Entscheidungsdatum
10.11.2020Norm
AsylG 2005 §3 Abs1Spruch
W109 2183012-1/10E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. BÜCHELE über die Beschwerde von XXXX (alias XXXX , alias XXXX ), geb. XXXX (alias XXXX ), StA. Afghanistan, vertreten durch ARGE Rechtsberatung – Diakonie und Volkshilfe, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, Regionaldirektion Oberösterreich, vom 04.12.2017, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 06.10.2020 zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.
II. Der Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte II. bis VI. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und XXXX gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.
III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für ein Jahr erteilt.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Am 27.07.2015 stellte der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger und Angehöriger der Volksgruppe der Hazara, nach Einreise unter Umgehung der Grenzkontrollen in die Republik Österreich erstmals im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz.
Am 27.07.2015 wurde in der Erstbefragung protokolliert, der Beschwerdeführer sei afghanischer Staatsangehöriger und in XXXX geboren. Er sei mit acht Jahren in den Iran ausgereist, dort habe er zwei Jahre die Schule besucht und als Hilfsarbeiter auf Baustellen gearbeitet. Zum Fluchtgrund befragt führte er aus, er habe mit acht Jahren Afghanistan verlassen, als die Taliban das Dorf angegriffen und erobert hätten. Er habe sich immer schon illegal im Iran befunden, zuletzt seien die Kontrollen der iranischen Polizei deutlich strenger geworden. Es sei nur eine Frage der Zeit gewesen, bis er nach Afghanistan abgeschoben worden wäre. Dort werde er als Hazara und Schiit verfolgt, er habe nach wie vor Probleme mit den Taliban und jetzt seien auch IS-Kämpfer in Afghanistan aktiv. Diese seien auch gegen Schiiten. Frau und Kinder seien noch im Iran.
Am 25.10.2017 führte der Beschwerdeführer in der niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl zu seinen Fluchtgründen auf das Wesentliche zusammengefasst aus, sie würden von Taliban und IS bedroht, sie hätten auch in den Moscheen keine Sicherheit. Sie hätten in der Stadt keine Sicherheit, könnten nicht in Sicherheit leben. Er habe kein Vertrauen in die afghanischen Behörden. Er sei mit acht Jahren mit Eltern, Schwester und Bruder wegen des Krieges und der Sicherheitslage in den Iran ausgereist. Von konkreten Vorfällen wisse er nicht. 2003 seien sie wieder nach Afghanistan zurück, da die Taliban den Krieg verloren hätten. Sie hätten drei Monate in Balkh gelebt und aus Angst vor einem erneuten Krieg erneut ausgereist. Er sei Hazara und Schiit, wenn er erwischt würde, würden sie ihn umbringen.
2. Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid vom 04.12.2017, zugestellt am 07.12.2017, wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt I.) sowie hinsichtlich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten § 8 Abs. 1 AsylG 2005 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 ab (Spruchpunkt II.), erteilte dem Beschwerdeführer keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 (Spruchpunkt III.), erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde mit zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt VI.). Begründend führte die belangte Behörde aus, nach Gesamtschau des Vorbringens betreffend das zweimalige Verlassen des Herkunftsstaates könne die Behörde keine asylrelevanten Probleme feststellen. Betreffend seine Religions- und Volksgruppenzugehörigkeit habe der Beschwerdeführer keine konkreten Probleme schildern können. Auch aus den übrigen Ausführungen wären etwaige Verfolgungsszenarien nicht erkennbar. Familienangehörige würden sich im Herkunftsstaat aufhalten, der Beschwerdeführer sei gesund und arbeitsfähig, habe Berufserfahrung und die Versorgungslage stelle sich nicht derart prekär dar, dass sie für den Beschwerdeführer relevant sein könne. Die Sicherheitslage in Balkh sei vergleichsweise gut und die Provinz über den internationalen Flughafen sicher zu erreichen. Die Angaben im Hinblick auf den Iran könnten, da sie nicht den Herkunftsstaat beträfen, außer Betracht bleiben.
3. Am 04.01.2018 langte die vollumfängliche Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den oben dargestellten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl bei der belangten Behörde ein in der im Wesentlichen ausgeführt wird, die belangte Behörde sei ihrer Ermittlungspflicht nicht nachgekommen. Die Länderfeststellungen seien unzureichend. Die Sicherheitslage sei schlecht. Der Beschwerdeführer sei aufgrund seiner Zugehörigkeit zur religiösen und ethnischen Gruppe der schiitischen Hazara und wegen seiner Zugehörigkeit zur sozialen Gruppe der Afghanen, die den Großteil ihres Lebens im Ausland verbracht hätten und welchen dadurch eine oppositionelle politische Gesinnung unterstellt werde, asylrelevant verfolgt. Auch der Umstand, dass er sich jahrelang im westlich geprägten Österreich aufgehalten habe, könne ihn aufgrund einer unterstellten politischen Gesinnung oder einem unterstellten Werteabfall zur Zielscheibe von Übergriffen machen. Eine innerstaatliche Fluchtalternative gebe es nicht. Die Sicherheitslage sei prekär
Am 06.10.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht zur Ermittlung des entscheidungswesentlichen Sachverhaltes eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, an der der Beschwerdeführer, sein bevollmächtigter Rechtsvertreter und ein Dolmetscher für die Sprache Dari/Farsi teilnahmen. Die belangte Behörde nahm nicht an der Verhandlung teil.
In der mündlichen Verhandlung wurde der Beschwerdeführer zu seinen Fluchtgründen befragt, der Beschwerdeführer legte zudem eine schriftliche Stellungnahme vor.
Der Beschwerdeführer legte im Lauf des Verfahrens folgende Dokumente vor:
? Tazkira des Beschwerdeführers
? ÖSD-Zertifikat A1
? ÖSD-Zertifikat A2 – „nicht bestanden“
? Teilnahmebestätigungen für Deutschkurse
? Teilnahmebestätigung für Erste-Hilfe-Grundkurs
? Teilnahmebestätigung für Basisbildungs-Lehrgang
? Unterstützer*innen-Liste
? Empfehlungsschreiben
? Bestätigung über gemeinnützige Arbeit
? Medizinische Unterlagen betreffend die Ehefrau des Beschwerdeführers in Kopie
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1. Zu Person und Lebensumständen Beschwerdeführers
Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen, wurde im Jahr XXXX geboren und ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan und Angehöriger der Volksgruppe der Hazara. Er bekennt sich zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam. Die Muttersprache des Beschwerdeführers ist Dari, er spricht Farsi und Dari gemischt. Er spricht auch Deutsch auf dem Niveau A1 des gemeinsamen europäischen Referenzrahmens für Sprachen.
Der Beschwerdeführer ist gesund und in Österreich strafgerichtlich unbescholten.
Der Beschwerdeführer ist verheiratet und hat zwei Söhne und eine Tochter.
Der Beschwerdeführer wurde in einem Dorf in der Provinz Baghlan geboren und reiste im Alter von etwa acht Jahre wegen des Krieges mit seinen Eltern, einem Bruder und einer Schwester in den Iran aus. Dort hat der Beschwerdeführer zwei Jahre die Schule besucht und ab dem 12. Lebensjahr als Hilfsarbeiter gearbeitet, etwa auf Baustellen, als Metallarbeiter und in der Landwirtschaft.
Etwa im Jahr 2003 kehrte der Beschwerdeführer mit seiner Familie nach Afghanistan zurück, von wo er nach dreimonatigem Aufenthalt in Mazar-e Sharif, Balkh und einer Tätigkeit als Hilfsarbeiter wegen der schwierigen Lebenssituation und einer Krankheit seines Sohnes mit Ehefrau, Kindern, Mutter und Bruder in den Iran zurückkehrte.
Vater und Schwester des Beschwerdeführers verblieben in Afghanistan. Der Vater ist etwa 2012 verstorben. Die Mutter ist mittlerweile ebenso verstorben.
Nach der Ausreise des Beschwerdeführers vom Iran nach Österreich kehrte die Ehefrau des Beschwerdeführers mit den gemeinsamen Kindern zunächst nach Afghanistan zurück und lebte in Balkh, sie wurden dort vom Bruder des Beschwerdeführers unterstützt.
Aktuell sind Ehefrau und Kinder des Beschwerdeführers in Griechenland auf Lesbos aufhältig. Zu diesen hat der Beschwerdeführer Kontakt.
In Balkh, Afghanistan, sind eine verheiratete Schwester, ein verheirateter Bruder und ein weiterer Bruder des Beschwerdeführers aufhältig. Schwager und Bruder des Beschwerdeführers sind als Hilfsarbeiter tätig.
1.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers
Der Beschwerdeführer hat den Herkunftsstaat im Kindesalter wegen des Krieges verlassen, die näheren Umstände können nicht festgestellt werden.
Die erneute Ausreise 2003 erfolgte ebenso wegen der Sicherheitslage, sowie aufgrund schwieriger Lebensumstände und einer Erkrankung des Sohnes des Beschwerdeführers.
Die Minderheit der schiitischen Hazara macht etwa 9-10% der Bevölkerung aus, sie leben unter anderem in Teilen der Provinzen Baghlan und Balkh, sowie in Kabul (Stadt), Herat (Stadt) und Mazar-e Sharif. Hazara bekleiden prominente Stellen in der Regierung und im öffentlichen Leben, sind allerdings in der öffentlichen Verwaltung unterrepräsentiert. Hazara werden am Arbeitsmarkt diskriminiert. Soziale Diskriminierung gegen schiitische Hazara, basierend auf Klasse, Ethnie oder religiösen Ansichten, finden ihre Fortsetzung in Erpressung (illegale Steuern), Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, physischer Misshandlung und Inhaftierung. Nichtsdestotrotz, genießt die traditionell marginalisierte schiitische muslimische Minderheit, zu der die meisten ethnischen Hazara gehören, seit 2001 eine zunehmende politische Repräsentation und Beteiligung an nationalen Institutionen. Die Hazara haben seither auch erhebliche wirtschaftliche und politische Fortschritte gemacht.
Hinweise auf von staatlichen Akteuren ausgehende Misshandlungen gibt es nicht.
Der ISKP (Islamischer Staat Khorasan Provinz) verfügt in Afghanistan über sehr begrenzte territoriale Kontrolle, ist jedoch in der Lage, in unterschiedlichen Teilen des Landes Angriffe durchzuführen. Es kommt zu Angriffen durch den ISKP auf schiitische Hazara, etwa in Kabul und Herat. Ziel sind insbesondere Orte, an denen Schiiten zusammenkommen, etwa Moscheen, politische Demonstrationen oder Hazara-dominierte Wohnviertel. Diese Angriffe stehen im Zusammenhang mit der schiitischen Glaubenszugehörigkeit der Hazara sowie mit deren – nach Wahrnehmung des ISKP – Nähe und Unterstützung des Iran und des Kampfes gegen den IS in Syrien.
Es kommt zu Entführungen und Tötungen von Angehörigen der Volksgruppe der Hazara auf den Straßen durch regierungsfeindliche Kräfte, insbesondere durch die Taliban. Es gibt Vorfälle, bei denen Hazara-Reisende ausgesondert und getötet oder entführt werden. Hierfür kann jedoch häufig ein anderer Grund als deren Religions- oder Volksgruppenzugehörigkeit identifiziert werden, etwa als ANSF-Angehöriger, NGO- oder Regierungsmitarbeiter.
Die schiitische Religionszugehörigkeit gehört zum ethnischen Selbstverständnis der Hazara, Ethnien- und Religionszugehörigkeit sind in Afghanistan häufig untrennbar verbunden.
Es kommt zu Angriffen regierungsfeindlicher Gruppierungen auf Personen, die aus westlichen Ländern nach Afghanistan zurückgekehrt sind. Betroffene wurden etwa bedroht, gefoltert oder getötet, weil sie sich vermeintlich die diesen Ländern zugeschriebenen Werte zu eigen gemacht und „Ausländer“ geworden seien oder als Spione oder auf andere Weise ein westliches Land oder die Regierung unterstützen würden.
Heimkehrer aus westlichen Ländern sind mit Misstrauen der örtlichen Gemeinschaft aber auch von Staatsbeamten konfrontiert.
Für Männer ist das Risiko, als „verwestlicht“ wahrgenommen zu werden, im Allgemeinen gering und hängt von den individuellen Umständen ab.
Der Beschwerdeführer war im Jahr 2003 während seines dreimonatigen Aufenthaltes im Herkunftsstaat mit Diskriminierung, Ausgrenzung und beleidigenden Bemerkungen konfrontiert und hatte Schwierigkeiten bei der Arbeitssuche, weil er wegen seines iranischen Akzentes und seiner mangelnden Vertrautheit mit afghanischen Sozialnormen und -erwartungen als „iranisiert“ bzw. „unafghanisch“ wahrgenommen wurde.
Im Fall einer Rückkehr ist damit zu rechnen, dass diese Schwierigkeiten erneut auftreten und den Beschwerdeführer bei der Reintegration und Existenzgründung behindern.
1. 3. Zur Rückkehr in den Herkunftsstaat
Afghanistan ist von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt zwischen der afghanischen Regierung und Aufständischen betroffen. Die Betroffenheit von Kampfhandlungen sowie deren Auswirkungen für die Zivilbevölkerung sind regional unterschiedlich.
Baghlan gehört zu den volatilen Provinzen des Herkunftsstaates. Die Hazara stellen nach Tadschiken und Paschtunen die drittgrößte ethnische Gruppe. Die Taliban sind stark präsent. Zwischen 2014 und 2018 gab es einen Angriff des ISKP. Es kommt zu bewaffneten Zusammenstößen zwischen Regierungstruppen und Taliban und zu Angriffen der Taliban auf die Sicherheitskräfte. Hauptursache für zivile Opfer sind Bodenkämpfe, gefolgt von gezielten Tötungen und improvisierten Sprengkörpern. Für das Jahr 2019 sind 349 zivile Opfer dokumentiert, eine Steigerung um 34 % im Vergleich zum Jahr 2018. Im Zeitraum 01.01.2018 bis 28.02.2019 wurden 13 491 Personen vertrieben, im Zeitraum 01.03.2019 bis 30.06.2020 43 428.
Der durch die afghanische Regierung geleistete Menschenrechtsschutz ist trotz ihrer ausdrücklichen Verpflichtungen, nationale und internationale Menschenrechtsverpflichtungen einzuhalten, inkonsistent. Menschenrechtsverletzungen an der Zivilbevölkerung finden unabhängig von der tatsächlichen Kontrolle über das betreffende Gebiet durch den Staat und seine Vertreter, regierungsnahe Gruppen und regierungsfeindliche Gruppierungen statt. Straflosigkeit ist weit verbreitet. Besonders schwere Menschenrechtsverletzungen sind insbesondere in umkämpften Gebieten verbreitet. Das formale Justizsystem ist schwach ausgeprägt, Korruption, Drohungen, Befangenheit und politische Einflussnahme sind weit verbreitet, es mangelt an ausgebildetem Personal und Ressourcen. Die Sicherheitskräfte wenden unverhältnismäßige Gewalt an, Folter ist in Haftanstalten weit verbreitet.
Afghanistan ist eines der ärmsten Länder der Welt, die Wirtschaft stark von internationalen Hilfsgeldern abhängig und stützt sich hauptsächlich auf den informellen Sektor, der 80 bis 90 % der gesamten Wirtschaftstätigkeit ausmacht. Lebensgrundlage von 80 % der Bevölkerung ist die Landwirtschaft. Ca. 44 % der Bevölkerung sind unter 15 Jahre alt, 54 % zwischen 15 und 64. Jedes Jahr treten sehr viele junge Afghanen in den Arbeitsmarkt ein, während die Beschäftigungsmöglichkeiten aufgrund unzureichender Entwicklungsressourcen und mangelnder Sicherheit nicht mit dem Bevölkerungswachstum Schritt halten können. Die Lebenserwartung liegt bei 64 Jahren. Die Arbeitslosenrate liegt bei 11,2 %.
Die afghanische Wirtschaft wurde hart von den Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie getroffen. Als Folge sind die Preise von Grundnahrungsmitteln stark gestiegen. Aufgrund der Maßnahmen gibt es weniger Gelegenheitsarbeit. Der Ausbruch der COVID-19-Pandemie hat negative Auswirkungen auf die wirtschaftliche Entwicklung, was etwa zu einer Verschärfung von Armut, einem Rückgang der Staatseinnahmen und einer geringeren Nachfrage nach Arbeitskräften führt. Besonders von weiterer Verarmung betroffen sind von Tagelöhner-Einkommen abhängige Familien.
Maßnahmen zur Pandemie-Bekämpfung im Sinne von Ausgangsbeschränkungen, Beschränkungen des wirtschaftlichen Lebens oder der Bewegungsfreiheit sind aktuell nicht in Kraft.
Afghanistan ist von der COVID-19-Pandemie betroffen, dies gilt auch für Balkh, Herat und Kabul. Das afghanische Gesundheitssystem ist mangelhaft, der überwiegende Anteil der Bevölkerung hat jedoch Zugang zu grundlegender Gesundheitsversorgung. Die medizinische Versorgung ist in großen Städten und auf Provinzebene sichergestellt. Die Verfügbarkeit und Qualität der Grundbehandlung ist durch Mangel an gut ausgebildetem Personal, mangelnde Verfügbarkeit von Medikamenten, schlechtes Management sowie schlechte Infrastruktur begrenzt. In Distrikten mit guter Sicherheitslage werden in der Regel mehr und bessere Leistungen angeboten. Die Behandlungskosten sind hoch. Bedingt durch die begrenzten Ressourcen des öffentlichen Gesundheitswesens und die begrenzten Testkapazitäten sowie des Fehlens eines nationalen Sterberegisters werden bestätigte Fälle von und Todesfälle durch COVID-19 in Afghanistan unzureichend erfasst. Krankenhäuser und Kliniken haben Probleme bei der Aufrechterhaltung oder Erweiterung der Kapazität ihrer Einrichtungen zur Behandlung von Patienten mit COVID-19.
Die Hauptstadt Kabul steht unter der Kontrolle der afghanischen Regierung. Es kommt allerdings in der Hauptstadtregion weiterhin zu Anschlägen Aufständischer auf hochrangige Ziele. Hauptursache für Opfer sind Selbstmord- und komplexe Angriffe, improvisierte Sprengkörper und gezielte Tötungen. Kabul verfügt über einen internationalen Flughafen, über den die Stadt sicher erreicht werden kann.
Herat (Stadt) steht unter Kontrolle der afghanischen Regierung, die Stadt gilt als sicher. Zuletzt kam es zu einem Anstieg hinsichtlich Gesetzlosigkeit und Kriminalität. Die Stadt verfügt über einen internationalen Flughafen, über den sie erreicht werden kann. Die Straße zum Flughafen wird übelicherweise von den Sicherheitskräften kontrolliert, in den letzten Jahren gab es jedoch Sicherheitsvorfälle.
Mazar-e Sharif steht unter Regierungskontrolle, Kampfhandlungen finden im Wesentlichen nicht statt, es kommt jedoch zu Sicherheitsvorfällen. Die Kriminalität ist zuletzt gestiegen. Die Stadt verfügt über einen internationalen Flughafen, über den die Stadt sicher erreicht werden kann.
2. Beweiswürdigung:
2.1. Zu Person und Lebensumständen des Beschwerdeführers
Die Feststellung zum Namen des Beschwerdeführers beruhen auf den Angaben des Beschwerdeführers in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 06.10.2020, wo dieser seinen Namen mit XXXX nannte, sowie auf der vorgelegten Tazkira, in der derselbe Name angegeben ist (Übersetzung AS 129), wie auch der Dolmetscher in der mündlichen Verhandlung bestätigte (OZ 9, S. 5). Zudem fällt im Hinblick auf die Alias-Namen des Beschwerdeführers auf, dass etwa der in der in der Meldung der LPD Salzburg vom 27.07.2015 als Nachname des Beschwerdeführers aufgenommene Name dem seines Vaters laut Tazkira entspricht, sowie der schließlich im Bericht der LPD Salzburg vom 27.07.2015, sowie im Erstbefragunsprotokoll angegeben Nachname dem seines Großvaters laut Tazkira. Auch in der Einvernahme durch die belangte Behörde am 25.10.2017 gab der Beschwerdeführer bereits an, er heiße XXXX und bezeichnet „ XXXX “ als seinen Spitznamen (AS 103). Zudem ergibt sich auch aus dem Bericht der LPD Salzburg auch ein Hinweis auf Verständigungsprobleme (AS 31). Mit all dem setzt sich die belangte Behörde nicht auseinander, sondern führt leidglich aus, die Identität stehe nicht fest und könne die Tazkira mangels Überprüfbarkeit nicht zur Identitätsfeststellung herangezogen werden (AS 360). Hierzu ist jedoch anzumerken, dass die belangte Behörde im Rahmen ihrer Ermittlungspflicht zu beurteilen hat, ob sie die Identität oder Herkunft als erwiesen ansieht oder nicht (VwGH 26.09.2007, 2007/19/0086). Der Umstand, dass das Feststehen der Identität keine besondere gesetzliche Voraussetzung für die Gewährung von Asyl ist (VwGH 30.04.2018, enthebt die belangte Behörde ihrer Verpflichtung zur Beurteilung, also auch zur Auseinandersetzung mit den vom Bundesverwaltungsgericht bereits aufgezeigten Umständen. Angesichts der vorgelegten Tazkira, der wiederholten Versuche des Beschwerdeführers, seinen Namen korrigieren zu lassen und der ansonsten bereits aufgezeigten Indizien geht das Bundesverwaltungsgericht davon aus, dass bei Aufnahme der Identität des Beschwerdeführers tatsächlich ein Fehler passiert ist und trifft seine Feststellung zum Namen des Beschwerdeführer entsprechend seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 06.10.2020 (OZ 9, S. 5) in Zusammenschau mit der vorgelegten Tazkira.
Ansonsten beruhen die Feststellungen zur Identität des Beschwerdeführers, seiner Staatsangehörigkeit, seiner Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit und seiner Muttersprache auf seinen gleichbleibenden und plausiblen Angaben im Lauf des Verfahrens, an denen auch die belangte Behörde keine Zweifel hegte. Zu seinen Deutschkenntnissen hat der Beschwerdeführer im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 06.10.2020 sein ÖSD-Zertifikat A1 vom 31.07.2017 vorgelegt (Beilage zu OZ 9).
Die Feststellung zur Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ergibt sich aus dem im Akt einliegenden aktuellen Strafregisterauszug.
Zu seinem Gesundheitszustand gab der Beschwerdeführer in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht an, er habe Augenprobleme, er tue sich in letzter Zeit beim Lesen schwer, er werde nach drei, vier, fünf Zeilen müde und ihm werde auch schwindelig (OZ 9, S. 7), sowie, er wolle bald zum Arzt gehen (OZ 9, S. 4). Medizinische Unterlagen hat der Beschwerdeführer hierzu jedoch auch seither nicht vorgelegt, folglich wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer gesund ist.
Die Feststellungen zu seinen und seiner Familie Lebensumständen, Reisebewegungen und allgemeinen Lebensverhältnissen ergeben sich aus den plausiblen und umfassenden Angaben des Beschwerdeführers im Lauf des Verfahrens.
Die Feststellungen zum Verbleib der Angehörigen des Beschwerdeführers ergeben sich aus seinen Angaben im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 06.10.2020 (OZ 9, S. 5 und 7). Diese passen auch konsistent zu den bis dahin erstatteten Angaben des Beschwerdeführers, zudem legte der Beschwerdeführer im Zuge der mündlichen Verhandlung ein Konvolut medizinischer Unterlagen betreffend seine Frau in Kopie vor (Beilagen zu OZ 9), aus denen deren Behandlung durch eine in Griechenland, insbesondere auf Lesbos, tätige britische NGO. Weiter schilderte der Beschwerdeführer die Lebensumstände von Frau und Kindern im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 06.10.2020 glaubhaft bewegt (OZ 9, S. 10-11).
2.2. Zu den Fluchtgründen des Beschwerdeführers
Die Feststellungen zu den jeweiligen Ausreisegründen des Beschwerdeführers beruhen auf seinen gleichbleibenden und plausiblen Angaben, die auch die belangte Behörde ihrer Entscheidung zugrunde legte.
Die Feststellungen zu den Siedlungsgebieten der schiitischen Hazara beruhen auf dem vom Bundesverwaltungsgericht mit Ladung vom 01.09.2020 (OZ 7) in das Verfahren eingebrachten Länderinformationsblatt der Staatendokumentation, Gesamtaktualisierung am 13.11.2019, letzte Information eingefügt am 21.07.2020 (in der Folge: Länderinformationsblatt). So geht das traditionelle Besiedelungsgebiet der Hazara, zu dem Teile der Provinzen Baghlan und Balkh zählen, aus Kapitel 16. Relevante ethnische Minderheiten, Unterkapitel 16.3. Hazara, hervor, dass auch von „Hazara-Vierteln“ in Kabul berichtet. Kapitel 2.4. Baghlan berichtet weiter, die Hazara seien die drittgrößte ethnische Gruppe der Provinz. Im Hinblick auf Herat zählt das Länderinformationsblatt die Hazara ebenso als eine der wichtigsten ethnischen Gruppen in der Provinz auf und erwähnt im Hinblick auf Herat (Stadt) eine beträchtliche Hazara-Minderheit (Kapitel 2.13. Herat).
Die Feststellungen zur gesellschaftlichen Lage der Hazara beruhen auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 16. Relevante ethnische Minderheiten, Unterkapitel 16.3. Hazara, sowie auf der ebenso vom Bundesverwaltungsgericht mit Ladung vom 01.09.2020 (OZ 7) in das Verfahren eingebrachten EASO Country Guidance: Afghanistan von Juni 2019 (in der Folge: EASO Country Guidance), Abschnitt Common analysis: Afghansitan, Kapitel II. Refugee status, Unterkapitel 17. Ethnic and religious minorities, Buchstabe a. Individuals of Hazara ethnicity, S. 69-70, sowie Buchstabe b. Shia, including Ismaili, S. 70). Auch die UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender von 30.08.2018 (in der Folge: UNHCR-Richtlinien) – auch mit Ladung vom 01.09.2020 (OZ 7) in das Verfahren eingebracht – berichten einerseits von gesellschaftlicher Diskriminierung, Erpressung durch illegale Besteuerung, Zwangsrekrutierung, Zwangsarbeit, körperliche Misshandlung und Inhaftierung, aber auch von erheblichen wirtschaftlichen und politischen Fortschritten der Hazara seit dem Ende des Taliban-Regimes (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel A. Risikoprofile, Unterkapitel 13. Angehörige ethnischer (Minderheiten-)Gruppen, Buchstabe b) Hazara, S. 106-107).
Hinweise auf Misshandlungen der schiitischen Hazara durch den Staat sind der EASO Country Guidance zufolge nicht ersichtlich (Abschnitt Common analysis: Afghansitan, Kapitel II. Refugee status, Unterkapitel 17. Ethnic and religious minorities, Buchstabe a. Individuals of Hazara ethnicity, S. 69).
Die Feststellungen zum ISKP und dessen Angriffe auf die Hazara beruhen auf der EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghansitan, Kapitel II. Refugee status, Unterkapitel 17. Ethnic and religious minorities, Buchstabe a. Individuals of Hazara ethnicity, S. 69-70, sowie Buchstabe b. Shia, including Ismaili, S. 70), wobei auch das Länderinformationsblatt im Wesentlichen übereinstimmend von Angriffen auf schiitische Hazara durch den ISKP berichtet (Kapitel 16. Relevante ethnische Minderheiten, Unterkapitel 16.3. Hazara). Dieses berichtet auch, dass der ISKP den Großteil seines Territoriums verloren hat (Kapitel 2. Sicherheitslage, Abschnitt Islamischer Staat (IS/ISIS/ISIL/Daesh), Islamischer Staat Khorasan Provinz (ISKP)).
Die UNHCR-Richtlinien berichten allgemein von Fällen von Schikanen, Einschüchterung, Entführung und Tötung durch die Taliban, den Islamischen Staat und andere regierungsfeindliche Kräfte, wobei den Fußnoten im Hinblick auf konkrete Vorfälle zu entnehmen ist, dass dem IS insbesondere Terror-Anschläge auf die schiitische Minderheit zuzurechnen sind. Im Hinblick auf die Taliban werden insbesondere Entführungen erwähnt, ihnen werden jedoch auch Anschläge zugeschrieben (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel A. Risikoprofile, Unterkapitel 13. Angehörige ethnischer (Minderheiten-)Gruppen, Buchstabe b) Hazara, S. 107, sowie Unterkapitel 5. Angehörige religiöser Minderheiten und Personen, die angeblich gegen die Scharia verstoßen, Buchstabe a) Religiöse Minderheiten, Abschnitt Schiiten, S. 69.-70). Die EASO Country Guidance berichtet im Hinblick auf Entführungen konkret, es würde Vorfälle geben, wo Hazara-Zivilisten auf Reisen entlang der Straßen entführt und getötet würden, jedoch, dass dies häufig auch mit anderen Motiven als der Religions- oder Volksgruppenzugehörigkeit in Zusammenhang stehe, etwa als ANSF-Angehöriger, NGO- oder Regierungsmitarbeiter (Abschnitt Common analysis: Afghansitan, Kapitel II. Refugee status, Unterkapitel 17. Ethnic and religious minorities, Buchstabe a. Individuals of Hazara ethnicity, S. 69-70, sowie Buchstabe b. Shia, including Ismaili, S. 70).
Im Hinblick auf die Verbundenheit von Ethnie und Religion berichtet das Länderinformationsblatt, die schiitische Religionszugehörigkeit würde wesentlich zum ethnischen Selbstverständnis der Hazara zählen (Kapitel 16. Relevante ethnische Minderheiten, insbesondere Unterkapitel 16.3. Hazara). Auch die UNHCR-Richtlinien berichten von einer häufig untrennbaren Verbundenheit von Ethnie und Religionszugehörigkeit, weswegen eine eindeutige Unterscheidung zwischen einer Diskriminierung und Misshandlung aufgrund der Religion einerseits oder der ethnischen Zugehörigkeit andererseits oftmals nicht möglich sei (Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel 5. Angehörige religiöser Minderheiten und Personen, die angeblich gegen die Scharia verstoßen, Buchstabe a) Religiöse Minderheiten, Unterabschnitt Schiiten, S. 69-70). Auch die EASO Country Guidance spricht die Verknüpfung an (Abschnitt Common analysis: Afghansitan, Kapitel II. Refugee status, Unterkapitel 17. Ethnic and religious minorities, Buchstabe a. Individuals of Hazara ethnicity, S. 69).
Die Feststellungen zur Situation von Rückkehrern aus dem westlichen Ausland beruhen auf den UNHCR-Richtlinien, Abschnitt III. Internationaler Schutzbedarf, Kapitel 1. Personen, die tatsächlich oder vermeintlich mit der Regierung und der internationalen Gemeinschaft einschließlich der internationalen Streitkräfte verbunden sind oder diese tatsächlich oder vermeintlich unterstützen, Buchstabe i) Als „verwestlicht“ wahrgenommene Personen, S. 52-53, sowie der EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel II. Refugee status, Unterkapitel 13. Individuals perceived as ,Westernised‘, S. 65-66). Letztere berichtet insbesondere, dass das Risiko für Männer, als „verwestlicht“ wahrgenommen zu werden, gering ist. Auch das Länderinformationsblatt bestätigt, dass Rückkehrer aus dem „westlichen Ausland“ mit Misstrauen der afghanischen Gesellschaft rechnen müssen (Länderinformationsblatt, Kapitel 22. Rückkehr).
Die Feststellungen zu den Diskriminierungs- und Ausgrenzungserfahrungen des Beschwerdeführers im Jahr 2003 beruhen auf seinen lebendigen, mit den Länderinformationen im Einklang stehenden Schilderungen im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 06.10.2020 (OZ 9, S. 7). So berichtet die EASO Country Guidance, Afghanen, die lange Zeit im Iran oder Pakistan gelebt hätten, könnten Schwierigkeiten bei der Suche nach Arbeit und Unterkunft haben, was im Zusammenhang mit ihrem Akzent stehen könne und seien möglicherweise mit beleidigenden Bemerkungen konfroniert (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel II. Refugee status, Unterkapitel 21. Individuals who were born in Iran or Pakistan and/or who lived there for a longperiod of time, S. 75). Vor dem Hintergrund, dass der mittlerweile über 50-jährige Beschwerdeführer Afghanistan als Achtjähriger verlassen hat und seither lediglich im Jahr 2003 für drei Monate zurückgekehrt ist, ist auch plausibel, dass der Beschwerdeführer mit afghanischen Sitten und Gepflogenheiten nicht vertraut ist. Zudem bestätigte der Dolmetscher im Zuge der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht am 06.10.2020, dass beim Beschwerdeführer ein „Farsi“-Einschlag hörbar sei (OZ 9, S. 11). Demnach ist beim Beschwerdeführer auch der in der EASO Country Guidance angesprochene iranische Akzent hörbar. Auch das Länderinformationsblatt bestätigt, Rückkehrer aus dem Iran oder Pakistan, die über Jahrzehnte in den Nachbarländern gelebt hätten, seien als solche erkennbar und berichtet ebenso, dass– bedingt durch die sprachliche Barriere und ihre fehlende Vertrautheit mit kulturellen Besonderheiten und sozialen Normen – deren Integration und Existenzgründung erschwert seien (Kapitel 22. Rückkehr). Demnach ist auch im Fall der Rückkehr erneut mit denselben Schwierigkeiten und einer hieraus resultierenden Behinderung bei der Reintegration und Existenzgründung zu rechnen.
2.3. Zur Rückkehr in den Herkunftsstaat
Die Feststellung zum innerstaatlichen bewaffneten Konflikt in Afghanistan beruht auf dem Länderinformationsblatt, der EASO Country Guidance, und den UNHCR-Richtlinien.
Die Feststellungen zur Sicherheitslage in der Provinz Baghlan beruhen auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 2. Sicherheitslage, Unterkapitel 2.4. Baghlan, sowie auf der EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel III. Subsidiary protection, Buchstabe c. Indiscriminate violence, Abschnitt Baghlan, S. 91-92). Die Feststellungen zu den Vertreibungen im Zeitraum 01.03.2019 bis 30.06.2020 ist dem EASO COI Report: Security situation. Afghanistan von September 2020 entnommen (Kapitel 2.4.3.2 Displacement, S. 89).
Die Feststellungen zur Menschenrechtslage beruhen auf den UNHCR-Richtlinien, Kapitel II. Überblick über die Situation in Afghanistan, Unterkapitel C. Die Menschenrechtssituation, S. 26 ff., sowie dem damit übereinstimmenden Länderinformationsblatt, Kapitel 3. Rechtsschutz/Justizwesen, 5. Folter und unmenschliche Behandlung und 10. Allgemeine Menschenrechtslage. Mangels konkreter Anhaltspunkte im Vorbringen des Beschwerdeführers wurden genauere Feststellungen zu den jeweiligen Themenkreisen nicht getroffen.
Die Feststellungen zur Wirtschaftslage in Afghanistan beruhen auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 20. Grundversorgung und dem EASO COI Report: Afghanistan. Key socio-economic indicators. Focus on Kabul City, Mazar-e Sharif and Herat City von August 2020.
Der negative Einfluss der COVID-19-Pandemie auf die afghanische Wirtschaft geht aus dem Länderinformationsblatt, insbesondere Information vom 21.07.2020 hervor und wird auch vom EASO COI Report: Afghanistan. Key socio-economic indicators. Focus on Kabul City, Mazar-e Sharif and Herat City von August 2020 bestätigt. Dieser berichtet etwa, dass für das Jahr 2020 ein Rückgang des BIP von 5,5 bis 7,4 % erwartet wird (Kapitel 2.1.1 Economic growth, S. 23), von einem Anstieg der Arbeitslosenrate für das Jahr 2020 (Kapitel 2.2.1. Unemployment, S. 28), von insgesamt negativen Auswirkungen der Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie auf Arbeitsmarkt, Geschäftsaktivitäten, Armutsrate, etc. (etwa Kapitel 2.2.2 Employment opportunities and working conditions, S. 29-30; Kapitel 2.3.1. General trends, S. 36), einem verringerten Zugang zu Einkommen für arme städtische Haushalte, insbesondere für Tagelöhner (Kapitel 2.3.2. Urban poverty, S. 37) und einem Anstieg der Lebensmittelpreise (Kapitel 2.4.1. General situation, S. 39).
Im Hinblick auf aktuelle Maßnahmen zu Pandemiebekämpfung geht aus dem Länderinformationsblatt hervor, die „landesweite Abriegelung“ sei zuletzt am 06.06.2020 um drei Monate verlängert worden, ebenso die Schließung der Schulen (Information vom 21.07.2020). Informationen zu einer darüberhinausgehenden Verlängerung waren allerdings nicht auffindbar.
Die Feststelllungen zur COVID-19-Pandemie beruhen auf dem Länderinformationsblatt, insbesondere Information vom 21.07.2020. Die Feststellungen zur Gesundheitsversorgung beruhen ebenso auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 21. Medizinische Versorgung, sowie auf dem EASO COI Report: Afghanistan. Key socio-economic indicators. Focus on Kabul City, Mazar-e Sharif and Herat City von August 2020, Kapitel 2.6 Health care, S. 45 ff.).
Die Feststellungen zur Sicherheitslage in Kabul beruhen auf den übereinstimmenden Informationen des Länderinformationsblattes, Kapitel 2. Sicherheitslage, Unterkapitel 2.1. Kabul, und der EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel III. Subsidiary protection, Unterkapitel Article 15(c) QD, Buchstabe c. Indiscriminate violence, Abschnitt Kabul, S. 101-102, insbesondere Unterabschnitt Focus on the capital: Kabul City, S. 102. Die Feststellung zum internationalen Flughafen in Kabul beruht auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 2. Sicherheitslage, Unterkapitel 2.35. Erreichbarkeit, Abschnitt Internationale Flughäfen in Afghanistan. Die EASO Country Guidance berichten, dass für den Flughafen von Kabul, fünf km vom Stadtzentrum entfernt im Stadtgebiet gelegen, zwar Zwischenfälle bekannt sind, die Erreichbarkeit sei jedoch über den Flughafen im Allgemeinen sicher gegeben (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel V. Internal protection, Unterkapitel Travel and admittance, S. 130).
Die Feststellungen zur Sicherheitslage in Herat (Stadt) beruhen auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 2. Sicherheitslage, Unterkapitel 2.13. Herat). Hier findet auch der internationale Flughafen Erwähnung, von dem auch das Länderinformationsblatt, Kapitel 2. Sicherheitslage, Unterkapitel 2.35. Erreichbarkeit, Abschnitt Internationale Flughäfen, Unterabschnitt Internationaler Flughafen Herat). Im Hinblick auf diesen ist der EASO Country Guidance zu entnehmen, dass die Straße, die den Flughafen mit der Stadt verbindet, üblicherweise von Sicherheitskräften kontrolliert wird. Es habe in den letzten Jahren jedoch Sicherheitsvorfälle gegeben (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel V. Internal protection alternative, Abschnitt Travel and admittance S. 130).
Die Feststellung, dass Mazar-e Sharif unter Regierungskontrolle steht und Kampfhandlungen im Wesentlichen nicht stattfinden, beruhen auf dem Länderinformationsblatt, Kapitel 2. Sicherheitslage, Unterkapitel 2.5. Balkh, wo insbesondere für Mazar-e Sharif kaum Sicherheitsvorfälle verzeichnet sind, sowie auf der EASO Country Guidance, Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel III. Subsidiary protection, Unterkapitel Article 15(c) QD, Buchstabe c. Indiscriminate violence, Abschnitt Balkh, S. 92-93, insbesondere Unterabschnitt Focus on the provincial capital: Mazar-e Sharif, S. 92-92. Hier findet auch der internationale Flughafen Erwähnung, von dem auch das Länderinformationsblatt, Kapitel 2. Sicherheitslage, Unterkapitel 2.35. Erreichbarkeit, Abschnitt Internationale Flughäfen, Unterabschnitt Internationaler Flughafen Mazar-e Sharif. Im Hinblick auf diesen ist der EASO Country Guidance zu entnehmen, dass Sicherheitsvorfälle betreffend den Flughafen in Mazar-e Sharif nicht bekannt sind (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel V. Internal protection alternative, Abschnitt Travel and admittance S. 130).
Zur Plausibilität und Seriosität der herangezogenen Länderinformationen zur Lage im Herkunftsstaat ist auszuführen, dass die im Länderinformationsblatt zitierten Unterlagen von angesehen Einrichtungen stammen. Es ist auch darauf hinzuweisen, dass die Staatendokumentation des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl nach § 5 Abs. 2 BFA-VG verpflichtet ist, gesammelte Tatsachen nach objektiven Kriterien wissenschaftlich aufzuarbeiten und in allgemeiner Form zu dokumentieren. Auch das European Asylum Support Office (EASO) ist nach Art. 4 lit. a Verordnung (EU) Nr. 439/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 19. Mai 2010 zur Einrichtung eines Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen bei seiner Berichterstattung über Herkunftsländer zur transparent und unparteiisch erfolgende Sammlung von relevanten, zuverlässigen, genauen und aktuellen Informationen verpflichtet. Damit durchlaufen die länderkundlichen Informationen, die diese Einrichtungen zur Verfügung stellen, einen qualitätssichernden Objektivierungsprozess für die Gewinnung von Informationen zur Lage im Herkunftsstaat. Den UNHCR-Richtlinien ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes besondere Beachtung zu schenken („Indizwirkung"), wobei diese Verpflichtung ihr Fundament auch im einschlägigen Unionsrecht findet (Art. 10 Abs. 3 lit. b der Richtlinie 2013/32/EU [Verfahrensrichtlinie] und Art. 8 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2011/95/EU [Statusrichtlinie]; VwGH 07.06.2019, Ra 2019/14/0114) und der Verwaltungsgerichtshof auch hinsichtlich der Einschätzung von EASO von einer besonderen Bedeutung ausgeht und eine Auseinandersetzung mit den „EASO-Richtlinien“ verlangt (VwGH 17.12.2019, Ra 2019/18/0405). Im Hinblick auf die Berücksichtigung des EASO COI Report: Afghanistan. Security situation von September 2020 ist anzumerken, dass dieser lediglich zugunsten des Beschwerdeführers herangezogen wurde, während der belangten Behörde als Fachbehörde der Inhalt des Berichtes bekannt ist. Parteiengehör konnte diesbezüglich sohin entfallen. Das Bundesverwaltungsgericht stützt sich daher auf die angeführten Länderberichte, wobei eine beweiswürdigende Auseinandersetzung im Detail oben erfolgt ist.
3. Rechtliche Beurteilung:
3.1. Zur Abweisung der Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides (Asyl)
Gemäß § 3 Abs. 1 Asylgesetz 2005 (in der Folge: AsylG) ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht, dem Fremden keine innerstaatliche Fluchtalternative gemäß § 11 AsylG offen steht und dieser auch keinen Asylausschlussgrund gemäß § 6 AsylG gesetzt hat.
Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention droht einer Person, wenn sie sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb des Herkunftsstaates befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen.
3.1.1. Zur Ausreise aufgrund der Sicherheitslage
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes liegt in dem Umstand, dass im Heimatland Bürgerkrieg herrscht, für sich allein keine Verfolgungsgefahr im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention (zuletzt VwGH 17.11.2017, Ra 2017/20/0404 mwN). Um asylrelevante Verfolgung vor dem Hintergrund einer Bürgerkriegssituation erfolgreich geltend zu machen, bedarf es einer zusätzlichen, auf asylrelevante Gründe gestützten Gefährdung des Asylwerbers, die über die gleichermaßen die anderen Staatsbürger des Heimatstaates treffenden Unbilligkeiten eines Bürgerkrieges hinausgeht (VwGH 19.10.2018, 98/20/0233).
Damit ist nach der oben zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes durch die glaubhaftgemachte Ausreise aufgrund der allgemeinen Sicherheitslage eine asylrelevante Verfolgungsgefahr nicht ersichtlich. Auf die Sicherheitslage wird jedoch noch unter 3.2. einzugehen sein.
3.1.2. Zur behaupteten Verfolgungsgefahr wegen der Zugehörigkeit des Beschwerdeführers zu den schiitischen Hazara
Im Hinblick auf seine Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit gibt der Beschwerdeführer an, schiitische Hazara würden von IS und Taliban bedroht, sie hätten in den Moscheen und in der Stadt keine Sicherheit, wenn sie arbeiten würden, würden sie bedroht (AS 109). Sie würden sie umbringen, wenn sie erwischt würden, sie seien gegen Hazara und Schiiten (AS 110).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann die Gefahr der Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG 2005 iVm Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nicht nur ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Verfolgungshandlungen abgeleitet werden, sondern auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein. Droht den Angehörigen bestimmter Personengruppen eine über die allgemeinen Gefahren eines Bürgerkriegs hinausgehende „Gruppenverfolgung“, hat bei einer solchen, gegen eine ganze Personengruppe gerichteten Verfolgung jedes einzelne Mitglied schon wegen seiner Zugehörigkeit zu dieser Gruppe Grund, auch individuell gegen seine Person gerichtete Verfolgung zu befürchten. Diesfalls genügt für die geforderte Individualisierung einer Verfolgungsgefahr die Glaubhaftmachung der Zugehörigkeit zu dieser Gruppe (jüngst etwa VwGH 26.03.2020, Ra 2019/14/0450). Eine Eingriffsintensität im Sinne eines „Genozids“ muss nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes jedoch nicht vorliegen, um eine Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK zu bejahen (VwGH 03.08.2020, Ra 2020/20/0034).
Gegenständlich konnte der Beschwerdeführer – wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt – glaubhaft machen, dass der zu den schiitischen Hazara gehört.
Hinweise auf Misshandlungen von Seiten des Staates konnten dagegen nicht festgestellt werden.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist zudem nicht jede diskriminierende Maßnahme gegen eine Person als „Verfolgung“ iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK anzusehen, sondern nur solche, die in ihrer Gesamtheit zu einer schwerwiegenden Verletzung grundlegender Menschenrechte der Betroffenen führen (VwGH 14.08.2020, Ro 2020/14/0002).
Gegenständlich gibt es Hinweise auf Diskriminierungen der schiitischen Hazara etwa auf dem Arbeitsmarkt, soziale Diskriminierung und eine Unterrepräsentation in der Verwaltung, jedoch wurde ebenso die Beteiligung von Hazara an nationalen Institutionen festgestellt, sowie wirtschaftliche und gesellschaftliche Fortschritte. Diskriminierende Maßnahmen gegen alle Angehörigen der Volksgruppe der Hazara im Sinne einer „Verfolgung“ nach der oben zitierten Rechtsprechung sind damit nicht ersichtlich. Eine individuelle Betroffenheit des Beschwerdeführers wurde dagegen nicht konkret vorgebracht.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt einer von Privatpersonen bzw. privaten Gruppierung ausgehenden, auf einem Konventionsgrund beruhenden Verfolgung Asylrelevanz zu, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, diese Verfolgungshandlungen hintanzuhalten (VwGH 08.09.2015, Ra 2015/18/0010 mwN).
Hinsichtlich des ISKP ist zwar – nachdem dieser Angriffe auf schiitische Hazara durchführt, die mit deren schiitischer Glaubenszugehörigkeit, sowie einer zumindest unterstellten Nähe und Unterstützung des Iran und des Kampfes gegen IS in Syrien in Zusammenhang stehen – ersichtlich, dass dieser zielgerichtete Maßnahmen gegen Schiiten und damit auch gegen schiitische Hazara setzt. Dem ISKP kommt jedoch lediglich eine beschränkte territoriale Reichweite zu und ist insbesondere für die Herkunftsprovinz keine spezifische Präsenz des ISKP ersichtlich und lediglich ein Angriff für den Zeitraum 2014 bis 2018 verzeichnet.
Hinsichtlich der Taliban, die wie festgestellt in der Herkunftsprovinz stark präsent sind, kommt es ebenso zu Übergriffen, insbesondere Entführungen und Tötungen von Angehörigen der schiitischen Hazara. Weiter stehen insbesondere Aussonderungen von Hazara-Reisenden häufig in einem anderen Kontext als jenem der Volksgruppenzugehörigkeit. Eine spezifische Häufung von Hazara betreffenden Vorfällen in der Herkunftsprovinz im Sinne einer Gruppenverfolgung nach der oben zitierten Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist nicht ersichtlich.
Eine Gruppenverfolgung von Seiten des ISKP, sowie der Taliban im Sinne der oben zitierten Judikatur ist damit bereits mangels zielgerichteter Maßnahmen zu verneinen, weswegen eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob staatliche Schutz bestünde, unterbleiben konnte.
Auch der Verwaltungsgerichthof nahm in den letzten Jahren keine Gruppenverfolgung der Hazara irgendwo in Afghanistan an (jüngst etwa VwGH 07.02.2020, Ra 2019/18/0400). Auch der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte ging zuletzt davon aus, dass die Zugehörigkeit zur Minderheit der Hazara – unbeschadet der schlechten Situation für diese Minderheit – nicht dazu führt, dass im Fall einer Rückkehr nach Afghanistan eine unmenschliche Behandlung drohen würde (EGMR 05.07.2016, 29.094/09, A.M./Niederlande).
Im Übrigen geht auch EASO im Hinblick auf die Zugehörigkeit zur schiitischen Glaubensrichtung des Islam nicht von einer Gruppenverfolgung aus, sondern stellt auf individuelle Elemente des Betroffenen ab, nämlich etwa die Herkunftsregion insbesondere im Hinblick auf die dortige Präsenz des ISKP, die Teilnahme an religiösen Praktiken, sowie politischer Aktivismus (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel II. Refugee status, Unterkapitel 17. Ethnic and religious minorities, Buchstabe b. Shia, including Ismaili, S. 70). Auch im Hinblick auf die Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara stellt EASO auf individuelle Merkmal ab, nämlich ebenso die Herkunftsregion, das Arbeitsgebiet, den Beruf und politischen Aktivismus (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel II. Refugee status, Unterkapitel 17. Ethnic and religious minorities, Buchstabe a. Individuals of Hazara ethnicity, S. 70).
Derartige individuelle Aspekte wurden jedoch nicht konkret dargetan und waren auch nicht ersichtlich. Dass dem Beschwerdeführer aufgrund seiner Volksgruppen- bzw. Religionszugehörigkeit im Fall der Rückkehr Verfolgung droht, wurde damit nicht glaubhaft gemacht.
3.1.3. Zur behaupteten Verfolgungsgefahr wegen „Verwestlichung“
Im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen einer Verfolgungsgefahr wegen einer Rückkehr nach einem jahrelangen Aufenthalt im westlich geprägten Österreich aufgrund einer unterstellten politischen Gesinnung oder einem unterstellten Werteabfall wurde festgestellt, dass es zu Angriffen regierungsfeindlicher Gruppierungen auf Personen kommt, die aus westlichen Ländern nach Afghanistan zurückgekehrt sind, weil ihnen die Übernahme von Werten bzw. eine Unterstützung der Regierung oder des westlichen Auslandes vorgeworfen wurde. Die EASO Country Guidance stellt derartige Vorfällen in Verbindung mit den Fluchtgründen der Religion bzw. der (unterstellten) politischen Gesinnung (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel II. Refugee status, Unterkapitel 13. Individuals perceived as ‘Westernised’, S. 65-66).
Auch nach der gefestigten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichthofes reicht für die Annahme einer asylrechtlich relevanten Verfolgung aus Gründen der politischen Gesinnung aus, dass eine solche politische Gesinnung zumindest unterstellt wird (vgl. etwa VwGH 06.05.2004, 2002/20/0156). Auch hat der der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen, dass eine Asylrelevanz gegeben sein kann, wenn die Ursache der Verfolgung auf der dem Verfolgten (bloß) unterstellten Ablehnung der religiösen Überzeugung der Verfolger beruht. Hierbei kommt es nicht darauf an, ob der Asylwerber tatsächlich konvertiert oder auf sonstige Weise vom Islam abgefallen ist, sondern darauf, ob dem Asylwerber ein Wandel seiner religiösen Überzeugung unterstellt wird und ob ihm aufgrund dieser Unterstellung Verfolgung droht (VwGH vom 24.02.2015, Ra 2014/18/0086).
Im Hinblick auf die festgestellten Angriffe auf Rückkehrer aus dem westlichen Ausland, sowie den Umstand, dass das Risiko, als „verwestlicht“ wahrgenommen zu werden, für Männer sehr gering ist, ist jedoch nicht ersichtlich, dass mit der nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs erforderlichen Regelmäßigkeit Maßnahmen gezielt gegen Dritte gerichtet werden (VwGH 03.08.2020, Ra 2020/20/0034), die die Eigenschaft einer Rückkehr nach längerem Aufenthalt im westlichen Ausland mit dem Beschwerdeführer teilen. Die Annahme einer Gruppenverfolgung erscheint damit nicht gerechtfertigt.
Allfällige risikoerhöhende individuelle Umstände waren jedoch nicht ersichtlich und wurden auch nicht konkret dargelegt.
Dass ebenso festgestellte Misstrauen der örtlichen Gemeinschaft und von Staatsbediensteten erreicht dagegen die in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes definierte Intensitäts-Schwelle (VwGH 14.08.2020, Ro 2020/14/0002) nicht.
3.1.4. Zur „sozialen Gruppe der Afghanen, die den Großteil ihres Lebens im Ausland verbracht haben“
Im Hinblick auf das Beschwerdevorbringen einer „Zugehörigkeit zur sozialen der Afghanen, die den Großteil ihres Lebens im Ausland verbracht haben“, welchen dadurch eine oppositionelle politische Gesinnung unterstellt werde und welche deshalb asylrelevant verfolgt würden, ist dem festgestellten Sachverhalt zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer im Fall der Rückkehr – wie auch schon in der Vergangenheit – mit aus seiner Erkennbarkeit als Iran-Rückkehrer resultierenden Schwierigkeiten bei Reintegration und Existenzgründung, sowie mit Diskriminierung, Ausgrenzung und beleidigenden Bemerkungen zu rechnen hat.
Die EASO Country Guidance geht in diesen Fällen generell nicht von einer Verbindung zu einem Konventionsgrund aus (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel II. Refugee status, Unterkapitel 21.Individuals who were born in Iran or Pakistan and/or who lived there for a longperiod of time, S. 75). Weiter erreichen die zu erwartenden Schwierigkeiten die in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes definierte Intensitäts-Schwelle (VwGH 14.08.2020, Ro 2020/14/0002) ebenso nicht. Eine Auseinandersetzung mit der Frage, unter welchen GFK-Fluchtgrund diese allenfalls zu subsumieren wären, konnte damit unterbleiben.
Die Beschwerde hinsichtlich Spruchpunkt I. war daher als unbegründet abzuweisen.
3.2. Zur Stattgebung der Beschwerde hinsichtlich der Spruchpunkte II. bis VI. des angefochtenen Bescheides (Subsidiärer Schutz)
Gemäß § 8 Abs. 1 AsylG ist einem Fremden der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn er in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat, wenn dieser in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen wird, oder dem der Status des Asylberechtigten aberkannt worden ist, wenn eine Zurückweisung oder Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde.
Zwar widerspricht es nach der die Rechtsprechung des EuGH berücksichtigenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Statusrichtlinie, einem Fremden den Status des subsidiär Schutzberechtigten unabhängig von einer Verursachung durch Akteure oder eine Bedrohung in einem bewaffneten Konflikt im Herkunftsstaat zuzuerkennen (VwGH 06.11.2018, Ra 2018/01/0106). Nachdem aber eine mit der Statusrichtlinie im Einklang stehende Interpretation des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 die Grenzen der Auslegung nach den innerstaatlichen Auslegungsregeln überschreiten und zu einer Auslegung contra legem führen würde, hielt der Verwaltungsgerichtshof an seiner Rechtsprechung fest, wonach eine reale Gefahr („real risk“) einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK durch eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat – auch wenn diese Gefahr nicht durch das Verhalten eines Dritten (Akteurs) bzw. die Bedrohungen in einem bewaffneten Konflikt verursacht wird – die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 8 Abs. 1 AsylG 2005 begründen kann (VwGH 21.05.2019, Ro 2019/19/0006).
Um von einer solchen realen Gefahr ausgehen zu können, reicht es nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht aus, wenn eine solche Gefahr bloß möglich ist. Es bedarf vielmehr einer darüberhinausgehenden Wahrscheinlichkeit, dass sich eine solche Gefahr verwirklichen wird (jüngst etwa VwGH 17.10.2019, Ra 2019/18/0372).
Im Hinblick auf das Vorliegen einer allgemein prekären Sicherheitslage ist nach der ständigen, auf die Rechtsprechung von EGMR und EuGH bezugnehmenden Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, die Voraussetzung des „real risk“ iSd Art. 3 EMRK nur in sehr extremen Fällen erfüllt. In den übrigen Fällen bedarf es des Nachweises von besonderen Unterscheidungsmerkmalen, aufgrund derer sich die Situation des Betroffenen kritischer darstellt, als für die Bevölkerung im Herkunftsstaat im Allgemeinen (VwGH 12.12.2019, Ra 2019/01/0243).
3.2.1. Zu einer Rückkehr in die Herkunftsprovinz
Im Hinblick auf die Herkunftsprovinz Baghlan ist dem festgestellten Sachverhalt zu entnehmen, dass die Provinz zu den volatilen Provinzen des Herkunftsstaates gehört und bewaffnete Zusammenstöße zwischen Regierungstruppen und Taliban stattfinden. Hauptursache für zivile Opfer sind Bodenkämpfe, gefolgt von gezielten Tötungen und improvisierten Sprengkörpern. Für das Jahr 2019 sind 349 zivile Opfer dokumentiert, eine Steigerung um 34 % im Vergleich zum Jahr 2018.
Der Einschätzung der EASO Country Guidance zufolge ist Baghlan von Gewalt betroffen, das Gewaltniveau sei jedoch nicht so hoch, dass bereits ein extremer Fall im Sinne der oben zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes anzunehmen sei (Abschnitt Common analysis: Afghanistan, Kapitel III. Subsidiary protection, Buchstabe c. Indiscriminate violence, Abschnitt Baghlan, S. 91-92). Zu beachten ist jedoch, dass es seither (Stand der EASO Country Guidance ist Juni 2019) zu einer weiteren Destabilisierung der Sicherheitslage gekommen ist. So ist im Hinblick auf zivile Opfer und Vertreibungen ein klarer Anstieg ersichtlich, wobei es sich hierbei um wichtige Indikatoren für die Beurteilung des Gewaltniveaus durch EASO handelt (EASO Country Guidance, Kapitel III. Subsidiary protection, Buchstabe c. Indiscriminate violence, Abschnitt Indicators of indiscriminate violence, S. 84-86). Im Hinblick auf die individuellen Elemente ist im Fall des Beschwerdeführers zu berücksichtigen, dass dieser Jahrzehntelang aus dem Herkunftsdorf abwesend war, dort niemanden kennt und Hinweise auf dort vorhandenes Vermögen (Grundstücke, Wohnmöglichkeit) nicht vorhanden sind. Damit sind Unterscheidungsmerkmale, die seine Situation kritischer darstellen, als für die Bevölkerung im Allgemeinen klar ersichtlich. Im Fall der Rückkehr ins Herkunftsdorf droht ihm demnach die reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 und 3 EMRK.
3.2.2. Zur Unzumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative
Gemäß § 8 Abs. 3 AsylG 2005 sind Anträge auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative offensteht.
Gemäß § 11 Abs. 1 AsylG 2005 ist der Antrag auf internationalen Schutz abzuweisen, wenn Asylwerbern in einem Teil ihres Herkunftsstaates vom Staat oder von sonstigen Akteuren, die den Herkunftsstaat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebietes beherrschen, Schutz gewährleistet werden und ihnen der Aufenthalt in diesem Teil des Staatsgebietes zugemutet werden kann.
Schutz ist gewährleistet, wenn in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates keine wohlbegründete Furcht nach Art. 1 Abschnitt A Z 2 Genfer Flüchtlingskonvention vorliegen kann und die Voraussetzungen zur Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 AsylG in Bezug auf diesen Teil des Herkunftsstaates nicht gegeben sind.
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sind nach dem klaren Wortlaut des § 11 AsylG 2005 zwei getrennte und selbstständig zu prüfende Voraussetzungen der innerstaatlichen Fluchtalternative zu unterscheiden. Einerseits muss geprüft werden, ob in dem als innerstaatliche Fluchtalternative ins Auge g