TE Vwgh Erkenntnis 1979/5/15 1849/78

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Veröffentlicht am 15.05.1979
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Index

Polizeirecht - ProstG
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

VStG §22 Abs1
VStG §44a lita
VStG §44a Z1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Jurasek und die Hofräte Mag. Kobzina, Mag. Öhler, Dr. Würth und Dr. Hnatek als Richter, im Beisein des Schriftführers Oberlandesgerichtsrat Dr. Gerhard, über die Beschwerde der RS in B, vertreten durch Dr. Theodor Peschaut, Rechtsanwalt in Feldkirch, Gilmstraße 5, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 18. Juli 1978, Zl. Ia-33-70/8, betreffend Bestrafung wegen verbotswidriger Ausübung der Prostitution, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Das Land Vorarlberg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 3.000,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Aufwandersatzbegehren für Stempelgebühren wird abgewiesen.

Begründung

Laut niederschriftlicher Anzeige des Postenkommandanten des Gendarmeriepostens Bregenz gegenüber der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 17. September 1977, die in der Strafverhandlungsschrift dieser Behörde vom gleichen Tage als Gegenstand der Verhandlung festgehalten wurde, soll die Beschwerdeführerin um 22.10 Uhr (gemeint: um diese Zeit am 16. September 1977) „auf dem amtsbekannten Platz der Dirnen in H der Käsefabrik X“ angetroffen worden sein. Weiters heißt es in der Niederschrift wörtlich: „Da für die diensthabenden Beamten .. auf Grund des Aufstellungsortes der S und nachdem allgemein bekannt ist, daß es sich bei der S um eine Prostituierte handelt, wurde sie formell abgemahnt und aufgefordert, ihre strafbare Handlung (Anbieten zur Ausübung der gewerbsmäßigen Unzucht) einzustellen.“ Bei einer neuerlichen Kontrolle sei die Beschwerdeführerin am 17. September 1977 gegen 1.35 Uhr diesmal bei Y-Tankstelle in H - „ebenfalls bekannter Standort der amtsbekannten Dirnen“ - angetroffen worden. Bei Annäherung der Beamten sei die Beschwerdeführerin in ein angrenzendes Hausgrundstück geflüchtet, wo sie nach kurzem Suchen angehalten und festgenommen worden sei. Anschließend sei sie in den Polizeiarrest Bregenz eingeliefert worden, die Festnahme sei auf Grund des Verharrens in der Fortsetzung der strafbaren Handlung (§ 35 lit. c VStG 1950) durchgeführt worden.

Die in der Verhandlung anwesende Beschwerdeführerin verweigerte nach dem Inhalt der Verhandlungsschrift im Anschluß an die Niederschrift der erwähnten Anzeige die Aussage und erklärte lediglich, sie habe bei der Betretung keinen Ausweis nach dem Geschlechtskrankheitengesetz vorgewiesen.

Hierauf wurde die Beschwerdeführerin durch das in der Verhandlung mündlich erlassene Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Bregenz vom 17. September 1977 schuldig erkannt, sich am 16. September 1977 um 22.10 Uhr in H entgegen der ortspolizeilichen Verordnung der Marktgemeinde H an einem öffentlichen Ort zur Anbahnung der Ausübung der gewerbsmäßigen Unzucht auf dem X-Parkplatz aufgehalten und überdies den Ausweis über das Freisein von Geschlechtskrankheiten nicht vorgewiesen zu haben und um 1.35 Uhr dieselbe Übertretung wieder begangen zu haben; dadurch habe die Beschwerdeführerin eine Verwaltungsübertretung „nach § 90 Gemeindegesetz i.V.m. Abs. 1 und 2 der Verordnung der Marktgemeinde H sowie § 5 der Verordnung, BGBl. Nr. 314/1974, begangen“. Deshalb wurden mit diesem Straferkenntnis über die Beschwerdeführerin gemäß § 90 Abs. 3 des Vorarlberger Gemeindegesetzes, LGBl. Nr. 45/1965, und gemäß § 12 Abs. 2 Geschlechtskrankheitengesetz Arreststrafen „von 1. 42 Tagen, 2. 42 Tagen, 3. 42 Tagen, 4. 42 Tagen, zusammen 168 Tagen“ verhängt. Begründend wurde im Straferkenntnis nach einem Hinweis auf den wesentlichen Inhalt der niederschriftlichen Gendarmerieanzeige ausgeführt, gemäß §§ 1 und 2 der Verordnung der Marktgemeinde H „vom 26. 3. 1976, Zl. 158/76“, sei die Ausübung der gewerbsmäßigen Unzucht und das Anbieten hiezu in der Öffentlichkeit in der Gemeinde H verboten. Als Anbieten zur gewerbsmäßigen Unzucht sei im Sinne des § 3 der zitierten Verordnung jedes Verhalten zu verstehen, das auf die Anbahnung von Beziehungen zur Ausübung der gewerbsmäßigen Unzucht abziele. Als Anbieten sei demnach nicht nur ein Ansprechen von Kunden zu verstehen, sondern darunter fielen auch andere Verhaltensweisen. Die Straße/der Platz gelte als bekannter Anbahnungsort, der von den Prostituierten häufig zum Zwecke der Anbahnung von Beziehungen zur Ausübung der gewerbsmäßigen Unzucht frequentiert werde. Die Beschuldigte sei als Prostituierte amtsbekannt. Sie habe sich an dieser als Anbahnungsort bekannten Stelle aufgehalten und offensichtlich auf Kunden gewartet bzw. sei bezeichnend langsam auf und ab gegangen. Die Bezirkshauptmannschaft Bregenz schließe daraus, daß der Aufenthalt der Beschuldigten am 16. September 1977 bzw. 17. September 1977 um 22.10 Uhr bzw. 1.35 Uhr in H auf dem Parkplatz der Käsefabrik X bzw. bei der Y-Tankstelle auf die Anbahnung von Beziehungen zur Ausübung der gewerbsmäßigen Unzucht abzielte und sie dadurch den Tatbestand des Anbietens der gewerbsmäßigen Unzucht verwirklicht habe. Ihre Straffälligkeit nach § 90 Abs. 3 Gemeindegesetz sei damit gegeben. Der Anzeige zufolge habe es die Beschuldigte überdies unterlassen, den Ausweis über die wöchentliche amtsärztliche Untersuchung auf das Freisein von Geschlechtskrankheiten auf Verlangen eines Organes des öffentlichen Sicherheitsdienstes vorzuweisen. Sie habe dadurch der Vorschrift des § 5 der Verordnung BGBl. Nr. 314/1974 zuwidergehandelt und sich nach § 12 Abs. 2 Geschlechtskrankheitengesetz straffällig gemacht.

Diesen Bescheid bekämpfte die Beschwerdeführerin fristgerecht mit Berufung, in der sie geltend machte, aus dem Spruch des Straferkenntnisses ergebe sich nicht, wie die zu 1), 2), 3) und 4) verhängten Strafen tatbestandsmäßig zuzuordnen seien. Eine derartige Unterteilung des Spruches hinsichtlich der Tatbestände bestehe nicht. Der Bescheid sei daher unklar. Das Verhalten der Beschwerdeführerin wäre, wenn die der Beschwerdeführerin unterstellte, von 22.10 Uhr bis 1.35 Uhr dauernde Absicht strafbar wäre, einheitlich als ein fortdauerndes strafbares Verhalten zu beurteilen gewesen. Völlig unrichtig sei die Ausmessung der Strafe nach § 90 Abs. 3 Gemeindegesetz. Die Beschwerdeführerin beantragte, den bekämpften Bescheid aufzuheben und das Verfahren einzustellen.

Die belangte Behörde ging in dem nun vor dem Verwaltungsgerichtshof bekämpften, nur über die Übertretungen der zitierten Verordnung der Marktgemeinde H absprechenden Bescheid davon aus, daß die Behörde erster Instanz mit ihrem Straferkenntnis „vom 16. 9. 1977“ (richtig: vom 17. September 1977) über die Beschwerdeführerin, weil sich diese am 16. September 1977 um 22.10 Uhr entgegen ortspolizeilicher Verordnung der Marktgemeinde H zur Anbahnung der Ausübung der gewerbsmäßigen Unzucht auf dem X-Parkplatz aufgehalten habe und um 1.35 Uhr dieselbe Übertretung erneut begangen habe, gemäß § 90 Abs. 3 Gemeindegesetz in Verbindung mit den §§ 1 und 2 der Verordnung der Marktgemeinde H eine Arreststrafe in der Dauer von je 42 Tagen, zusammen also 84 Tagen, verhängt habe. Die belangte Behörde gab der von der Beschwerdeführerin gegen diesen Teil des Straferkenntnisses erhobenen Berufung nicht Folge, änderte das Straferkenntnis jedoch, soweit es sich auf die Übertretung des Gemeindegesetzes bezieht, in der Weise ab, daß der Spruch zu lauten habe:

„Die Beschuldigte RS hat sich

a) am 16. 9. 1977 um 22.10 Uhr auf dem Parkplatz der Firma X, H, und

b) am 17. 9. 1977 um 1.35 Uhr auf dem Platz der Y-Tankstelle an der B 202 in H

zwecks Anbahnung zur Ausübung der gewerbsmäßigen Unzucht aufgehalten, obwohl nach der Verordnung der Gemeindevertretung der Marktgemeinde H vom 18. März 1977 die Ausübung der gewerbsmäßigen Unzucht und das Anbieten hiezu im Gebiet der Marktgemeinde H in der Öffentlichkeit verboten war. Es wird daher über sie gemäß §§ 90 Abs. 3 Gemeindegesetz in Verbindung mit 17 Abs. 1 leg. cit. und §§ 1 und 2 der zitierten Verordnung der Gemeindevertretung der Marktgemeinde H eine Arreststrafe in der Dauer von je 42 Tagen, zusammen 84 Tagen, verhängt. Gemäß § 64 Abs. 2 VStG 1950 hat die Beschuldigte als Beitrag zu den Kosten des Strafverfahrens 10 % der verhängten Strafe (1 Tag Arrest = S 50,--), das sind S 420,--, zu bezahlen sowie gemäß § 67 VStG 1950 die Kosten des Strafvollzuges zu ersetzen.“

Begründend führte die belangte Behörde, soweit dies im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof noch von Bedeutung ist, im wesentlichen aus, durch das von der Beschwerdeführerin, einer amtsbekannten Prostituierten, an den Tag gelegte, in der Anzeige zum Ausdruck kommende Verhalten, habe diese nach Ansicht der Berufungsbehörde ohne Zweifel den durch die zitierte Verordnung unter Strafe gestellten Tatbestand erfüllt, sodaß die von der Erstbehörde erfolgte Bestrafung, wegen der der Beschwerdeführerin zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen nach § 90 Abs. 3 Gemeindegesetz zu Recht erfolgt sei. Es ergäben sich nach dem Ergebnis des Ermittlungsverfahrens keinerlei Anhaltspunkte, aus denen geschlossen werden könnte, daß die in der oben erwähnten Anzeige enthaltenen Angaben nicht richtig seien, so daß die Berufungsbehörde wie die Erstbehörde in Ausübung der freien Beweiswürdigung jene Angaben als den Tatsachen entsprechend ansehe. Die Berufungsbehörde sehe sich jedoch veranlaßt, den Spruch des Straferkenntnisses der Erstbehörde im Sinne eines besseren Verständnisses für die Partei zu präzisieren. Zum Vorbringen, das strafbare Verhalten bilde rechtlich eine Tateinheit, vertrete die Berufungsbehörde die Ansicht, daß dies im vorliegenden Fall nicht zutreffe, da sowohl die Örtlichkeit der Begehung der strafbaren Handlung eine andere gewesen sei als auch die Tatzeiten der beiden Verwaltungsübertretungen so weit auseinanderlägen, daß von einer Tateinheit nicht die Rede sein könne. Die von der Erstbehörde verhängte Strafe sei im Hinblick auf mehrfache Bestrafungen wegen gleichartiger Verwaltungsübertretungen und der offensichtlichen Uneinsichtigkeit der Beschwerdeführerin in ihr Fehlverhalten (Verharren in der strafbaren Handlung trotz Abmahnung) sowohl in der Art als auch im Ausmaß gerechtfertigt und notwendig, um die Beschwerdeführerin von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen dieser Art abzuhalten.

Durch diesen Bescheid erachtet sich die Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf ein mängelfreies Verfahren, auf schuldangemessene Bestrafung und in ihrem Recht auf Freizügigkeit im Lande Vorarlberg verletzt, und beantragt Aufhebung des Bescheides der belangten Behörde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, deren Inhalt zu entnehmen ist, daß die belangte Behörde die Beschwerde für nicht berechtigt hält.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin macht zur Begründung der von ihr behaupteten Rechtswidrigkeit des bekämpften Bescheides geltend, es fehlten Feststellungen, die einen konkreten Sachverhalt darstellten, der einer Strafnorm unterstellt werden könnte. Mit der Feststellung allein, wann und wo sich die Beschwerdeführerin aufgehalten habe und was sich die Gendarmeriebeamten dabei gedacht haben, sei jedenfalls kein Schuldbeweis zu erbringen. Wenn von der Beschwerdeführerin angenommen werde, sie übe die Prostitution aus, sei dies noch nicht der Beweis für ein konkretes strafbares Verhalten. Die belangte Behörde stelle sich auf den Rechtsstandpunkt, daß die Anwesenheit der Beschwerdeführerin einmal bei der X und später bei der Y-Tankstelle keine Tateinheit bilde. Da im Straferkenntnis ausdrücklich nur die Anwesenheit der Beschwerdeführerin bei der X als Schuldvorwurf angeführt worden sei und ihre Anwesenheit bei der Y-Tankstelle nicht einmal erwähnt worden sei, wäre bei richtiger rechtlicher Beurteilung „der Sachverhalt zu b), nämlich der Aufenthalt als in erster Instanz nicht erfolgt, verjährt“. Die Sachverhaltsfeststellungen könnten nicht mit der Anführung der Verordnungsinhalte getroffen werden. Dem Bescheid fehlten die Mindesterfordernisse eines gesetzmäßig ausgeführten Bescheides. Die Verhängung einer Freiheitsstrafe, noch dazu im Ausmaße der angeführten Dauer, sei schuldunangemessen.

Bei Prüfung der Frage, ob dem bekämpften Bescheid Rechtswidrigkeit seines Inhaltes anlastet, ist von der Umschreibung der als erwiesen angenommenen Tat im Spruch des bekämpften Bescheides auszugehen, weil diese hinsichtlich der einzelnen Sachverhaltselemente nicht durch die Begründung des Bescheides ersetzt werden kann (vgl. z.B. die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 4. Februar 1958, Slg. N.F. Nr. 4549/A, vom 25. Jänner 1979, Zl. 2845/77, u.v.a.).

Die Gemeindevertretung der Marktgemeinde H hat am 18. März 1977 auf Grund des § 17 Abs. 1 des Gemeindegesetzes verordnet:

„§ 1 Abs. 1: Die Ausübung gewerbsmäßiger Unzucht und das Anbieten hiezu ist im Gebiet der Marktgemeinde H in der Öffentlichkeit verboten.

Abs. 2: Handlungen gemäß Abs. 1 werden in der Öffentlichkeit begangen, wenn sie unmittelbar von einem größeren Personenkreis wahrgenommen werden können.

Abs. 3: Anbieten im Sinne des Abs. 1 ist jedes Verhalten, das auf die Anbahnung von Beziehungen zur Ausübung gewerbsmäßiger Unzucht abzielt.

§ 2: Wer dem Verbot des § 1 zuwiderhandelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und wird gemäß § 90 Abs. 3 des Gemeindegesetzes von der Bezirkshauptmannschaft bestraft.

§ 3: Diese Verordnung tritt am 4. April 1977 in Kraft. Gleichzeitig tritt die Verordnung der Gemeindevertretung der Marktgemeinde H vom 25. März 1976 außer Kraft.“

Diese Verordnung wurde am 21. März 1977 an der Amtstafel angeschlagen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt ausgesprochen hat, setzt eine Subsumtion der Tat unter den Begriff des Verhaltens, das auf die Anbahnung von Beziehungen zur Ausübung gewerbsmäßiger Unzucht abzielt, voraus, daß durch das jeweilige Verhalten die Absicht, sich gegen Entgelt fremden Personen hinzugeben, allgemein erkennbar zum Ausdruck gebracht wird, es muß allgemein - nicht nur einem eingeweihten Personenkreis gegenüber - als Anbieten zum entgeltlichen Geschlechtsverkehr verstanden werden.

Nach dem Spruch des bekämpften Bescheides wurde die Beschwerdeführerin nur schuldig erkannt, sich „zwecks“ Anbahnung zur Ausübung gewerbsmäßiger Unzucht zur Tatzeit am Tatort aufgehalten zu haben. Die Wendung „zwecks“ steht aber, wie der Verwaltungsgerichtshof schon mehrfach ausgesprochen hat, lediglich anstelle eines Finalsatzes und gibt daher nur die Absicht des Handelnden wieder; daß diese Absicht von der Täterin nach außen hin allgemein erkennbar gemacht wurde, ist dem Spruch des Bescheides daher nicht zu entnehmen. Der bloße Aufenthalt auf einem Parkplatz oder dem Platz einer Tankstelle in einer nach außen hin nicht in Erscheinung tretenden Absicht der Anbahnung zur Ausübung der Prostitution ist durch die erwähnte Verordnung aber nicht verboten.

Hätte die belangte Behörde daher auch in der Begründung des bekämpften Bescheides ein Verhalten der Beschwerdeführerin festgestellt, das als Ausübung der gewerbsmäßigen Unzucht oder als Anbieten hiezu angesehen werden könnte, so vermöchte dies daran nichts zu ändern, daß die Beschwerdeführerin dieses Verhaltens nach dem hiefür allein maßgebenden Spruch des bekämpften Bescheides nicht schuldig erkannt worden ist, vielmehr stünde dann die Begründung des Straferkenntnisses mit dem Spruch insoweit in Widerspruch. Schon dadurch belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes (siehe z.B. Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 27. März 1979, Zl. 649/77).

Die belangte Behörde hat aber auch verkannt, daß es für die Beurteilung einer Tat als fortgesetztes Delikt nicht entscheidend darauf ankommt, ob der Tatort innerhalb derselben Gemeinde verschieden ist oder nicht. Unter der strafrechtlichen Figur des fortgesetzten Deliktes ist eine Reihe von Einzelhandlungen zu verstehen, die vermöge der Gleichartigkeit ihrer Begehungsform und der Ähnlichkeit der äußeren Begleitumstände, verbunden mit der zeitlichen Kontinuität, zu einer Einheit zusammentreten (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 14. April 1953, Slg. N.F. Nr. 2931/A, vom 23. März 1971, Slg. N.F. Nr. 7993/A, vom 26. Februar 1976, Slg. N.F. Nr. 9001/A, u.v.a.). Im Falle des fortgesetzten Deliktes liegt lediglich eine selbständig strafbare Handlung vor, was die Anwendung des § 22 VStG 1950 ausschließt (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 17. Juni 1958, Slg. N.F. Nr. 4705/A). Im vorliegenden Fall ist nun aus der in die Feststellungen der Behörden beider Instanzen übernommenen niederschriftlichen Gendarmerieanzeige ersichtlich, daß die Beschwerdeführerin ihren Tatentschluß nicht etwa auf Grund der am 16. September 1977 um 22.10 Uhr erfolgten Abmahnung aufgegeben und nachträglich einen neuerlichen Tatentschluß gefaßt habe. Anläßlich der Festnahme um 1.35 Uhr wurde nämlich von den Gendarmeriebeamten das Vorliegen des Tatbestandes des § 35 lit. c VStG 1950 „auf Grund des Verharrens in der Fortsetzung der strafbaren Handlung“, nicht aber wegen deren Wiederholung angenommen. Auf Grund der Gleichartigkeit der Begehungsform und der Ähnlichkeit der äußeren Begleitumstände, verbunden mit der zeitlichen Kontinuität, hätte daher von der belangten Behörde, wäre Tatbildmäßigkeit des Verhaltens der Beschwerdeführerin vorgelegen, Einheit der Tathandlung und damit nur eine Verwaltungsübertretung angenommen werden müssen, was die Anwendung des § 22 Abs. 1 VStG 1950 unzulässig gemacht hätte.

Der Bescheid war daher, ohne daß es noch eines Eingehens auf die weiteren Beschwerdegründe bedurft hätte, gemäß § 42 Abs. 2 lit. a VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965 in Verbindung mit der Verordnung des Bundeskanzlers vom 31. Oktober 1977, BGBl. Nr. 542. Der Aufwandersatzantrag hinsichtlich Stempelgebühren war abzuweisen, da die Gebührenhöhe von der Beschwerdeführerin nicht beziffert worden ist.

Wien, am 15. Mai 1979

Schlagworte

Spruch Begründung (siehe auch AVG §58 Abs2 und §59 Abs1 Spruch und Begründung) Tatvorwurf Beschreibung des in der Begründung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1979:1978001849.X00

Im RIS seit

14.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

14.01.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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