TE OGH 2020/11/25 7Ob156/20x

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Veröffentlicht am 25.11.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätin und Hofräte Hon.-Prof. Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Verein für Konsumenteninformation, 1060 Wien, Linke Wienzeile 18, vertreten durch Kosesnik-Wehrle & Langer Rechtsanwälte KG in Wien, gegen die beklagte Partei M***** AG, *****, vertreten durch MUSEY rechtsanwalt gmbH in Salzburg, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 14. Mai 2020, GZ 7 R 54/19v-25, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 29. September 2019, GZ 17 Cg 85/17p-19, teilweise abgeändert wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird teilweise Folge gegeben.

Das im Übrigen in der Hauptsache zur Gänze bestätigte und aufrecht bleibende Urteil des Berufungsgerichts wird nur hinsichtlich der Klausel 3 dahin abgeändert, dass es lautet:

„Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die sie von ihr geschlossenen Verträgen zugrunde legt und/oder in hiebei verwendeten Vertragsformblättern die Verwendung der Klausel:

'3. Ein Anspruch auf Leistung für dauernde Invalidität ist innerhalb von 15 Monaten vom Unfalltag an geltend zu machen und unter Vorlage eines ärztlichen Befundberichtes, aus dem Art und Umfang der Gesundheitsschädigung und die Möglichkeit einer auf Lebenszeit dauernden Invalidität hervorgeht, zu begründen.'

oder die Verwendung sinngleicher Klauseln zu unterlassen, sie sei ferner schuldig es zu unterlassen, sich auf die vorstehend genannte Klausel oder sinngleiche Klauseln zu berufen und das sich auf diese Klausel beziehende Urteilsveröffentlichungsbegehren werden abgewiesen.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 6.841,48 EUR (darin enthalten 897,08 EUR an USt und 1.459 EUR an Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.“

Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der klagenden Partei die mit 6.824,24 EUR (darin enthalten 946,54 EUR an USt und 1.143 EUR an Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

[1]       Der Kläger ist ein gemäß § 29 KSchG zur Unterlassungsklage berechtigter Verein. Die Beklagte ist Unternehmerin im Sinn des § 1 KSchG, betreibt das Versicherungsgeschäft und bietet ihre Leistungen im gesamten österreichischen Bundesgebiet an. Sie tritt in ihrer geschäftlichen Tätigkeit laufend mit Verbrauchern im Sinn des § 1 KSchG in rechtsgeschäftlichen Kontakt und schließt mit diesen Verträge.

[2]       Der Kläger begehrte von der Beklagten, im geschäftlichen Verkehr mit Verbrauchern in Allgemeinen Geschäftsbedingungen, die sie von ihr geschlossenen Verträgen zugrunde legt und/oder in hiebei verwendeten Vertragsformblättern die Verwendung von 13 (im Folgenden näher bezeichneten) Klauseln oder sinngleicher Klauseln zu unterlassen, sowie es zu unterlassen, sich auf die genannten oder sinngleiche Klauseln zu berufen. Weiters stellte der Kläger ein Urteilsveröffentlichungsbegehren.

[3]       Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens.

[4]       Das Erstgericht gab dem Klagebegehren hinsichtlich der Klauseln 1, 2, 4, 5, 7, 8, 10, 12 und 13 statt. Das Klagebegehren hinsichtlich der Klauseln 3, 6, 9 und 11 wies es ab.

[5]       Das Berufungsgericht gab der dagegen von der Beklagten erhobenen Berufung nicht Folge. Über Berufung des Klägers änderte es dahin ab, dass es dem Klagebegehren zur Gänze stattgab.

[6]       Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision der Beklagten mit einem Abänderungsantrag.

[7]       Der Kläger begehrt, die Revision zurückzuweisen; hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

[8]       Die Revision ist zulässig, sie ist auch teilweise, nämlich hinsichtlich der Klausel 3 berechtigt.

Rechtliche Beurteilung

[9]       I. Für sämtliche Klauseln sind folgende Grundsätze im Verbandsprozess maßgeblich:

[10]     1.1 Die Geltungskontrolle nach § 864a ABGB geht der Inhaltskontrolle gemäß § 879 ABGB vor (RS0037089). Objektiv ungewöhnlich nach § 864a ABGB ist eine Klausel, die von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht, mit der er also nach den Umständen vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht. Der Klausel muss ein „Überrumpelungseffekt“ innewohnen (RS0014646). Entscheidend ist, ob die Klausel beim entsprechenden Geschäftstyp üblich ist und ob sie den redlichen Verkehrsgewohnheiten entspricht (RS0105643 [T3]; RS0014627 [T3]). Auf ihren Inhalt allein kommt es aber nicht an. Er spielt vor allem im Zusammenhang mit der Stellung im Gesamtgefüge des Vertragstextes eine Rolle, denn das Ungewöhnliche einer Vertragsbestimmung ergibt sich besonders aus der Art ihrer Einordnung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (RS0014659 [T2]). Die Bestimmung darf im Text nicht derart „versteckt“ sein, dass sie der Vertragspartner – ein durchschnittlich sorgfältiger Leser – dort nicht vermutet, wo sie sich befindet, und dort nicht findet, wo er sie vermuten könnte (RS0105643 [T2]; RS0014646 [T14]). Gegen die für die Art des Rechtsgeschäfts typischen Vertragsbestimmungen kann auch ein unerfahrener Vertragspartner nicht ins Treffen führen, er sei von ihnen überrascht worden (RS0014610). Die Ungewöhnlichkeit eines Inhalts ist nach dem Gesetzestext objektiv zu verstehen (RS0014627). Erfasst sind alle dem Kunden nachteiligen Klauseln; eine grobe Benachteiligung nach § 879 Abs 3 ABGB wird nicht vorausgesetzt (RS0123234). Die Geltungskontrolle ist nicht allein auf Nebenabreden beschränkt, sondern umfasst auch Vertragsbestimmungen über die Begründung, Umgestaltung bzw Erweiterung der Hauptpflichten (RS0014603).

[11]     1.2 Nach § 879 Abs 3 ABGB ist eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung, die nicht eine der beiderseitigen Hauptleistungen festlegt, nichtig, wenn sie unter Berücksichtigung aller Umstände des Falls einen Teil gröblich benachteiligt. Das dadurch geschaffene bewegliche System berücksichtigt einerseits die objektive Äquivalenzstörung und andererseits die „verdünnte Willensfreiheit“ (RS0016914). Ein Abweichen vom dispositiven Recht wird unter Umständen schon dann eine „gröbliche“ Benachteiligung des Vertragspartners sein können, wenn sich für die Abweichung keine sachliche Rechtfertigung ergibt. Dies ist jedenfalls dann anzunehmen, wenn die dem Vertragspartner zugedachte Rechtsposition in einem auffallenden Missverhältnis zur vergleichbaren Rechtsposition des anderen steht, wenn also keine sachlich berechtigte Abweichung von der für den Durchschnittsfall getroffenen Norm des nachgiebigen Rechts vorliegt (RS0016914 [T3, T4, T6]). Die Beurteilung, ob eine Klausel den Vertragspartner gröblich benachteiligt, orientiert sich am dispositiven Recht, das als Leitbild eines ausgewogenen und gerechten Interessenausgleich für den Durchschnittsfall gilt (RS0014676 [T7, T13, T43]).

[12]     1.3 Nach § 6 Abs 3 KSchG ist eine in Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsformblättern enthaltene Vertragsbestimmung unwirksam, wenn sie unklar oder unverständlich abgefasst ist. Das Transparenzgebot soll es dem Kunden ermöglichen, sich aus den Allgemeinen Geschäftsbedingungen oder Vertragsbestandteilen zuverlässig über seine Rechte und Pflichten bei der Vertragsabwicklung zu informieren (RS0115217 [T41]). Das setzt die Verwendung von Begriffen voraus, deren Bedeutung dem typischen Verbraucher geläufig sind oder von ihm jedenfalls festgestellt werden können. Das können naturgemäß auch Fachbegriffe sein, nicht aber Begriffe, die so unbestimmt sind, dass sich ihr Inhalt jeder eindeutigen Festlegung entzieht. Der durch ihre Verwendung geschaffene weite Beurteilungsspielraum schließt es aus, dass der Verbraucher Klarheit über seine Rechte und Pflichten gewinnen kann (RS0115217 [T3]). Das Transparenzgebot begnügt sich nicht mit formeller Textverständlichkeit, sondern verlangt, dass Inhalt und Tragweite vorgefasster Vertragsklauseln für den Verbraucher „durchschaubar“ sind (RS0122169 [T2]). Mit dem Verbandsprozess soll nicht nur das Verbot von gesetzwidrigen Klauseln erreicht, sondern es sollen auch jene Klauseln beseitigt werden, die den Verbraucher – durch ein unzutreffendes oder auch nur unklares Bild seiner vertraglichen Position – von der Durchsetzung seiner Rechte abhalten oder ihm unberechtigt Pflichten auferlegen. Daraus kann eine Pflicht zur Vollständigkeit folgen, wenn die Auswirkungen einer Klausel für den Kunden andernfalls unklar bleiben (RS0115219 [T1, T14, T21, T22]; RS0115217 [T8]; RS0121951 [T4]).

[13]     1.4 Im Verbandsprozess nach § 28 KSchG hat die Auslegung der Klauseln im „kundenfeindlichsten“ Sinn zu erfolgen. Auf eine etwaige teilweise Zulässigkeit der beanstandeten Klausel kann nicht Rücksicht genommen werden, weil eine geltungserhaltende Reduktion – wie auch im Individualprozess – im Verbandsprozess nicht möglich ist (RS0038205 [insb T20]).

[14]     Zu den einzelnen Klauseln in den Allgemeinen Unfallbedingungen (AUVB 2013):

[15]     Klausel 1:

„Laufzeitbonus

[…]

Bei Verbraucherverträgen beinhaltet die im Antrag bzw in der Polizze ausgewiesene Gesamtprämie ab einer Laufzeit von mehr als zwei Jahren einen 20%igen Laufzeitbonus.

Dieser Laufzeitbonus wird jedoch nur unter der Voraussetzung gewährt, dass eine zehnjährige Vertragslaufzeit, für die die Prämie kalkuliert wurde, erfüllt wird […].

Laufzeitbonus-Nachforderung:

Sollte der Vertrag, aus welchen Gründen auch immer, vor Ablauf der 10 Jahre aufgelöst werden, so entfällt die Grundlage für den Laufzeitbonus bzw für die Weitergabe des kalkulatorischen Kostenvorteils und ist der Versicherungsnehmer zu einer Nachzahlung verpflichtet.

Bemessungsgrundlage für die Nachforderung ist die letzte gültige Prämie, wobei diese auf eine Jahresprämie hochzurechnen ist. […]

Die Laufzeitbonus-Nachforderung errechnet sich gemäß nachstehender Tabelle:

Vertragsauflösung nach einem vollendeten Versicherungsjahr 70 % der Bemessungsgrundlage

Vertragsauflösung nach zwei vollen Versicherungsjahren 70 % der Bemessungsgrundlage

[…]“

[16]     Diese Klausel ist in von der Beklagten für Verträge verwendeten Formblättern enthalten.

[17]     Der Kläger brachte dazu vor, die Klausel sei gröblich benachteiligend im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB, da sie zur Folge habe, dass der Versicherungsnehmer im Fall der vorzeitigen Vertragsauflösung in den ersten beiden Jahren einen höheren Rabatt zurückzahlen müsse, als er aufgrund der vereinbarten längeren Laufzeit erhalten habe. Die Klausel verschleiere dem Versicherungsnehmer überdies die wahre Rechtslage, weshalb sie auch intransparent im Sinn des § 6 Abs 3 KSchG sei.

[18]     Die Beklagte gestand die Berechnungen des Klägers als korrekt zu, bestritt aber die gröbliche Benachteiligung der Klausel. Gemäß § 40 Abs 2 VersVG bestehe die Möglichkeit, sich im Fall einer vorzeitigen Vertragsauflösung die Zahlung einer angemessenen Konventionalstrafe auszubedingen. Es sei daher sachgerecht, dass für jede Variante der Auflösung die Laufzeitbonus-Nachforderung gebühre. Eine Intransparenz gemäß § 6 Abs 3 KSchG liege nicht vor.

[19]           Die Vorinstanzen folgten der Argumentation des Klägers und untersagten die Verwendung der Klausel wegen gröblicher Benachteiligung gemäß § 879 Abs 3 ABGB.

[20]     1.1 Nach § 8 Abs 3 Satz 1 VersVG kann ein Versicherungsnehmer, wenn er Verbraucher ist, ein Versicherungsverhältnis, das er für eine Dauer von mehr als drei Jahren eingegangen ist, zum Ende des dritten oder jedes darauffolgenden Jahres unter Einhaltung einer Frist von einem Monat schriftlich kündigen. § 8 Abs 3 Satz 2 VersVG bestimmt, dass eine allfällige Verpflichtung des Versicherungsnehmers zum Ersatz von Vorteilen, besonders Prämiennachlässen, die ihm wegen einer vorgesehenen längeren Laufzeit des Vertrags gewährt worden sind, unberührt bleibt. Aufgrund dieser gesetzlichen Regelung hat der Fachsenat bereits mehrfach die grundsätzliche Zulässigkeit von vertraglichen Vereinbarungen bejaht, in denen die Nachforderung für Dauerrabatte vorgesehen ist (7 Ob 81/17p mwN; RS0126072).

[21]     1.2 Eine solche Vereinbarung einer Dauerrabattzahlung unterliegt der Inhaltskontrolle nach § 879 Abs 3 ABGB. Der Fachsenat hat bereits ausgesprochen, dass Klauseln, die eine (Treuebonus- oder) Dauerrabattrückvergütung mit gleichbleibenden jährlichen Beträgen vorsehen, sodass der rückforderbare Betrag mit längerer Vertragsdauer steigt statt sinkt, mangels sachlicher Rechtfertigung gemäß § 879 Abs 3 ABGB unwirksam sind. Dies gilt gleichermaßen für sogenannte „gemäßigte“ oder „gemildert progressive“ Klauseln. Eine Klausel, die eine Dauerrabattrückvergütung vorsieht, muss daher grundsätzlich so gestaltet sein, dass sich die vom Versicherer rückforderbaren Beträge streng degressiv entwickeln (7 Ob 81/17p). Der „Vorteil“, den der Versicherungsnehmer nach § 8 Abs 3 VersVG herauszugeben hat, kann nur der Betrag sein, der ihm an „Mehr“ als Rabatt während der Laufzeit zugekommen ist (7 Ob 266/09g).

[22]     1.3 Im vorliegenden Fall entwickeln sich die vom Versicherer rückforderbaren Beträge schon nicht streng degressiv, beträgt der Prozentsatz der Rückzahlungsverpflichtung doch für die ersten drei Jahre unverändert 70 %, was unstrittig jedenfalls dazu führt, dass bei einer Vertragsauflösung nach einem bzw zwei vollen Versicherungsjahren der Versicherungsnehmer mehr zurückzahlen muss, als er an Rabatt erhalten hat. Sachliche Gründe dafür findet die Beklagte nicht. Die Klausel ist somit als gröblich benachteiligend nach § 879 Abs 3 ABGB anzusehen.

[23]     1.4 Aus § 40 VersVG ist für die Beklagte nichts zu gewinnen. Die nunmehr geregelte pro rata temporis Abrechnung für vorzeitig beendete Verträge bedeutet lediglich, dass dem Versicherer die Prämien nur für die Dauer der Risikotragung gebühren. Eine nach § 40 Satz 2 VersVG mögliche Konventionalstrafe wurde nicht vereinbart.

[24]     Klausel 2:

„Die [...] Versicherung AG übernimmt die Dauerrabattrückforderung des Vorversicherers in der vorgeschriebenen Höhe, maximal jedoch in der Höhe einer Jahresprämie des bei der [...] Versicherung AG abgeschlossenen Vertrags, unter der Voraussetzung, dass die vereinbarte zehnjährige Vertragslaufzeit eingehalten wird. Sollte der bei der [...] Versicherung AG abgeschlossene Vertrag vor Ablauf der zehnjährigen Vertragslaufzeit aufgelöst werden, ist der von der […] Versicherung AG übernommene Dauerrabatt an diese zurückzuzahlen.“

[25]     Diese Klausel ist in von der Beklagten für Verträge verwendeten Formblättern enthalten.

[26]     Der Kläger brachte vor, aufgrund dieser Klausel treffe den Konsumenten in der Mehrzahl der Fälle eine längere Rückzahlungsverpflichtung gegenüber dem Versicherer als der Zeitraum wäre, für den er dem Vorversicherer den Dauerrabatt zurückzahlen müsste. Dieser Umstand mache die Klausel gröblich benachteiligend im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB.

[27]     Die Beklagte bestritt. Die Kündigungsrechtseinräumung durch § 8 Abs 3 VersVG werde nicht mit wirtschaftlichen Mitteln untergraben, erschüttert oder beeinträchtigt.

[28]     Die Vorinstanzen folgten dem Kläger und beurteilten die Klausel als gröblich benachteiligend nach § 879 Abs 3 ABGB.

[29]     2. Der Oberste Gerichtshof hat bereits in seiner Entscheidung 7 Ob 118/13y (= RS0129103) zur Frage der Verlängerung der Frist der Rückzahlungsverpflichtung dahin Stellung genommen: Den Verbraucher trifft nach dem Wortlaut der (insoweit sinngleichen) Klausel in der Mehrzahl der Fälle eine längere Rückzahlungsverpflichtung gegenüber der Beklagten als der Zeitraum wäre, für den er dem Vorversicherer den Dauerrabatt rückersetzen müsste. Damit wird das gesetzliche Kündigungsrecht des Konsumenten gemäß § 8 Abs 3 erster Satz VersVG mit wirtschaftlichen Mitteln untergraben. Eine sachliche Rechtfertigung für die zehn Jahre dauernde Rückzahlungsverpflichtung des Konsumenten, obwohl der Versicherungsnehmer gegenüber seinem Vorversicherer nur noch bedeutend kürzer gebunden wäre, ist nicht ersichtlich. Zusätzlich sieht die gegenständliche Klausel – im Gegensatz zu jener in 7 Ob 118/13y (und zu der von der Beklagten vertretenen Ansicht) – keine aliquote Rückzahlung vor. Sie ist keinesfalls degressiv und daher auch aus den zu Klausel 1 ausgeführten Gründen gemäß § 879 Abs 3 ABGB unwirksam.

[30]     Klausel 3:

„Ein Anspruch auf Leistung für dauernde Invalidität ist innerhalb von 15 Monaten vom Unfalltag an geltend zu machen und unter Vorlage eines ärztlichen Befundberichts, aus dem Art und Umfang der Gesundheitsschädigung und die Möglichkeit einer auf Lebenszeit dauernden Invalidität hervorgeht, zu begründen.“

[31]     Diese Klausel ist in Art 7.1 AUVB 2013 enthalten.

[32]     Der Kläger brachte dazu vor, die Klausel sei objektiv und subjektiv ungewöhnlich nach § 864a ABGB, weil für den Beginn der Ausschlussfrist ausschließlich auf den Zeitpunkt des Unfalls und nicht auf den Zeitpunkt der Kenntnis des Versicherungsnehmers von einer (möglichen) Invalidität oder auf jenen der Möglichkeit des Versicherungsnehmers, dem Versicherer die (mögliche) Invalidität zu melden, abgestellt werde. Die Klausel enthalte keinen Hinweis darauf, dass es sich um eine Ausschlussfrist handle, bei deren Versäumung der Entschädigungsanspruch des Versicherten erlösche, und der Versicherer den Versicherungsnehmer gesondert auf die Bedeutung der Klausel hinweisen werde, sollte er in einer Schadensmeldung und/oder der Vorlage von Befunden noch keine ausreichende Geltendmachung eines Anspruchs auf Leistung für dauernde Invalidität erblicken. Der Versicherungsnehmer verliere seinen Anspruch auf Invaliditätsleistung selbst dann, wenn der Versicherer dieser Hinweispflicht nicht nachgekommen sei und gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoße. Es sei unklar, wie ein ausreichender ärztlicher Befundbericht auszusehen habe. Die Klausel sei gröblich benachteiligend im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB und darüber hinaus intransparent im Sinn des § 6 Abs 3 KSchG.

[33]     Die Beklagte wandte ein, dass weder eine Verschleierung noch eine unklare Formulierung nach § 6 Abs 3 KSchG vorliege, zumal die dem Tatbestand zu unterstellenden Sachverhalte eindeutig seien. Die Klausel sei weder ungewöhnlich im Sinn des § 864a ABGB noch gröblich benachteiligend im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB. Der Zweck der Ausschlussfrist liege darin, zweifelhafte Spätschäden vom Versicherungsschutz auszunehmen, möglichst rasche Rechtssicherheit zu schaffen und eine alsbaldige Klärung der Ansprüche herbeizuführen. Das Abstellen der Frist auf den Unfallszeitpunkt sei sachlich gerechtfertigt, weil die Invalidität im Sinn der körperlichen Funktionsminderung innerhalb eines Jahres ab dem Unfall aufgetreten sein müsse.

[34]     Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und vertrat den Standpunkt, dass die Klausel eindeutig sei und unzweifelhaft die Dauer der Frist und deren Ingangsetzen erkennen lasse. Sie verstoße weder gegen § 879 Abs 3 ABGB noch gegen § 6 Abs 3 KSchG und sei auch nicht ungewöhnlich im Sinn des § 864a ABGB.

[35]     Das Berufungsgericht änderte ab und ging davon aus, dass eine Bedingung, die eine Ausschlussfrist regle und allein auf einen objektiven die Frist auslösenden Zeitpunkt abstelle, im Zusammenhang mit § 33 Abs 1 VersVG, wonach der Versicherungsnehmer den Eintritt des Versicherungsfalls melden müsse, nachdem er von ihm Kenntnis erlangt habe, ungewöhnlich nach § 864a ABGB sei, weil dadurch der Anspruch erlösche, auch wenn unverzüglich nach Kenntnis vom Versicherungsfall eine Schadensanzeige erstattet werde.

[36]     3.1 Die Unfallversicherungsbedingungen der Beklagten gewähren Versicherungsschutz, wenn der versicherten Person während der Versicherungsdauer ein Unfall zustößt (Art 1 AUVB). Versicherungsfall ist der Eintritt eines Unfalls (Art 2 AUVB). Die Definition des Unfalls findet sich in Art 6 AUVB, die Verpflichtung zur unverzüglichen Anzeige des Versicherungsfalls in Art 27.2.1 AUVB.

[37]     3.2 Art 7 AUVB regelt die Leistungspflicht des Versicherers. Für diese ist Grundvoraussetzung, dass die versicherte Person durch den versicherten Unfall auf Lebenszeit in ihrer körperlichen oder geistigen Leistungsfähigkeit beeinträchtigt ist. Leistungsvoraussetzung ist zum einen, dass die Invalidität innerhalb eines Jahres ab dem Unfall eintritt und zum anderen die Geltendmachung der Leistung und die Bescheinigung der Möglichkeit einer dauernden Invalidität durch Vorlage eines ärztlichen Befundberichts innerhalb von 15 Monaten ab dem Unfalltag.

[38]     3.3.1 Bei der Geltendmachung der Invalidität entspricht es allgemein gängiger und langjähriger Versicherungspraxis in Österreich und Deutschland, dass drei Fristen, die in den verschiedenen Bedingungen vom Regelungszweck her gleich konstruiert sind, von Bedeutung sind (7 Ob 63/07a). So hatte der Oberste Gerichtshof in der Regel Fälle österreichischer Versicherungsbedingungen zu beurteilen, nach denen innerhalb eines Jahres nach dem Unfall dauernde Invalidität eintreten und binnen 15 Monaten unter Vorlage des ärztlichen Befundberichts geltend gemacht werden musste (vgl etwa 7 Ob 222/15w, 7 Ob 161/15z; RS0082292), während die dritte Frist von vier Jahren die Neubemessung betraf (7 Ob 47/16m; 7 Ob 195/14y; 7 Ob 153/12v). Alle diese Fristen sind Ausschlussfristen (7 Ob 63/07a; RS0109447 [Eintritt der Invalidität]; RS0082292, RS0082222 [Geltendmachung]; RS0122119 [Neubemessung]), werden sie versäumt, erlischt der Anspruch (RS0082292). Der Rechtsverlust tritt auch dann ein, wenn die Geltendmachung des Rechts während der Frist unverschuldet unterblieb (RS0034591).

[39]     3.3.2 Die Zweckrichtung der Regelung liegt in der Herstellung von möglichst rascher Rechtssicherheit und Rechtsfrieden. So soll der verspätet in Anspruch genommene Versicherer vor Beweisschwierigkeiten infolge Zeitablaufs geschützt und eine alsbaldige Klärung der Ansprüche herbeigeführt werden (RS0082216 [T1]). Die durch Setzung einer Ausschlussfrist vorgesehene Risikobegrenzung soll damit im Versicherungsrecht (in der Regel) eine Ab- und Ausgrenzung schwer aufklärbarer und unübersehbarer (Spät-)Schäden bewirken (7 Ob 31/20i mwN).

[40]     3.3.3 Nach der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats muss jedem Versicherungsnehmer das Wissen zugemutet werden, dass einem (Unfall-)Versicherungsvertrag gewisse Begrenzungsnormen zugrunde liegen. Der durchschnittliche Versicherungsnehmer hat daher grundsätzlich mit Risikoausschlüssen und -einschränkungen zu rechnen. Sie sind insoweit grundsätzlich weder ungewöhnlich nach § 864a ABGB noch im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB gröblich benachteiligend (7 Ob 169/17d).

[41]     3.3.4 Der Oberste Gerichtshof hat zu 7 Ob 250/01t (= RS0082292 [T8]) [Unfallversicherung] in einem Sonderfall ausgesprochen, dass eine Bedingung ungewöhnlich ist, in dem der Anspruch auch erlischt, wenn der Versicherungsfall dem Versicherungsnehmer erst später erkennbar wird und er unverzüglich nach Kenntnis vom Versicherungsfall eine Schadenanzeige erstattete. Der Fachsenat hat hier für diese ganz spezifische Fallkonstellation, in der der Versicherungsnehmer vor Ablauf der Ausschlussfrist keinen Hinweis darauf hatte, dass sich ein Versicherungsfall innerhalb der Frist ereignet haben könnte, den Anspruchsverlust auch bei unverzüglicher Meldung im Sinn des § 33 Abs 1 VersVG als objektiv und subjektiv ungewöhnlich nach § 864a ABGB und die Vertragsbestimmung (vor der Entscheidung des EuGH vom 14. 6. 2012, C-618/10 [Branco Espanol de Crédito; RS0128735]) insoweit als teilnichtig angesehen.

[42]     3.3.5 Die folgenden Entscheidungen 7 Ob 22/10a, 7 Ob 201/12b, 7 Ob 31/20i betrafen Nachhaftungsklauseln in der Rechtsschutzversicherung, die den Versicherungsschutz für den vom Versicherungsnehmer später als zwei Jahre nach Beendigung des Versicherungsverhältnisses geltend gemachten Versicherungsfall ausschlossen. Diese Klauseln bezogen sich konkret auf den Versicherungsfall und dessen Eintritt, weshalb in den genannten Entscheidungen auch die Anknüpfung der Geltungskontrolle an § 33 VersVG erfolgte.

[43]     3.3.6 Für die Unfallversicherung kann die in 7 Ob 250/01t vertretene – in 7 Ob 47/19s bloß referierte – Rechtsansicht im Zusammenhang mit der vorliegenden Ausschlussfrist nicht aufrecht erhalten werden: § 33 VersVG verpflichtet den Versicherungsnehmer, den Eintritt des Versicherungsfalls unverzüglich nach Kenntniserlangung dem Versicherer anzuzeigen („Schadensanzeige“). Dadurch erhält dieser die Möglichkeit allfällige Maßnahmen zur Abwehr und Minderung des Schadens zu treffen, sowie den für die Beurteilung seiner Leistungspflicht maßgeblichen Sachverhalt festzustellen, zu prüfen und beweiskräftig sichern zu können. Die Anzeige soll dem Versicherer auch ermöglichen, von seinem Auskunftsrecht gemäß § 34 VersVG Gebrauch zu machen (Ramharter in Fenyves/Schauer, VersVG § 33 Rz 1 mwN; vgl auch Dörner in Berliner Kommentar zum Versicherungsvertragsgesetz § 33 Rn 1). Die Bestimmung regelt somit eine Verhaltenspflicht des Versicherungsnehmers zur unverzüglichen Meldung des Eintritts des Versicherungsfalls.

[44]     3.3.7 Davon unterscheidet sich die hier gegenständliche Klausel in der Unfallversicherung zum einen dadurch, dass sie sich nicht auf den Eintritt des Versicherungsfalls selbst bezieht, der ja – wie ausgeführt – im unverzüglich anzuzeigenden Unfall liegt, sondern die Voraussetzungen für die Leistungspflicht des Versicherers nennt. Zum anderen ist in der Unfallversicherung der Eintritt des Versicherungsfalls – das Unfallereignis – auch nicht zweifelhaft. Die Klausel regelt somit keinen Fall des § 33 VersVG. Auch eine analoge Anwendung kommt nicht in Betracht, stellt die Klausel nur auf den objektiven Ablauf der Ausschlussfrist und nicht auf (verschuldete) Unkenntnis ab. Unsicherheiten über das Vorliegen der dauernden Invalidität werden dadurch abgefangen, dass für die Anspruchserhebung schon die Möglichkeit einer dauernden Invalidität genügt, deren genauere Abklärung gerade durch die Geltendmachung herbeigeführt wird.

[45]     3.3.8 Der erkennende Fachsenat hält daher seine langjährige Rechtsprechung, wonach die 15-Monats-Klausel weder gegen § 864a ABGB noch § 879 Abs 3 ABGB verstößt ausnahmslos aufrecht.

[46]     3.4.1 Die Ausführungen des Klägers im Zusammenhang mit dem Grundsatz von Treu und Glauben stehen der Transparenz und Wirksamkeit der Klausel nicht entgegen. Der Grundsatz stellt im Einzelfall auf bestimmte, nicht zu generalisierende Handlungsweisen des Versicherers bei der Abwicklung des Versicherungsfalls ab.

[47]     3.4.2 Die inkriminierte Klausel 3 gibt lediglich einen Teil des Art 7.1 AUVB wieder. Aus dem gesamten Wortlaut folgt auch für den typischen Verbraucher ganz klar, dass ein Unfallentschädigungsanspruch nur besteht, wenn die – näher beschriebene – dauernde Invalidität binnen zwölf Monaten ab Unfalltag eingetreten und der Leistungsanspruch binnen 15 Monaten ab Unfalltag geltend gemacht wurde. Auch wird ein typischer Verbraucher ohne weiteres unter ärztlichem Befundbericht ein ärztliches Schreiben verstehen, das dem Versicherer die ärztlich begründete Wahrscheinlichkeit einer dauernden Invalidität mitteilt (RS0106013; aA Fähnrich VR 6/19 [44]). Weiterer Hinweise bedarf es in den Allgemeinen Versicherungsbedingungen nicht.

[48]           3.4.3 Die Klausel erweist sich somit auch nicht als intransparent im Sinn des § 6 Abs 3 KSchG. Eine dem § 186 VVG entsprechende Regelung fehlt im österreichischen Recht.

[49]     Klausel 4:

„Hatte der Versicherte am Unfalltag das 75. Lebensjahr bereits vollendet, tritt anstelle der Kapitalleistung eine Rente. Die Höhe der auszuzahlenden Rente wird nach der am Unfalltag geltenden Rententafel und unter Zugrundelegung des am Unfalltag vollendeten Lebensjahres des Versicherten berechnet.“

[50]     Die Klausel ist in Art 7.8 AUVB 2013 enthalten.

[51]     Der Kläger brachte dazu vor, die Klausel widerspreche den Vorgaben hinsichtlich der Leistungsänderung nach § 6 Abs 2 Z 3 KSchG. Weiters sei die Klausel auch als überraschend im Sinn des § 864a ABGB und als intransparent im Sinn des § 6 Abs 3 KSchG zu qualifizieren. Trotz anderslautender Vereinbarung werde anstatt einer Kapitalleistung eine Rente ausbezahlt, deren Höhe aufgrund des Verweises auf die am Unfalltag geltende Rententafel nicht vorhersehbar sei. Die Klausel enthalte auch keinerlei Informationspflicht, sodass die Umstellung der Versicherungsleistung potentiell unerkannt bleibe und sich erst im Schadensfall zeige. Jedenfalls verstoße die nicht sachlich gerechtfertigte Änderung der Leistungszusage gegen § 879 Abs 3 ABGB.

[52]     Die Beklagte wandte ein, dass ein Verstoß gegen § 6 Abs 2 Z 3 KSchG schon deshalb nicht vorliege, weil von vornherein ein bestimmter Zeitpunkt, der außerhalb des Einflusses der Beklagten liege, als Kriterium herangezogen werde, in welcher Form eine Leistung für Dauerinvalidität zu erbringen sei. Die Klausel sei ebenso wenig überraschend wie gröblich benachteiligend oder intransparent.

[53]     Die Vorinstanzen beurteilten die Klausel als unzulässig nach §§ 864a, 879 Abs 3 ABGB. Da in der Polizze die Versicherungssumme für dauernde Invalidität aus einer (einmaligen) Kapitalleistung bestehe, sei die Bestimmung zur Auszahlung als Rente ab Erreichen eines bestimmten Alters als überraschend für den Versicherungsnehmer anzusehen. Die Klausel sei gröblich benachteiligend, weil unter Berücksichtigung der ab Vollendung des 75. Lebensjahres verminderten Lebenserwartung eine erhebliche Minderung der Versicherungsleistung zu erwarten sei, wenn statt der Kapitalleistung eine unter Berücksichtigung der restlichen Lebenserwartung des Versicherten ermittelte Rente geleistet werden soll.

[54]     4.1 In Art 1 der Allgemeinen Unfallversicherungsbedingungen wird der Gegenstand der Versicherung geregelt und angeführt, dass der Versicherer Versicherungsschutz bietet, wenn dem Versicherten ein Unfall zustößt. Jene Leistungen, die versichert werden können, finden sich unter Abschnitt B. Aus der Polizze ist sodann ersichtlich, welche Leistungen und Versicherungssummen konkret vereinbart sind.

[55]     4.2 Die Leistungen aus der Unfallversicherung sind in der Regel als Kapitalzahlungen und nur in Ausnahmefällen als Rente zu erbringen (vgl 7 Ob 2/94, 7 Ob 206/18x).

[56]     4.3 Die in den AUVB enthaltene Klausel, wonach statt der Kapitalleistung eine Rentenleistung erbracht wird, wenn die versicherte Person im Zeitpunkt des Unfalls das 75. Lebensjahr bereits vollendet hat, weicht von den Erwartungen des durchschnittlichen Unfallversicherungsnehmers schon insoweit erheblich ab, als üblicherweise die – vom Invaliditätsgrad abhängige – Auszahlung eines Kapitalbetrags erwartet wird, zumal die Versicherungssumme für dauernde Invalidität in der Versicherungspolizze auch regelmäßig als eine (einmalige) Kapitalleistung ausgewiesen ist. Der Versicherungsnehmer rechnet daher nicht damit, dass von einer in der Polizze konkret vereinbarten Kapitalleistung in den Allgemeinen Bedingungen – allein aufgrund des Erreichens einer bestimmten Altersgrenze – abgegangen wird.

[57]     4.4 Die Klausel ist damit als objektiv ungewöhnlich anzusehen, selbst wenn sie die Überschrift „Ab welchem Lebensalter erfolgt anstelle der Kapitalleistung eine Rentenleistung?“ trägt. Die Nachteiligkeit der Klausel für den Versicherungsnehmer ist evident. Der Versicherungsnehmer, der jahre- oder jahrzehntelang Prämien einbezahlt hat, erhält nun nicht die erwartete Kapitalleistung, sondern bloß eine Rente bis zum Eintritt des Todes, wodurch von dem vereinbarten Leistungsumfang überraschend abgewichen wird.

[58]     4.5 Die Begründung der Beklagten, dass der Schadensbedarf in der betreffenden Altersgruppe überproportional ansteige, bedingt durch eine höhere Schadensfrequenz, einen längeren Heilungsprozess sowie einen im Vergleich zu jüngeren versicherten Personen ungünstigen Heilungsprozess, ändert daran nichts.

[59]     4.6 Die Klausel ist daher schon objektiv ungewöhnlich nach § 864a ABGB (vgl auch Maitz, AUVB [2017], 81), nachteilig und daher unwirksam.

[60]     Klausel 5:

„Für Erwachsene gelten die Versicherungssummen in der vereinbarten Höhe bis zum Ende des Versicherungsjahres, in dem der Versicherte das 70. Lebensjahr vollendet hat. Ab diesem Zeitpunkt reduzieren sich die Versicherungssummen für den betreffenden Versicherten um 30 %. Der Versicherungsnehmer kann die Umstellung in eine Unfallversicherung für Senioren beantragen.“

[61]     Die Klausel entspricht Art 19.3 AUVB 2013.

[62]     Der Kläger brachte dazu vor, die Klausel widerspreche den Vorgaben betreffend die Leistungsänderung in § 6 Abs 2 Z 3 KSchG und sei überdies auch überraschend im Sinn des § 864a ABGB, da sie eine massive Einschränkung der vertraglich vereinbarten und in der Polizze ersichtlichen Versicherungssummen beinhalte. Die Klausel sei auch gröblich benachteiligend im Sinn des § 879 Abs 3 ABGB sowie intransparent im Sinn des § 6 Abs 3 KSchG.

[63]     Die Beklagte wandte ein, dass ein Verstoß gegen § 6 Abs 2 Z 3 KSchG schon deshalb nicht gegeben sei, weil die Leistungsinhalte vorab determiniert seien und die Altersgrenze ein Anknüpfungspunkt sei, auf den der Unternehmer keinen Einfluss habe. Die Klausel sei auch nicht überraschend, zumal sie sich unter der Überschrift „Wie sind die Versicherungssummen vom Alter des Versicherers abhängig?“ befinde. Die sachliche Rechtfertigung ergebe sich insbesondere daraus, dass bei älteren Menschen die Unfallfolgen typischerweise schlechter ausheilen würden und mit erhöhten Unfallfolgen zu rechnen sei.

[64]     Die Vorinstanzen beurteilten die Klausel als überraschend im Sinn des § 864a ABGB, weil die Reduzierung der Versicherungssummen ab einem bestimmten Alter für den Versicherungsnehmer nicht zu erwarten sei. Die Bestimmung sei auch gröblich benachteiligend und aus Sicht des Versicherungsnehmers sachlich nicht gerechtfertigt.

[65]     5.1 Auch diese Klausel hält schon der Geltungskontrolle nach § 864a ABGB nicht stand.

[66]     5.2 Richtig ist, dass der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung 7 Ob 288/08s [Art 13.1 AUVB 1994] die Reduktion der Versicherungssumme bei gleichbleibenden gegenüber einer Jugend- oder Erwachsenenunfallversicherung wesentlich niedrigeren Prämien, wenn ein Kind 15 Jahre alt wird, als zulässig erachtete, weil allgemein bekannt ist, dass die Schadenshäufigkeit und Schadenshöhe bei Jugendlichen wesentlich höher ist als bei Kindern. Jeder durchschnittlich verständige Versicherungsnehmer wird daher einsehen, dass zur Aufrechterhaltung einer Übereinstimmung von Leistung und Prämie bei gleichbleibender Prämienhöhe in der Kinder-Unfallversicherung bei einem Jugendlichen die Leistungspflicht des Versicherers reduziert werden muss.

[67]     5.3 Dies gilt aber nicht für den Erwachsenenunfallversicherungsvertrag bei dem ein Erwachsener eine Versicherung für Erwachsene abgeschlossen und dabei eine bestimmte Versicherungssumme vereinbart hat. Anders als bei einer Versicherung für Kinder und Jugendliche mit wesentlich niedrigeren Prämien muss er nicht damit rechnen, dass ab einem bestimmten Alter derartige Änderungen eintreten, die zu einer zwingend vorgesehenen Reduktion der vereinbarten Versicherungssumme im Rahmen der Allgemeinen Versicherungsbedingungen führt. Die Nachteiligkeit der Klausel ist auch hier evident, sieht sie doch eine erheblich reduzierte Versicherungssumme vor.

[68]     5.4 Das Einziehen einer willkürlichen Altersgrenze, die die Reduktion der Versicherungssumme bewirkt, ist objektiv überraschend und daher die Klausel nach § 864a ABGB unwirksam.

[69]     Zu Klausel 6 und 7:

[70]     Klausel 6:

„Als Obliegenheit, deren Verletzung die Leistungsfreiheit des Versicherers gemäß den Voraussetzungen und Begrenzungen des § 6 Abs 3 VersVG bewirkt, werden bestimmt:

Der behandelnde Arzt oder die behandelnde Krankenanstalt sowie diejenigen Ärzte oder Krankenanstalten, von denen der Versicherte aus anderen Anlässen behandelt oder untersucht worden ist, sind zu ermächtigen und aufzufordern, die vom Versicherer verlangten Auskünfte gemäß § 11a VersVG zu erteilen und Berichte zu liefern. Ist der Unfall einem Sozialversicherer gemeldet, so ist auch dieser im vorstehenden Sinn zu ermächtigen.“

[71]     Diese Klausel entspricht Art 27.2.6 AUVB 2013.

[72]     Klausel 7:

Als Obliegenheit, deren Verletzung die Leistungsfreiheit des Versicherers gemäß den Voraussetzungen und Begrenzungen des § 6 Abs 3 VersVG bewirkt, werden bestimmt:

Die mit dem Unfall befassten Behörden sind zu ermächtigen und zu veranlassen, die vom Versicherer verlangten Auskünfte gemäß § 11a VersVG zu erteilen.“

[73]     Die Klausel entspricht Art 27.2.7 AUVB 2013.

[74]     Der Kläger brachte vor, dass es sich bei den geforderten Auskünften auch um personenbezogene Gesundheitsdaten handle, sodass § 11a VersVG anwendbar sei. Die vorliegenden Klauseln würden sich nicht auf die in § 11 Abs 2 Z 4 VersVG dargestellten Zwecke der Datenermittlung beschränken. Sie würden auch gegen Art 5 Abs 1 lit a iVm Art 6 Abs 1 lit a DSGVO verstoßen, da die datenschutzrechtlich gebotene Freiwilligkeit unterlaufen werde und auch keine Belehrung über die Folgen und Widerrufsmöglichkeit erfolge. Die Klausel erwecke auch den Eindruck, dass der Betroffene keine andere Wahl habe, als die Ermächtigung zu erteilen und gehe damit über die Anforderungen nach § 34 VersVG hinaus, der eine Auskunftsobliegenheit nur dann vorsehe, wenn die Auskunft zur Feststellung des Versicherungsfalls oder des Umfangs der Leistung erforderlich sei. Die Klauseln seien jedenfalls intransparent im Sinn des § 6 Abs 3 KSchG.

[75]     Die Beklagte wandte ein, die gegenständlichen Obliegenheiten enthielten eine eindeutige Verknüpfung mit § 11a VersVG. Damit sei auch klar, dass selbst die Verletzung des objektiven Tatbestands der Obliegenheitsverletzung dann nicht eintreten könne, wenn dem Versicherungsnehmer gegenüber nicht zuvor die entsprechende Belehrung und das entsprechende Formular im Sinn des § 11a VersVG übermittelt worden sei. Aufgrund des eindeutigen dynamischen Verweises auf § 11a VersVG, dessen Text auch im Anhang den Versicherungsbedingungen angeschlossen sei, ergebe sich weder eine Intransparenz noch ein Verstoß gegen sonstige gesetzliche Bestimmungen.

[76]     Das Erstgericht wies das Klagebegehren betreffend Klausel 6 ab und gab jenem hinsichtlich Klausel 7 statt. Durch die Klauseln werde dargelegt, dass es sich bei den im § 11a VersVG dem Versicherungsnehmer auferlegten Verpflichtungen um Obliegenheiten handle, bei deren Verletzung es zur Leistungsfreiheit des Versicherers kommen könne.

[77]     Das Berufungsgericht beurteilte beide Klauseln als intransparent, weil Inhalt und Tragweite derselben für den Versicherungsnehmer nicht durchschaubar seien. Die bloße Formulierung, dass die vom Versicherer verlangten Auskünfte gemäß § 11a VersVG zu erteilen seien, könne nicht gewährleisten, dass der für diese Vertragsart typische Verbraucher nicht von der Durchsetzung seiner Rechte abgehalten werde oder ihm unberechtigt Pflichten abverlangt würden, ohne dass er sich zur Wehr setze. Daran ändere auch der Umstand nichts, dass § 11a VersVG neben zahlreichen anderen Gesetzesbestimmungen im Anhang der AUVB vollständig abgedruckt sei. Selbst vor Inkrafttreten der DSGVO seien die hier zu beurteilenden Klauseln schon deshalb unzulässig gewesen, weil einem durchschnittlichen Verbraucher auch bei sorgfältigem Studium derselben samt Gesetzestext das Ausmaß seiner Verpflichtungen sowie deren Beschränkungen nur schwer erkennbar sei. Jedenfalls das Fehlen eines Hinweises auf die Widerrufsmöglichkeit bewirke die Nichtigkeit der Klauseln.

[78]     6./7.1 An der Verständlichkeit einer Klausel fehlt es auch dann, wenn zusammenhängende Bestimmungen und ihre nachteiligen Folgen deshalb nicht erkennbar sind, weil sie sich an unterschiedlichen Stellen des Bedingungswerks befinden (vgl 7 Ob 216/11g).

[79]     6./7.2 § 11a VersVG ist im Anhang zu den Versicherungsbedingungen abgedruckt. Bei lebensnaher Betrachtung kann nicht davon ausgegangen werden, der durchschnittlich verständige Versicherungsnehmer werde jeweils das gesamte Regelwerk durchlesen, damit auch auf den im Anhang abgedruckten Text des § 11a VersVG stoßen und die dort konkret normierten Voraussetzungen für eine Ermächtigung zur Erteilung von Auskünften abweichend von der Klausel erkennen können. Der bloße Verweis auf den, einem durchschnittlichen Versicherungsnehmer nicht geläufigen § 11a VersVG, lässt nach dem Klauselwerk aber in keiner Weise erkennen, dass dort weitere konkrete Voraussetzungen für die Ermächtigung zur Auskunftserteilung Dritter normiert werden, sodass der unrichtige Eindruck vermittelt wird, der Versicherungsnehmer sei jedenfalls zu einer umfassenden an keine weiteren Voraussetzungen geknüpfte Ermächtigung zur Auskunftserteilung verpflichtet.

[80]     6./7.3 Die Klauseln sind intransparent nach § 6 Abs 3 KSchG.

[81]     Klausel 8:

„Nach Eintritt des Versicherungsfalls kann der Versicherer kündigen, wenn er den Anspruch auf die Versicherungsleistung dem Grunde nach anerkennt oder die Versicherungsleistung erbracht hat. [...]“

[82]     Die Klausel entspricht Art 29.1.1 AUVB 2013.

[83]     Der Kläger brachte dazu vor, diese Klausel sehe ein Kündigungsrecht im Schadenfall vor, das im Gesetz nicht geregelt sei. Eine analoge Anwendung der gesetzlichen Bestimmungen für die Schadenfallkündigung in manchen Bereichen der Sachversicherung bzw eine diesbezügliche vertragliche Regelung verbiete sich unter Berücksichtigung des Schutzgedankens der privaten Unfallversicherung. Die Kündigungsklausel im Schadenfall sei auch deshalb unzulässig, weil dem Versicherer die Möglichkeit gegeben werde, Versicherungsprämien während eines langen Zeitraums zu lukrieren und beim ersten – noch so kleinen Versicherungsfall – die Unfallversicherung zu kündigen. Mangels sachlicher Rechtfertigung verstoße die Klausel gegen § 879 Abs 3 ABGB und mangels Aushandlung im Einzelnen auch gegen § 6 Abs 2 Z 1 KSchG.

[84]     Die Beklagte wandte ein, dass im Gegensatz zur gesetzlichen Versicherung der private Unfallversicherer e

Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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