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Baurecht - WienNorm
BauO Wr §129 Abs2Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Werner und die Räte Dr. Hrdlitzka, Dr. Krzizek, Dr. Striebl und Dr. Klecatsky als Richter, im Beisein des Polizeikommissärs Dr. Primmer als Schriftführers, über die Beschwerde der LL in W, gegen den Bescheid des Amtes der Wiener Landesregierung vom 22. November 1960, Zl. M.Abt.64 - 38/60/Str., betreffend Verhängung einer Verwaltungsstrafe wegen Übertretung der Bauordnung für Wien, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde wurde die Beschwerdeführerin als Verwalterin des Hauses Wien, X-gasse 17 der Verwaltungsübertretung nach § 129 Abs. 2 der Bauordnung für Wien für schuldig erkannt und über sie gemäß § 135 Abs. l der Bauordnung eine Geldstrafe von 300 S, im Falle der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe eine Ersatzarreststrafe in der Dauer von zwei Tagen verhängt. Als erwiesen wurde angenommen, die Beschwerdeführerin habe es bis 24. August 1959 unterlassen, in dem beim Eingang des eben genannten Hauses befindlichen Putzschacht den schadhaften Rohrkanal im Bereich vom Putzstück bis zur Hofseite instandzusetzen, im zweiten Putzschacht im Hofe das schadhafte Putzstück instandzusetzen, oberhalb des Putzschachtes bei der Abortgruppe im Hofe links den Kanaldeckel zu verlegen, am Hofwassereinlauf den Geruchsverschluß anzubringen und das Bleirohr mit der Verwendung eines Schrägabzweigers an die Hängeleitung im Keller anzuschließen und das schadhafte Eternitrohr instandsetzen zu lassen. In der Begründung dieses Bescheides heißt es, die Beschwerdeführerin bestreite nicht das Tatsächliche, sei jedoch der Meinung, daß das zur Strafbarkeit erforderliche Verschulden nicht gegeben sei, weil sie einen befugten Gewerbsmann mit der Durchführung der Instandsetzung betraut habe. Dieses Vorbringen zeige, daß die Beschwerdeführerin die Rechtslage verkenne. Gemäß § 129 Abs. 2 der Bauordnung für Wien sei der Eigentümer einer Baulichkeit schon kraft Gesetzes zur Beseitigung eines bauordnungswidrigen Zustandes verpflichtet. Die Erhaltungspflicht treffe ihn nicht erst von dem Zeitpunkt an, indem die Baubehörde den Auftrag zur Beseitigung des Gebrechens erteilt habe. Durch einen solchen Auftrag werde die gesetzliche Instandhaltungspflicht nur konkretisiert und der Behörde die Möglichkeit eingeräumt, den vom Gesetz geforderten Zustand im Wege des Verwaltungszwanges herzustellen. Da zum Tatbestand der begangenen Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens nicht gehöre und die Verwaltungsvorschrift (§ 129 Abs. 2 der Bauordnung für Wien) über das zur Strafbarkeit erforderliche Verschulden nichts bestimme, ziehe die Nichtbefolgung des Gebotes nach § 5 Abs.1 VStG Strafe nach sich, wenn der Täter nicht beweise, daß ihm die Einhaltung der Verwaltungsvorschrift ohne sein Verschulden unmöglich gewesen sei. Einen derartigen Beweis habe die Beschwerdeführerin nicht erbracht. Zu ihrem Einwand, sie habe einem Baumeister den Auftrag erteilt, sei festzustellen, daß die bloße Auftragserteilung allein keinesfalls genüge, um eine schuldbefreiende Wirkung auszulösen. Die Beschwerdeführerin hätte vielmehr dafür sorgen müssen, daß der bauordnungsgemäße Zustand tatsächlich hergestellt werde. Aus der Rechtfertigung der Beschwerdeführerin ergebe sich, daß ihr der Administrativbescheid, in dem Art und Umfang der Gebrechen angegeben gewesen seien, am 6. Juni 1959 zugestellt worden sei. Zur Vornahme der Instandsetzungen sei eine Frist von drei Wochen nach Rechtskraft des Bescheides gesetzt worden. Unter Berücksichtigung der Rechtsmittelfrist sei der letzte Tag der Erfüllungsfrist der 13. Juli 1959 gewesen. Nach ihren eigenen Angaben habe die Beschwerdeführerin aber erst am 21. Juli 1959 den Kostenvoranschlag erhalten und erst nach der Rückkehr von ihrem Urlaub am 18. August 1959 festgestellt, daß die Arbeiten noch immer nicht vollendet seien. Es wäre Aufgabe der Beschwerdeführerin gewesen, als sie habe erkennen müssen, daß die von ihr beauftragte Firma schon mit den Vorbereitungen zur Instandsetzung säumig gewesen wäre, einen anderen Baumeister mit den Arbeiten zu betrauen. Der Hinweis auf die saisonbedingte Überlastung der einschlägigen Firmen vermöge nicht zu verfangen, da die Beschwerdeführerin nicht habe beweisen können, daß sie sich um die Betrauung einer anderen Firma bemüht habe.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin wurde wegen Übertretung des § 129 Abs. 2 der Bauordnung für Wien (Gesetz vom 25. November 1929, LGBl. Nr. 11/1930, mit Änderungen) in eine Verwaltungsstrafe genommen. Nach dieser Gesetzesstelle hat der Eigentümer (jeder Miteigentümer) dafür zu sorgen, daß die Baulichkeiten und die dazugehörigen Anlagen (Vorgärten, Hofanlagen, Einfriedungen u.dgl.) in gutem, der Baubewilligung und den Vorschriften dieser Bauordnung entsprechendem Zustand erhalten werden. Zufolge § 135 Abs. 3 dieser Bauordnung ist derjenige, der die Verwaltung eines Gebäudes ausübt, für Verletzungen der dem Eigentümer durch dieses Gesetz oder eine dazu erlassene Verordnung auferlegten Pflichten an dessen Stelle verantwortlich, wenn die Tat ohne Veranlassung und Vorwissen des Eigentümers begangen wurde. Die Beschwerdeführerin bestritt zwar im Verwaltungsverfahren nicht, Verwalterin des Hauses zu sein; sie behauptete auch nicht, die Tat auf Veranlassung und mit Wissen des Eigentümers begangen zu haben. Sie ist aber der Meinung, so muß das diesbezügliche Vorbringen rechtlich gewertet werden, deswegen nicht bestraft werden zu können, weil die Instandhaltung der Hauskanäle bis zu ihrer Einmündung in den städtischen Kanal nur dem Eigentümer obliege. Diese Rechtsansicht ist unzutreffend. Eine Hauskanalisation ist eine zum Haus gehörige Anlage im Sinne des § 129 Abs. 2 der Bauordnung für Wien, deren Instandhaltung ebenso wie die Instandhaltung des Gebäudes selbst dem Eigentümer obliegt. Die im § 135 Abs. 3 der Bauordnung für Wien festgestellte Verantwortlichkeit des Hausverwalters bezieht sich sohin auch auf Gebrechen an der Hauskanalanlage.
Unzutreffend ist ferner die Rechtsansicht, zur Strafbarkeit bei Verletzung der Instandhaltungspflicht sei ein baupolizeilicher Auftrag erforderlich. Die Erteilung eines solchen Auftrages gibt, wie die belangte Behörde in der Begründung des angefochtene Bescheides zutreffend ausgeführt hat, der Behörde nur die Möglichkeit, den vom Gesetz gewünschten Zustand, nämlich die Erhaltung eines Bauwerkes in einem guten, der Baubewilligung entsprechenden Zustand, erforderlichenfalls im Wege des Verwaltungszwanges herzustellen (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 16. Jänner 1958, Zl. 1047/57).
Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gehört zum Tatbestand der Verwaltungsübertretung des § 129 Abs. 2 der Bauordnung für Wien nicht der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr. Da die Bauordnung über das zur Strafbarkeit erforderliche Verschulden nichts bestimmt, zieht zufolge § 5 Abs. 1 VStG schon das bloße Nichtbefolgen des Gebotes, Gebäude und deren Anlagen in gutem Zustand zu erhalten, Strafe nach sich, wenn der Eigentümer (Hausverwalter) nicht beweist, daß ihm die Einhaltung der Verwaltungsvorschrift ohne sei Verschulden unmöglich gewesen ist. Den vom Gesetz geforderten Entlastungsbeweis hat die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren zwar angetreten. Die belangte Behörde hat aber diesen Beweis nicht als erbracht angesehen. In dieser Hinsicht bringt die Beschwerdeführerin vor, die Ansicht der belangten Behörde, die Auftragserteilung an einen Baumeister genüge nicht, um die Beschwerdeführerin zu exkulpieren, sei rechtlich nicht haltbar. Sie habe unmittelbar nach Erhalt des Auftrages einen Baumeister mit der Durchführung der Arbeiten betraut. Die Erteilung eines derartigen Auftrages entschuldige den Auftraggeber nicht nur in strafrechtlicher, sondern auch in zivilrechtlicher Hinsicht. Vom Urlaub zurückgekommen, habe sie festgestellt, daß Arbeiten zwar im Gang, aber noch unvollendet waren. Diese Verzögerung könne ihr nicht zur Last gelegt werden, da auch eine Hausverwalterin das Recht habe, einen Urlaub zu „konsumieren“. Der Hinweis der Berufungsbehörde, die Beschwerdeführerin hätte einen anderen Baumeister beauftragen müssen, zeige von einer weltfremden Einstellung. Sie hätte erst gegenüber dem beauftragten Gewerbetreibenden den Rücktritt vom Vertrag erklären und einen neuen Baumeister bestellen müssen, wodurch eine weitere Verzögerung der Arbeiten eingetreten wäre. Es dürfe auch nicht übersehen werden, daß die Arbeiten bereits vor Erlassung der Strafverfügung vollendet gewesen wären. Es sei eine Erfahrungstatsache, daß derartige Reparaturen nur schwer vergeben werden könnten. Man könne nur froh sein, für einen kleinen, unrentablen Bauauftrag überhaupt einen Professionisten zu bekommen. Hiezu ist nachstehendes zu sagen:
Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (z.B. Erkenntnis vom 16. Jänner 1958, Zl. 1047/57) obliegt die Erhaltungspflicht dem Hauseigentümer kraft Gesetzes. Der Hauseigentümer ist gleichfalls kraft Gesetzes verpflichtet, sich laufend von dem guten Zustand seiner Baulichkeiten zu überzeugen. Der zur Straflosigkeit mangels eines subjektiven Verschuldens erforderliche Entlastungsbeweis bei Verletzung der Instandhaltungspflicht kann daher nur dann als erbracht angesehen werden, wenn der Hauseigentümer (Hausverwalter) nachzuweisen vermag, daß er den Zustand des Gebäudes laufend überwacht habe und, als er ein Baugebrechen festgestellt habe, unverzüglich alles in seinen Kräften stehende unternommen habe, um das Baugebrechen in kürzester Frist zu beseitigen. Einen solchen Beweis hat die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren weder angeboten noch erbracht. Ihr Vorbringen im Verwaltungsverfahren und in der Beschwerde läuft im wesentlichen darauf hinaus, darzutun, daß sie nach Erhalt des baupolizeilichen Auftrages einen Baugewerbetreibenden mit der Beseitigung der Baugebrechen beauftragt habe und daß deshalb die Verzögerung in der Beseitigung des Gebrechens ihr nicht zur Last gelegt werden könne. Sie hat aber nicht behauptet, daß sie sich laufend von dem Zustand des von ihr verwalteten Gebäudes überzeugt habe. Daß die bloße Auftragserteilung an einen Gewerbetreibenden, das Baugebrechen zu beheben, nicht als Erfüllung der Pflicht zur Beseitigung des Baugebrechens angesehen werden kann, ergibt sich schon aus der Überlegung, daß Baugebrechen nicht schon durch die Erteilung eines solchen Auftrages, sondern erst durch bauliche Maßnahmen beseitigt werden und daß nur die Beseitigung der Baugebrechen als Erfüllung der Instandhaltungspflicht angesehen werden kann. Denn jedes Baugebrechen, sofern es nicht nur in der Verletzung schönheitlicher Rücksichten begründet ist, stellt einen Zustand dar, der eine Gefahr für das Leben und die Gesundheit von Menschen bedeutet. Wenn die Beschwerdeführerin als Verwalterin eines Hauses schon wußte, daß es zu gewissen Zeiten schwierig ist, Gewerbetreibende für die Beseitigung kleinerer Baugebrechen zu finden, dann mußte sie umsomehr bemüht sein, den Auftrag zur Beseitigung der Baugebrechen so rechtzeitig zu erteilen, daß es nicht erst eines Einschreitens der Baubehörde bedurft hatte, um sie an ihre Pflichten zu erinnern. Im übrigen stand es der Beschwerdeführerin frei, durch entsprechende Vereinbarungen mit dem Gewerbetreibenden eine fristgerechte Erfüllung des Auftrages sicherzustellen. Wenn bei dieser Sachlage die belangte Behörde den Entlastungsbeweis nicht als erbracht angesehen hat, so kann dem der Verwaltungsgerichtshof nicht entgegentreten. Da die Behörde sohin auch den subjektiven Tatbestand der Übertretung nach § 129 Abs. 2 der Bauordnung für Wien für verwirklicht ansehen durfte, kann die Verhängung der Verwaltungsstrafe nicht rechtswidrig sein.
Bei dieser Rechtslage ist der Rüge der Mangelhaftigkeit des Verfahrens der Boden entzogen. Die Verfahrensmängel sollen darin gelegen sein, daß der beauftragte Gewerbetreibende nicht über die Ursachen der verspäteten Erfüllung des baupolizeilichen Auftrages als Zeuge vernommen wurde, und daß die Behörde keine Beweise über die saisonbedingte Überlastung des Baugewerbes durchgeführt hatte. Damit macht die Beschwerdeführerin Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes geltend. Diese ist aber nicht gegeben, weil die Beschwerdeführerin im Verwaltungsverfahren keine Beweise über jene oben angeführten Umstände angeboten hat, die allein geeignet gewesen wären, den Mangel eines Verschuldens darzutun.
Die Beschwerde mußte daher gemäß § 42. Abs. 1 VwGG 1952 als unbegründet abgewiesen werden.
Wien, am 4. Juli 1961
Schlagworte
Andere Einzelfragen in besonderen Rechtsgebieten BaurechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1961:1961000099.X00Im RIS seit
15.01.2021Zuletzt aktualisiert am
15.01.2021