TE Vwgh Erkenntnis 1997/6/27 97/05/0097

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Veröffentlicht am 27.06.1997
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Index

L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Niederösterreich;
L81703 Baulärm Niederösterreich;
L82000 Bauordnung;
L82003 Bauordnung Niederösterreich;
40/01 Verwaltungsverfahren;

Norm

AVG §38;
AVG §8;
BauO NÖ 1976 §100;
BauRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Oberkommissärin Dr. Gritsch, über die Beschwerde der M in W, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 2. August 1996, Zl. R/1-V-96095, betreffend Einwendungen in einer Bauangelegenheit (mitbeteiligte Parteien:

1.

Marktgemeinde B, vertreten durch den Bürgermeister,

2.

Brigitte S und 3. Herbert S, beide in W), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Eingabe vom 3. Jänner 1996 beantragten die zweit- und die drittmitbeteiligte Partei die Erteilung der Baubewilligung für die Errichtung eines Einfamilienwohnhauses mit Einfriedung auf dem Grundstück Nr. 451/12 der Katastralgemeinde B. Das rund 630 m2 große Grundstück (durchschnittliche Länge rund 36,5 m und durchschnittliche Breite ca. 17,3 m) grenzt im Osten an die öffentliche Verkehrsfläche Gartengasse, im Norden an das Grundstück Nr. 451/11, im Süden an das Grundstück Nr. 451/13. An die Westseite des Grundstückes Nr. 451/12 grenzt südlich über eine Länge von rund 1 m das Grundstück Nr. 473 der Beschwerdeführerin, an welches in Richtung Norden die Grundstücke Nr. 474, 475 und 476 als Nachbargrundstücke zum Grundstück der mitbeteiligten Bauwerber anschließen. Die letztgenannten vier Grundstücke sind Teil einer Kellergasse. Plangemäß soll auf dem Grundstück Nr. 451/12 in einer Entfernung von mehr als 20 m zum Grundstück Nr. 473 der Beschwerdeführerin ein Einfamilienhaus mit einer verbauten Fläche von rund 141 m2 in offener Bauweise errichtet werden.

In der mündlichen Verhandlung vom 5. Februar 1996 wendete die Beschwerdeführerin ein:

"Die Baubewilligung verletzt meine Nachbarrechte, weil ein gültiger amtlicher Vermessungsplan gegenüber meinem Grundstück nicht vorliegt. Eine Vermarkung gegenüber meinem Grundstück erfolgte nicht. Zur Frage der Ableitung der Niederschlagswässer, Abgrabungen und Aufschüttungen erhebe ich Einwendung wegen Gefahr von Unterspülung und Feuchtigkeitsansammlung für mein Grundstück.

Aus den genannten Gründen erhebe ich Einwendungen gegen den Bau des Schutzraumes."

Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Gemeinde vom 7. März 1996 wurde den mitbeteiligten Bauwerbern die Bewilligung zum Neubau eines Einfamilienhauses und zur Errichtung einer Einfriedung auf dem Grundstück Nr. 451/12, KG B, erteilt und die Verhandlungsschrift über die Bauverhandlung zum integrierenden Bestandteil dieses Bescheides erklärt.

Die dagegen erhobene Berufung der Beschwerdeführerin wurde mit Bescheid des Gemeinderates der mitbeteiligten Gemeinde vom 29. April 1996 als unbegründet abgewiesen.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 2. August 1996 wurde die dagegen erhobene Vorstellung der Beschwerdeführerin als unbegründet abgewiesen. Aufgrund der der Baubewilligung zugrunde liegenden Baubeschreibung soll als Einfriedung ein Holzlattenzaun auf Betonsockel in einer Höhe von 1,50 m errichtet werden und die Abwasserbeseitigung durch den Anschluß an die Ortskanalisation (Mischwasser) erfolgen. Der im Akt erliegende Lageplan mit dem Vermerk "Änderung 19. Februar 1996" weise gegenüber dem ursprünglichen Lageplan folgende Änderungen bzw. Ergänzungen auf:

1.

Wegfall des Schutzraumes;

2.

eingezeichneter Verlauf des Kanals in der Straße;

3.

Höhenkoten beim Wohnhaus;

4.

Situierung der bestehenden Dampfröhre.

Bei der Bauverhandlung am 5. Februar 1996 sei als Gegenstand der Verhandlung die Errichtung eines Einfamilienhauses und "desgleichen die straßenseitige Einfriedung" niederschriftlich protokolliert worden.

Der Verhandlungsleiter habe in der mündlichen Verhandlung auf die "Auflagen des Bausachverständigen" (Beilage A) hingewiesen, in welche folgende weitere Auflagenpunkte aufgenommen worden seien:

"Nr. 32: Der vorgesehene Schutzraum kommt nicht zur Ausführung;

Nr. 33: Eine Absturzsicherung zur Parzelle Nr. 473 ist vorzusehen. Im Zuge des Bauvorhabens werden im rückwärtigen Bereich (zu den Anrainern der Parzellen Nr. 473, 474, 475 und 475) keinerlei Abgrabungen und Anschüttungen durchgeführt, d.h. keinerlei Veränderungen vorgenommen. Die angrenzenden Bauparzellen sind vermarkt. Ein rechtskräftiger Vermessungsplan des Dipl.Ing. L liegt vor."

Wenngleich den Einreichunterlagen nicht zu entnehmen sei, an welchen Grundstücksgrenzen die Einfriedung errichtet werden soll, sei insbesondere im Hinblick auf die Aussage der Bauwerber, daß an der hinteren Grundstücksgrenze bereits eine Einfriedung bzw. eine Mauer bestünde, davon auszugehen, daß lediglich straßenseitig eine Einfriedung bewilligt worden sei. Eine Bewilligungspflicht für Einfriedungen, die nicht gegen öffentliche Verkehrsflächen, Parks oder Grüngürtel errichtet würden, wäre nur dann gegeben, wenn es sich bei diesen um Bauwerke gemäß § 92 Abs. 1 Z. 2 der NÖ Bauordnung 1976 handelte. Eine Absturzsicherung sei ebenfalls nur unter der Voraussetzung, daß es sich um eine bauliche Anlage im Sinne der vorzitierten Gesetzesbestimmung handle, bewilligungspflichtig. Überdies enthalte Punkt 33 der Auflagen keine konkrete Vorschreibung einer vollstreckbaren Auflage. Mit der Behauptung, es sei der Grenzverlauf zwischen dem Grundstück Nr. 473 und dem zu bebauenden Grundstück durch keinen amtlichen Vermessungsplan belegt, mache die Beschwerdeführerin kein Anrainerrecht geltend. Mängel der Baupläne könnten Nachbarn nur insoweit rügen, als ihnen dadurch die Möglichkeit genommen worden sei, sich ausreichend über Art und Umfang des Bauvorhabens und über die Einflußnahme auf ihre Rechte zu informieren. Aus der Niederschrift über die Bauverhandlung vom 5. Februar 1996 sei ersichtlich, daß Niveauveränderungen nicht bewilligt worden seien. Sämtliche Ergänzungen bzw. Änderungen des Lageplans beträfen keine Rechte der Beschwerdeführerin.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch den angefochtenen Bescheid in dem Recht verletzt, "daß den Bauwerbern die Errichtung einer Einfriedung bewilligt sowie die Errichtung einer Absturzsicherung gegen das Grundstück der Beschwerdeführerin aufgetragen wurde, ohne daß zunächst die Eigentumsverhältnisse des Bauplatzes geklärt worden wären".

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Die Beschwerdeführerin erachtet sich, wie schon erwähnt, in ihren Rechten deshalb verletzt, weil die Baubehörden den Grenzverlauf zwischen ihrem Grundstück und dem Grundstück der mitbeteiligten Bauwerber nicht hinreichend ermittelt hätten.

Der Nachbar kann die Frage des strittigen Grenzverlaufes im Baubewilligungsverfahrens geltend machen. Dieses Vorbringen ist nicht auf den Zivilrechtsweg zu verweisen, vielmehr hat die Baubehörde die Frage des Grenzverlaufes gemäß § 38 AVG als Vorfrage zu beurteilen und diese Beurteilung ihrer Entscheidung zugrunde zu legen. Die Frage des strittigen Grenzverlaufes ist dann im Baubewilligungsverfahren als Vorfrage zu entscheiden, wenn dies zur Beurteilung der Zulässigkeit des Bauvorhabens (etwa wegen Einhaltung eines Abstandes) notwendig ist (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 1996, Zl. 95/05/0195, mwN). Beim Baubewilligungsverfahren handelt es sich aber um ein Projektgenehmigungsverfahren, in welchem es also nicht darauf ankommt, welcher Zustand besteht, sondern darauf, welcher Zustand nach Verwirklichung des Projektes herbeigeführt werden soll. Demnach ist nicht darauf Bedacht zu nehmen, daß auf demselben Grundstück bereits eine andere Anlage konsenslos errichtet worden ist. Es ist der in den Einreichplänen und in der Baubeschreibung zum Ausdruck gebrachte Bauwille des Bauwerbers entscheidend (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 1. Juli 1986, Zl. 82/05/0015, BauSlg. 718, und vom 29. Oktober 1987, Zl. 86/06/0292, BauSlg. 992, u.v.a.).

Auf den vorliegenden Fall angewendet bedeutet dies, daß die Baubehörden die Frage des Grenzverlaufes schon deshalb nicht einer näheren Erörterung unterziehen mußten, weil für die Beurteilung der Zulässigkeit des hier zu bewilligenden Bauvorhabens aufgrund der dem Baubewilligungsansuchen der mitbeteiligten Bauwerber zugrunde gelegten Entscheidungsgrundlagen (Einreichplan, Baubeschreibung) die Grenze zwischen dem zu verbauenden Grundstück Nr. 451/12 und dem Grundstück Nr. 473 der Beschwerdeführerin im Hinblick auf die Entfernung des bewilligten Gebäudes von derselben nicht entscheidungswesentlich ist. Die Beschwerdeführerin hat im Verwaltungsverfahren nie behauptet, Miteigentümerin des Grundstückes Nr. 451/12 zu sein. Im Hinblick auf das Ergebnis der Bauverhandlung und den vorliegenden Einreichplan vermag der Verwaltungsgerichtshof auch keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides zu erblicken, wenn die belangte Behörde davon ausging, daß sich die bewilligte Einfriedung nur auf die straßenseitige Front bezieht. Im übrigen ist dem Lageplan nicht zu entnehmen, daß das Grundstück der Beschwerdeführerin betroffen sein soll. Ob die Auflage Punkt 33 eine hinreichend bestimmte Vorschreibung ist, betrifft - ungeachtet des Fehlens einer diesbezüglichen rechtzeitigen Einwendung im Sinne des § 42 AVG - keine der Beschwerdeführerin als Anrainer im Baubewilligungsverfahren gemäß § 118 Abs. 9 der NÖ Bauordnung 1976 zukommenden subjektiven öffentlichen Rechte.

Im übrigen verweist der Verwaltungsgerichtshof auf die Begründung seines Erkenntnisses vom 17. September 1996, Zl. 96/05/0135, betreffend das Bauvorhaben auf dem Nachbargrundstück Nr. 451/13.

Aus diesen Gründen war die Beschwerde daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Im Hinblick auf die Erledigung des Beschwerdeverfahrens erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1997:1997050097.X00

Im RIS seit

03.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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