TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/10 W123 2236347-1

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Veröffentlicht am 10.11.2020
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Entscheidungsdatum

10.11.2020

Norm

BFA-VG §18 Abs2 Z1
B-VG Art133 Abs4
FPG §53 Abs1
FPG §53 Abs2 Z6
FPG §53 Abs2 Z7
FPG §55 Abs4

Spruch

W123 2236347-1/4E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Dr. Michael ETLINGER über die Beschwerde des albanischen Staatsangehörigen XXXX , geb. am XXXX , vertreten durch die Diakonie Flüchtlingsdienst gem. GmbH – ARGE Rechtberatung, gegen die Spruchpunkte IV. bis VI. des Bescheides des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom 09.10.2020, Zl. 1269620105/200975802 zu Recht.

A)

Der Beschwerde wird mit der Maßgabe stattgegeben, dass die Dauer des Einreiseverbots auf zwei Jahre herabgesetzt wird.

Im Übrigen wird die Beschwerde abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer wurde am 08.10.2020 – gemeinsam mit seinem Bruder XXXX – von der Finanzpolizei (Team 24) auf einer Baustelle angetroffen, ohne im Besitz einer arbeitsmarktbehördlichen Bewilligung zu sein. Am selben Tag leitete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: belangte Behörde) an die LPD Niederösterreich einen Festnahmeauftrag ein.

2. Am 08.10.2020 fand die Einvernahme des Beschwerdeführers vor der belangten Behörde statt (vgl. AS 23 ff), in der der Beschwerdeführer einleitend angab, sich seit einer Woche in Österreich zu befinden. Der Beschwerdeführer habe keine Kreditkarte bzw. Bankomatkarte und auch sonst keine Möglichkeit, in Österreich auf legale Art und Weise an Geld zu kommen. Der Beschwerdeführer verfüge über keine Familienangehörige in Österreich; die Eltern, seine Frau und sein Sohn sowie ein Bruder und zwei Schwestern würden im Herkunftsstaat leben. Der Beschwerdeführer verfüge an finanziellen Mitteln ca. EUR 123,00. Der Beschwerdeführer habe „ein bißchen Geld“ in Österreich, „so 2-3 Tage“, verdienen wollen und wäre dann wieder nach Albanien zurückgegangen. Der Beschwerdeführer sei von einem Mann namens „ XXXX “ auf die Baustelle beauftragt worden. Es seien EUR 11,00 pro Stunde vereinbart gewesen und er hätte dort von 08:00 bis 16:00 Uhr arbeiten sollen.

3. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt (Spruchpunkt I.), gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt II.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Albanien zulässig sei (Spruchpunkt III.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6, 7 FPG wurde ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß § 55 Abs. 4 FPG eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht gewährt (Spruchpunkt V.) und der Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.).

4. Mit Schriftsatz vom 21.10.2020 erhob der Beschwerdeführer hinsichtlich der Spruchpunkte IV.-VI. fristgerecht Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde. Begründend führte der Beschwerdeführer zusammenfassend aus, dass, selbst wenn der Tatbestand der Mittellosigkeit beim Beschwerdeführer erfüllt wäre, dies nicht bedeute, dass jedenfalls ein zwingendes Einreiseverbot zu erlassen sei. Der Beschwerdeführer habe sich zudem durch die Verrichtung von Schwarzarbeit nicht selbst strafbar gemacht. Diesbezüglich wurde auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19.02.2013, 2012/18/0230, verwiesen. Die belangte Behörde habe es überdies völlig unterlassen, zu berücksichtigen, ob im Falle des Beschwerdeführers ein Privat- und Familienleben in einem anderen Mitgliedsstaat vorliege. Die Frage nach dem Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers solle nicht allein im Hinblick auf seine Verhältnisse in Österreich beurteilt werden, sondern sei auch seine private und familiäre Situation in anderen Mitgliedsstaaten zu berücksichtigen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Der Beschwerdeführer ist albanischer Staatsangehöriger und im Besitz eines gültigen albanischen Reisepasses. Seine Identität steht fest.

1.2. Der Beschwerdeführer ist nicht im Bundesgebiet gemeldet. Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich weder über einen Aufenthaltstitel noch eine arbeitsmarktbehördliche Bewilligung. Es konnte auch nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel eines anderen Mitgliedstaats der Europäischen Union zukommt.

1.3. Der Beschwerdeführer wurde am 08.10.2020 – gemeinsam mit seinem Bruder XXXX (vgl. das parallel anhängige Beschwerdeverfahren zu W123 2236348-1) – von der Finanzpolizei auf der Baustelle XXXX bei Schwarzarbeiten angetroffen, die er im Auftrag der Firma XXXX GmbH durchführen hätte sollen. Gegen die XXXX GmbH wurde am 20.10.2020 ein Strafantrag wegen Übertretung des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG) gestellt.

1.4. Mit Mandatsbescheid der belangten Behörde vom 09.10.2020, Zl. 11269620105/200976639, wurde über den Beschwerdeführer gemäß § 76 Abs. 2 Z 2 FPG iVm § 57 Abs. 1 AVG die Schubhaft zum Zwecke der Sicherung des Verfahrens zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme und der Sicherung der Abschiebung angeordnet.

Der Beschwerdeführer wurde am 15.10.2020 gemäß § 46 FPG im Luftwege in seinen Herkunftsstaat abgeschoben.

1.5. Der Beschwerdeführer ist in Albanien geboren und aufgewachsen und verfügt über 8 Jahre Grundschul- bzw. 4 Jahre Mittelschulbildung, zudem besuchte er ein Jahr die Berufsschule als Koch. Der Beschwerdeführer ist verheiratet und hat einen zweijährigen Sohn. Der Beschwerdeführer verfügt in Österreich über keine Familienangehörige, abgesehen von dem – sich ebenfalls illegal aufhältigen Bruder XXXX (vgl. W123 2236348-1); sämtliche sonstige Familienmitglieder des Beschwerdeführers leben in Albanien.

Der Beschwerdeführer ist gesund und arbeitsfähig. Der Beschwerdeführer spricht kaum Deutsch und besuchte keine Kurse. Der Beschwerdeführer ging bisher keiner legalen Beschäftigung im Bundesgebiet nach. Der Beschwerdeführer besitzt in Österreich keine Kredit- oder Bankomatkarte auch über keine sonstige Möglichkeit, in Österreich auf legale Art und Weise Geld zu verdienen (vgl. AS 25). Der Beschwerdeführer ist strafrechtlich unbescholten.

Der Beschwerdeführer konnte nicht glaubhaft machen, dass er nicht bloß über Mittel zur kurzfristigen Bestreitung seines Unterhalts verfügt, sondern sein Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthalts gesichert erscheint.

1.6. Der Beschwerdeführer brachte nicht vor, dass ihm in Albanien eine reale Bedrohungssituation für das Leben oder die körperliche Unversehrtheit droht. Aufgrund seines Alters und Gesundheitszustandes ist er zu einer eigenständigen Bestreitung seines Lebensunterhalts in Albanien in der Lage. Der Beschwerdeführer leidet an keinen schwerwiegenden Erkrankungen und beherrscht die Sprache seines Herkunftsstaates.

Albanien gilt als sicherer Herkunftsstaat.

2. Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang und die Feststellungen ergeben sich aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakte und des Gerichtsakts des Bundesverwaltungsgerichtes. Entscheidungswesentliche Widersprüche liegen nicht vor. Die Angaben des Beschwerdeführers bei der Einvernahme vor der belangten Behörde waren grundsätzlich schlüssig und plausibel und können der Entscheidung daher zugrunde gelegt werden.

Der Beschwerdeführer wurde bei der Ausübung einer unerlaubten Beschäftigung betreten und hat dies auch nicht bestritten (vgl. AS 24, arg. „BF: ich wollte Geld verdienen und wollte zu meiner Familie.“). Soweit im Beschwerdeschriftsatz – unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 19.02.2013, 2012/18/0230 – behauptet wird, dass sich der Beschwerdeführer durch die Verrichtung von Schwarzarbeit „nicht selbst strafbar gemacht“ habe (vgl. AS 159), verkennt er, dass der Verwaltungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis grundsätzliche Aussagen für Aufenthalts- oder Rückkehrverbote in Bezug auf zu treffende Gefährlichkeitsprognosen tätigte. Eine aufgrund des Beschwerdevorbingens (offenbar) herauszulesende Interpretation, wonach sich der Beschwerdeführer durch die Verrichtung von Schwarzarbeit nicht selbst strafbar gemacht hätte, kann dem Inhalt des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes dagegen nicht entnommen werden. Abgesehen davon enthält der Beschwerdeschriftsatz kein substantiiertes Vorbringen dahingehend, warum sich der Beschwerdeführer im konkreten Fall mit dem ihm zu Last gelegten „Fehlverhalten“ nicht selbst strafbar gemacht habe.

Die Feststellung zur mangelnden Unterhaltssicherung beruht auf dem Umstand, dass der Beschwerdeführer – abgesehen vom Umstand, über Bargeld von ca. EUR 123,00 zu verfügen – weder in der Einvernahme am 08.10.2020, noch im Rahmen des Beschwerdeschriftsatzes ein substantiiertes (mit entsprechenden Belegen untermauertes) Vorbringen erstattete, aus dem hervorginge, dass er seinen Unterhalt im Bundesgebiet mit ausreichenden finanziellen und legalen Mitteln sichern könnte.

Die Feststellungen zum Familienleben in Österreich beruhen auf den eigenen Angaben des Beschwerdeführers in der Einvernahme vor der belangten Behörde. Ein allfälliges Privat – und Familienleben „in einem anderen Mitgliedstaat“ (vgl. AS 162) ist im Verfahren nicht hervorgekommen und wurde auch nicht im Beschwerdeschriftsatz behauptet.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

3.1. Zu den Spruchpunkten I. bis III. des angefochtenen Bescheides:

Im gegenständlichen Fall wurde ausschließlich und ausdrücklich gegen die Spruchpunkte IV. – VI. des angefochtenen Bescheides hinsichtlich der Nicht-Gewährung einer Frist für die freiwillige Ausreise, der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde und das erlassene Einreiseverbot Beschwerde erhoben. Damit erwuchsen die Spruchpunkte I. bis III. in Rechtskraft.


3.2. Zu Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides (Einreiseverbot):

3.2.1. Der mit "Einreiseverbot" betitelte § 53 FPG lautet auszugsweise:

(1) Mit einer Rückkehrentscheidung kann vom Bundesamt mit Bescheid ein Einreiseverbot erlassen werden. Das Einreiseverbot ist die Anweisung an den Drittstaatsangehörigen, für einen festgelegten Zeitraum nicht in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten einzureisen und sich dort nicht aufzuhalten.

(2) Ein Einreiseverbot gemäß Abs. 1 ist, vorbehaltlich des Abs. 3, für die Dauer von höchstens fünf Jahren zu erlassen. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbots hat das Bundesamt das bisherige Verhalten des Drittstaatsangehörigen mit einzubeziehen und zu berücksichtigen, inwieweit der Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet oder anderen in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten öffentlichen Interessen zuwiderläuft. Dies ist insbesondere dann anzunehmen, wenn der Drittstaatsangehörige

1.       wegen einer Verwaltungsübertretung gemäß § 20 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung 1960 (StVO), BGBl. Nr. 159, iVm § 26 Abs. 3 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 120/1997, gemäß § 99 Abs. 1, 1 a, 1 b oder 2 StVO, gemäß § 37 Abs. 3 oder 4 FSG, gemäß § 366 Abs. 1 Z 1 der Gewerbeordnung 1994 (GewO), BGBl. Nr. 194, in Bezug auf ein bewilligungspflichtiges, gebundenes Gewerbe, gemäß den §§ 81 oder 82 des SPG, gemäß den §§ 9 oder 14 iVm § 19 des Versammlungsgesetzes 1953, BGBl. Nr. 98, oder wegen einer Übertretung des Grenzkontrollgesetzes, des Meldegesetzes, des Gefahrengutbeförderungsgesetzes oder des Ausländerbeschäftigungsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist;

2.       wegen einer Verwaltungsübertretung mit einer Geldstrafe von mindestens 1 000 Euro oder primären Freiheitsstrafe rechtskräftig bestraft wurde;

3.       wegen einer Übertretung dieses Bundesgesetzes oder des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes rechtskräftig bestraft worden ist, sofern es sich dabei nicht um eine in Abs. 3 genannte Übertretung handelt;

4.       wegen vorsätzlich begangener Finanzvergehen oder wegen vorsätzlich begangener Zuwiderhandlungen gegen devisenrechtliche Vorschriften rechtskräftig bestraft worden ist;

5.       wegen eines Verstoßes gegen die Vorschriften, mit denen die Prostitution geregelt ist, rechtskräftig bestraft worden ist;

6.       den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag;

7.       bei einer Beschäftigung betreten wird, die er nach dem AuslBG nicht ausüben hätte dürfen, es sei denn, der Drittstaatsangehörige hätte nach den Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes für denselben Dienstgeber eine andere Beschäftigung ausüben dürfen und für die Beschäftigung, bei der der Drittstaatsangehörige betreten wurde, wäre keine Zweckänderung erforderlich oder eine Zweckänderung zulässig gewesen;

8.       eine Ehe geschlossen oder eine eingetragene Partnerschaft begründet hat und sich für die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, für den Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, für den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, zwecks Zugangs zum heimischen Arbeitsmarkt oder zur Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen auf diese Ehe oder eingetragene Partnerschaft berufen, aber mit dem Ehegatten oder eingetragenen Partner ein gemeinsames Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geführt hat oder

9.       an Kindes statt angenommen wurde und die Erteilung oder Beibehaltung eines Aufenthaltstitels, der Erwerb oder die Aufrechterhaltung eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts, der Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft, der Zugang zum heimischen Arbeitsmarkt oder die Hintanhaltung aufenthaltsbeendender Maßnahmen ausschließlicher oder vorwiegender Grund für die Annahme an Kindes statt war, er jedoch das Gericht über die wahren Verhältnisse zu den Wahleltern getäuscht hat.

[…]“

3.2.2. Ein Einreiseverbot ist dann zu erlassen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme rechtfertigen, der Aufenthalt stelle eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit dar. Dabei ist sowohl für die Frage, ob überhaupt ein Einreiseverbot zu verhängen ist, als auch für die Bemessung seiner Dauer eine einzelfallbezogene Gefährdungsprognose vorzunehmen, in die das Gesamtverhalten des oder der Betroffenen einzubeziehen ist. Aufgrund konkreter Feststellungen ist eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick worauf die Annahme einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit gerechtfertigt ist. Es ist weiters in Rahmen einer Interessenabwägung zu prüfen, ob private oder familiäre Interessen der Verhängung eines Einreiseverbots in der konkreten Dauer entgegenstehen (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht § 53 FPG K 10, 12; vgl auch VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0289).

In Bezug auf die für ein Einreiseverbot zu treffende Gefährdungsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils anzuwendende Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist - abgesehen von der Bewertung des bisherigen Verhaltens des Revisionswerbers - darauf abzustellen, wie lange die von ihm ausgehende Gefährdung zu prognostizieren ist. Diese Prognose ist nachvollziehbar zu begründen (VwGH 16.05.2019, Ra 2019/21/0104).

Bei dieser Beurteilung kommt es nicht auf die bloße Tatsache unter anderem von Bestrafungen nach den Verwaltungsgesetzen, sondern auf das diesen zugrundeliegende Fehlverhalten, die Art und Schwere der Verwaltungsübertretungen und das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild an (VwGH 20.12.2011, 2011/23/0256; 22.1.2013, 2012/18/0143).

Bei der Bemessung des Einreiseverbotes, kann sich die Behörde nicht auf die bloße Beurteilung von Rechtsfragen zurückziehen, sondern ist insbesondere auch die Intensität der privaten und familiären Bindungen zu Österreich einzubeziehen (VwGH 7.11.2012, 2012/18/0057).

3.2.3. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes ergibt sich:

Die belangte Behörde stützte das Einreiseverbot auf die Tatbestände der Z 6 und 7 des § 53 Abs. 2 FPG.

Der Beschwerdeführer hat zugegeben, einer unerlaubten Beschäftigung nachgegangen zu sein, um dafür einen Lohn von EUR 11,00 pro Stunde zu erhalten. Der Beschwerdeführer wurde bei der Ausübung einer unerlaubten Beschäftigung von der Finanzpolizei direkt betreten, sodass der Tatbestand des § 53 Abs. 2 Z 7 FPG jedenfalls erfüllt ist und entsprechend der angeführten Judikatur auch bei einmaliger Verwirklichung eine Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit vorliegt.

Der VwGH hat bereits wiederholt festgehalten, dass Schwarzarbeit einen Verstoß gegen die öffentliche Ordnung darstelle (vgl. VwGH 04.09.1992, 92/18/0350) und ein großes Interesse an der Verhinderung derselben bestünde (vgl. VwGH 20.12.2013, 2013/21/0047). Der VwGH führte – unter Bezug auf seine eigene Judikatur – ferner aus, dass die Erfüllung eines Tatbestandes nach § 53 Abs. 2 FPG indiziere, dass der (weitere) Aufenthalt des Drittstaatsangehörigen die öffentliche Ordnung oder Sicherheit nicht nur geringfügig gefährde, wobei diese Gefährdungsannahme beim Tatbestand des § 53 Abs. 2 Z 7 FPG auch bereits bei einmaliger Verwirklichung berechtigt sei (vgl. VwGH 24.05.2018, Ra 2017/19/0311).

Aufgrund des Umstandes, dass der Beschwerdeführer über unzureichende Barmittel verfügt, resultiert die Gefahr der Beschaffung der Unterhaltsmittel aus illegalen Quellen bzw. einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft, weshalb im Fall des Fehlens ausreichender Unterhaltsmittel die Annahme einer Gefährdung im Sinn des § 53 Abs. 2 FPG gerechtfertigt ist (VwGH 19.12.2018, Ra 2018/20/0309).

Darüber hinaus hat nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 60 Abs. 2 Z 7 FPG (vor Inkrafttreten des FrÄG 2011) der Fremde initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel, nachzuweisen, dass er nicht bloß über Mittel zur kurzfristigen Bestreitung seines Unterhalts verfügt, sondern sein Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthalts gesichert erscheint. Die Verpflichtung, die Herkunft der für den Unterhalt zur Verfügung stehenden Mittel nachzuweisen, besteht insoweit, als für die Behörde ersichtlich sein muss, dass der Fremde einen Rechtsanspruch darauf hat und die Mittel nicht aus illegalen Quellen stammen (vgl. VwGH 13.09.2012, 2011/23/0156; 22.01.2013, 2012/18/0191).

Ein derartiges Vorbringen hinsichtlich der konkret beabsichtigten Dauer seines Aufenthaltes in der Europäischen Union bzw. dem Europäischen Wirtschaftsraum und der dabei geplanten Bestreitung seines Unterhaltes hat der Beschwerdeführer nicht erstattet und keine entsprechenden Bescheinigungsmittel vorgelegt.

Die belangte Behörde ist daher zutreffend von der Erlassung eines Einreiseverbotes gemäß
§ 53 Abs. 2 Z 6 und 7 FPG ausgegangen.

Der Beschwerdeführer hat zu Österreich und auch im Schengen-Raum weder familiäre noch persönliche Bindungen. Er ist in Österreich bisher keiner legalen Beschäftigung nachgegangen und hat im Gegenteil zumindest eine illegale Beschäftigung ausgeübt. Er verfügt weder in Österreich noch einem sonstigen Mitgliedsstaat der Europäischen Union über eine Aufenthaltsberechtigung und verfügt auch nicht über maßgebliche Deutschkenntnisse. Von einer maßgeblichen sozialen oder gesellschaftlichen Integration kann somit nicht ausgegangen werden, zumal sich sein Lebensmittelpunkt nach wie vor in Albanien befindet.

Das dargestellte Verhalten des Beschwerdeführers ist jedenfalls Grundinteressen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit an der Verhinderung von strafbaren Handlungen massiv zuwidergelaufen.

Der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften kommt aus der Sicht des Schutzes der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein hoher Stellenwert zu (vgl. VwGH vom 31.08.2006, 2006/21/0140), welches – ebenso wie das öffentliche Interesse eines geregelten Arbeitsmarktes – durch das Verhalten des Beschwerdeführers erheblich beeinträchtigt wurde.

Die genannten Umstände rechtfertigten deshalb nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes jedenfalls die Annahme, dass ein Verbleib des Beschwerdeführers im Bundesgebiet bzw. eine Wiedereinreise des Beschwerdeführers eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt.

3.2.4. Im gegenständlichen Fall erweist sich allerdings die von der belangten Behörde verhängte Dauer des Einreiseverbots auf die Dauer von 5 Jahren als nicht angemessen:

Ein Einreiseverbot gemäß § 53 Abs. 3 Z 7 FPG kann zwar in diesem Ausmaß erlassen werden. Bei der Bemessung der Dauer des Einreiseverbotes sind das konkrete Fehlverhalten und der Unrechtsgehalt der begangenen Straftaten unter Berücksichtigung aller Milderungs- und Erschwerungsgründen, aber auch die familiären und privaten Umstände des Betroffenen maßgeblich zu berücksichtigen.

Die Verhängung eines Einreiseverbotes von 5 Jahren erscheint in Anbetracht der Tatsache, dass der Beschwerdeführer die Ausübung einer illegalen Beschäftigung nicht leugnete, er bei der Feststellung des Sachverhalts mitwirkte und sich nicht gegen seine Abschiebung aussprach, nicht geboten. Ferner berücksichtigte die belangte Behörde in der rechtlichen Beurteilung zu Spruchpunkt IV. die bisherige strafrechtliche Unbescholtenheit des Beschwerdeführers nicht.

3.2.5. Im Hinblick darauf und unter Berücksichtigung der auf Grund des Fehlverhaltens und der sonstigen persönlichen Umstände des Beschwerdeführers getroffenen Gefährlichkeitsprognose war die Dauer des Einreiseverbots daher in angemessener Weise auf zwei jahre herabzusetzen und der Beschwerde insoweit Folge zu geben, im darüber hinaus gehenden Umfang (das Einreiseverbot zur Gänze aufzuheben) jedoch abzuweisen.

3.3. Zu Spruchpunkt V. und VI. des angefochtenen Bescheides (Aberkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde und Nicht-Gewährung einer Frist für die freiwillige Ausreise):

Im angefochtenen Bescheid wurde gemäß § 55 Abs. 4 FPG festgelegt, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise besteht. Gemäß § 55 Abs. 4 FPG hat das Bundesamt von der Frist für die freiwillige Ausreise abzusehen, wenn die aufschiebende Wirkung der Beschwerde gemäß
§ 18 Abs. 2 BFA-VG aberkannt wurde. Dies ist gegenständlich der Fall.

Gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG ist die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen eine Rückkehrentscheidung vom Bundesamt abzuerkennen, wenn die sofortige Ausreise des Drittstaatsangehörigen im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich ist.

Wie unter Spruchpunkt IV. umfassend dargelegt, war die sofortige Ausreise des Beschwerdeführers „im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit“ geboten.

Daher war die Beschwerde gegen die Spruchpunkt IV.-V. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abzuweisen.

3.4. Zum Entfall einer Verhandlung:

Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht.

Der Verwaltungsgerichtshof (VwGH) hat mit Erkenntnis vom 28.05.2014, Zl. Ra 2014/20/0017 und 0018-9, für die Auslegung der in § 21 Abs. 7 BFA-VG enthaltenen Wendung "wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint" unter Bezugnahme auf das Erkenntnis des VfGH vom 12.03.2012, Zl. U 466/11 ua., festgehalten, dass der für die rechtliche Beurteilung entscheidungswesentliche Sachverhalt von der Verwaltungsbehörde vollständig in einem ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahren erhoben worden sein und bezogen auf den Zeitpunkt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes immer noch die gesetzlich gebotene Aktualität und Vollständigkeit aufweisen muss.

Die Verwaltungsbehörde muss die die entscheidungsmaßgeblichen Feststellungen tragende Beweiswürdigung in ihrer Entscheidung in gesetzmäßiger Weise offen gelegt haben und das Bundesverwaltungsgericht die tragenden Erwägungen der verwaltungsbehördlichen Beweiswürdigung teilen. In der Beschwerde darf kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüber hinaus gehender für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet werden, wobei bloß unsubstanziiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes ebenso außer Betracht bleiben kann wie ein Vorbringen, das gegen das in § 20 BFA VG festgelegte Neuerungsverbot verstößt. Schließlich ist auf verfahrensrechtlich festgelegte Besonderheiten bei der Beurteilung Bedacht zu nehmen.

Im gegenständlichen Fall ist dem angefochtenen Bescheid ein umfassendes Ermittlungsverfahren durch die belangte Behörde vorangegangen. Für die in der Beschwerde behauptete Mangelhaftigkeit des Verfahrens ergeben sich aus der Sicht des Bundesverwaltungsgerichtes keinerlei Anhaltspunkte. Vielmehr wurde den Grundsätzen der Amtswegigkeit, der freien Beweiswürdigung, der Erforschung der materiellen Wahrheit und des Parteiengehörs entsprochen. Der Sachverhalt wurde nach Durchführung eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens unter schlüssiger Beweiswürdigung der belangten Behörde festgestellt und es wurde in der Beschwerde auch kein dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens der belangten Behörde entgegenstehender oder darüber hinaus gehender Sachverhalt in konkreter und substantiierter Weise behauptet.

Es konnte daher die gegenständliche Entscheidung auf Grund der Aktenlage getroffen und von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung – ungeachtet des Antrages im Beschwerdeschriftsatz – abgesehen werden.

Zu B)

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung (vgl. die unter A) zitierte Judikatur); weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden, noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung - Entfall Ausreise Dauer Einreiseverbot Frist Gefährdung der Sicherheit Gefährlichkeitsprognose Herabsetzung illegale Beschäftigung Mittellosigkeit Teilstattgebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W123.2236347.1.00

Im RIS seit

15.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

15.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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