

3. Am 20.11.2017 langte die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt beim Bundesverwaltungsgericht (im Folgenden: BVwG) ein.

4. Am 18.08.2020 wurde vor dem BVwG mit dem BF und seiner Rechtsvertreterin eine mündliche Verhandlung durchgeführt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der BF ist irakischer Staatsangehöriger, arabischer Volksgruppenangehöriger, sunnitischer Moslem und stammt aus Bagdad.

1.2. Er hat in seinem Herkunftsstaat seine Mutter und Schwester, die unbehelligt in Bagdad leben, und mit ihnen aufrechten Kontakt.

1.3. Der BF zog nach dem Regierungssturz im Jahr 2004 mit seiner Familie von Al Basra nach Bagdad und lebte dort bis zur Ausreise, ausgenommen den Zeitraum von 2005 bis 2008, in welchem er mit seiner Familie in Syrien war – nur sein Vater ist berufsmäßig im Irak verblieben und hat seine Familie in Syrien finanziell unterstützt.

1.4. Der BF reiste ungefähr Mitte Mai 2015 legal und problemlos aus seinem Herkunftsstaat aus. Er reiste mit dem Flugzeug von Bagdad in die Türkei und von dort schlepperunterstützt weiter über Griechenland, Mazedonien und Serbien r bis nach Österreich.

Er wurde in Griechenland wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes angehalten, hat dort jedoch keinen Asylantrag gestellt, sondern ist weiter bis nach Österreich gereist, hatte er doch von vornherein Österreich als Zielland im Visier gehabt.

1.5. Nach illegaler Einreise in das österreichische Bundesgebiet stellte der BF am 09.06.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Der BF wurde am 10.06.2015 von Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes erstbefragt und am 23.03.2017 vor dem BFA niederschriftlich einvernommen.

Das Fluchtvorbringen des BF vor dem BFA am 23.03.2017, sein Vater, ein Offizier im Saddam Regime, sei seit 08.07.2014 verschollen, weshalb auch der BF gefährdet sei, entführt oder getötet zu werden, konnte, wie in der Beweiswürdigung näher ausgeführt, nicht für glaubwürdig gehalten werden.

Nach illegaler Einreise und Asylantragstellung des BF am 09.06.2015 sind am 02.07.2015, rund ein Monat später, auch die Geschwister des BF in das österreichische Bundesgebiet eingereist und haben Asylanträge gestellt. Der mittlerweile verstorbene Bruder und die Schwester des BF kehrten jedoch, nachdem sie am 06.07.2018 unterstützte freiwillige Rückkehrhilfe beantragt hatten, freiwillig wieder in den Irak zurück.

Der BF gab in der mündlichen Verhandlung am 18.08.2020 indirekt zu, dass sein Bruder keinen Fluchtgrund hatte und sich in Österreich nur für sich und seine Familie ein Bleiberecht verschaffen wollte, indem er vorbrachte:

„Anfangs hatte ich Probleme, mein Bruder musste zurückkehren, weil er es nicht geschafft hat, seine Frau und sein Kind nachzuholen.“ (VH-Niederschrift, S. 8).

Der Bruder des BF stellte somit nicht aus Angst vor Verfolgung in Österreich einen Asylantrag, sondern mit der Absicht, seine Familienangehörigen aus dem Irak nachzuholen und mit ihnen in Österreich ein besseres Leben als im Irak zu führen.

Im März 2019, rund acht Monate nach Rückkehr seiner Geschwister in den Irak, wurde der Bruder des BF erschossen.

Ein Zusammenhang zwischen der Tötung des Bruders des BF und dem vom BF angeführten Verschwinden seines Vaters bzw. einer damit auch für den BF verbundenen Gefahr, entführt oder getötet zu werden, war nicht feststellbar.

Dass dem BF, wie er in der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 18.08.2020 angab, bei einer Rückkehr dasselbe wie seinem Bruder passieren würde (VH-Niederschrift, S. 6), konnte somit nicht festgestellt werden.

Die Schwester und Mutter des BF leben nunmehr unbehelligt im Irak zusammen. Berücksichtigungswürdige Probleme haben sie nicht. Weder seine Mutter nach Ausreise des BF noch seine Schwester nach ihrer Rückkehr wurde jemals von irgendjemandem nach ihm gefragt.

Der BF war im Irak nie politisch tätig und hatte keine Probleme aufgrund seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit und nie Probleme mit staatlichen Behörden, Gerichten oder der Polizei.

Festgestellt wird, dass der BF im Mai 2015 aufgrund der allgemein schlechten Lage vor Ort aus dem Irak ausgereist ist, sich in Österreich ein Leben mit allgemein besseren Lebensbedingungen erhofft und bei einer Rückkehr keine individuelle Verfolgung bzw. Bedrohung zu erwarten hat.

1.6. Der BF lebte in Österreich stets von Leistungen aus der Grundversorgung.

Er ist arbeitsfähig und hat im Irak als Frisör gearbeitet und durch das Erwerbseinkommen aus dieser Tätigkeit seinen Lebensunterhalt bestreiten können.

Der BF konnte sich in Österreich einige Deutschkenntnisse aneignen. In der mündlichen Beschwerdeverhandlung verwies er auf eine absolvierte Deutschprüfung A1.

1.7. Der BF hat in Österreich eine Freundin und ein mit ihr gemeinsames Kind, ansonsten jedoch keine Familienangehörigen oder näheren Bezugspersonen.

2. Zur Lage im Irak wird festgestellt:

2.1. Sicherheitslage

Im Dezember 2017 erklärte die irakische Regierung den militärischen, territorialen Sieg über den Islamischen Staat (IS) (Reuters 9.12.2017; vgl. AI 26.2.2019). Die Sicherheitslage hat sich, seitdem verbessert (FH 4.3.2020). Ende 2018 befanden sich die irakischen Sicherheitskräfte (ISF) in der nominellen Kontrolle über alle vom IS befreiten Gebiete (USDOS 1.11.2019). Derzeit ist es staatlichen Stellen nicht möglich, das Gewaltmonopol des Staates sicherzustellen. Insbesondere schiitische Milizen, aber auch sunnitische Stammesmilizen handeln eigenmächtig. Die im Kampf gegen den IS mobilisierten, zum Teil vom Iran unterstützten Milizen sind nur eingeschränkt durch die Regierung kontrollierbar und stellen eine potentiell erhebliche Bedrohung für die Bevölkerung dar. Durch die teilweise Einbindung der Milizen in staatliche Strukturen (zumindest formaler Oberbefehl des Ministerpräsidenten, Besoldung aus dem Staatshaushalt) verschwimmt die Unterscheidung zwischen staatlichen und nicht-staatlichen Akteuren (AA 12.1.2019).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amt-bericht-ueber die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf

?        AI – Amnesty International (26.2.2019): Human Rights in the Middle East and North Africa: Review of 2018-Iraq [MDE 14/9901/2019], https://www.ecoi.net/en/file/local/2003674/MDE1499012019ENGLISH.pdf

?        FH – Freedom House (4.3.2020): Freedom in the World 2020-Iraq

?        Reuters (9.12.2017): Iraq declares final victory over Islamic State, https://www.reuters.com/article/us-mideast-crisis-iraq-islamicstate/iraq-declares-final-victtory-over-islamic-state-idUSKBN1E30B9

?        USDOS – US Department of State (1.11.2019): Country Report on Terrorism 2018 – Chapter 1 – Iraq, https://www.ecoi.net/en/document/2019162.html

2.2. Sicherheitslage Bagdad

Die Bestrebungen des IS, wieder in der Hauptstadt Fuß zu fassen, sind Ende 2019 im Zuge der Massenproteste ins Stocken geraten, scheinen aber mittlerweile wieder aufgenommen zu werden (Joel Wing 3.2.2020, vgl. Joel Wing 5.3.2020). Dabei wurden am 7. und 16.9. jeweils fünf Vorfälle mit „Unkonventionellen Spreng- und Brandvorrichtungen“ (IEDs) in der Stadt Bagdad selbst verzeichnet (Joel Wing 16.10.2019). Seit November 2019 setzt der IS Motorrad-Bomben in Bagdad ein. Zuletzt detonierten am 8. Und am 22.2.2020 jeweils fünf IEDs in der Stadt Bagdad (Joel Wing 5.3.2020). Für den Zeitraum von November 2019 bis Jänner 2020 wurden im Gouvernement Bagdad 60 sicherheitsrelevante Vorfälle mit 42 Toten und 61 Verletzten verzeichnet (Joel Wing 2.12.2019; vgl. Joel Wing 6.1.2020; Joel Wing 3.2.2020). Im Februar 2020 waren es 25 Vorfälle mit zehn Toten und 35 Verletzten (Joel Wing 5.3.2020). Die meisten dieser sicherheitsrelevanten Vorfälle werden dem IS zugeordnet, jedoch wurden im Dezember 2019 drei dieser Vorfälle pro-iranischen Milizen der Volksmobilisierungskräfte (PMF) zugeschrieben, ebenso wie neun Vorfälle im Jänner 2020 und ein weiterer im Februar (Joel Wing 6.1.2020; vgl. Joel Wing 5.3.2020). Die Ermordung des iranischen Generals Suleimani und des stellvertretenden Kommandeurs der PMF, Abu Muhandis, durch die USA führte unter anderem in der Stadt Bagdad zu einer Reihe von Vergeltungsschlägen durch pro-iranische PMF-Einheiten. Es wurden neun Raketen und Mörserangriffe verzeichnet, die beispielsweise gegen die Grüne Zone und die darin befindliche US-Botschaft sowie das Militärlager Camp Taji gerichtet waren (Joel Wing 3.2.2020). Seit 1.10.2019 kommt es in mehreren Gouvernements, darunter auch in Bagdad, zu teils gewalttätigen Demonstrationen.

Quellen:

?        Joel Wing, Musings on Iraq (5.3.2020): Violence largely Unchanged In Iraq In February 2020, https://musingsoniraq.blogspot.com/2020/03/violence-largely-unchanged-in-iraq-in.html

?        Joel Wing, Musings on Iraq (3.2.2020): Violence Continues Its Up And Down Pattern in Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2020/02/violence-continues-its-up-and-down.html

?        Joel Wing, Musings on Iraq (6.1.2020): Islamic State Makes Ist Return In December 2019, https://musingsoniraq.blogspot.com/2020/01/islamic-state-makes-its-return-in.html

?        Joel Wing, Musings on Iraq (2.12.2019): Islamic State Waits Out The Protests In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/12/islamic-state-waits-out-protests-in-iraq.html

?        Joel Wing, Musings on Iraq 16.10.2019): Islamic State Not Following Their Usual Pattern In Attacks In Iraq, https://musingsoniraq.blogspot.com/2019/10/islamic-state-not-following-their-usual.html

2.3. Sunnitische Araber

Die arabisch-sunnitische Minderheit, die über Jahrhunderte die Führungsschicht des Landes bildete, wurde nach der Entmachtung Saddam Husseins 2003, insbesondere in der Regierungszeit von Ex-Ministerpräsident Al-Maliki (2006 bis 2014), aus öffentlichen Positionen gedrängt. Mangels anerkannter Führungspersönlichkeiten fällt es den sunnitischen Arabern weiterhin schwer, ihren Einfluss auf nationaler Ebene geltend zu machen. Oftmals werden Sunniten einzig aufgrund ihrer Glaubensrichtung als IS-Sympathisanten stigmatisiert oder gar strafrechtlich verfolgt. Zwangsmaßnahmen und Vertreibungen aus ihren Heimatorten richten sich vermehrt auch gegen unbeteiligte Familienangehörige vermeintlicher IS-Anhänger (AA 12.1.2019).

Quellen:

?        AA – Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf

2.4. Rückkehr

Die Sicherheit von Rückkehrern ist von einer Vielzahl von Faktoren abhängig – u.a. von ihrer ethnischen und religiösen Zugehörigkeit, ihrer politischen Orientierung und den Verhältnissen vor Ort. (AA 12.1.2019).

Quelle:

?        AA – Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. angeführte Verfahrensgang ergibt sich aus dem diesbezüglichen Akteninhalt.

2.2. Zur Person des BF

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache Feststellungen zur Identität, Staatsangehörigkeit, Religions- und Volksgruppenzugehörigkeit sowie zur Muttersprache des BF getroffen wurden, beruhen diese auf dem diesbezüglich glaubhaften Akteninhalt.

Ein dem Verwaltungsakt einliegender Untersuchungsbericht des Bundeskriminalamtes vom 06.07.2017 besagt, dass beim vorliegenden Personalausweis des BF keine Anhaltspunkte für das Vorliegen einer falschen oder verfälschten Urkunde bestehen. (AS 179ff).

2.3. Zur Ausreise des BF aus dem Irak und zu seiner Reise nach Österreich:

Der BF gab in seiner Erstbefragung an, am 16.05.2015 legal mit dem Flugzeug von Bagdad in die Türkei und von dort weiter schlepperunterstützt über Griechenland, Mazedonien und Serbien bis nach Österreich gereist zu sein (AS 29f).

Das Vorbringen des BF zur Reiseroute, die er nach Verlassen seines Herkunftsstaates bis nach Österreich zurückgelegt hat, ist glaubhaft. Dass der BF jedoch tatsächlich, wie er in seiner Erstbefragung angab, am 16.05.2015 aus dem Irak ausgereist ist, konnte nicht festgestellt werden, gab er doch befragt danach widersprüchlich dazu in der mündlichen Beschwerdeverhandlung an, den Irak am 12.05.2015 verlassen zu haben.

Festgestellt wurde folglich ein unbestimmter Ausreisezeitpunkt ungefähr Mitte Mai 2015.

Dass eine problemlose Ausreise des BF festgestellt wurde, beruht darauf, dass der BF die ihm vor dem BFA gestellte Frage, ob er bei der Ausreise Probleme gehabt habe, verneint hat. (AS 113).

Dass eine legale Ausreise festgestellt wurde, beruht auf den eigenen diesbezüglichen Angaben des BF in der Erstbefragung (AS 29) und in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA (AS 113), in welcher der BF befragt danach, ob er legal oder illegal ausgereist ist, angab:

„Legal, aber ein Offizier am Flughafen hat Geld dafür bekommen.“ (AS 113)

Vorher in der Einvernahme befragt danach, wie der BF ausgereist sei, gab dieser an:

„Mit dem Flugzeug. Wir waren ein Jahr bei meinen Verwandten in Bagdad und danach haben wir jemanden gefunden, dem wir Geld bezahlt haben, der uns durch den Flughafen ausreisen lassen hat.“

Befragt, „mit Ihrem eigenen Reisepass“, gab der BF an:

„Ja. Befragt habe ich mir den persönlich ausstellen lassen, seit 2009 hatte ich den, ausgestellt in Bagdad.“ (AS 111).

Später vor dem BFA befragt, was er im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland zu befürchten hätte, gab der BF an:

„Angst vorm Staat Irak. Wir sind durch den Flughafen ausgereist. Wir warteten ein Jahr, bis wir einen Weg gefunden haben, bei den Verwandten in Bagdad.“ (AS 115).

Nachdem der Leiter der Einvernahme die Beendigung der Befragung vor dem BFA angekündigt und den BF gefragt hatte, ob er den Dolmetscher einwandfrei verstanden habe, gab der BF an:

„Ja. Ich wollte noch einmal sagen, dass mit der Hilfe des Offiziers am Flughafen die Ausreise bewerkstelligt werden konnte und wir haben dafür auch Geld bezahlt.“ (AS 115).

Festgestellt werden konnte jedenfalls eine legale, problemlose Ausreise über den Flughafen in Bagdad samt problemlosem Passieren der Sicherheitskontrolle am Flughafen, was bei Interesse der Behörden am BF auch bei Hilfestellung durch einen Offizier nicht möglich gewesen wäre.

Dass sich der BF, wie er in seiner Erstbefragung angab, Anfang Mai 2015 zur Ausreise entschlossen hat (AS 29), konnte nicht festgestellt werden, spricht die Angabe, durch den Flughafen ausgereist zu sein und ein Jahr bei den Verwandten in Bagdad gewartet zu haben, bis sie einen Weg gefunden haben, doch für einen Ausreiseentschluss im Jahr 2014 ein Jahr vor der tatsächlichen Ausreise im Mai 2015.

Während der BF in der Erstbefragung angab, sein Reisepass sei in der Türkei verloren gegangen (AS 29), brachte er in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 23.03.2017 widersprüchlich dazu vor:

„Den habe ich im Meer zwischen Türkei und Griechenland zerrissen und weggeworfen, weil die anderen Leute mir gesagt haben, falls der mit mir gefunden, würde ich in den Irak zurückgeschoben werden.“ (AS 111).

In seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 23.03.2017 gab er zudem, befragt danach, welches Land sein Zielland gewesen sei, an:

„Als ich nach Österreich gekommen bin, habe ich hier einen Asylantrag gestellt. (…) Ich dachte mir, sobald ich in Europa bin, bleibe ich einfach in einem Land, wo es Asyl gibt.“ (AS 113).

Wie aus dem Erstbefragungsprotokoll bzw. dem darin festgehaltenen EURODAC-Treffer hervorgehend, wurde der BF in Griechenland (wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes) angehalten, hat er dort jedoch keinen Asylantrag gestellt. Der BF hatte von vornherein nur Österreich als Zielland im Visier gehabt. In seiner Erstbefragung gab der BF an, nicht nach Griechenland zurückkehren zu wollen, sein Zielland sei Österreich gewesen. (AS 33).

2.4. Zur individuellen Situation des BF in seinem Herkunftsstaat:

Dass die Mutter und Schwester des BF unbehelligt im Irak leben und der BF mit ihnen aufrechten Kontakt hat, ergab sich aus seinem diesbezüglich glaubhaften Vorbringen in der mündlichen Beschwerdeverhandlung (VH-Niederschrift, S. 6).

In seiner niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 23.03.2017 befragt danach, ob der BF arbeitsfähig ist und welche Arbeiten er verrichten könne, gab er an:

„Ja als Frisör.“ (AS 115).

Der BF gab vor dem BFA glaubhaft an, in seinem Herkunftsstaat als Frisör gearbeitet zu haben (AS 101, 111), und sich aus dem Erwerbseinkommen aus dieser Tätigkeit seinen Lebensunterhalt bestreiten können zu haben (AS 101).

2.5. Zum Fluchtvorbringen des BF:

Das Fluchtvorbringen des BF vor dem BFA am 23.03.2017, sein Vater, ein Offizier im Saddam Regime, sei seit 08.07.2014 verschollen und deshalb auch der BF gefährdet, entführt oder getötet zu werden, war, wie im Folgenden näher ausgeführt, nicht glaubhaft:

Der BF brachte in der Erstbefragung am 10.06.2015 zu seinem Fluchtgrund vor:

„Mein Vater war ein hoher Offizier bei der irakischen Armee und ist seit 2014 verschollen. Ich bin mir sicher, dass mein Vater von den Schiiten entführt wurde. Ich selbst habe Angst, dass auch ich entführt oder getötet werde. Ich wurde direkt bedroht, mir wurde nahegelegt, das Land zu verlassen, ansonsten ich getötet würde.“ (AS 33)

Von einer derartigen direkten Bedrohung war in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA am 23.03.2017 nicht mehr die Rede, sprach der BF da doch nur von einer Vermutung, dass er, wenn er für die Behörden greifbar gewesen wäre, ebenso wie sein Vater verschollen wäre (AS 105).

Der BF brachte vor, seine Mutter und Stiefmutter bzw. die zweite Frau seines verschollenen Vaters hätten am 09.07.(2014) die Polizei vom Verschwinden ihres Mannes verständigt, woraufhin sich der BF und seine Geschwister am 10.07.(2014) zu Verwandten, bei denen nunmehr seine Mutter lebe, begeben hätten. Die damals daheimgebliebene Mutter des BF sei am 11.09.(2014) von Polizeikollegen seines Vaters aufgesucht und nach ihren Kindern gefragt worden, hätten sie sie doch befragen wollen. Die Mutter des BF habe sie angelogen und gesagt, sie wären in die Türkei gereist, damit der BF und seine Geschwister nicht ebenso wie ihr Vater mitgenommen und verschwinden würden.

Offiziersfreunde seines Vaters hätten seiner Mutter bei der Anzeigeerstattung geraten, sie sollten weggehen, würden doch andere Behörden kommen und sie befragen.

Befragt, weshalb sie die Kinder und nicht die Mutter, die immerhin mit der Zweitfrau zur Polizei gegangen sei, befragen wollten, gab der BF an:

„Weil meine Mutter eine alte Frau, befragt 1960 geboren und ich glaube, sie wollten mich und meinen Bruder haben.“ (AS 105).

Zum Zeitpunkt der behaupteten polizeilichen Befragung im Herkunftsstaat am 11.09.2014 war die Mutter des BF rund 54 Jahre, zum Zeitpunkt der Einvernahme am 23.03.2017 rund 57 Jahre alt, demnach jedoch noch keine alte Frau, wie sie der BF vor dem BFA bezeichnet hat.

Der BF hat sich widersprochen. Er gab vor dem BFA zunächst an, Polizeikollegen seines Vaters seien am 11.09. zu seiner Mutter nachhause gekommen und hätten die Kinder befragen wollen, der BF sei zu diesem Zeitpunkt jedoch mit seinen Geschwistern bereits seit 10.07.2014 bei seinen Verwandten gewesen. (AS 105).

Etwas später in der Einvernahme brachte der BF nach Angaben zur Entführung seines Vaters und nach Vorhalt, „zusammengefasst mussten Sie deshalb den Irak verlassen“, vor:

„Ja, weil auch zwei Wochen nach dem 11.07. sind wieder diese Behördenleute zu meiner Mutter gekommen und wollten uns mitnehmen.“ (AS 107).

Das zweite Mal wären die Behördenvertreter demnach Ende Juli 2014 bei der Mutter gewesen.

Laut vorheriger Aussage des BF in der Einvernahme vor dem BFA hätten „Polizeikollegen seines Vaters“ seine Mutter jedoch erstmals erst am 11.09. und nicht, wie später behauptet, am 11.07. aufgesucht und nach ihren Kindern befragt.

Mit einem Aufsuchen der Mutter des BF am 11.07.2014 wäre jedenfalls sein nachfolgendes Vorbringen, seine Mutter habe nach diesem Vorfall am 05.08.2014 ihre Wohnung billig an ein Immobilienbüro verkauft, zeitlich vereinbar gewesen.

Dass, wie der BF vor dem BFA angab (AS 107), die Mutter des BF ihre Wohnung am 05.08.2014 an ein Immobilienbüro verkauft hat, ist bei tatsächlicher Furcht vor Bedrohung nicht nachvollziehbar, musste die Mutter des BF doch damit rechnen, dass dies bei tatsächlichem Interesse von Behördenvertretern an ihren Kindern bekannt wird bzw. zu verstärkter behördlicher Aufmerksamkeit und zum Nachforschen, was der Grund des Wohnungsverkaufs sei und wohin die Mutter des BF nun ziehen wolle, führt.

Wenn zudem seitens irakischer Behördenvertreter tatsächlich, wie der BF vor dem BFA mutmaßend angab, ein Interesse am BF und seinem Bruder gegeben (AS 105) gewesen wäre, hätten der BF und sein Bruder von diesen auch bei ihren Verwandten, bei denen sich der BF mit seinen Geschwistern nach dem angeblichen Vorfall am 08.07.2014 ab 10.07.2014 ein Jahr lang bis zur Ausreise aufgehalten haben soll, ausfindig gemacht werden können, sind doch irakische Behörden breit vernetzt.

Dies wäre ein Leichtes gewesen, soll sich der BF laut seinen Angaben vor dem BFA doch bei Verwandten innerhalb Bagdads, seiner Herkunftsstadt, nur in einem anderen Stadtteil, aufgehalten haben.

Der BF stützte sein Vorbringen, sie wollten ihn und seinen Bruder haben, jedenfalls bloß auf eine Vermutung seinerseits, und konnte nicht glaubhaft machen bzw. keinen Beweis dafür erbringen, dass er im Irak tatsächlich gefährdet wäre, entführt und getötet zu werden.

Befragt, ob jemals Übergriffe gegen seine Person stattgefunden haben und ob er festgenommen oder geschlagen wurde, gab er (bloß vermutend) vor dem BFA an:

„Nein. Diese Behördenleute kamen das zweite Mal zu meiner Mutter, weil sie unsere Namen auf ihre Geräte gespielt haben und wussten so, dass wir nicht ausgereist sind, sondern noch im Irak sind.“ (AS 107).

Im Bewusstsein, dass die Erstbefragung nicht vordergründig der Ermittlung von Fluchtgründen dient, ist darauf hinzuweisen, dass der BF in der Erstbefragung widersprüchlich zu seinen Angaben vor dem BFA am 23.03.2017 von einer direkten, individuellen Bedrohung gesprochen hat, als er angab:

„Ich wurde direkt bedroht, mir wurde nahegelegt, das Land zu verlassen, ansonsten ich getötet würde.“ (AS 33).

Laut seinen Angaben vor dem BFA wurde dem BF von keiner Seite persönlich nahegelegt das Land zu verlassen. Offiziersfreunde seines Vaters hätten nur seiner Mutter bei der Anzeigeerstattung geraten, sie sollten weggehen, würden doch Behördenvertreter kommen und sie befragen.

In der (zum größten Teil allgemeingehaltenen bzw. sich auf allgemeine Länderberichte stützenden) Beschwerde wurde dann – erstmals, gesteigert – angeführt, der BF sei geflohen, weil zahlreichen ehemaligen Kollegen seines Vaters etwas Ähnliches passiert sei, zuerst seien sie selbst, dann ihre Familienmitglieder verschwunden. (AS 322).

Begründend dafür, dass dies erst in der Beschwerde vorgebracht wurde, wurde angeführt:

„Dies hätte die Behörde den BF diesbezüglich befragen müssen. Deshalb hat der BF auch mit 2003 begonnen. Stattdessen hat die Behörde den BF während der freien Erzählung unterbrochen (…). Hätte die Behörde den BF ausreden lassen bzw. zumindest nach dem Grund seiner Vermutung gefragt, wäre sie zum Schluss gekommen, dass das Vorbringen des BF glaubwürdig ist“ (AS 323).

Diesbezüglich ist zunächst festzuhalten, dass der BF im Zuge seiner Berichterstattung, etwa befragt nach seiner Rückkehrbefürchtung, die Gelegenheit dazu gehabt hat, von sich aus darauf hinzuweisen, dasselbe Schicksal wie Kollegen seines Vaters und deren Familienangehörigen zu befürchten.

Stattdessen gab der BF befragt nach der Rückkehrbefürchtung allgemeingehalten an: „Angst vorm Staat Irak.“ (AS 115).

Dass, wie in der Beschwerde vorgehalten, die Behörde den BF nicht nach dem Grund seiner Vermutung gefragt hat, ist nicht richtig:

Nach Angabe, die Mutter habe die sie nach den Kindern befragenden Personen angelogen und ihnen gesagt, die Kinder seien in die Türkei gereist (AS 105), gab der BF befragt danach, warum sie das gemacht habe, an:

„Mein Vater ist verschollen und wenn wir mitgehen, dann würden wir auch verschollen werden.“ (AS 105).

Daraufhin wurde der BF gefragt, woher diese Vermutung kommt. Bei der Antwort auf diese Frage hätte der BF jedenfalls Gelegenheit dazu gehabt, vorzubringen, dasselbe Schicksal wie ehemalige Polizeikollegen und deren Familienangehörigen zu fürchten.

Der BF nahm bei seiner Antwort jedoch überhaupt nicht darauf Bezug und brachte vor:

„Die Stelle, die meinen Vater mitgenommen hat, ist eine Behörde und deswegen habe ich auch Angst gehabt, dass sie mich mitnehmen. Mein Vater hat andere Offiziere als Freunde und bei der Anzeigeerstattung haben diese Offiziere meiner Mutter gesagt, dass andere Personen kommen würden und uns befragen würden. Diese Offiziere haben meiner Mutter geraten, dass wir mitgehen müssen.“ (AS 105)

Der BF hat im Zuge der Schilderung seiner Fluchtgründe jedenfalls nie von einer direkten individuellen Bedrohung gesprochen, sondern nur Mutmaßungen angestellt.

Dass der BF vor seiner Ausreise ohne Problem ein Jahr bei Verwandten in seiner Herkunftsstadt bleiben und dann problemlos und auf legalem Weg über den Flughafen in Bagdad ausreisen konnte, spricht ebenso gegen eine tatsächliche den BF (und seinen Bruder bzw. seine Geschwister) individuell betroffene Bedrohungssituation vor Ausreise des BF Mitte Mai 2015, rund ein Jahr, nachdem er sich mit seinen Geschwistern bei seinen Verwandten niedergelassen hatte.

Der BF, der vor seinen Geschwistern ausgereist ist, konnte mit diesen zusammen offenbar in Ruhe Ausreisevorbereitungen treffen.

In der mündlichen Beschwerdeverhandlung befragt, ob der BF unter der Annahme, dass er die von ihm geschilderten Probleme oder Schwierigkeiten nicht hätte, wieder in seinem Herkunftsstaat leben könnte, gab dieser an:

„Wie stellt man es sich vor, dass ich nach fünf Jahren, die ich in Österreich lebe und meine Freundin hier ein Kind erwartet, dass ich in den Irak zurückkehre?“ (VH-Niederschrift, S. 6)

Aus diesem Vorbringen war keine Furcht des BF vor Verfolgung erkennbar. Der BF hält vielmehr ein Bleiberecht für selbstverständlich, stützend auf eine fünfjährige Aufenthaltsdauer und ein in dieser Zeit in Österreich entstandenes Privatleben.

Bei tatsächlicher Furcht vor Verfolgung bzw. Bedrohung in seinem Herkunftsstaat wäre zudem bereits eine Asylantragstellung in Griechenland, wo er wegen unrechtmäßigen Aufenthaltes angehalten wurde, zu erwarten gewesen. Der BF hatte jedoch von vornherein nur Österreich als Zielland im Visier gehabt. In seiner Erstbefragung gab er befragt danach, ob etwas gegen seine Rückkehr nach Griechenland sprechen würde, an, nicht dorthin zurückzuwollen, sein Zielland sei Österreich gewesen (AS 33). In der niederschriftlichen Einvernahme vor dem BFA gab der BF an:

„Ich dachte mir, sobald ich in Europa bin, bleibe ich einfach in einem Land, wo es Asyl gibt.“ (AS 113).

Die Art und Weise, wie der BF dies vorbrachte – „ich dachte mir, sobald ich in Europa bin, bleibe ich einfach in einem Land, wo es Asyl gibt“, zeugt von keiner tatsächlichen Furcht vor Verfolgung, hätte er doch bei tatsächlicher Angst nicht darüber nachgedacht, in welchem Land er bleiben solle, sondern hätte er einfach die nächstbeste Möglichkeit bzw. im konkreten Fall seinen Aufenthalt in Griechenland genützt, um einen Asylantrag zu stellen und internationalen Schutzstatus zu erlangen. Der BF beabsichtigte jedoch offenbar bloß, sich in dem EU-Land ein Bleiberecht zu verschaffen, in welchem nach Hören und Sagen die Chancen dafür am besten stehen, und hat sich von vornherein auf Österreich festgelegt.

Dem BF ist es jedenfalls nicht gelungen, sein Fluchtvorbringen über eine mit dem Verschwinden seines Vaters zusammenhängende persönliche Bedrohung im Irak glaubhaft zu machen.

Er ist nicht aufgrund einer individuellen Bedrohungssituation, sondern aufgrund der allgemeinen Lage vor Ort aus dem Irak ausgereist.

Der BF verneinte die Frage, ob er – abgesehen von dem Erwähnten – in seinem Heimatland persönliche Probleme mit staatlichen Behörden, Gerichten oder der Polizei gehabt habe.

Da eine individuelle Bedrohung des BF nicht glaubhaft gemacht werden konnte, waren auch keine persönlichen Probleme mit Behörden feststellbar.

Der BF war im Irak nie politisch tätig und hatte in seinem Heimatland keine Probleme aufgrund seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit und nie Probleme mit staatlichen Behörden, Gerichten oder der Polizei. Dies beruht auf seinen diesbezüglich glaubhaften Angaben vor dem BFA. (AS 111).

Da das Fluchtvorbringen über eine dem BF drohende Gefahr aufgrund einer Tätigkeit seines verschwundenen Vaters im Saddam Regime nicht glaubhaft war und der BF vor dem BFA eine politische Aktivität im Irak verneint hat, braucht auch nicht näher auf die in der Beschwerdeverhandlung am 18.08.2020 vorgelegte Stellungnahme samt Vorbringen über eine Verfolgung aufgrund der Verbindung zu Saddam Hussein sowie der Baath Partei eingegangen werden. Die diesbezüglich in der Stellungnahme zitierten BVwG-Entscheidungen betrafen andere Fallkonstellationen und sind für den gegenständlichen Fall irrelevant.

Der Grund für die Ausreise des BF aus dem Irak und seine Reise nach Österreich war jedenfalls keine individuelle Bedrohungssituation, sondern sein Wunsch, sich in Österreich ein Leben mit besseren Lebensbedingungen als in seinem Herkunftsstaat aufzubauen und hier eine Familie zu gründen.

2.6. Zur Lage im Herkunftsstaat:

Die Länderfeststellungen bestehen aus Länderberichten verschiedener Quellen staatlicher und nichtstaatlicher Natur.

2.7. Dass nach illegaler Einreise und Asylantragstellung des BF am 09.06.2015 am 02.07.2015, ein knappes Monat später, auch sein mittlerweile verstorbener Bruder und seine Schwester in das österreichische Bundesgebiet eingereist sind und einen Asylantrag gestellt und drei Jahre später am 06.07.2018 unterstützte freiwillige Rückkehr beantragt haben, beruht auf dem diesbezüglichen Akteninhalt samt den entsprechenden Antragsformularen für unterstützte freiwillige Rückkehrhilfe (AS 13f und 15f).

Der Rechtsvertreter des BF legte in der mündlichen Beschwerdeverhandlung eine Todesurkunde über eine Tötung des Bruders des BF durch Kopfschuss am 02.03.2019 vor. Festgestellt wird diesbezüglich, dass die Tötung seines Bruders nicht mit einem Verschwinden seines Vaters im Juli 2014 zusammenhängt.

2.8. Zur individuellen Situation des BF in Österreich

Der BF hat in Österreich eine Freundin und ein mit ihr gemeinsames Kind. Aus einer vorgelegten Kopie des Mutter-Kind-Passes seiner Freundin geht ein Geburtstermin an einem bestimmten Tag Ende August 2020 hervor.

Dass sich der BF in Österreich einige Deutschkenntnisse aneignen konnte, ergab sich aus dem diesbezüglichen Akteninhalt. In der mündlichen Beschwerdeverhandlung wurde auf eine absolvierte Deutschprüfung A1 verwiesen.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 in der geltenden Fassung, entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) das Bundesverwaltungsgericht.

Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013 in der geltenden Fassung, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt die Entscheidung in der gegenständlichen Rechtssache dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte, mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 in der geltenden Fassung, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG (Allgemeines Verwaltungsverfahrensgesetz 1991, BGBl Nr. 51/1991 in der geltenden Fassung) mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.2. Zu Spruchpunkt I.) des angefochtenen Bescheides:

3.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 in der geltenden Fassung, ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), droht.

Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Voraussetzung für die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (und Feststellung der Flüchtlingseigenschaft nach der GFK) ist somit, dass dem Asylwerber im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, also aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung, droht. Fehlt ein kausaler Zusammenhang mit einem oder mehreren dieser Konventionsgründe, kommt die Asylgewährung nicht in Betracht (VwGH vom 27.06.2016, Zl. Ra 2016/18/0098 mwN; und vom 16.11.2016, Zl. Ra 2016/18/0094).

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH die „wohlbegründete Furcht vor Verfolgung“. Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (VwGH vom 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; vom 17.03.2009, Zl. 2007/19/0459 und vom 28.05.2009, Zl. 2008/19/1031). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH vom 21.09.2000, Zl. 2000/20/0286; vom 10.11.2015, Zl. Ra 2015/19/0185 und vom 05.09.2016, Zl. Ra 2016/19/0074).

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, welcher geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (VwGH vom 24.11.1999, Zl. 99/01/0280; vom 05.09.2016, Zl. Ra 2016/19/0074 und vom 10.11.12015, Zl. Ra 2015/19/0185).

§ 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005 umschreibt „Verfolgung“ als jede Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 9 Statusrichtlinie, worunter - unter anderem - Handlungen fallen, die aufgrund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen gemäß Art. 15 Abs. 2 MRK keine Abweichung zulässig ist. Dazu gehören insbesondere das durch Art. 2 MRK geschützte Recht auf Leben und das in Art. 3 MRK niedergelegte Verbot der Folter (VwGH vom 15.12.2016, Zl. Ra 2016/18/0083; vom 23.02.2016, Zl. Ra 2015/20/0113 und vom 08.09.2015, Zl. Ra 2015/18/0080).

Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH vom 06.10.1999, Zl. 99/01/0279 mwN; vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131; vom 05.09.2016, Zl. Ra 2016/19/0074; vom 13.12.2016, Zl. Ro 2016/20/0005 und vom 10.08.2017, Zl. Ra 2017/20/0153).

Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; vom 13.12.2016, Zl. Ro 2016/20/0005 und vom 03.05.2016, Zl. Ra 2015/18/0212). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; vom 03.05.2016, Zl. Ra 2015/18/0212 und vom 13.12.2016, Zl. Ro 2016/20/0005). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH vom 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).

Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH vom 17.12.2015, Zl. Ra 2015/20/0048; vom 21.02.2017, Zl. Ra 2016/18/0171 und vom 23.02.2017, Zl. Ra 2016/20/0089).

Einer von Privatpersonen bzw. von privaten Gruppierungen ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung kommt Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten. Auch eine auf keinem Konventionsgrund beruhende Verfolgung durch Private hat aber asylrelevanten Charakter, wenn der Heimatstaat des Betroffenen aus den in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen nicht bereit ist, Schutz zu gewähren (VwGH vom 16.11.2016, Zl. Ra 2016/18/0233).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (in etwa VwGH vom 01.02.1995, Zl. 94/18/0731; vom 16.11.2016, Zl. Ra 2016/18/0233 und vom 10.08.2017, Zl. Ra 2017/20/0153). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht - diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann -, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (vgl. VwGH vom 20.05.2015, Zl. Ra 2015/20/0030 und vom 10.08.2017, Zl. Ra 2017/20/0153).

Die Statusrichtlinie 2011/95/EU sieht einerseits vor, dass die staatliche Schutzfähigkeit zwar generell bei Einrichtung eines entsprechenden staatlichen Sicherheitssystems gewährleistet ist, verlangt aber anderseits eine Prüfung im Einzelfall, ob der Asylwerber unter Berücksichtigung seiner besonderen Umstände in der Lage ist, an diesem staatlichen Schutz wirksam teilzuhaben (VwGH vom 16.11.2016, Zl. Ra 2016/18/0233).

Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor der konkreten Verfolgung findet (VwGH vom 08.06.2000, Zl. 99/20/0597; und vom 01.09.2005, 2005/20/0357). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. „inländische Fluchtalternative“ vor. Der Begriff „inländische Fluchtalternative“ trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH vom 08.09.1999, Zl. 98/01/0503; vom 09.11.2004, Zl. 2003/01/0534; vom 17.03.2009, Zl. 2007/19/0459; vom 19.10.2016, Zl. 2006/19/0297 mwN; und vom 08.08.2017, Zl. Ra 2017/19/0118).

Grundlegende politische Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet zu sein behauptet, können die Annahme begründen, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht (mehr) länger bestehe. Allerdings reicht eine bloße - möglicherweise vorübergehende - Veränderung der Umstände, die für die Furcht des betreffenden Flüchtlings vor Verfolgung mitbestimmend waren, jedoch keine wesentliche Veränderung der Umstände iSd. Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK mit sich brachten, nicht aus, um diese zum Tragen zu bringen (VwGH vom 21.01.1999, Zl. 98/20/0399; und vom 03.05.2000, Zl. 99/01/0359).

3.2.2. Der BF konnte sein Fluchtvorbringen vor dem BFA am 23.03.2017, sein Vater, ein Offizier im Saddam Regime, sei seit 08.07.2014 verschollen, weshalb auch der BF gefährdet sei, entführt oder getötet zu werden, nicht glaubhaft machen, und damit auch keine ihm unterstellte oppositionelle politische Gesinnung.

Da aus den Länderfeststellungen bzw. aktuellen Länderberichten keine gezielte, systematische Verfolgung der sunnitisch-arabischen Bevölkerungsgruppe im Irak hervorgeht, und die in Bagdad verbliebenen Familienangehörigen des BF (Mutter und Schwester) ihr Leben ungehindert und problemlos führen können, war auch keine den BF als sunnitischen Araber bei einer Rückkehr treffende Bedrohungssituation erkennbar.

Der BF hatte im Irak keine Probleme aufgrund seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, war im Irak nicht politisch tätig und hatte nie Probleme mit staatlichen Behörden, Gerichten oder der Polizei.

In Gesamtbetrachtung aller Umstände war somit kein Asylgrund ersichtlich, weshalb die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß
§ 3 Abs. 1 AsylG als unbegründet abzuweisen war.

3.3. Zu Spruchpunkt II.) des angefochtenen Bescheides:

3.3.1. Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird (Z 1), oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist (Z 2), der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde

Gemäß § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nach Abs. 1 mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 oder der Aberkennung des Status des Asylberechtigten nach § 7 zu verbinden.

Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn der beschwerdeführenden Partei eine innerstaatliche Fluchtalternative im Sinne des § 11 offen steht.

Ist ein Antrag auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht schon mangels einer Voraussetzung gemäß Abs. 1 oder aus den Gründen des Abs. 3 oder 6 abzuweisen, so hat gemäß § 8 Abs. 3a AsylG 2005 eine Abweisung auch dann zu erfolgen, wenn ein Aberkennungsgrund gemäß § 9 Abs. 2 AsylG 2005 vorliegt.

Diesfalls ist die Abweisung mit der Feststellung zu verbinden, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat unzulässig ist, da dies eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. Dies gilt sinngemäß auch für die Feststellung, dass der Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht zuzuerkennen ist.

Somit ist vorerst zu klären, ob im Falle der Rückführung des Fremden in seinen Herkunftsstaat Art. 2 EMRK (Recht auf Leben), Art. 3 EMRK (Verbot der Folter), das Protokoll Nr. 6 zur EMRK über die Abschaffung der Todesstrafe oder das Protokoll Nr. 13 zur EMRK über die vollständige Abschaffung der Todesstrafe verletzt werden würde. Der Verwaltungsgerichtshof hat in ständiger, noch zum Refoulementschutz nach der vorigen Rechtslage ergangenen, aber weiterhin gültigen Rechtsprechung erkannt, dass der Antragsteller das Bestehen einer solchen Bedrohung glaubhaft zu machen hat, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffende und durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerte Angaben darzutun ist (VwGH vom 23.02.1995, Zl. 95/18/0049; vom 05.04.1995, Zl. 95/18/0530; vom 04.04.1997, Zl. 95/18/1127; vom 26.06.1997, ZI. 95/18/1291; und vom 02.08.2000, Zl. 98/21/0461). Die Mitwirkungspflicht der Antragsteller bezieht sich zumindest auf jene Umstände, die in ihrer Sphäre gelegen sind und deren Kenntnis sich die Behörde nicht von Amts wegen verschaffen kann (VwGH vom 30.09.1993, Zl. 93/18/0214).

Unter „realer Gefahr“ ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen („a sufficiently real risk“) im Zielstaat zu verstehen (VwGH 19.02.2004, Zl. 99/20/0573; auch ErläutRV 952 BlgNR 22. GP zu § 8 AsylG 2005). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Artikels 3 EMRK zu gelangen (z.B. VwGH vom 26.06.1997, Zl. 95/21/0294; vom 25.01.2001, Zl. 2000/20/0438; und vom 30.05.2001, Zl. 97/21/0560).

Herrscht in einem Staat eine extreme Gefahrenlage, durch die praktisch jeder, der in diesen Staat abgeschoben wird - auch ohne einer bestimmten Bevölkerungsgruppe oder Bürgerkriegspartei anzugehören -, der konkreten Gefahr einer Verletzung der durch Art. 3 EMRK gewährleisteten Rechte ausgesetzt wäre, so kann dies der Abschiebung eines Fremden in diesen Staat entgegenstehen. Die Ansicht, eine Benachteiligung, die alle Bewohner des Staates in gleicher Weise zu erdulden hätten, könne nicht als Bedrohung im Sinne des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 gewertet werden, trifft nicht zu (VwGH vom 25.11.1999, Zl. 99/20/0465; vom 08.06.2000, Zl. 99/20/0203 und vom 17.09.2008, Zl. 2008/23/0588). Selbst wenn infolge von Bürgerkriegsverhältnissen letztlich offenbliebe, ob überhaupt noch eine Staatsgewalt besteht, bliebe als Gegenstand der Entscheidung nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die Frage, ob stichhaltige Gründe für eine Gefährdung des Fremden in diesem Sinne vorliegen (vgl. VwGH vom 08.06.2000, Zl. 99/20/0203).

Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (vgl. VwGH vom 27.02.2001, Zl. 98/21/0427 und vom 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028; siehe dazu vor allem auch EGMR vom 20.07.2010, N. gg. Schweden, Zl. 23505/09, Rz 52ff; vom 13.10.2011, Husseini gg. Schweden, Zl. 10611/09, Rz 81ff).

Bei außerhalb staatlicher Verantwortlichkeit liegenden Gegebenheiten im Herkunftsstaat kann nach der ständigen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) die Außerlandesschaffung eines Fremden nur dann eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellen, wenn im konkreten Fall außergewöhnliche Umstände ("exceptional circumstances") vorliegen (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich, Zl. 30240/96; 06.02.2001, Bensaid, Zl. 44599/98; vgl. auch VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443). Unter "außergewöhnlichen Umständen" können auch lebensbedrohende Ereignisse (zB Fehlen einer unbedingt erforderlichen medizinischen Behandlung bei unmittelbar lebensbedrohlicher Erkrankung) ein Abschiebungshindernis im Sinne des Art. 3 EMRK iVm. § 8 Abs. 1 AsylG 2005 bilden, die von den Behörden des Herkunftsstaates nicht zu vertreten sind (EGMR 02.05.1997, D. gg. Vereinigtes Königreich; vgl. VwGH 21.08.2001, Zl. 2000/01/0443; 13.11.2001, Zl. 2000/01/0453; 09.07.2002, Zl. 2001/01/0164; 16.07.2003, Zl. 2003/01/0059). Nach Ansicht des VwGH ist am Maßstab der Entscheidungen des EGMR zu Art. 3 EMRK für die Beantwortung der Frage, ob die Abschiebung eines Fremden eine Verletzung des Art. 3 EMRK darstellt, unter anderem zu klären, welche Auswirkungen physischer und psychischer Art auf den Gesundheitszustand des Fremden als reale Gefahr ("real risk") – die bloße Möglichkeit genügt nicht – damit verbunden wären (VwGH 23.09.2004, Zl. 2001/21/0137).

3.3.2. Im gegenständlichen Fall sind die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 nicht gegeben.

Dass der BF bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat Folter, einer erniedrigenden oder unmenschlichen Behandlung oder Strafe ausgesetzt sein könnte, konnte nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens nicht festgestellt werden.

Der BF hat in seinem Herkunftsstaat noch seine Mutter und eine Schwester als familiäre Anknüpfungspunkte. Er hat aufrechten Kontakt zu ihnen und wird bei einer Rückkehr bei ihnen Unterkunft nehmen können.

Der BF ist arbeitsfähig und wird nach einer Wiedereingliederung, bei welcher ihm seine Familienangehörigen vor Ort behilflich sein können, seinen Lebensunterhalt wie bereits vor seiner Ausreise über eine Tätigkeit als Friseur bestreiten können.

Die Rückreise des BF nach Bagdad, der Herkunftsstadt des BF, kann wie bereits seine Ausreise problemlos mit dem Flugzeug erfolgen.

Im Zuge der mündlichen Beschwerdeverhandlung am 18.08.2020 wurde eine schriftliche Stellungnahme des Rechtsvertreters des BF mit Verweis auf diverse Länderberichte vorgelegt und in Bezug auf die derzeitige Covid-19-Situation im Irak allgemeingehalten Folgendes festgehalten:

„Länder wie der Irak, die sich in Konfliktsituationen befinden, sind besonders von der Pandemie betroffen. Dies insbesondere, da sich die Covid-19-Pandemie massiv auf die politische und wirtschaftliche Lage im Irak auswirkt. Beispielsweise hat die Krise es dem sog. Islamischen Staat im Irak ermöglicht, wieder weiter zu erstarken.“

Die in der besagten Stellungnahme angeführten Länderberichte zeugen von kämpferischen bzw. kriegsbedingten Unruhen, bei denen teilweise auch Menschen getötet oder verletzt wurden. Wenn kämpferischen Zusammenstößen und Anschlägen Menschen zum Opfer gefallen sind, beruht dies auf der unruhigen Sicherheitslage im Irak und auf Zufall, dass es gerade diese Menschen getroffen hat.

Davon, dass der BF bei einer Rückkehr nach Bagdad ebenfalls getötet wird, kann mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit nicht ausgegangen werden.

Festzuhalten bleibt, dass keine individuelle Gefährdung des BF vorliegt.

Es wird dem BF jedenfalls für möglich und zumutbar gehalten, nach Bagdad und nach seiner Ankunft am Flughafen problemlos zu seinen Familienangehörigen zurückzukehren. Seine Mutter und Schwester, mit denen der BF aufrechten Kontakt hat, leben, wie der BF in der mündlichen Beschwerdeverhandlung selbst angab, unbehelligt in Bagdad, d

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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