TE Vwgh Beschluss 2020/12/3 Ra 2018/06/0073

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Veröffentlicht am 03.12.2020
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §13 Abs8
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Köhler sowie Senatspräsidentin Dr. Bayjones und Hofrätin Mag.a Merl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schreiber BA, in der Revisionssache des M H in L, vertreten durch Dr. Walter Brunner, Rechtsanwalt in 9020 Klagenfurt, Villacher Straße 1 A/VII, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Kärnten vom 1. März 2018, KLVwG-909/28/2016, betreffend Versagung einer Baubewilligung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Gemeindevorstand der Gemeinde Lesachtal; mitbeteiligte Partei: E H in L, vertreten durch Dr. Walter Vasoll und Mag. Marion Vasoll, Rechtsanwälte in 9620 Hermagor, Egger Straße 19; weitere Partei: Kärntner Landesregierung), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Revisionswerber hat dem Mitbeteiligten Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Verfahrensgegenständlich ist ein Baubewilligungsansuchen des Revisionswerbers vom 5. Dezember 2011 auf teilweise Änderung des Verwendungszweckes der Räumlichkeiten im bestehenden Wohnhaus auf einer näher bezeichneten Liegenschaft (im ersten Untergeschoss von bisher „Aufenthaltsraum/Werkraum“ in „Kfz-Werkstätte“ und von „Terrasse“ in „teils Terrasse/teils Büro“ sowie im zweiten Untergeschoss von bisher „Öl/Heizraum/Holz-Kohle/Brennstofflagerraum“ in „Kfz-Werkstätte/Lackierraum“). Überdies solle die bestehende Geschosshöhe im Bereich der Werkstätte um 1,35 m abgesenkt werden. Der Mitbeteiligte erhob Einwendungen gegen das Bauvorhaben.

2        Der Bürgermeister der Gemeinde L erteilte mit Bescheid vom 3. Juli 2012 die beantragte Baubewilligung. Der Gemeindevorstand der Gemeinde L wies mit Bescheid vom 25. Oktober 2012 die Berufung des Mitbeteiligten als unbegründet ab (erster Berufungsbescheid). Dieser erhob Vorstellung an die Kärntner Landesregierung.

3        Nach Aufhebung des Baubewilligungsbescheides durch die Kärntner Landesregierung mit Bescheid vom 17. Juni 2013 ergänzte der Revisionswerber das Bauansuchen und die Einreichunterlagen mit Eingabe vom 26. September 2013 dahingehend, dass auch die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung eines Kamins sowie eines Zu- und Abluftschachtes (nach den Projektunterlagen: anschließend an den Lackierraum im zweiten Untergeschoss) beantragt wurde.

4        Der Gemeindevorstand der Gemeinde L wies nach Einholung eines ergänzenden bautechnischen Sachverständigengutachtens vom 3. Oktober 2013 mit Bescheid vom 16. Dezember 2013 die Berufung des Mitbeteiligten neuerlich ab (zweiter Berufungsbescheid) und begründete diese Entscheidung im Wesentlichen damit, dass im Zuge der Verwendungsänderung keine baulichen Maßnahmen am Gebäude durchgeführt würden und die Abgasanlage und der Entlüftungsschacht als untergeordnete Bauteile zu definieren seien. Diese Maßnahmen fielen somit nicht in die Abstandsflächenregelung. Durch die beantragte Verwendungszweckänderung würden die öffentlichen Interessen nach § 28 Abs. 1 Kärntner Bauvorschriften (K-BV) nicht beeinträchtigt.

5        Das Landesverwaltungsgericht Kärnten (LVwG) hob auf Grund der Beschwerde des Mitbeteiligten diesen Bescheid mit Beschluss vom 7. April 2014 gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG auf und verwies die Angelegenheit zur neuerlichen Entscheidung an den Gemeindevorstand der Gemeinde L zurück. Zur Begründung führte das LVwG aus, der Mitbeteiligte als Anrainer habe ein Mitspracherecht hinsichtlich der bei der Benützung des gegenständlichen Bauvorhabens zu erwartenden Lärmimmissionen. In Bezug auf die Frage, welche Lärm- und Luftimmissionen an der für den Anrainer maßgeblichen Grundstücksgrenze zu erwarten seien, habe die Baubehörde keinerlei Ermittlungen durchgeführt. Die im Gewerbeverfahren eingeholten Gutachten könnten nicht ohne weiteres auch im Bauverfahren herangezogen werden. Der Gemeindevorstand habe es daher jedenfalls verabsäumt, den entscheidungswesentlichen Sachverhalt diesbezüglich festzustellen. Auf Grund dieser mangelhaften Ermittlung des maßgeblichen Sachverhalts lägen die Voraussetzungen des § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG vor.

6        Nach Einholung eines Gutachtens aus dem Fachbereich Immissionen-Lärmschutz und Immissionen-Luftreinhaltung des Sachverständigen Ing. W vom 3. November 2014 und eines medizinischen Gutachtens Dris. B vom 16. Dezember 2014 wies der Gemeindevorstand der Gemeinde L mit Bescheid vom 4. April 2016 die Berufung des Mitbeteiligten wiederum ab (dritter Berufungsbescheid). Begründend wurde ausgeführt, die Baubehörde zweiter Instanz schließe sich in Würdigung der eingeholten Gutachten deren Schlussfolgerungen an, denen zufolge keine nachteiligen Auswirkungen auf die benachbarten Grundstücke „im Bereich Immissionen-Lärmschutz und Immissionen-Luftreinhaltung als auch Gesundheit“ durch Errichtung und Betrieb der betreffenden Betriebstype Kfz-Lackierung innerhalb der Flächenwidmung Bauland-Dorfgebiet zu erwarten seien. Was die Einwendung des Mitbeteiligten auf Nichteinhaltung der gesetzlichen Abstandsflächen und einer Prüfungserfordernis zur weiteren Verringerung von Abstandsflächen gemäß § 8 Abs. 1 K-BV durch die Verwendungszweckänderung samt damit einhergehender Errichtung einer Abgasanlage und eines Entlüftungsschachtes betreffe, werde den Ausführungen des hochbautechnischen Sachverständigen Ing. R vom 30. Oktober 2013 gefolgt, wonach die Abgasanlage und der Entlüftungsschacht untergeordnete Bauteile seien und nicht in die Abstandsflächenregelung fielen. Im Übrigen stünden weitere öffentliche Interessen der Erteilung der beantragten Baubewilligung nicht entgegen (wird weiter ausgeführt). Der Mitbeteiligte erhob Beschwerde vor dem LVwG.

7        Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das LVwG nach Verfahrensergänzung (Einholung eines bautechnischen Gutachtens vom 23. September 2016 samt Ergänzung vom 20. Jänner 2017 nach Projektmodifikation des Bauwerbers mit Eingabe vom 4. November 2016 und weiteren Ergänzungen vom 24. April 2017 und 6. Dezember 2017) und Durchführung einer mündlichen Verhandlung der Beschwerde des Mitbeteiligten Folge und wies unter Neufassung des Spruches das Bauansuchen des Revisionswerbers vom 5. Dezember 2011, zuletzt in der Fassung der Projektsunterlagen vom 4. November 2016, gemäß § 19 Abs. 1 in Verbindung mit § 17 und § 13 Abs. 2 Kärntner Bauordnung 1996, LGBl. Nr. 62/1996 idF LGBl. Nr. 16/2009, ab. Unter einem wurde auch die Kostenentscheidung des Bürgermeisters der Gemeinde L vom 3. Juli 2012 abgeändert. Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass gegen dieses Erkenntnis eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei.

8        Dagegen richtet sich die vorliegende Revision.

9        Der Mitbeteiligte beantragt in seiner Revisionsbeantwortung die kostenpflichtige Zurück-, in eventu Abweisung der Revision.

10       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen

12       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

13       In der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision wird vorgebracht, das LVwG sei von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur grundsätzlichen Teilbarkeit baulicher Vorhaben abgewichen. Die Historie des vorliegenden Bauansuchens verdeutliche das Vorliegen eines teilbaren Bauvorhabens. Die erst im zweiten Rechtsgang hinzugefügten Bauteile (Kamin und Abgasanlage) gehörten nicht zwangsläufig zum zunächst beantragten Bauvorhaben und müssten nach dem Bauwillen nicht mitbewilligt werden. Das LVwG hätte daher in Übereinstimmung mit VwGH 23.1.1992, 91/06/0194, das teilbare Baugesuch nicht zur Gänze abweisen und die Baubewilligung nicht zur Gänze versagen dürfen.

14       Darüber hinaus fehle zu der vom LVwG herangezogenen Übergangsbestimmung des Art. IV Abs. 3 der Novelle LGBl. Nr. 80/2012 eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes. Im Allgemeinen sei die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erlassung der Entscheidung maßgeblich. Ändere sich der Sachverhalt, liege nicht mehr dieselbe Sache vor. Die vorliegende Erweiterung des Bauansuchens habe daher zur Folge, dass die „neue“ Sache nicht mehr nach den alten Bestimmungen abzuhandeln sei.

15       Weiters wird vorgebracht, das LVwG habe im Widerspruch zu VwGH 22.11.2005, 2004/05/0212, den Kamin und die Abgasanlage nicht als untergeordnete Bauteile beurteilt und auch § 9 Abs. 1 und 2 K-BV unrichtig ausgelegt. Werde ein Gebäude bloß umgebaut, aber nicht vergrößert, bleibe die „Anordnung des Gebäudes“ unverändert. In das Nachbarrecht auf Einhaltung der Abstandsfläche werde dadurch nicht eingegriffen.

16       Mit diesem Vorbringen wird keine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 abs. 4 B-VG aufgezeigt.

17       Ein Bauvorhaben ist im Allgemeinen ein unteilbares Ganzes, das nur als solches von der Baubehörde bewilligt oder abgelehnt werden kann. Eine Trennbarkeit in mehrere Teile ist nicht gegeben, wenn eine Teilbewilligung nur durch eine - der Baubehörde verwehrte - Einflussnahme auf die Gestaltung des Bauwillens möglich ist (vgl. VwGH 30.11.1999, 97/05/0330, mwN). Vorliegend ist - wie oben dargestellt - der durch die beiden Baubewilligungsansuchen des Revisionswerbers vom 5. Dezember 2011 und 26. September 2013 umschriebene Antrag auf Änderung der Verwendung von Räumlichkeiten im bestehenden Wohnhaus u.a. im zweiten Untergeschoss von bisher „Öl/Heizraum/Holz-Kohle/Brennstofflagerraum“ in „Kfz-Werkstätte/Lackierraum“ und die Errichtung eines Kamins sowie eines Zu- und Abluftschachtes anschließend an diesen Lackierraum im zweiten Untergeschoss gerichtet. Eine Teilung dieses Bauvorhabens in die Änderung der Verwendung der Gebäudeteile im zweiten Untergeschoss als Werkstätte/Lackierraum einerseits und den Kamin/Lüftungsschacht andererseits kommt nicht in Betracht, weil die zum Betrieb des Lackierraums erforderliche Entlüftungsanlage nicht vom übrigen Vorhaben getrennt baubehördlich gesondert bewilligt werden kann.

18       Was diesen Kamin/Entlüftungsschacht betrifft, wird in der Zulassungsbegründung nicht in Abrede gestellt, dass dieser an der westseitigen Außenwand situiert ist und damit in den Abstandsflächen zu liegen kommt. Es begegnet keinen Bedenken, dass es sich dabei um eine bewilligungspflichtige bauliche Maßnahme nach § 6 lit. b K-BO handelt und dass keine baulichen Anlagen nach § 6 Abs. 2 lit. a bis d K-BV vorliegen, deren Errichtung in den Abstandsflächen zulässig ist. Entgegen der vom Revisionswerber vertretenen Ansicht ist der Kamin und die Abgasanlage auch nicht der - als untergeordneter Bauteil beurteilten - Freitreppe/Außenstiege wie in VwGH 22.11.2005, 2004/05/0212, vergleichbar, sodass auch mit dem diesbezüglichen Hinweis eine Rechtfrage grundsätzlicher Bedeutung nicht aufgezeigt wird.

19       Zur vom LVwG als maßgeblich erachteten Übergangsbestimmung des Art. IV Abs. 3 der Novelle LGBl. Nr. 80/2012 macht der Revisionswerber fehlende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geltend. Er formuliert dabei aber keine Rechtsfrage, von deren Lösung die Entscheidung über die Revision abhinge. Der Revisionswerber übersieht insbesondere, dass eine Änderung des Antrages im Rahmen des § 13 Abs. 8 AVG nichts an der Anhängigkeit eines Verwaltungsverfahrens ändert.

20       Mit seinem Vorbringen zu § 9 Abs. 1 und 2 K-BV übersieht der Revisionswerber schon grundsätzlich, dass durch die Abgasanlage jedenfalls die Außenausmaße des bestehendes Gebäudes geändert werden und damit die Abstandsfläche zum Nachbargrundstück noch weiter verringert wird.

21       Die Revision erweist sich daher als unzulässig und war gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

22       Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 VwGG, insbesondere auf § 51 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014, BGBl. II Nr. 518/2013 in der Fassung BGBl. II Nr. 8/2014.

Wien, am 3. Dezember 2020

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2018060073.L00

Im RIS seit

26.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

26.01.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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