Entscheidungsdatum
27.10.2020Norm
AsylG 2005 §54Spruch
W111 2107845-1/26E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Dr. DAJANI, LL.M., als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Georgien, vertreten durch Rechtsanwälte Mag. Josef Phillip Bischof und Mag. Andreas Lepschi, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 20.04.2015, Zl. 1030247706-14925209, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 30.01.2020, zu Recht:
A) I. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte II. und erster Satz des Spruchpunktes III. wird gemäß § 8 Abs. 1 und § 57 AsylG 2005 mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass der erste Satz des Spruchpunktes III. des angefochtenen Bescheides wie folgt zu lauten hat:
„Eine Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz gemäß § 57 AsylG 2005 wird nicht erteilt.“
II. Im Übrigen wird in Erledigung der Beschwerde ausgesprochen, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG idgF iVm § 9 Abs. 3 BFA-VG idgF auf Dauer unzulässig ist.
III. Gemäß §§ 54 und 55 AsylG 2005 idgF wird XXXX der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus“ für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.
B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Die Beschwerdeführerin, eine volljährige Staatsangehörige Georgiens, stellte am 29.08.2014 infolge illegaler Einreise in das Bundesgebiet den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz. Anlässlich der am nächsten Tag abgehaltenen Erstbefragung gab die Beschwerdeführerin zum Fluchtgrund an, dass sie Krebs gehabt habe und ihr die weitere medizinische Versorgung in ihrer Heimat finanziell nicht möglich sei. Bei einer Rückkehr habe sie Angst, dass ihr die notwendige medizinische Versorgung nicht zukommen könne.
Die Beschwerdeführerin legte ihren Führerschein vor.
2. Anlässlich ihrer am 08.04.2015 vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl abgehaltenen niederschriftlichen Einvernahme gab die Beschwerdeführerin zu Protokoll, dass bei ihr ein Schilddrüsenkarzinom festgestellt worden sei und die Schilddrüsen gänzlich entfernt worden seien. Zusammenfasst führte sie als ausschlaggebenden Grund für ihre Ausreise ihren Gesundheitszustand sowie die Ergebnisse ihrer Blutuntersuchung an.
Die Beschwerdeführerin legte ein Konvolut an ärztlichen Unterlagen vor.
3. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 20.04.2015 hat das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.) und den Antrag gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Georgien abgewiesen (Spruchpunkt II.). Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde gemäß §§ 57 und 55 AsylG 2005 nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 und Abs. 3 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Georgien zulässig ist. Weiters wurde ausgesprochen, dass gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für die freiwillige Ausreise der Beschwerdeführerin 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt III.).
Begründend wurde im Wesentlichen festgehalten, dass die Beschwerdeführerin keine persönlichen Fluchtgründe ins Treffen geführt habe, sondern lediglich angegeben habe, wegen ihrer Erkrankung und der medizinischen Versorgung das Heimatland verlassen zu haben. Es seien in einer Gesamtbetrachtung keine asylrelevanten Gründe erkennbar gewesen. Da sich die medizinische Versorgung in Österreich nicht wesentlich von der medizinischen Versorgung in Georgien unterschieden habe, seien keine Gründe feststellbar, die gegen eine Rückkehr in ihr Heimatland sprechen würden bzw. eine Erteilung des subsidiären Schutzes rechtfertigen würden. Sie habe die medizinischen Behandlungen bzw. notwendigen Medikamente bereits im Heimatland erhalten, weshalb eine fortlaufende medizinische Betreuung ihrer Erkrankung im Heimatland gewährleistet sei. Auch wenn nicht alle Behandlungen oder Medikamente kostenlos seien, so sei ihren Angaben zu entnehmen gewesen, dass sie die Behandlungen bis zu ihrer Ausreise finanzieren habe können. Die öffentlichen Interessen an einer Effektuierung des Asyl- und Fremdenrechtes würden ihre privaten Interessen an einer Aufrechterhaltung ihres dargestellten Privat- und Familienlebens überwiegen.
4. Gegen den angeführten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl richtet sich die mit Unterstützung einer Rechtsberatungsorganisation fristgerecht eingebrachte Beschwerde, die sich nicht gegen Spruchpunkt I richtet. In dieser führte sie im Wesentlichen aus, dass sie gesehen habe, dass die medizinische Behandlung in Georgien keine Heilung bewirkt habe. Aufgrund der falschen Behandlung habe sie nun ernstzunehmende Folgeschäden erlitten.
Unter einem wurde ein Befund vorgelegt.
5. Die Beschwerdevorlage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl langte am 29.05.2015 beim Bundesverwaltungsgericht ein.
6. Die Beschwerdeführerin ist zu den am 06.06.2019 sowie am 10.09.2019 im Bundesverwaltungsgericht anberaumten Verhandlungsterminen nicht erschienen.
7. Mit Beschluss vom 18.09.2019 wurde das Beschwerdeverfahren gemäß § 24 AsylG eingestellt.
8. Am 19.11.2019 erging ein Beschluss betreffend Fortsetzung des Beschwerdeverfahrens.
9. Am 30.01.2020 wurde zur Ermittlung des entscheidungsmaßgeblichen Sachverhaltes die öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht fortgesetzt, an welcher die Beschwerdeführerin, deren gewillkürter Vertreter sowie eine Dolmetscherin für die georgische Sprache teilgenommen haben. Das Bundesamt war ordnungsgemäß geladen worden, hatte jedoch bereits im Vorfeld schriftlich mitgeteilt, auf eine Teilnahme an der Beschwerdeverhandlung zu verzichten.
Im Zuge dessen legte die Beschwerdeführerin mehre Unterlagen vor, und zwar eine Einstellungszusage über eine Vollzeitbeschäftigung, eine Bestätigung über die Teilnahme an einer Gruppenpsychotherapie, ein ärztliches Gesundheitszeugnis sowie (weitere) ärztliche Unterlagen.
Die gegenständlich relevanten Teile der Verhandlung gestalteten sich, wie folgt:
„R: Möchten Sie hinsichtlich Ihrer bisherigen Aussagen, Korrekturen vornehmen oder Ergänzungen vornehmen?
BF: Bei der EB habe ich mich ausgedrückt, indem ich nur meine Probleme bezüglich meiner Gesundheit geschildert habe. Über private Probleme habe ich dort nicht gesprochen, ebenso nicht über meine Situation in Georgien.
R: Können Sie mir in kurzen Worten sagen, welche Bereiche oder Problemfelder Sie nicht geschildert haben und warum Sie sie nicht geschildert haben?
BF: Ich kam damals nach XXXX . Ich hatte kurz darauf eine Einvernahme. Ich habe auf die gestellten Fragen geantwortet. Damals war meine Diagnose ein Problem für mich, ich habe sonst nichts gesehen. Im Mai 2015 hatte ich meine Einvernahme.
R: Bei dieser Einvernahme haben Sie ihre Fluchtgründe nicht vollständig angegeben?
BF: Ja so war das. Ich habe immer über meine Gesundheit gesprochen und nicht vollständig über meine Probleme gesprochen.
R: Ihre EB fand im August 2014 statt und das Verfahren dauerte bis April 2015. Warum war es Ihnen in diesen vielen Monaten nicht möglich, Ihre wahren Fluchtgründe anzugeben?
BF: Ich hatte damals noch keinen RA. Ich war nicht ausreichend informiert. Was ich wusste war, dass ich über mein Hauptproblem schildern soll.
R: Können Sie mir in kurzen Worten Ihren Lebenslauf schildern?
BF: Ich bin in Georgien geboren und aufgewachsen. Ich habe weder Geschwister noch Eltern: Ich habe einen Sohn. Er lebt in Georgien. Ich habe einen Hochschulabschluss in Technischer Chemie. Ich habe in mehreren Fabriken gearbeitet: einmal war das die Fabrik für Alkoholfreie Getränke, danach in einer Teefabrik. Ich habe auch in einem Büro gearbeitet. Zuletzt habe ich vor 12 oder 13 Jahren gearbeitet. Im Anschluss habe ich nicht offiziell gearbeitet ich habe auf Märkten ge- und verkauft. Meine wirtschaftliche Situation in Georgien würde ich als bedürftig bezeichnen. Jeden Tag musste man ums Überleben kämpfen. Ich bin ledig. Mein Sohn ist 37 Jahre alt. Wir stehen nicht in Kontakt. Es ist schwer über dieses Thema zu sprechen. Mein Sohn und ich hatten Probleme und daher riss der Kontakt ab. Ich weiß überhaupt nichts über sein Schicksal.
R: Bitte Schildern Sie mir detailliert und chronologisch Ihre Fluchtgeschichte.
BF: Ich habe ein normales Leben geführt und habe alleine in meiner Wohnung gewohnt. Ich hatte einen Ehemann, aber wir stritten sehr oft miteinander. Wir haben uns kirchlich getraut, jedoch nicht standesamtlich. Das war aber mein zweiter Ehemann.
R weist auf die vorherigen Aussagen des Familienstandes hin und ersucht um Bericht und Erklärung.
BF: Ich bin ledig, weil ich weder mit den ersten noch mit meinem zweiten Partner verheiratet war. Mit dem ersten Partner habe ich einen Sohn, mit diesem habe ich jedoch einen Konflikt gehabt wegen meines zweiten Partners. Mit niemanden war ich standesamtlich verheiratet.
R: Fahren Sie fort.
BF: Das, was man von einem Familienleben erwartet, das fand in meiner Familie nicht statt: Es gab Konflikte mit meinem zweiten Partner und auch mit meinem Sohn. Es gab immer streit in meiner Familie. Eines Tages nachdem ich mich nicht wohlfühlte habe ich eine Blutanalyse machen lassen und ich wurde weiter zur Kontrolle nach XXXX geschickt. In XXXX wurde eine Biopsie gemacht und es wurde ein Schilddrüsenkarzinom diagnostiziert mit Metastasen im Rachenbereich. Das steht alles in meiner Diagnose. Der Arzt meinte, dass es eine dringende OP notwendig ist und ich solle das Geld zusammensparen oder ausborgen, um die OP durchführen zu lassen. Das war für mich ein Schockzustand. Ich habe damals nicht davon geträumt, sieben weitere Jahre noch Leben zu können. Das war ein Traumbereich damals. Am 23. Tag nach der Diagnose wurde ich operiert. Ich bin davor zur Bank gegangen und habe einen Kredit aufgenommen von 10.000 Lari (D: ca. 3000 – 5000 EUR). Vor der OP wurde noch eine Biopsie gemacht, weil die OP so dringend war, wurde ich an einem Samstag operiert. Der OP-Saal wurde am Samstag geöffnet. Also nach der OP wurde mir mitgeteilt, dass ich eine Radioaktive Behandlung brauche. Diese war mit extra Kosten verbunden. Außerdem musste ich täglich ein Medikament namens Eutiroxin nehmen. Diese Radioaktive Behandlung war in Georgien nicht möglich, aber in der Ukraine in XXXX oder in XXXX . Man sammelte mehrere Patienten und schickte dann mehrere Patienten zusammen in die Ukraine, aber es war eine Vorbereitungszeit von einem Monat notwendig, das heißt ich durfte dieses Medikament Eutiroxin nicht einnehmen. Die Folge war, dass mein Gesicht geschwollen ist und ich Herzprobleme bekommen habe. Die Schilddrüse ist wichtig für den Körper, dass muss ich Ihnen nicht erzählen. Der Grund dafür, warum man das Medikament absetzt ist, dass dieser Radioaktive Stoff besser wirkt. Ich habe auch später in Österreich ein Medikament erhalten, das Jod beinhaltete. Der Professor sagte, dass ich eine weitere Behandlung brauche und für diese weitere Behandlung müsste ich nach Europa, am besten nach Deutschland oder Österreich, wenn ich weiterleben möchte. Zuerst habe ich meine Wohnung in Georgien verkauft und erst dann. Ich habe die Bankschulden zurückgezahlt und bin dann ausgereist.
R: Gibt es einen anderen Themenbereich, zudem Sie ein asylrelevantes Vorbringen erstatten wollen? (R erklärt die Frage)
RV: Meines Wissens nein.
BF: Ich hatte keine politischen oder religiösen, ethnischen Probleme in Georgien. Aber ich habe nach dieser Diagnose recherchiert, warum man diese Probleme bekommt, weil man Stress hat.
R weist auf die medizinische Versorgungssituation in Georgien hin, welche auch in den LIB berichtet sind.
BF: Ich musste in Georgien alles verkaufen. Ich wüsste nicht wohin ich gehen soll. Auch was die Dosierung von diesem Medikament anbelangt Eutiroxin. Ich bekomme jetzt 137 mg des Medikamentes. Es ersetzt die Schilddrüse, die es nicht mehr gibt. Nachgefragt gebe ich an, dass ich keinen Krebs mehr habe.
RV legt folgende Unterlagen vor: ein Patientenblatt datiert mit 28.01.2020, ein ärztliches Gesundheitszeugnis eines praktischen Arztes in XXXX , sowie eine Bestätigung der Diakonie über die Teilnahme der BF an einer Gruppenpsychotherapie.
R: Sie sind im Moment nicht in einer akuten Krebsbehandlung bzw. Gelten als geheilt?
BF: Ja.
R: Gibt es noch ein Vorbringen zu Asyl und subsidiären Schutz?
BFV: Welche Kosten außer diese 3000-5000 EUR sind noch entstanden für die medizinische Behandlung?
BF: Alle Kosten die mit der Behandlung in der Ukraine entstanden sind, musste ich selbst tragen. Angefangen mit Transportkosten. Lebensmittel und Zimmer. Ich kann mit zahlen gut umgehen. Es sind aber sieben Jahre vergangen. Nur das Medikament das ich einnehmen musste, kostete 800 USD.
Die Verhandlung wird um 11:24 Uhr unterbrochen und um 11:36 Uhr fortgesetzt.
R: Bitte fahren Sie fort oder haben Sie etwas hinzuzufügen?
BF: Diese Behandlung heißt Ablation. Man bekommt in einem kleinen Becher das Medikament. Das ist ein Radioaktives Jod. Man nimmt es ein. Dieser kleine Becher hat 800 USD gekostet. Man hält sich in einem Vakuumraum auf und das kostet extra 500 USD. Als ich dann nach Georgien reiste, ging am Flughafen die Alarmanlage an, weil ich durch diese Radiation ein Signal ausgelöst habe.
BFV: Haben Sie vor der Ausreise finanzielle Mittel um die weitere medizinische Behandlung sicherzustellen?
BF: Ich habe einen Kredit extra für die Behandlung vor der OP aufgenommen. Weil der Staat hat keine Kosten übernommen. Ich musste alles selbst zahlen.
BFV: Haben Sie nach Rückzahlung des Kredites noch weitere Zahlungsmittel gehabt?
BF: Ich habe meine Wohnung verkauft in Georgien.
BFV: Ist da etwas übergeblieben?
BF: Ich habe alles ausgegeben.
R: Haben Sie noch ein weiteres Vorbringen?
BF: Nein.
R: Bitte schildern Sie mir Ihr Privat- und Familienleben in Österreich. R erklärt die Frage.
BF: Ich bin mittlerweile seit 6 Jahren in Österreich. Vielleicht ist es meine Stärke, dass ich schnell Kontakte mit Menschen knüpfe. Ich spreche Russisch, Englisch und möchte unbedingt Deutsch lernen. Ich will damit sagen, dass ich faulenze, sondern interessiert bin Deutsch zu lernen. Dieser Deutschkurs hängt mit einer Finanzierung zusammen und ich musste einen Kurs auslassen. Ich lerne zu Hause.
R: Sprechen Sie Deutsch? Wenn ja, auf welchem Niveau?
BF: Ich spreche Deutsch, ich alles verstehen.
R: Haben Sie Prüfungen über die Deutsche Sprache abgelegt`
BF: Nein.
R: Gesetzt den fall Sie hätten eine Beschäftigungsbewilligung, hätten Sie bereits einen Arbeitsplatz in Aussicht?
BF: Ja.
BFV legt eine Bestätigung einer Reinigungsfirma in XXXX vor.
R: Welche sozialen Kontakt haben Sie in Österreich?
BF: Es gibt in XXXX in der XXXX ein nachbarzentrum, wo ich jede Woche hingehe. Da versammeln sich Menschen. Es sind Österreicher und nicht Österreicher dabei. Es findet ein Dialog statt. Es ist eine sehr gute Aura dort und gehe sehr gerne hin. Ich gehe auch regelmäßig in die Kirche. In eine Kirche in XXXX . Ich wohne in XXXX . Ich habe in XXXX gute Bekannte die nach XXXX fahren und ich nutze die Gelegenheit zur Mitfahrt. Ich besuche auch Museen gerne. Ich war auch schon im Mozartmuseum. Ich habe auch österreichische Freunde. XXXX . Nachgefragt: XXXX selbst ist eine Georgierin und heißt XXXX (phonetisch).
R: Wie viel würden im Falle einer Anstellung bei XXXX verdienen?
BF: 10 EUR pro Stunde.
R: Wie viele Stunden würden Sie dort arbeiten?
BF: Die Firma wäre bereit auch Vollzeit zu beschäftigen. Ich könnte auch in einer Küche arbeiten.
R: Gibt es ein weiteres vorbringen zum Thema Integration bzw. Privat- und Familienleben?
BFV: Was machen Sie in der Kirche in XXXX ?
BF: In der Kirche gehört auch gereinigt. Die Kerzen müssen gesammelt werden. Ich unterstütze dort. Ich wollte das Menschen sehen, dass ich bemüht bin in Kontakt zu treten und für sie etwas zu tun. Es treffen sich sehr viele Mensch aus aller Welt und alle sind unterschiedlich. Ich bin von Natur aus ein Mensch, der immer helfen muss. Es ist eine katholische Kirche. Ich möchte nur ergänzend sagen, dass ich dieses Land sehr, sehr mag.
R: Vorgelegt wird das LIB der Staatendokumentation vom 12.09.2019.
Ein Exemplar wird an den BFV übergeben.
Der BFV beantrag eine Frist zur Beantwortung von 2 Monaten nicht nur zur Stellungnahme, sondern auch zur Beibringung von Integrationsrelevanten Unterlagen.
Der R gewährt eine Frist bis 30. März 2020.
R: Gibt es noch ein weiteres Vorbringen?
BFV: Nein.
Vorgelegte unterlagen werden in Kopie zum Akt genommen und Originale returniert.“
10. In weiterer Folge übermittelte die Beschwerdeführerin mehrere Schreiben, unter anderem Folgende: Mit Schreiben vom 30.03.2020 legte die Beschwerdeführerin eine Einstellungszusage (Entgelt: EUR 1.598,64 brutto) sowie einen Anmeldebogen zur A1 Prüfung am 10.03.2020 vor. Mit weiterer Eingabe vom 15.06.2020 übermittelte sie ein Zeugnis betreffend die Integrationsprüfung A1. Mit Schreiben vom 24.08.2020 legte die Beschwerdeführerin ein Zeugnis zur Integrationsprüfung Sprachniveau A2 vor.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen
1.1. Die Beschwerdeführerin ist volljährige Staatsangehörige Georgiens, welche der georgischen Volksgruppe angehört, sich zum orthodoxen Glauben bekennt und die im Spruch ersichtlichen Personalien führt. Ihre Identität steht fest. Die Beschwerdeführerin reiste illegal in das Bundesgebiet ein, stellte am 29.08.2014 den gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz und hält sich seit diesem Zeitpunkt ununterbrochen im Bundesgebiet auf. Die Beschwerdeführerin ist in XXXX geboren und hat auch zuletzt vor der Ausreise dort gelebt. Die Beschwerdeführerin ist mit ihrem (zweiten) Ehemann traditionell verheiratet. Standesamtlich war sie nie verheiratet. Sie hat einen Sohn aus erster Ehe. Ihr Sohn ist verheiratet und hat Kinder. Die Eltern der Beschwerdeführerin sind bereits verstorben. Im Herkunftsstaat halten sich unverändert der Ehemann, der Sohn und die Enkelkinder der Beschwerdeführerin auf. Es bestehen zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem Sohn sowie zwischen der Beschwerdeführerin und ihrem (zweiten) Ehegatten Konflikte. Die Beschwerdeführerin verfügt daher – trotz familiärer Zwistigkeiten – über familiäre Anknüpfungspunkte im Herkunftsstaat. Die Beschwerdeführerin hat nach der Schule einen Hochschulabschluss in Technischer Chemie absolviert und anschließend in mehreren Fabriken, in einem Büro und auf Märkten gearbeitet. Sie spricht Georgisch und Russisch. Zudem ist sie mit den Gepflogenheiten im Herkunftsstaat vertraut.
1.2. Die Beschwerdeführerin wäre im Fall einer Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung in die Russische Föderation weder in ihrem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen noch von der Todesstrafe bedroht.
Die Beschwerdeführerin liefe dort nicht Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten. Der Beschwerdeführerin ist eine Teilnahme am Erwerbsleben und eigenständige Bestreitung ihres Lebensunterhalts möglich und zumutbar.
Die Beschwerdeführerin wurde wegen eines Schilddrüsenkarzinoms im Herkunftsstaat operiert; die Schilddrüsen wurden entfernt. Sie bekam in der Ukraine eine radioaktive Jodbehandlung. Die Beschwerdeführerin erhielt im Herkunftsstaat eine Nachbehandlung. Sie steht derzeit nicht in einer akuten Krebsbehandlung und gilt als geheilt. In Österreich nahm die Beschwerdeführerin Kontrollen und Nachbehandlungen in Anspruch. Weiters litt die Beschwerdeführerin an Migräne. Dazu kam noch ein Diabetes mellitus, der allerdings derzeit nur mehr diätisch behandelt wird, ein Bluthochdruck und ein zu hoher Cholesterin-Spiegel. Zudem nahm sie an einer Gruppenpsychotherapie teil. Die Beschwerdeführerin leidet an keinen schwerwiegenden oder lebensbedrohlichen Krankheiten, die einer Rückkehr in ihren Herkunftsstaat entgegenstehen würden. In Georgien besteht eine ausreichende medizinische Grundversorgung, weswegen die Beschwerdeführerin hinsichtlich allfälliger psychischer und physischen Leiden ausreichend behandelt werden könnte.
1.3. Die unbescholtene Beschwerdeführerin spricht grundlegend Deutsch und hat glaubhaft vorgebracht, dass sie sich um einen weiteren Ausbau ihrer Deutschkenntnisse bemühen werde. Zuletzt hat sie eine Integrationsprüfung auf dem Niveau A2 absolviert (ÖIF, Prüfungsdatum 24.07.2020). Die Beschwerdeführerin geht jede Woche in ein Nachbarzentrum. Zudem besucht sie regelmäßig die Kirche, in der sie auch unterstützend mitwirkt. Die Beschwerdeführerin hat sich ein entsprechendes soziales Netzwerk in Österreich aufgebaut und betonte glaubwürdig ihren Wunsch, ehestmöglich eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen, um ihren Lebensunterhalt künftig eigenständig bestreiten zu können. Sie verfügt über eine Einstellungszusage für eine Vollbeschäftigung mit einem in Aussicht gestellten Bruttoeinkommen in Höhe von EUR 1.598,64. Demnach ist eine künftige Selbsterhaltungsfähigkeit der Beschwerdeführerin, welche ihren Lebensunterhalt gegenwärtig im Rahmen der Grundversorgung bestreitet, zu prognostizieren. Sie verfügt über einen Freundes- und Bekanntenkreis in Österreich.
1.4. Insbesondere zur allgemeinen Situation und Sicherheitslage in Georgien, zur allgemeinen Menschenrechtslage, zur Grundversorgung, zur medizinischen Versorgung und zur Lage von Rückkehrern wird Folgendes festgestellt:
Sicherheitslage
Die Lage kann in den meisten Landesteilen als stabil bezeichnet werden. Die Konflikte um die beiden separatistischen georgischen Regionen Abchasien und Südossetien sind indes ungelöst und verursachen Spannungen. Trotz vordergründiger Beruhigung der Lage kann ein erneutes Aufflammen des Konfliktes zwischen Abchasien bzw. Südossetiens und Georgien nicht ausgeschlossen werden (EDA 13.8.2019).
Die EU unterstützt durch die Arbeit des EU-Sonderbeauftragten für den Südkaukasus und die EU-Beobachtermission (EUMM) aktiv die Bemühungen um Konfliktlösung. 2009 wurde der Incident Prevention and Response Mechanism (IPRM) geschaffen, der Risiko- und Sicherheitsfragen der Gemeinden in den abtrünnigen Regionen Abchasiens und Südossetens erörtern soll (EC 30.1.2019).
Quellen:
? EC - European Commission (30.1.2019): Association Implementation Report on Georgia [SWD (2019) 16 final], https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/2019_association_implementation_report_georgia.pdf, Zugriff 30.1.2019
? EDA - Eidgenössisches Departement für auswärtige Angelegenheiten (13.8.2019): Reisehinweise für Georgien, https://www.eda.admin.ch/eda/de/home/laender-reise-information/georgien/reisehinweise-georgien.html, Zugriff 13.8.2019
Regionale Problemzone: Abchasien
Abchasien (ca. 200.000 Einwohner) hat sich – unterstützt von Russland – als unabhängig erklärt und sucht die weitere Annäherung an Russland. Die Regierung in Tiflis hat keine Verwaltungshoheit über das Gebiet, in dem sich de facto ein politisches System mit Regierung, Parlament und Justiz etabliert hat. Eigene Streitkräfte, unterstützt durch russisches Militär, sichern die zunehmend von ihnen befestigte Verwaltungsgrenze zu Georgien. Diese ist nur in einem sehr geringen Maße für Einwohner der Gebiete durchlässig. Militärische Auseinandersetzungen gibt es seit 2008 jedoch nicht mehr. Das Recht auf Rückkehr der vertriebenen Georgier wird von den abchasischen de facto-Behörden verwehrt. Nur der Verwaltungskreis Gali im südlichen Teil Abchasiens, nahe dem georgischen Hauptterritorium, ist noch stark georgisch/megrelisch besiedelt. Es liegen Hinweise vor, dass Bewohner dieses Gebiets bzw. Angehörige der georgischen/megrelischen Bevölkerung in Abchasien staatlich benachteiligt werden (z.B. beim Erwerb von Aufenthalts- und Arbeitserlaubnissen, der Besetzung öffentlicher Stellen, dem Zugang zu Bildung oder bei der Gesundheitsfürsorge). Erschwernisse gibt es beim Übertritt der administrativen Grenze nach Georgien. Ziel ist es offenbar, die georgische Bevölkerung entweder zur Aufgabe der georgischen Staatsangehörigkeit oder zum Verlassen ihrer angestammten Heimat zu veranlassen (AA 27.8.2018).
In Abchasien verbietet das Rechtssystem Eigentumsansprüche von ethnischen Georgiern, die Abchasien vor, während oder nach dem Krieg von 1992-93 verlassen haben, wodurch Binnenvertriebenen ihre Eigentumsrechte in Abchasien entzogen werden (USDOS 13.3.2019, vgl. FH 4.2.2019). Die abchasischen Behörden verfolgen eine Politik, die den rechtlichen Status von ethnischen Georgiern im Distrikt Gali bedroht. Sie schlossen Dorfschulen und zwingen georgische Schüler, ausschließlich in russischer Sprache zu lernen (USDOS 13.3.2019).
Die abchasischen Behörden und russische Streitkräfte schränken weiterhin die Bewegungsfreiheit der lokalen Bevölkerung entlang der administrativen Grenzlinie (ABL) ein, gleichwohl sie Flexibilität bei Reisen nach Georgien aus medizinischen Gründen, zwecks Pensionsleistungen, Bildung, etc. zeigen. Dorfbewohner, die sich unerlaubt der administrativen Grenze oder den Grenzübergängen nähern, riskieren die Inhaftierung durch die Grenzschutzbeamten der Russischen Föderation. Russische Grenzschutzbeamte entlang der ABL mit Abchasien setzen die Vorschriften der abchasischen Behörden mittels Festnahmen und Geldbußen durch (USDOS 13.3.2019).
Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) hat keinen Zugang zu Gefängnissen und Haftanstalten in Abchasien. Die Zustände dort gelten als chronisch schlecht (USDOS 13.3.2019).
Zu den anhaltenden Problemen Abchasiens gehören ein mangelhaftes Strafrechtssystem, die Diskriminierung ethnischer Georgier und ein Mangel an wirtschaftlichen Möglichkeiten. Während die Volksmeinung einen Einfluss auf die abchasische Innenpolitik hat, ist das Funktionieren der politischen Institutionen Abchasiens fast ausschließlich von der wirtschaftlichen und politischen Unterstützung aus Moskau abhängig. Die ethnisch georgische Bevölkerung ist regelmäßig von Wahlen und politischer Repräsentation ausgeschlossen. Im Jahr 2017 argumentierten die abchasischen „Behörden“, dass die Mehrheit der Einwohner des Distrikts Gali georgische Staatsbürger seien und daher nicht wählen dürften (FH 4.2.2019).
Dennoch weist das politische System eine starke Opposition und zivilgesellschaftliche Aktivität auf. Allerdings behindert die Korruption innerhalb der Parteien deren demokratie- politische Funktion. Im Allgemeinen wird das Vereinigungsrecht geachtet. Ähnliches gilt für das Versammlungsrecht. Politische Parteien und Organisationen der Zivilgesellschaft organisieren regelmäßig Proteste, selbst für den Rücktritt des abchasischen „Staatspräsidenten“ (FH 4.2.2019).
Hinsichtlich der Religionsfreiheit erfährt die georgisch-orthodoxe Kirche Restriktionen und Diskriminierung. Die Zeugen Jehovas sind als extremistische Organisation klassifiziert und seit 1995 verboten (USDOS 21.6.2019, vgl. FH 4.2.2019). Obgleich Vorsteher der muslimischen Gemeinde in der Vergangenheit angegriffen wurden, dürfen Muslime ihren Glauben frei praktizieren (FH 4.2.2019).
Nepotismus und Korruption, die oft auf Clan- und ethnischen Bindungen beruhen, haben erhebliche Auswirkungen auf die abchasische Justiz. Die Umsetzung gerichtlicher Entscheidungen ist nach wie vor uneinheitlich. Das Strafrechtssystem wird durch den eingeschränkten Zugang der Angeklagten zu qualifiziertem Rechtsbeistand, Verletzungen des ordentlichen Verfahrens und langwierige Untersuchungshaft untergraben (FH 4.2.2019).
Quellen:
? AA - Auswärtiges Amt (27.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien
? FH – Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 – Abkhazia, https://freedomhouse.org/report/freedom-world/2019/abkhazia, Zugriff 20.8.2019
? USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004295.html, Zugriff 20.8.2019
? USDOS – US Department of State (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom, https://www.ecoi.net/de/dokument/2011145.html, Zugriff am 20.8.2019
Regionale Problemzone: Südossetien
Große Teile Südossetiens wurden nach dem Ende eines Bürgerkriegs 1992 de facto unabhängig. Der Krieg im Jahr 2008 führte zum Einmarsch russischer Truppen und zur Vertreibung der zuvor noch bestehenden georgischen Regierungspräsenz sowie etlicher ethnischer Georgier. Nur Russland und eine Handvoll anderer Staaten haben seither die Unabhängigkeit Südossetiens anerkannt. Das Territorium bleibt fast vollständig von Russland abhängig und Moskau übt einen entscheidenden Einfluss auf die Politik und die Regierungsführung aus (FH 4.2019).
Im März 2017 drückte eine Resolution des UN-Menschenrechtsrates große Besorgnis über die Menschenrechtssituation in den separatistischen Gebieten Abchasien und Südossetien aus, wobei insbesondere Entführungen, willkürliche Festnahmen, Verletzung von Eigentumsrechten, das Fehlen muttersprachlichen Schulunterrichts, mangelnde Freizügigkeit und Diskriminierung aufgrund ethnischer Herkunft und Verweigerung des Rückkehrrechts für die geflüchtete georgische Bevölkerung genannt werden. Die Diskriminierung dieser Bevölkerungsteile kann als zielgerichtet bewertet werden, um diese zur Abwanderung zu bewegen. Dagegen ist die Anwesenheit der im Gebiet von Akhalgori (Südossetien) lebenden Georgier gegenwärtig akzeptiert (AA 27.8.2018, vgl. FH 4.2.2019). Obwohl die südossetischen de facto-Behörden den meisten wegen des Konflikts von 2008 vertriebenen ethnischen Georgiern die Rückkehr nach Südossetien verweigern, gibt es eine besondere Übergangsregelung für diejenigen aus dem Bezirk Akhalgori. Die Behörden erlauben den meisten internationalen Organisationen keinen regelmäßigen Zugang nach Südossetien zur Leistung humanitärer Hilfe (USDOS 13.3.2019).
Die russische „Grenzverfestigung“ (borderization) der administrativen Grenze (ABL) geht weiter, sodass Anrainer von ihren Gemeinden bzw. Lebensgrundlagen getrennt werden (USDOS 13.3.2019, vgl. AI 7.2019). Die Dorfbewohner - einige leben in den ärmsten Teilen des Landes - verlieren Zugang zu Weiden, Ackerland und Obstgärten, zu Wasserquellen und Brennholz. Sie sind von ihren Verwandten und Einkommensgrundlagen ebenso abgeschnitten wie vom kulturellen und sozialen Leben. Jedes Jahr werden Hunderte von Menschen willkürlich festgehalten, während sie versuchen, die ABL zu überqueren (AI 7.2019). Die Einschränkungen der Bewegungsfreiheit zwischen Südossetien und Georgien wurden 2018 verschärft. Wie in den vergangenen Jahren wurden Dutzende georgischer Bürger von südossetischen Grenzschutzbeamten in der Nähe der administrativen Grenze zum Rest Georgiens festgehalten und gegen Zahlung einer Geldstrafe freigelassen. Im November 2018 verabschiedete das Parlament Südossetiens ein neues Gesetz, das die Geldbußen für illegale Grenzübertritte um fast das Vierfache erhöht. Ende Dezember 2018 gaben die Behörden bekannt, dass ein spezieller Pass erforderlich sein würde, um die Grenze zu Georgien zu überschreiten (FH 4.2.2019).
Die lokalen Medien stehen weitgehend unter Kontrolle der Behörden, die auch die Aktivitäten der Zivilgesellschaft einschränken oder genau überwachen. Zahlreiche politische Parteien wurden durch bürokratische Hürden an der Registrierung vor den Parlamentswahlen 2019 gehindert. Aufgrund des erheblichen russischen Einflusses auf die Innenpolitik und Entscheidungsfindung arbeitet die Regierung Südossetiens nicht transparent. Behörden-Korruption ist weit verbreitet. Ein systematischer Zugang diese zu bekämpfen besteht nicht. Die Justiz ist nicht unabhängig. Sie unterliegt politischer Einflussnahme und Manipulation und dient zur Bestrafung der vermeintlichen politischen Gegner. Körperliche Übergriffe und schlechte Bedingungen sind Berichten zufolge in Gefängnissen und Haftanstalten weit verbreitet (FH 4.2.2019).
Die Bewohner demonstrieren gelegentlich gegen Umweltzerstörung, das schleppende Tempo des Wiederaufbaus nach dem Krieg und seltener gegen politische Missstände. Die Versammlungsfreiheit ist jedoch stark eingeschränkt. Teilnehmer an nicht genehmigten Versammlungen laufen Gefahr, angeklagt zu werden (FH 4.2.2019).
Die Mehrheit der Bevölkerung sind orthodoxe Christen. Es gibt aber auch eine beträchtliche muslimische Gemeinschaft. Ein Teil des Eigentums der georgisch-orthodoxen Kirche wird von der südossetisch-orthodoxen Kirche kontrolliert. Der Oberste Gerichtshof Südossetiens hat im Jahr 2017 die Zeugen Jehovas als extremistische Organisation verboten (FH 4.2.2019).
Quellen:
? AA - Auswärtiges Amt (27.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien
? AI – Amnesty International: Georgia: Behind barbed wire (7.2019): Human rights toll of “borderization” in Georgia [EUR 56/0581/2019], https://www.ecoi.net/en/file/local/2012567/EUR5605812019ENGLISH.PDF, Zugriff am 20.8.2019
? FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - South Ossetia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2014287.html, Zugriff 20.8.2019
? USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004295.html, Zugriff 20.8.2019
Rechtsschutz / Justizwesen
Georgien hat bei der Reform des Justizsektors bescheidene Fortschritte erzielt. Es gibt noch immer wichtige Herausforderungen, um die erzielten Fortschritte zu konsolidieren und die Rechtsstaatlichkeit zu gewährleisten. Die Zivilgesellschaft hat Bedenken hinsichtlich einer möglichen politischen Einmischung in die Justiz und den Medienpluralismus. Die wirksame Umsetzung der Rechtsvorschriften zu Menschenrechten und Antidiskriminierung stellt nach wie vor eine Herausforderung dar. Am 23.3.2018 schloss das georgische Parlament den Prozess der Verfassungsreform ab. Die überarbeitete Verfassung enthält neue Bestimmungen über die Gleichstellung der Geschlechter, Antidiskriminierung und Kinderrechte (EC 30.1.2019).
Der Aufbau eines unabhängigen und nach rechtsstaatlichen Grundsätzen handelnden Justizwesens gehört zu den wichtigsten Zielen der aktuellen Regierung. NGOs, die den Reformprozess sehr aktiv und sehr kritisch begleiten, mahnen weiterhin die Ernennung von Richtern aufgrund von Qualifikation und Eignung in einem transparenten Verfahren an. Ungeachtet der institutionellen Unabhängigkeit der Justiz kommt in brisanten Fällen immer wieder der Verdacht externer Einflussnahme auf. In einigen Fällen wurde der Europäische Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg angerufen. Politisch motivierte Strafverfolgung war bis 2012 erkennbar und erfolgte in der Regel durch fingierte Vorwürfe von Korruption, Amtsmissbrauch oder Steuervergehen. Seit 2012 laufende Ermittlungen oder mit rechtskräftigen Urteilen abgeschlossene Strafverfahren gegen hochrangige Mitglieder und nachgeordnete Mitarbeiter der ehemaligen Regierung werden von georgischen und ausländischen NGOs nicht als politisch motiviert eingeschätzt, sondern beruhen auf rechtswidrigen bzw. strafrechtlich relevanten Handlungen durch Amtsträger oder Parteifunktionäre der Vorgängerregierung. Die Tatsache, dass Gerichte hierbei nicht immer den Anträgen der Staatsanwaltschaft folgen, zeigt eine wachsende Unabhängigkeit der Justiz und Grenzen für eine etwaige politische Zielsetzung der Verfahren. Nach dem Regierungswechsel 2012/13 erfolgte eine kontinuierliche Liberalisierung des Strafrechts. Eine feststellbare niedrigere Verurteilungsrate ist auf eine stärkere Emanzipierung der Richterschaft von den Anträgen der Staatsanwaltschaft zurückzuführen, aber auch auf eine Stärkung der Rechte der Verteidigung im Strafprozess (AA 27.8.2018).
Trotz der laufenden Justizreformen bleiben die Einmischung der Exekutive und der Legislative in die Gerichte ein erhebliches Problem, ebenso wie die Korruption und der Mangel an Transparenz und Professionalität bei Gerichtsverfahren. Nach einem neuen verfassungsrechtlichen Rahmen, der nach den Präsidentschaftswahlen 2018 in Kraft trat, werden die Richter des Obersten Gerichtshofs nicht mehr vom Präsidenten, sondern vom Hohen Justizrat ernannt und vom Parlament gebilligt. Ein gerichtliches Selbstverwaltungsorgan wählt die Mehrheit der Mitglieder des Rates (FH 4.2.2019).
Quellen:
? AA - Auswärtiges Amt (27.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien
? EC - European Commission (30.1.2019): Association Implementation Report on Georgia [SWD (2019) 16 final], https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/2019_association_implementation_report_georgia.pdf, Zugriff 22.8.2019
? FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004335.html, Zugriff 22.8.2019
Sicherheitsbehörden
Seit dem Regierungswechsel im Oktober 2012 ist von Machtmissbrauch von Amtsträgern nicht mehr die Rede. Bis 2012 waren Exekutivorgane, z.B. Staatsanwaltschaft, Polizei oder Finanzbehörden, als Machtinstrument oder als Mittel zur rechtswidrigen Erlangung wirtschaftlicher Vorteile von Regierungsangehörigen oder ihnen nahestehenden Personen missbraucht worden. Bestechung bzw. Bestechlichkeit von Polizisten sind allgemein nicht mehr zu verzeichnen. In ihrer Rolle als Hüter des Gesetzes werden sie öffentlich als zurückhaltend, aber auch als untätig wahrgenommen, was zu einem Verlust an Respekt geführt hat. Die Geheim- und Nachrichtendienste treten nicht als Repressionsinstrumente auf. Eine von NGOs angemahnte organisatorische Trennung der Sicherheitsdienste vom Innenministerium ist bisher aber nicht vorgenommen worden (AA 27.8.2018).
Während die zivilen Behörden eine wirksame Kontrolle über das Verteidigungsministerium ausüben, besteht seitens der zivilen Behörden nicht immer eine wirksame Kontrolle über das Innenministerium und den Staatssicherheitsdienst. Die Wirksamkeit der staatlichen Mechanismen zur Untersuchung und Bestrafung von Missbrauch durch Strafverfolgungsbehörden und Sicherheitskräfte ist begrenzt, und die Besorgnis über Straffreiheit bleibt hoch (USDOS 13.3.2019).
Straffreiheit für Strafverfolgungsbehörden bei Misshandlungsfällen bleibt ein anhaltendes Problem. Wenn Untersuchungen eingeleitet werden, führen sie oft zu Anklagen mit milderen bzw. inadäquaten Sanktionen und selten zu Verurteilungen. Die Behörden weigern sich routinemäßig, denjenigen, die eine Misshandlung anzeigen, den Status eines Opfers zu gewähren, und verwehren den Betroffenen, die Ermittlungsakten zu überprüfen (HRW 17.1.2019).
Trotz der rückläufigen Zahl der Beschwerden wegen polizeilicher Gewaltanwendung, welche beim Büro der Ombudsperson einlangten, verdoppelte sich fast gleichzeitig die Zahl der Verletzungen der Häftlinge nach der Festnahme. In der autonomen Region Adscharien stieg die Zahl der Verletzung nach Festnahmen fast um das Neunfache (PD 2.4.2019).
Im Juli 2018 verabschiedete das Parlament ein Gesetz zur Einrichtung eines staatlichen Inspektorats (State Inspector‘s Service), einer separaten Stelle, die für die Untersuchung von Missbräuchen durch die Strafverfolgungsbehörden zuständig ist. Das Gesetz räumt dem Staatsanwalt eine Aufsichtsfunktion über die Ermittlungen dieser Stelle ein, einschließlich des Rechts, verbindliche Anweisungen für jedes Untersuchungsverfahren zu erteilen oder Ermittlungsentscheidungen zu ändern, was die Unabhängigkeit des Inspektorats beeinträchtigt (HRW 17.1.2019).
Am 10.5.2019 nahm der „State Inspector‘s Service“ als Nachfolgeorganisation des „Inspektionsbüros zum Schutz personenbezogener Daten“ seinen Betrieb auf. Neben der Beobachtung etwa der gesetzeskonformen Verarbeitung von personenbezogenen Daten ist seit 1.7.2019 eine weitere Hauptaufgabe des State Inspector‘s Service die unparteiische und wirksame Untersuchung schwerer Verbrechen (inklusive Folter), die von Vertretern der Strafverfolgungsbehörden gegen die Menschenrechte und Freiheiten verübt werden, sowie Untersuchung von Straftaten, die unter Anwendung von Gewalt oder unter Verletzung der persönlichen Würde eines Opfers begangen wurden (SIS 22.8.2019).
Quellen:
? AA - Auswärtiges Amt (27.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien
? HRW – Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 – Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002236.html, Zugriff 22.8.2019
? PD - Public Defender of Georgia (2.4.2019): Public Defender Presents Report on Situation of Human Rights and Freedoms in Georgia, http://www.ombudsman.ge/eng/akhali-ambebi/sakhalkho-damtsvelma-parlamentshi-sakartveloshi-adamianis-uflebata-da-tavisuflebata-datsvis-mdgomareobis-shesakheb-angarishi-tsaradgina, Zugriff 26.8.2019
? SIS - State Inspector‘s Service (22.8.2019): Who we are? https://personaldata.ge/en/about-us#, Zugriff 22.8.2019
? USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004295.html, Zugriff 22.8.2019
Folter und unmenschliche Behandlung
Umfangreicher Personalaustausch, insbesondere in den Behördenleitungen, die juristische Aufarbeitung (Strafverfahren gegen Verantwortliche) sowie durchgreifende Reformen bei Polizei und im Strafvollzug haben Vorfälle von Gewaltanwendung auf Einzelfälle reduziert, ein systemischer Charakter ist nicht mehr feststellbar. Ombudsperson und zivilgesellschaftliche Organisationen sprechen bekannt werdende Vorfälle von Gewaltanwendung und gegebenenfalls unzureichend betriebene Ermittlungen öffentlich an. 2017/18 gab es Berichte über angebliche Fälle von Misshandlungen in Polizeistationen (AA 27.8.2018).
Beim Besuch der Europäischen Anti-Folterkomitees des Europaratals (CPT) im September 2018 wurden seitens Personen, die sich in Polizeigewahrsam befanden oder zuvor befunden hatten kaum Anschuldigungen wegen Misshandlung durch Polizeibeamte erhoben. Keinerlei diesbezügliche Anschuldigungen gab es gegenüber dem Personal in temporären Haftinstitutionen (CoE-CPT 10.5.2019). Allerdings erhielt das Büro der Ombudsperson bis September 2018 149 Beschwerden über Misshandlungen durch Gefängnispersonal oder die Polizei und ersuchte hierbei die Staatsanwaltschaft, in acht Fällen Untersuchungen einzuleiten. Keine der Untersuchungen führte zu einer Strafverfolgung (HRW 17.1.2019 ).
Was die Misshandlung betrifft, so gibt es den Aktionsplan zur Bekämpfung von Folter, unmenschlicher und erniedrigender Behandlung oder Strafe für den Zeitraum 2017-2018. Die Fälle von Misshandlungen im Strafvollzug haben sich im Gegensatz zu den Fällen von Misshandlungen durch Polizeibeamte verringert (EC 30.1.2019).
Laut Bericht des Büros der Ombudsperson ist eine der wichtigsten Herausforderungen die Durchführung effektiver Untersuchungen in Fällen von Misshandlung. Die im Laufe der Jahre bestehenden Probleme im Hinblick auf eine effektive Untersuchung sind meist noch vorhanden und stellen definitiv ein Problem dar. Aus diesem Grund hegt die Ombudsperson große Hoffnungen in die Ermittlungsfunktionen des staatlichen Inspektorates (SIS).
Quellen:
? AA - Auswärtiges Amt (27.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien
? CoE-CPT – Council of Europe - European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (10.5.2019): Report to the Georgian Government on the visit to Georgia carried out by the European Committee for the Prevention of Torture and Inhuman or Degrading Treatment or Punishment (CPT) from 10 to 21 September 2018 [CPT/Inf (20 19 )16], https://www.ecoi.net/en/file/local/2009081/2019-16-inf-eng.docx.pdf, Zugriff 22.8.2019
? EC - European Commission (30.1.2019): Association Implementation Report on Georgia [SWD (2019) 16 final], https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/2019_association_implementation_report_georgia.pdf, Zugriff 22.8.2019
? HRW – Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 – Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002236.html, Zugriff 22.8.2019
Korruption
Bei der Prävention und Bekämpfung der Korruption hat Georgien die Antikorruptionsstrategie und seinen Aktionsplan im Einklang mit den Verpflichtungen der Assoziationsagenda weiter umgesetzt. Allerdings bestehen nach wie vor einige Bedenken hinsichtlich der Korruption auf hoher Ebene (EC 30.1.2019).
Während das Land bei der Bekämpfung der Kleinkriminalität erhebliche Fortschritte gemacht hat, bleibt die Korruption innerhalb der Regierung ein Problem. In einigen Fällen hat sie bei der staatlichen Postenbesetzung angeblich die Form von Vettern- und Günstlingswirtschaft angenommen. Die wirksame Anwendung von Antikorruptionsgesetzen und -vorschriften wird durch die mangelnde Unabhängigkeit sowohl der Strafverfolgungsbehörden als auch der Justiz beeinträchtigt. Erfolgreiche Klagen gegen hochrangige Beamte, die mit der Führung der Regierungspartei „Georgischer Traum“ in gutem Einvernehmen stehen, sind selten (FH 4.2.2019).
Im „Corruption Perceptions Index 2018“ von Transparancy International erreichte Georgien 58 von 100 [bester Wert] Punkten und lag damit auf Rang 41 von 180 Ländern (2017: 56 Punkte und Rang 46 von 180 Ländern) (TI 29.1.2019a). Zwar hat sich das Land im Ranking leicht verbessert, doch steht es vor einem Rückfall in der Demokratieentwicklung, was es anfällig für Korruption auf hoher Ebene macht. Dieser Rückwärtstrend ist unter anderem auf die mangelnde Rechenschaftspflicht bei der Strafverfolgung, Korruption und politische Einmischung in die Justiz und von der Regierung unterstützte Angriffe auf die unabhängige Zivilgesellschaft zurückzuführen. Trotz der dringenden Notwendigkeit, Fälle von Korruption und Fehlverhalten in der Regierung zu untersuchen, hat Georgien es versäumt, unabhängige Stellen einzurichten, die dieses Mandat übernehmen. Straflosigkeit trägt zum öffentlichen Misstrauen bei. Laut einer kürzlich von Transparency International Georgia durchgeführten Umfrage glauben 36% der Bürger, dass Beamte ihre Macht zum persönlichen Vorteil missbrauchen. Das ist ein Anstieg des Wertes verglichen mit nur 12% im Jahr 2013 (TI 29.1.2019b).
Quellen:
? EC - European Commission (30.1.2019): Association Implementation Report on Georgia [SWD (2019) 16 final], https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/2019_association_implementation_report_georgia.pdf, Zugriff 22.8.2019
? FH - Freedom House (4.2.2019): Freedom in the World 2019 - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004335.html, Zugriff 22.8.2019
? TI - Transparency International (29.1.2019a): Corruption Perceptions Index 2018, https://www.transparency.org/country/GEO, Zugriff 22.8.2019
? TI - Transparency International (29.1.2019b): Eastern Europe & Central Asia: weak checks and balances threaten anti-corruption efforts, https://www.transparency.org/news/feature/weak_checks_and_balances_threaten_anti_corruption_efforts_across_eastern_eu, Zugriff 22.8.2019
Allgemeine Menschenrechtslage
Artikel 7 der georgischen Verfassung verpflichtet den Staat zu Anerkennung und Schutz der universellen Menschenrechte; sie sind direkt anwendbares Recht für Staat und Bürger. Einzelne Menschenrechte werden explizit in eigenen Verfassungsartikeln postuliert. Mit der Ombudsperson für Menschenrechte (vom Parlament ernannt), aber auch dem Menschenrechtsausschuss des Parlaments bestehen weithin Institutionen und Beschwerdeeinrichtungen. Auch Staatsanwaltschaft und Gerichte, die in Georgien an Unabhängigkeit und Vertrauen in der Bevölkerung gewonnen haben, werden zunehmend zur Wahrung individueller Rechte in Anspruch genommen. Darüber hinaus können lokale und internationale Menschenrechtsorganisationen ohne jede staatliche Behinderung ermitteln und öffentlichkeitswirksam Ergebnisse präsentieren und Kritik äußern. Menschenrechte und die Rechte von Minderheiten werden vom georgischen Staat zunehmend beachtet und gestärkt. Gesellschaftlich sind diese Rechte aber noch nicht weit genug akzeptiert, sodass Minderheiten und Andersdenkende in der Gesellschaft mit faktischer Benachteiligung rechnen müssen. Vereinzelt kommt es auch zu gewalttätigen Handlungen. Erhebliche Fortschritte gab es insbesondere im Justizwesen und im Strafvollzug, wo eine menschenrechtswidrige Behandlung in aller Regel nicht mehr festgestellt werden kann (AA 27.8.2018).
Im Jahr 2018 wurden positive legislative und systemische Veränderungen in konkrete Richtungen vorgenommen, insbesondere im Hinblick auf die Prävention von häuslicher Gewalt und Gewalt gegen Frauen im Allgemeinen. Allerdings steht der Staat nach wie vor vor großen Herausforderungen, wenn es darum geht, die Gleichstellung aller zu gewährleisten. Die Gesetzgebung hat sich 2018 für die konkret gefährdeten Gruppen nicht verbessert. Ethnische und religiöse Minderheiten sind von Ungleichheit betroffen. Die LGBTI-Gemeinschaft ist mit außergewöhnlicher Aggression und Diskriminierung konfrontiert. Der Staat unternimmt keine wirksamen Schritte, um das Bewusstsein in der Gesellschaft zu schärfen (HRC 2019). Der unabhängige Ermittlungsmechanismus, der Überschreitungen von Amtsbefugnissen objektiv untersuchen soll, war 2018 noch nicht geschaffen (HRC 2019, vgl. AI 22.2.2019). Die Justiz erfüllte 2018 nicht die Anforderungen an Unabhängigkeit und Unparteilichkeit. Die Verfahrensrechte der Opfer haben sich nicht verbessert (HRC 2019). Die Straffreiheit bei Missbrauch durch Strafverfolgungsbehörden bleibt ein anhaltendes Problem. Die Behörden weigern sich routinemäßig, denjenigen, die Missbrauch anzeigen, den rechtlichen Opfer-Status zu gewähren, wodurch sie der Möglichkeit der Einsicht in die Ermittlungsakten beraubt werden (HRW 17.1.2019).
Im Jahr 2018 wurden die Grundrechte von Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit sowie die Meinungsfreiheit mehrfach verletzt. Beobachtet wurde auch die Anwendung übermäßiger Gewalt seitens der Strafverfolgungsbehörden (HRC 2019, vgl. AI 22.2.2019).
Quellen:
? AA - Auswärtiges Amt (27.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Georgien
? AI – Amnesty International (22.2.2019): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights - Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/1444206.html, Zugriff 26.8.2019
? HRC – Human Rights Center (2019): Annual Reprot, State of Human Rights in Georgia 2018, https://www.hridc.org/admin/editor/uploads/files/pdf/hrcrep2018/annual%20report%202019%20-eng-.pdf, Zugriff 26.8.2019
? HRW – Human Rights Watch (17.1.2019): World Report 2019 – Georgia, https://www.ecoi.net/de/dokument/2002236.html, Zugriff 22.8.2019
Frauen
Im Jahr 2018 wurden positive legislative und systemische Veränderungen in eine konkrete Richtung vorgenommen, insbesondere im Hinblick auf die Prävention von häuslicher Gewalt und Gewalt gegen Frauen (HRC 2019). Georgien hat seine innerstaatlichen Rechtsvorschriften zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt aktualisiert, um sie an die Standards des Europarates (Übereinkommen von Istanbul) anzunähern. Die Anzeigen von Fällen häuslicher Gewalt haben infolge verstärkter Sensibilisierungskampagnen zugenommen (EC 30.1.2019). 2017 wurden seitens der Behörden 1.986 Fälle von häuslicher Gewalt verfolgt, verglichen mit 550 im Jahr 2014. Im Jahr 2014 wurden nur 14% der Angeklagten in Untersuchungshaft genommen, 2017 waren es 83%. Laut NGOs zeigten sowohl Strafverfolgungsbehörden als auch die Staatsanwälte in Tiflis eine verbesserte Professionalität bei der Bekämpfung von Verbrechen in Verbindung mit häuslicher Gewalt (USDOS 13.3.2019). Eine deutliche Veränderung der öffentlichen Einstellung und die Einführung einer Abteilung für den Schutz der Menschenrechte durch das Innenministerium im Januar 2018 sind gleichfalls zu vermerken. Die genannte Abteilung arbeitet daran, die Kapazität zur Untersuchung von häuslicher Gewalt und Hassverbrechen zu erhöhen. Dennoch besteht nach wie vor eine hohe Zahl von Fällen zu Gewalttaten gegen Frauen (EC 30.1.2019).
Die Gleichstellung der Geschlechter stellt nach wie vor eine Herausforderung dar. Die Situation der wirtschaftlichen Selbstbestimmung der Frauen und ihres Rechts auf Arbeit hat sich nicht wesentlich verbessert. Im Jahr 2018 wurden 22 Morde an Frauen gemeldet, von denen sieben Anzeichen von häuslicher Gewalt aufwiesen. Darüber hinaus wurden 18 versuchte Morde an Frauen gemeldet, davon elf unter Umständen häuslicher Gewalt (PD 2.4.2019).
Gesetze über häusliche Gewalt schreiben die Anordnung vorübergehender Schutzmaßnahmen vor, einschließlich einstweilige Verfügungen, die es einem Täter verbieten, sich dem Opfer für sechs Monate zu nähern und Gemeinschaftseigentum, wie beispielsweise einen Wohnsitz oder ein Fahrzeug, zu nutzen. Das Büro der Ombudsperson erklärte, dass die Opfer oft berichteten, dass sie unangemessene Antworten von Strafverfolgungsbeamten auf Verstöße gegen einstweilige Verfügungen erhielten. Seit August 2018 gilt die Verletzung einer einstweiligen Verfügung als Straftat (USDOS 13.3.2019).
Lokale NGOs und die Regierung betreiben gemeinsam eine 24-Stunden-Hotline und Unterkünfte für misshandelte Frauen und ihre minderjährigen Kinder. Plätze in Schutzeinrichtungen sind begrenzt und nur vier der zehn Regionen des Landes verfügen über solche Einrichtungen (USDOS 13.3.2019).
Im Bereich der Frauenarbeitsrechte bestehen weiterhin Probleme. Sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz und im öffentlichen Raum ist weiterhin gesetzlich unreguliert. Obwohl sich der Staat mit der Unterzeichnung der Konvention des Europarates zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häuslicher Gewalt verpflichtet hat, sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz und im öffentlichen Raum unter Strafe zu stellen, ist Georgien dieser Verpflichtung noch nicht nachgekommen (PD 5.12.2017). Im Vergleich zum vorangegangenen Berichtszeitraum hat sich die Zahl der bei der Ombudsperson eingereichten Anträge erhöht, da Informationen über mutmaßliche sexuelle Belästigung durch einen Beamten in den Medien verbreitet wurden. Infolgedessen begann die Öffentlichkeit, das Phänomen der sexuellen Belästigung und die Notwendigkeit ihrer Regulierung aktiv zu diskutieren (PD 23.4.2019).
Der Global-Gender-Gap-Index des World Economic Forums sah Georgien 2018 auf Rang 99 (2017: 94; 2016: 90) von 149 Ländern in Hinblick auf die Gesamtlage der Frauen. Beim Subindex „political empowerment“ lag das Land 2018 auf Rang 119 (WEF 2018).
Quellen:
? EC - European Commission (30.1.2019): Association Implementation Report on Georgia [SWD (2019) 16 final], https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/2019_association_implementation_report_georgia.pdf, Zugriff 27.8.2019
? HRC – Human Rights Center (2019): Annual Reprot, State of Human Rights in Georgia 2018, https://www.hridc.org/admin/editor/uploads/files/pdf/hrcrep2018/annual%20report%202019%20-eng-.pdf, Zugriff 27.8.2019
? PD - Public Defender of Georgia (2.4.2019): Public Defender Presents Report on Situation of Human Rights and Freedoms in Georgia, http://www.ombudsman.ge/eng/akhali-ambebi/sakhalkho-damtsvelma-parlamentshi-sakartveloshi-adamianis-uflebata-da-tavisuflebata-datsvis-mdgomareobis-shesakheb-angarishi-tsaradgina, Zugriff 27.8.2019
? PD – Public Defender of Georgia (23.4.2019): Special Report On The Fight Against Discrimination, Its Prevention, And The Situation Of Equality, [2018] http://www.ombudsman.ge/res/docs/2019042317142950340.pdf, Zugriff 28.8.2019
? PD – Public Defender of Georgia (5.12.2017): 10 December Report on the Situation of the Protection of Human Rights and Freedoms in Georgia
? USDOS – US Department, of State (13.3.2019): Country Report on Human Rights Practices, https://www.ecoi.net/de/dokument/2004295.html, Zugriff 27.8.2019
? WEF – World Economic Forum (2017): The Global Gender Gap Report 2017, http://www3.weforum.org/docs/WEF_GGGR_2018.pdf, Zugriff 28.8.2019
Grundversorgung
Die Grundversorgung der B