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001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
AVG §10 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Bachler und Dr. Zens als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde der J in W, vertreten durch Dr. T, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 2. November 1995, Zl. 108.223/2-III/11/94, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben.
Der Bund (Bundesministerium für Inneres) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.770,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Die Beschwerdeführerin beantragte am 4. August 1994 die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Die Behörde erster Instanz wies den Antrag mit dem Bescheid vom 5. September 1994 ab. Der Bescheid wurde der Beschwerdeführerin durch Hinterlegung mit Beginn der Abholfrist 12. September 1994 zugestellt. Dagegen wurde folgendes, als Berufung und Wiedereinsetzungsantrag (gegen die Versäumung der Frist des § 6 Abs. 3 Aufenthaltsgesetz in der Fassung vor der Novelle BGBl. Nr. 351/1995) bezeichnetes Schreiben vom 20. September 1994 eingebracht:
"Sehr geehrte Damen und Herren,
aufgrund des abschlägigen Bescheides vom 5.9.1994 möchten
wir aus folgendem Grund berufen:
Frau J war zum Zeitpunkt der Antragstellung zur Verlängerung der Aufenthaltsbewilligung erkrankt und konnte daher nicht rechtzeitig sondern erst am 4.8.1994 diesen Antrag einbringen.
Weiters stellen wir hiermit einen Wiedereinsetzungsantrag.
Wir ersuchen um positive Behandlung dieses Ansuchens und
verbleiben
mit freundlichen Grüßen
ATELIER Z"
Die handschriftliche Unterschrift lautet "B. Z".
Am 25. Oktober 1995 langte ein Schreiben mit folgendem Inhalt bei der Behörde ein:
"Ich, J, X-Gasse 3, W, erteile an Herrn Ing. AZ, X-Gasse 3, W, die Vollmacht, mich in allen behördlichen Angelegenheiten zu vertreten.
Wien, am 24.10.1995 J"
Die belangte Behörde erließ daraufhin den nunmehr angefochtenen Bescheid vom 2. November 1995, welchen sie der Beschwerdeführerin zu Handen Herrn Ing. AZ zustellte. Sie wies damit die Berufung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid der ersten Instanz vom 5. September 1994 gemäß § 5 Abs. 1 des Aufenthaltsgesetzes und § 10 Abs. 1 Z. 4 des Fremdengesetzes ab.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen hat:
Gemäß § 63 Abs. 5 AVG ist die Berufung VON DER PARTEI binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat.
Innerhalb der Berufungsfrist langte das oben wiedergegebene Schreiben vom 20. September 1994 bei der Behörde erster Instanz ein. Dieses Schreiben ist jedenfalls mangels Vollmacht nicht der Beschwerdeführerin zuzurechnen, sondern dem (der) "B. Z" (aufgrund des im Verwaltungsakt befindlichen Mietvertrages möglicherweise Brunhilde Z), welcher (welche) das Schreiben auf dem Geschäftspapier des Ateliers Z mit dem Zusatz "Atelier Z" unterfertigte. Es finden sich keine Hinweise, daß die Beschwerdeführerin zum Zeitpunkt der Einbringung dieses Schreibens Vollmacht an "B. Z" erteilt gehabt hätte. Durch die vorgelegte Vollmacht vom 24. Oktober 1995 an Herrn Ing. AZ stellt die Beschwerdeführerin endgültig klar, daß zwischen ihr und dem Einschreiter (der Einschreiterin) "B. Z" zum Zeitpunkt dessen (deren) Handelns kein Vollmachtsverhältnis bestand.
Die am 24. Oktober 1995 dem Ing. AZ ERTEILTE Vollmacht bleibt überdies ohne Auswirkungen auf die zuvor gesetzten Verfahrenshandlungen, selbst wenn diese von Ing. AZ stammen sollten (also er das Schreiben vom 24. September 1994 mit "B. Z" gefertigt hätte), weil im Falle einer fristgebundenen Verfahrenshandlung die spätere Erteilung einer Vollmacht die Rechtswirksamkeit der bereits zuvor gesetzten Verfahrenshandlung nicht zu begründen vermag.
Damit wurde rechtsgültig von der Beschwerdeführerin keine Berufung erhoben, sodaß der erstinstanzliche Bescheid in Rechtskraft erwachsen ist. Die belangte Behörde hätte daher das Schreiben der "B. Z" vom 20. September 1994 gegenüber dieser Einschreiterin zurückzuweisen gehabt. Berufungsentscheidungen sind, wie sich aus den §§ 63 und 66 AVG ergibt, antragsbedürftige Verwaltungsakte. Die belangte Behörde hat daher dadurch, daß sie über eine von ihr fälschlicherweise der Beschwerdeführerin zugerechnete Berufung entschieden hat, ohne daß eine Berufung derselben vorlag, ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit im Sinne des § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG belastet. Der angefochtene Bescheid war daher, ohne daß es einer Auseinandersetzung mit dem Beschwerdevorbringen bedurfte, aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Formgebrechen behebbare Bevollmächtigung Formgebrechen behebbare Vollmachtsvorlage Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2 Instanzenzug Zuständigkeit Allgemein nachträgliche VollmachtserteilungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995191825.X00Im RIS seit
21.01.2002