TE OGH 2020/11/25 7Ob142/20p

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Veröffentlicht am 25.11.2020
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin Dr. Kalivoda als Vorsitzende und die Hofrätin und Hofräte Hon.-Prof. Dr. Höllwerth, Mag. Dr. Wurdinger, Mag. Malesich und MMag. Matzka als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei S***** M*****, vertreten durch Dr. Siegfried Sieghartsleitner, Dr. Michael Pichlmair, Ing. MMag. Michael A. Gütlbauer, Rechtsanwälte in Wels, gegen die beklagte Partei Gemeinde F*****, vertreten durch Dr. Reinhard Schwarzkogler, LL.M., Rechtsanwalt in Lambach, wegen Feststellung, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 2. Juni 2020, GZ 1 R 169/19g-32, womit das Urteil des Landesgerichts Wels vom 27. September 2019, GZ 36 Cg 14/19i-28, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie nunmehr lauten:

„1. Das Klagebegehren, es werde festgestellt, dass zugunsten der Liegenschaft EZ ***** GB ***** bestehend aus den Grundstücken ***** und ***** im Eigentum der klagenden Partei ein Anschluss an das Grundstück ***** KG ***** im Sinn des § 20 Oö Straßengesetz zum Zwecke des Zu- und Wegfahrens und Zu- und Weggehens von der Straße zur Liegenschaft und von der Liegenschaft zur Straße über die gesamte Breite des Grundstücks ***** aufrecht besteht, wird abgewiesen.

2. Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 4.954,80 EUR (darin enthalten 870 EUR an USt) bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.“

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit 5.578,62 EUR (darin enthalten 500,77 EUR an USt und 2.574 EUR an Barauslagen) bestimmten Kosten des Rechtsmittelverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

[1]       Die Klägerin ist aufgrund des Kaufvertrags vom 5. November 2015 Eigentümerin der Liegenschaft EZ ***** GB *****, bestehend aus den Grundstücken ***** und ***** mit der Anschrift O*****straße ***** in F*****. Die Beklagte ist die Eigentümerin der Liegenschaft EZ ***** GB ***** mit dem darin vorgetragenen Grundstück ***** (= O*****straße), welches an die Liegenschaft der Klägerin angrenzt.

[2]       Auf der Liegenschaft der Klägerin ist ein Gebäude errichtet. Dieses verfügt im Erdgeschoss über einen Raum, der nach außen und somit zur O*****straße hin ein zweiflügeliges Holztor aufweist; in der zweiten Hälfte der 1950er Jahre wurde dieser Raum unter anderem zur Einlagerung von Mostfässern verwendet.

[3]       Seit den 1970er Jahren wurde das Haus von verschiedenen Personen in unterschiedlicher Intensität genutzt. Dabei wurde der vorgenannte Raum auch zum Abstellen der Fahrzeuge der jeweiligen Nutzer verwendet. Anfang der 1990er Jahre wurde das zweiflügelige Holztor durch ein Garagentor ersetzt. Im Zeitraum Oktober 2003 bis zum Erwerb durch die Klägerin wurde die Liegenschaft nicht mehr bewohnt. Mit Zustimmung der Sachwalterin der damaligen Eigentümerin stellte aber eine Nachbarin ihr Fahrzeug in dem Raum ein.

[4]       Nicht festgestellt werden konnte, dass die Bürgermeister der Beklagten in den vergangenen 42 Jahren vom Abstellen der Fahrzeuge in diesem Raum wussten.

[5]            Anlässlich zweier Besprechungen Anfang November 2015 wurde der Klägerin erstmals von Vertretern der Beklagten mitgeteilt, dass die derzeitige Ausfahrt vom Grundstück der Klägerin (aus dem im Erdgeschoss gelegenen Raum auf die O*****straße) nicht genehmigt sei und in dieser Form auch nicht genehmigt werde.

[6]       Die Klägerin begehrt die Feststellung wie im Spruch ersichtlich. Die Benutzung der Zufahrt sei unbeanstandet seit „urdenklicher“ Zeit erfolgt. Die Zustimmung der Straßenverwaltung (§ 20 Abs 3 Oö Straßengesetz) sei zumindest schlüssig schon lange vor Inkrafttreten des Oö Straßengesetzes (1991) erteilt worden. Überdies sei das Recht auf einen Straßenanschluss auch ersessen worden.

[7]       Die Beklagte beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Sie habe nie bestritten, dass die Klägerin berechtigt sei, von ihren Grundstücken zu Fuß das öffentliche Gut zu erreichen. Die Rechtsvorgänger der Klägerin seien mit Kraftfahrzeugen aber weder zu- noch abgefahren. Der Raum der Klägerin im Erdgeschoss sei nicht als Garage, sondern als Kellerraum benutzt worden. Eine Ersitzung eines Fahrrechts scheitere bereits daran. Eine allfällige Benutzung als Garage sei der Beklagten auch nicht bekannt gewesen. Mündliche Zusagen baubehördlicher Organe seien nie gemacht worden und könnten eine erforderliche Bescheiderlassung nach § 20 Abs 4 Oö Straßengesetz nicht ersetzen. Ein anhängiges Verwaltungsverfahren wegen des begehrten Straßenanschlusses sei nicht abgeschlossen.

[8]       Die von der Beklagten erhobene Einrede der Unzulässigkeit des Rechtswegs wurde vom Erstgericht mit Beschluss vom 28. 5. 2019 rechtskräftig verworfen. Mit Urteil vom 27. 9. 2019 gab es dem Klagebegehren statt. Privatrechte könnten auch an öffentlichem Gut durch Ersitzung erworben werden, sofern die Nutzung über den Gemeingebrauch hinausgehe und nicht ausdrücklich verboten sei. Bei der Ersitzung eines Wegerechts müsse sich der dafür erforderliche Besitzwille aus dem äußeren Verhalten des Ersitzenden ergeben. Auf die positive Kenntnis des Ersitzungsgegners komme es hingegen nicht an. Der im Erdgeschoss der Liegenschaft der Klägerin befindliche Raum sei seit den 1970er Jahren immer wieder zum Abstellen von Fahrzeugen verwendet worden. Der Ablauf der erforderlichen Ersitzungszeit von 40 Jahren gemäß § 1472 ABGB sei zu bejahen.

[9]       Das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil. Die Benutzung des öffentlichen Guts zum Zu- und Abgehen sei einer Ersitzung zugänglich. Jene Zeiten, in denen die Nachbarin ihr Fahrzeug in den Raum eingestellt habe, seien in die Ersitzungszeit einzurechnen. Allfällige Zeiten der Nichtausübung seien nicht als Verzicht auf einen schon erworbenen Besitz zu werten, sondern in die Ersitzungszeit einzurechnen. Damit sei die erforderliche Ersitzungszeit von 40 Jahren abgelaufen.

[10]     Gegen dieses Urteil wendet sich die Revision der Beklagten mit einem Abänderungsantrag; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

[11]     Die Klägerin beantragt in der ihr freigestellten Revisionsbeantwortung, die Revision zurückzuweisen; hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

[12]     Die Revision ist aus Gründen der Rechtssicherheit zulässig, sie ist auch berechtigt.

[13]     1. Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass zugunsten ihrer Liegenschaft ein Anschluss an das Grundstück der Beklagten (O*****straße) im Sinn des § 20 Oö Straßengesetz zum Zwecke des Zu- und Wegfahrens und Zu- und Weggehens von der Straße zur Liegenschaft und von der Liegenschaft zur Straße aufrecht bestehe. Dieses Recht sei ersessen worden.

[14]     2.1 Das Oö Straßengesetz LGBl Nr 84/1991 ist am 1. 8. 1991 in Kraft getreten und hat in den danach ergangenen Novellen in einigen Bereichen Änderungen erfahren.

[15]     2.2.1 § 12 Oö Straßengesetz idgF regelt die Straßenverwaltung wie folgt.

„(1) Die Straßenverwaltung umfasst die Herstellung und die Erhaltung der ihr obliegenden Verkehrsflächen.

(2) Die Straßenverwaltung der Verkehrsflächen des Landes (§ 8 Abs 1), ausgenommen die Erhaltung der im Zuge von Landesstraßen gelegenen Radfahrstreifen, sofern sie nicht Teil der Fahrbahn sind, Gehsteige, Gehwege, Radwege, Geh- und Radwege, Fahrbahnteile, Querungshilfen und Haltestellenbuchten, obliegt dem Land; die Straßenverwaltung der Verkehrsflächen der Gemeinde (§ 8 Abs 2) sowie die Erhaltung der im Zuge von Landstraßen gelegenen Radfahrstreifen, sofern sie nicht Teil der Fahrbahn sind, Gehsteige, Gehwege, Radwege, Geh- und Radwege, Fahrbahnteile, Querungshilfen und Haltestellenbuchten obliegt der Gemeinde. Die mit diesen Aufgaben befassten Organe des Landes bzw der Gemeinde erhalten die Bezeichnung 'Straßenverwaltung'.

[...]“

[16]     2.2.2 Als Straßenverwaltung wird einhellig die auf die Herstellung (technische Planung, Bau) und die Erhaltung (Instandhaltung) einer öffentlichen Straße abzielende Verwaltungstätigkeit, die im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung des jeweiligen Rechtsträgers bzw der mit dieser betrauten Organe erfolgt, bezeichnet (Baumgartner in Bachmann/Baumgartner/Feik/Fuchs/Giese/ Jahnel/Lienbacher, Besonderes Verwaltungsrecht10 [2014], 381; VfGH 25. 11. 1966, B 275/66 [Bundesstraßenverwaltung]; VwGH 21. 2. 2013, 2011/06/0107 [§ 12 Oö Straßengesetz], RS0049740).

[17]     2.3.1 § 20 Oö Straßengesetz idgF lautet:

„Anschlüsse von Straßen, Wegen und Zufahrten

(1) Innerhalb des Ortsgebietes dürfen Anschlüsse von Verkehrsflächen der Gemeinde sowie Anschlüsse von nichtöffentlichen Straßen einschließlich Grundstückszufahrten an Verkehrsflächen des Landes nur mit Zustimmung der Straßenverwaltung des Landes hergestellt werden. Die Zustimmung ist zu erteilen, wenn durch die Anschlüsse für die Benützbarkeit der Straße keine Beeinträchtigungen zu erwarten sind. Die Zustimmung darf für nichtöffentliche Straßen (einschließlich Grundstückszufahrten) auch befristet oder auf jederzeitigen Widerruf erteilt werden, wenn ein sonstiger zumutbarer Anschluss zum öffentlichen Wegenetz gewährleistet ist.

(2) [...]

(3) Hinsichtlich des Anschlusses von nichtöffentlichen Straßen einschließlich Grundstückszufahrten innerhalb und außerhalb des Ortsgebietes an Verkehrsflächen der Gemeinde gilt Abs 1 sinngemäß.

(4) Wird die Zustimmung nach Abs 1 bis 3 nicht erteilt, entscheidet über die Zulässigkeit des Anschlusses die Behörde mit Bescheid. In diesem Verfahren kommt der Straßenverwaltung, an deren Verkehrsfläche angeschlossen werden soll, Parteistellung zu. Die Beseitigung entgegen dieser Vorschriften vorgenommener Anschlüsse ist dem Eigentümer der angeschlossenen Grundstücke bzw der Gemeinde, die an einer Verkehrsfläche des Landes angeschlossen hat, über Antrag der Straßenverwaltung von der Behörde mit Bescheid aufzutragen.

(5) Die Kosten des Baues, der Erhaltung und allfälligen Änderungen von Anschlüssen im Sinn des Abs 1 bis 3 sind von der Gemeinde, die an einer Verkehrsfläche des Landes angeschlossen hat, bzw vom Grundeigentümer der angeschlossenen Grundstücke zu tragen; § 15 Abs 1 bleibt unberührt.“

[18]     2.3.2 Die Materialien (AB 453/1991 XXIII GP. 7) zur – im hier interessierenden Umfang unveränderten – Stammfassung des Oö Straßengesetzes lauten: „Der Anschluss öffentlicher wie nichtöffentlicher Straßen (einschließlich Grundstückszufahrten) an höherrangige öffentliche Straßen bedarf aus dem Blickwinkel straßenbaulicher Notwendigkeiten und der Gewährleistung der Benützbarkeit der Straße ebenfalls einer Regelung. Gemäß dem System des 3. Abschnittes dieses Entwurfes hat zunächst die zuständige Straßenverwaltung die genannten Interessen wahrzunehmen (Abs 1 und 2). Erst nach Verweigerung der privatrechtlichen Zustimmung soll in einem behördlichen Verfahren geklärt werden, inwieweit der gewünschte Anschluss eine Beeinträchtigung der Benützbarkeit darstellt (Abs 3).“

[19]     2.4 Die von der Straßenverwaltung zu erteilende Zustimmung nach § 20 Abs 3 iVm Abs 1 Oö Straßengesetz erfolgt somit im Rahmen der Privatwirtschaft. Bei Verweigerung dieser Zustimmung ist durch Antrag an die Straßenbehörde – hier den Bürgermeister – das Verfahren nach § 20 Abs 4 Oö Straßengesetz in Gang zu bringen (VwGH 24. 8. 2011, 2011/06/0091).

[20]     3.1 Durch das Recht der Dienstbarkeit wird ein Eigentümer verbunden, zum Vorteil eines anderen in Rücksicht seiner Sache etwas zu dulden oder zu unterlassen (§ 472 ABGB). Dienstbarkeit oder Servituten sind dingliche, unter anderem auf Privatrechtstitel beruhende (§ 480 ABGB) in der Regel durch Verbücherung erworbene Rechte auf beschränkte Nutzung einer fremden Sache denen – bei bejahenden Dienstbarkeiten – die Pflicht des jeweiligen Eigentümers dieser Sache zur Duldung dieser Nutzung gegenüber steht (RS0104356).

[21]     3.2 Die Klägerin behauptet nicht die Ersitzung einer Grunddienstbarkeit eines Geh- und Fahrtrechts, sondern die Ersitzung des Rechts auf einen Anschluss im Sinn des § 20 Abs 3 Oö Straßengesetz. Zu prüfen ist daher die Ersitzungsfähigkeit eines solchen Rechts.

[22]           3.3 Gemäß § 1455 ABGB kann das, was sich erwerben lässt, auch ersessen werden. Sachen hingegen, welche man vermöge ihrer wesentlichen Beschaffenheit oder vermöge der Gesetze nicht besitzen kann, ferner Sachen und Rechte, welche schlechterdings unveräußerlich sind, können kein Gegenstand der Ersitzung sein (§ 1455 ABGB).

[23]           3.4 Ersitzbar sind nur private Vermögensrechte, die Gegenstand des Besitzes sein können; in erster Linie Eigentum und Dienstbarkeiten (vgl M. Bydlinski in Rummel ABGB³ §§ 1452–1455 Rz 1; Perner in Klete?ka/Schauer ABGB-ON1.03 § 1455 Rz 1; Mader/Janisch in Schwimann/Kodek ABGB4 VI § 1455 Rz 1, Gusenleitner-Helm in Fenyves/Kerschner/Vonkilch Klang3 § 1455 Rz 1).

[24]     3.5 Im Zusammenhang mit der behaupteten Ersitzung eines Rechts zum Sondergebrauch einer Straße führte der Verwaltungsgerichtshof (VwGH 30. 6. 2015; 2013/06/0156 mwN) konkret aus, dass im öffentlichem Recht eine Ersitzung nicht in Frage komme, es sei denn, dass sie in einem Gesetz ausdrücklich anerkannt werde. In diesem Zusammenhang spiele es auch keine Rolle, in welcher Rechtsform die Straßenverwaltung ihre Aufgaben zu besorgen habe, ob es sich also um eine hoheitliche Entscheidung durch Bescheid oder um eine andere Erledigung in Form einer Zustimmung im Rahmen der Privatwirtschaftsverwaltung handle. Entscheidend sei lediglich, dass die Straßenverwaltung ihre Zustimmung in Besorgung ihrer öffentlich-rechtlichen Wirkungskreise zu erteilen habe.

[25]           3.6 Wie bereits § 20 Abs 5 Oö Straßengesetz, der die Kostentragung für den Bau, die Erhaltung und allfällige Änderungen des Anschlusses regelt, zeigt, geht es bei einem Anschluss nach § 20 Oö Straßengesetz nicht bloß darum, von der eigenen Liegenschaft auf die öffentliche Verkehrsfläche zu kommen, sondern um die darüber hinausgehende Schaffung einer baulichen Struktur, um vom eigenen Grundstück in den öffentlichen Bereich – und umgekehrt – zu gelangen. Der oberösterreichische Landesgesetzgeber knüpft die Herstellung eines solchen Anschlusses an die Zustimmung der Straßenverwaltung. Diese Zustimmung ist somit Ausfluss der der Straßenverwaltung zukommenden Verwaltungstätigkeit. Die Zustimmungserteilung ist an bestimmte gesetzlich vorgesehene dem öffentlichen Interesse dienende Voraussetzungen, wie die fehlende Beeinträchtigung der Straßenbenützbarkeit gebunden. Diese Zustimmung ist – wie bereits ausgeführt – (auch als Akt der Privatwirtschaftsverwaltung) in Besorgung des öffentlich-rechtlichen Wirkungskreises der Straßenverwaltung zu erteilen (VwGH 30. 6. 2015, 2013/06/0156). Für den Fall der Verweigerung normiert der oberösterreichische Landesgesetzgeber ausdrücklich die Klärung der Zulässigkeit des Anschlusses im verwaltungsbehördlichen Verfahren. Die Entscheidungsbefugnis in dem Verfahren, in dem die Straßenverwaltung Parteistellung hat, kommt der Straßenbehörde zu. Eine Beseitigung von entgegen diesen Vorschriften vorgenommenen Anschlüssen ist über Antrag der Straßenverwaltung von der Straßenbehörde aufzutragen.

[26]           3.8 Jedenfalls in einem solchen Fall, in dem letztlich die Entscheidung über die Zulässigkeit des Anschlusses an eine öffentliche Verkehrsfläche zwingend der Straßenbehörde im Verwaltungsweg obliegt, stellt das Recht auf Anschluss kein Privatrecht dar, das Gegenstand einer ersessenen Dienstbarkeit sein kann.

[27]           4.1 Eine stillschweigende Erklärung im Sinn des § 863 ABGB besteht in einem Verhalten, das primär etwas anderes als eine Erklärung bezweckt, dem aber dennoch auch ein Erklärungswert zukommt, der vornehmlich aus diesem Verhalten und den Begleitumständen geschlossen wird. Sie kann in einer positiven Handlung (konkludente oder schlüssige Willenserklärung) oder in einem Unterlassen (Schweigen) bestehen (RS0109021). An schlüssige Willenserklärungen legt § 863 einen strengen Maßstab an. Für den Empfänger darf kein vernünftiger Grund für Zweifel an einem bestimmten Rechtsfolgewillen des Erklärenden bestehen (1 Ob 194/18p uva). Jedenfalls setzt die Annahme einer schlüssigen Erklärung gewisse Kenntnisse des Erklärenden (Duldenden) über die im Zeitpunkt seines Verhaltens vorliegenden maßgeblichen Umstände voraus (RS0109021 [T2]).

[28]           4.2 Dem vorliegenden Sachverhalt können schon keine Umstände entnommen werden, die die Annahme einer konkludenten Zustimmung der Organe der Straßenverwaltung „im Sinn des § 20 Oö Straßengesetz“ im Zusammenhang mit konkreten Tatbeständen tragen könnten. Eine Auseinandersetzung mit diesem Themenkreis kann daher unterbleiben.

[29]           5. Der Revision war daher Folge zu geben und die Entscheidungen der Vorinstanzen im klagsabweisenden Sinn abzuändern.

[30]           6. Die Kostenentscheidung gründet sich hinsichtlich des erstinstanzlichen Verfahrens auf § 41 ZPO.

[31]           6.1 Der Schriftsatz vom 8. 4. 2019 ist zulässig nach § 257 Abs 3 ZPO. Die Mehrkosten, die sich aus der Bestellung eines auswärtigen Rechtsanwalts ergeben, sind nach der Rechtsprechung dann nicht zu ersetzen wenn die Partei ihren Wohnsitz oder Sitz am Gerichtsort hat und keine besonderen Gründe für die Bestellung des auswärtigen Rechtsanwalts vorliegen (RS0036203). Hier hat die Beklagte aber ihren Sitz nicht am Sitz des Gerichts, sodass sie ohne für sie nachteilige Kostenfolgen auch einen Anwalt an einem beliebigen Ort außerhalb des Gerichts beauftragen konnte (9 Ob 51/13k).

[32]           7. Die Kostenentscheidung hinsichtlich der Kosten des Rechtsmittelverfahrens beruht auf §§ 41, 50 ZPO.

Textnummer

E130293

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2020:0070OB00142.20P.1125.000

Im RIS seit

14.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

14.01.2021
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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