Entscheidungsdatum
16.12.2020Index
50/01 GewerbeordnungNorm
GewO 1994 §18Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol erkennt durch seinen Richter Mag. Dünser über die Beschwerde von Herrn AA, vertreten durch Rechtsanwälte BB, Adresse 1, **** Z, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Z vom 20.07.2020, Zl *** betreffend individuelle Befähigung nach den Bestimmungen der GewO 1994 nach Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung,
zu Recht:
1. Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
I. Verfahrensgang:
Mit dem angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde festgestellt, dass mit den durch den Beschwerdeführer beigebrachten Beweismitteln die für die Ausübung des Gewerbes „Platten- und Fliesenleger“ erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen nicht nachgewiesen wurden und somit die individuelle Befähigung nicht vorliege. Außerdem hat die belangte Behörde festgestellt, dass die gesetzlichen Voraussetzungen zur Ausübung des angemeldeten Gewerbes „Platten- und Fliesenleger“ durch den Beschwerdeführer nicht vorliegen. Die Ausübung des angemeldeten Gewerbes wurde daher gemäß § 340 Abs 3 GewO 1994 untersagt.
Dagegen richtet sich das fristgerecht erhobene Rechtsmittel, in welchem zusammenfassend ausgeführt wird, dass der Beschwerdeführer seit dem 01.01.2015 selbständig tätig sei und ein Fliesenstudio samt fachlicher/technischer Beratung der Fliesenleger betreibe. Er verfüge seither auch über eine aufrechte Gewerbeberechtigung für ein Gewerbe mit dem Wortlaut: Handelsgewerbe mit Ausnahme der reglementierten Handelsgewerbe“. Zuvor sei der Beschwerdeführer ab dem Jahr 2007 für einen längeren Zeitraum, jedenfalls von mehr als fünf Jahren, bei der CC unselbständig tätig gewesen. Als leitender Angestellter habe er für seinen damaligen Arbeitgeber die Abteilung „Fliesenhandel“ sowohl aus wirtschaftlicher Sicht als auch in Bezug auf die Abdeckung von Baustellen und Projekten mit Subunternehmern eigenverantwortlich geführt.
Rechtlich wurde ausgeführt, dass sich aus § 94 Z 38 GewO 1994 ergebe, dass das Gewerbe „Keramiker; Platten- und Fliesenleger (verbundenes Handwerk)“ ein sogenanntes reglementiertes Gewerbe darstelle. Dafür müssten gesonderte Zugangsvoraussetzungen nachgewiesen werden. Maßgeblich sei dafür die Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit über die Zugangsvoraussetzungen für das verbundene Handwerk der Keramiker und der Platten- und Fliesenleger, wobei für Platten- und Fliesenleger § 2 zu beachten sei. Aus § 2 Z 5 dieser Verordnung ergebe sich, dass die fachliche Qualifikation zum Antritt des Handwerks unter anderem dann als erfolgt anzusehen sei, wenn ein Zeugnis über eine ununterbrochene mindestens dreijährige einschlägige Tätigkeit als Selbständiger und eine mindestens fünfjährige einschlägige Tätigkeit als Unselbständiger vorliege.
Zur Frage, was als einschlägige Tätigkeit zu verstehen sei, verweise die Verordnung auf § 18 Abs 3 GewO 1994. Es komme demnach nicht darauf an, dass die fachliche Tätigkeit nur in einem bestimmten Gewerbe ausgeübt werde und es werde auch keine fachliche Tätigkeit in sämtlichen Teilbereichen des Gewerbes verlangt. Als Nachweis im Sinne dieser Bestimmung komme auch ein Nachweis über eine Tätigkeit in einem anderen selbständigen Beruf in Betracht, als in dem Gewerbe, das angemeldet werde. Unabhängig davon habe die Behörde gemäß § 19 Abs 1 iVm § 333 GewO 1994 das Vorliegen der individuellen Befähigung festzustellen, wenn durch die beigebrachten Beweismittel, die für die jeweilige Gewerbsausübung erforderlichen Kenntnissen, Fähigkeiten und Erfahrungen nachgewiesen würden.
Die Rechtsansicht der belangten Behörde, welche dies jeweils verneine, sei nicht zutreffend. So zeige sich nämlich, dass der Beschwerdeführer die Zugangsvoraussetzungen gemäß § 2 Z 5 der angeführten Verordnung des Bildungsministers zweifelsohne erfülle. So sei der Beschwerdeführer jedenfalls seit mehr als drei Jahren selbständig tätig. Auch beim vom Beschwerdeführer ausgeübten Gewerbe (Betrieb eines Fliesenstudios samt fachlicher/technischer Beratung der Fliesenleger) handle es sich um eine einschlägige Tätigkeit im Sinne der Ausführungen in der Beschwerde. Unzutreffend begründe die belangte Behörde das Nichtvorliegen dieser Voraussetzungen damit, dass beim Beschwerdeführer eine Tätigkeit als Selbständiger im beantragten Gewerbe nicht vorliege. Eine selbständige Tätigkeit im beantragten Gewerbe sei schlicht keine Voraussetzung zur Erlangung des Gewerbes. Es sei also zu prüfen, ob es sich bei der vom Beschwerdeführer seit mehreren Jahren selbständig ausgeführten Tätigkeit um eine einschlägige bzw fachliche Tätigkeit im Sinne der vorstehenden Ausführungen handle, was aus näher genannten Gründen jedenfalls zu bejahen sei. Soweit nämlich die vom Beschwerdeführer nachgewiesenen Fähigkeiten nicht als einschlägige fachliche Tätigkeit anzusehen sei, stelle sich schon die Frage, in welchem Gewerbe man sonst tätig sein könne, um diesen Nachweis zu erbringen. Durch eine derartig enge Auslegung, wie von der Behörde vorgenommen, wäre der Anwendungsbereich der Zugangsverordnung aber völlig ausgehöhlt und die Bestimmung der Verordnung obsolet, weil es wie ausgeführt schon denklogisch gar nicht möglich sei, Erfahrungen als Selbständiger im beantragten Gewerbe zu sammeln.
Auch sei mit entsprechenden Unterlagen nachgewiesen worden, dass der Beschwerdeführer auch die gesetzlichen Voraussetzungen der mindestens fünfjährigen einschlägigen Tätigkeit als Unselbständiger aufweise. So sei die CC insbesondere im Bereich Fliesen, Stein, Parkett und Pflaster tätig und handle es sich hier um eine einschlägige Tätigkeit im obigen Sinne.
Hervorzuheben sei, dass die Abwicklung von Baustellen und Projekten mit Subunternehmern, wie diese vom Beschwerdeführer bereits während seiner unselbständigen Tätigkeit gemacht wurde, stets auch die technischen Erfordernisse des Verlegens mitumfasse. Bei der Auswahl des zu verlegenden Materials mit der diesbezüglichen Empfehlung durch den Händler sei natürlich insbesondere auch zu beachten, welchem Zweck das Material dienen soll, wie der Untergrund beschaffen ist und welcher Kleber gemeinsam mit dem Material angeboten werden muss, um eine nachhaltige Verbindung zwischen Untergrund und Material zu schaffen. Gleiches gelte in Bezug auf mögliche Verlegungstechniken. Gerade das seien aber gleichzeitig auch die typischen Überlegungen, die im Rahmen der Ausübung des Gewerbes des Platten- und Fliesenlegers anzustellen seien. Damit und nicht zuletzt auch durch die privaten Fortbildungen des Beschwerdeführers bei der DD sei offenkundig, dass die Voraussetzungen nach der Zugangsverordnung beim Beschwerdeführer vorliegen würden.
Gleichzeitig sei für die Erfüllung der Voraussetzungen nach § 2 Z 5 lit b der Zugangsverordnungen nämlich auch keine Voraussetzung, dass die unselbständige Tätigkeit in einem Betrieb erbracht werde, der im Besitz des Gewerbes für Platten- und Fliesenleger sei, sondern reiche es ebenso aus, wenn es sich um eine einschlägige Tätigkeit als Unselbständiger handle, was – wie dargelegt und vom früheren Arbeitgeber bestätigt– zweifelsohne der Fall sei.
Der Beschwerdeführer habe sohin sowohl den Nachweis über eine ununterbrochene mindestens dreijährige selbständige Tätigkeit als Selbständiger gemäß § 2 Z 5 lit a der Zugangsverordnung, als auch den Nachweis einer mindestens fünfjährigen einschlägigen Tätigkeit als Unselbständiger gemäß § 2 Z 5 lit b leg cit erbracht, weshalb sämtliche Voraussetzungen nach § 2 Z 5 kumulativ erfüllt seien und die Untersagung der Ausübung des Gewerbes durch die belangte Behörde daher rechtswidrig erfolgt sei.
Aus diesem Grund komme es auf die bescheidmäßige Feststellung der individuellen Befähigung gar nicht mehr an. Dennoch liege beim Beschwerdeführer, entgegen den Ausführungen der belangten Behörde auch eine individuelle Befähigung vor. Die belangte Behörde begründe ihre Entscheidung damit, dass der Beschwerdeführer zwar genügend kaufmännische Kenntnisse und Erfahrungen nachgewiesen und auch genügend Kenntnisse und Erfahrungen im Bereich des Fliesenhandels sowie im Hinblick auf die Abwicklung von Baustellen und Projekten mit Subunternehmern gesammelt habe, jedoch seien keinerlei Nachweise im Bereich der Bearbeitung und dem Verlegen von Platten und Fliesen vorgelegt worden. Somit habe er sich zwar Wissen im beantragten Gewerbe angeeignet, nicht jedoch in allen Bereichen, welche für die fachliche Ausübung des beantragten Gewerbes erforderlich sein. Dazu wurde vorgebracht, dass sich der Beschwerdeführer sehr wohl auch Wissen und Kenntnisse im Bereich der Bearbeitung und dem Verlegen von Fliesen verschafft habe und diese auch entsprechend nachweisen habe können. Dazu wurde auch auf Bestätigungen der DD vom 04.12.2019 über die Teilnahme an mehreren Seminaren, die insbesondere auch die Verlegung von Fliesen/Platten zum Gegenstand hatten, verwiesen. Unabhängig davon sei aber auch die Rechtsansicht der belangten Behörde schlicht unzutreffend, sofern diese vermeine, dass beim Vorliegen einer individuellen Befähigung darauf abzustellen sei, dass in allen Teilbereichen des beantragten Gewerbes Kenntnisse in irgendeiner Form nachgewiesen werden müssten. Im Übrigen sei wiederum auf die Stellungnahme der MM vom 26.05.2020 zu verweisen, in welcher festgehalten werde, dass der Beschwerdeführer keine theoretischen Ausbildungsnachweise vorgelegt hätte, die zu den in der Zugangsverordnung festgestellten theoretischen Nachweisen als gleichwertig angesehen werden könnten. Als gleichwertig gelten würden demnach Ausbildungsnachweise, wie beispielsweise der Abschluss einer berufsbildenden höheren Schule. Der Beschwerdeführer habe genau jene Ausbildung, die seitens der MM ausdrücklich als gleichwertig zu den in der Zugangsverordnung festgehaltenen theoretischen Nachweisen angeführt wurden, nämlich eine berufsbildende höhere Schule, erfolgreich abgeschlossen. Entsprechende Abschlusszeugnisse seien vorgelegt wurden. Insgesamt zeige sich sohin, dass der Beschwerdeführer auch sämtliche Voraussetzungen für die bescheidmäßige Feststellung der individuellen Befähigung erbracht habe, weshalb auch Punkt I. des angefochtenen Bescheides entsprechend zu beheben sei.
Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat in der vorliegenden Beschwerdesache am 17.11.2020 die öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durchgeführt.
II. Sachverhalt:
Der Beschwerdeführer verfügt über mehrjährige praktische Erfahrungen im Bereich „Fliesenhandel“. Dabei hat sich der Beschwerdeführer Erfahrungen im Bereich des Verkaufs von Fliesen samt der für das Verlegen erforderlichen Materialien erworben. Auch hat der Beschwerdeführer im Bereich Fliesen- und Plattenverlegung tätige Firmen bei der Ausführung von Arbeiten überwacht.
Vom Beschwerdeführer konnte allerdings nicht nachgewiesen werden, dass tatsächlich er selbst Fliesen- bzw Platten verlegt hätte. Sämtliche vorgelegte Nachweise beziehen sich somit auf kaufmännische Tätigkeiten bzw auf das Handelsgewerbe, nicht allerdings auf die Ausübung eines Handwerks. Auch aus der Bestätigung der CC ergibt sich, dass der Beschwerdeführer im Bereich Einkauf, Verkauf, Angebote, technische Abwicklung von Baustellen und Projekten mit Subunternehmern und Abrechnungen tätig gewesen ist, dass er selbst als Fliesen- oder Plattenleger tätig war, ergibt sich daraus allerdings nicht. Die CC selbst hat nicht über das Gewerbe für Platten- und Fliesenleger verfügt. Festgestellt wird daher, dass der Beschwerdeführer Zeugnisse über eine ununterbrochene, mindestens dreijährige einschlägige Tätigkeit als Selbständiger und eine mindestens fünfjährige einschlägige Tätigkeit als Unselbständiger im Sinne des § 2 Z 5 der Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit, BGBl II Nr 61/2003 nicht vorgelegt hat, da keine Zeugnisse über eine Tätigkeit in einem Handwerk vorgelegt wurden.
Auch eine individuelle Befähigung wurde nicht nachgewiesen, zumal durch die beigebrachten Beweismittel jedenfalls kaufmännische Befähigungen im Zusammenhang mit dem Gewerbe nachgewiesen wurden, allerdings keine handwerklichen. Ein ausreichender Nachweis entsprechender handwerklicher Fertigkeiten ergibt sich auch nicht aus der Bestätigung an der Teilnahme von Weiterbildungen beim Baustoffunternehmen DD in der Filiale Y im Umfang von Seminaren an sechs Werktagen zu den Themen „EE“, „FF“, „GG“, „JJ“, „KK“.
Vor diesem Hintergrund war es für die Frage des Vorliegens einer individuellen Befähigung auch von vorn herein irrelevant, in wie fern der Beschwerdeführer eine berufsbildende höhere Schule absolviert hat oder nicht, wäre dies doch gemäß § 1 Z 2 der VO BGBl Nr II 61/2003 idF BGBl Nr II 399/2008 allenfalls für die Frage der fachlichen Qualifikation als Keramiker relevant, nicht jedoch im Hinblick auf einen Platten- und Fliesenleger.
III. Beweiswürdigung:
Der Umfang der vom Beschwerdeführer bisher ausgeübten Tätigkeiten ergibt sich aus seinen eigenen Schilderungen. Dass der Beschwerdeführer tatsächlich keine Erfahrungen im Handwerk hat, ergibt sich im Übrigen auch aus seiner Aussage bei der mündlichen Verhandlung vom 17.11.2020, bei welcher er ausdrücklich angegeben hat, dass er weder über eine Ausbildung als Fliesenleger verfügt, noch eine andere Ausbildung, insbesondere Lehrausbildung, im handwerklichen Bereich. So war er zwar mehrere Jahre als Gasschweißer und Vorarbeiter tätig, irgendwelche artverwandte Tätigkeiten im handwerklichen Bereich, beispielsweise Maurer oder eine andere vergleichbare Tätigkeiten, hat er allerdings nicht ausgeübt. Die belangte Behörde hat zur Frage der individuellen Befähigung auch eine Stellungnahme der zuständigen MM eingeholt.
In der Stellungnahme des Innungsmeisters vom 26.05.2020 wird dazu Folgendes ausgeführt:
„Verfahren der Bezirkshauptmannschaft Z; ***
Feststellung der individuellen Befähigung - „Platten- und Fliesenleger verbunden mit
Keramiker (verbundenes Handwerk) gemäß § 94 Z 38 GewO 1994“
Herr AA, geb. xx.xx.xxxx
Sehr geehrte Frau LL,
unter Bezugnahme auf das von Herrn AA gestellte Ansuchen um Feststellung der individuellen Befähigung für das Gewerbe „Platten- und Fliesenleger verbunden mit Keramiker (verbundenes Handwerk)“ nimmt die MM der Hafner, Platten- und Fliesenleger und Keramiker Tirol Stellung wie folgt:
Nach intensiver Prüfung der beigelegten Unterlagen inklusive des Schreibens des
Rechtsbeistandes, spricht sich die MM der Hafner, Platten- und Fliesenleger und
Keramiker Tirol gegen die Feststellung einer individuellen Befähigung aus.
Die Gewerbeordnung sieht für die Erlangung eines reglementierten Gewerbes die Erfüllung eines Befähigungsnachweises vor, welcher grundsätzlich durch die Kombination aus theoretischen und praktischen Ausbildungsnachweisen zu erfüllen ist.
Von Seiten der MM wird jedenfalls festgehalten, dass sich in der Anlage keinerlei theoretische Ausbildungsnachweise befinden, welche zu den in der Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit über die Zugangsvoraussetzungen für das verbundene Handwerk der Keramiker und der Platten- und Fliesenleger festgehaltenen theoretischen Nacheisen als gleichwertig angesehen werden kann.
Hier werden Ausbildungsnachweise verlangt, wie beispielsweise der Abschluss einer berufsbildenden höheren Schule bzw. das Zeugnis über die erfolgreich abgelegte Meisterprüfung und nicht Seminareinheiten eines privaten Baustoffherstellers.
Weiters wird die Argumentation des Rechtsbeistandes der Befähigungsnacheis nach § 2 Z 5 der Verordnung sei durch mehrjährige Berufserfahrung als Arbeitnehmer und Selbstständiger im Bereich des Fliesenhandels als erfüllt anzusehen, nicht unterstützt. Die MM spricht sich auch hier klar gegen die Feststellung einer individuellen Befähigung aus.
Unter fachlicher Tätigkeit iSd § 18 Abs. 2 Z 8 ist eine Tätigkeit zu verstehen, die geeignet ist, die Erfahrungen und Kenntnisse zu vermitteln, die zur selbstständigen Ausübung des betreffenden Gewerbes erforderlich sind (§18 Abs. 3 erster Satz). Korrekterweise muss die fachliche Tätigkeit nicht zwingend in einem bestimmten Gewerbe ausgeübt werden und handelt es sich hierbei immer um eine abstrakte Beurteilung, allerdings muss die in Frage stehende Tätigkeit sehr wohl mit den Tätigkeiten bei der Ausübung des betreffenden Gewerbes weitgehend kongruent sein.
Bei der Ausübung des Fliesenhandels kann aufgrund gewerberechtlicher Vorschriften nicht das fachliche Wissen vermittelt und erlernt werden, welches zur fachgerechten Ausübung des
beantragten Gewerbewortlautes notwendig ist.
Der Fliesenhändler kann in seiner Tätigkeit beispielsweise Wissen in der Materialkunde erlangen, aber keinesfalls detailliertes Wissen im Bereich des Bearbeitens und Verlegens von Platten und Fliesen aus Keramik, Naturstein, Beton und Kunststein als Wand - und Bodenbelag in Wohn- und Industriebauten sowie in öffentlichen Gebäuden, welches für die fachlich und normgerechte Ausführung des beantragten reglementierten Gewerbes erforderlich ist.
Die Argumentation über eine Handelstätigkeit fachliches Wissen im ausführenden handwerklichen Bereich zu erlangen, würde die Zugangsvoraussetzungen für die Erlangung eines reglementierten Gewerbes im handwerklichen Bereich obsolet machen.
Aus den oben dargestellten Gründen spricht sich die MM der Hafner, Platten- und
Fliesenleger und Keramiker Tirol gegen die Feststellung der individuellen Befähigung aus und
befürwortet den Antrag von Herrn AA in vorliegender Form nicht.“
IV. Rechtslage:
Verordnung des Bundesministers für Wirtschaft und Arbeit über die Zugangsvoraussetzungen für das verbundene Handwerk der Keramiker und der Platten- und Fliesenleger, BGBl Nr II 61/2003 idF BGBl Nr II 399/2008
„§ 2. Durch die im Folgenden angeführten Belege ist die fachliche Qualifikation zum Antritt des Handwerks der Platten- und Fliesenleger (§ 94 Z 38 GewO 1994) als erfüllt anzusehen:
1. Zeugnis über die erfolgreich abgelegte Meisterprüfung oder
2. Zeugnis über eine ununterbrochene, mindestens sechsjährige einschlägige Tätigkeit als Selbständiger oder Betriebsleiter (§ 18 Abs. 3 GewO 1994) oder
3. Zeugnisse über
a) die erfolgreich abgelegte Lehrabschlussprüfung im Lehrberuf Platten- und Fliesenleger oder in einem mindestens zweijährig verwandten Lehrberuf und
b) eine nachfolgende ununterbrochene, mindestens dreijährige einschlägige Tätigkeit als Selbständiger oder Betriebsleiter (§ 18 Abs. 3 GewO 1994) oder
4. Zeugnisse über
a) den erfolgreichen Abschluss einer mindestens zweijährigen staatlich oder von einer zuständigen Berufs- oder Handelsinstitution als vollwertig anerkannten Ausbildung, durch die schwerpunktmäßig die für das Handwerk spezifischen Qualifikationen vermittelt werden, und
b) eine nachfolgende ununterbrochene, mindestens vierjährige einschlägige Tätigkeit als Selbständiger oder Betriebsleiter (§ 18 Abs. 3 GewO 1994) oder
5. Zeugnisse über
a) eine ununterbrochene, mindestens dreijährige einschlägige Tätigkeit als Selbständiger und
b) eine mindestens fünfjährige einschlägige Tätigkeit als Unselbständiger oder
6. Zeugnisse über
a) die erfolgreich abgelegte Lehrabschlussprüfung im Lehrberuf Platten- und Fliesenleger oder in einem mindestens zweijährig verwandten Lehrberuf und
b) eine nachfolgende ununterbrochene, mindestens fünfjährige fachspezifische Tätigkeit in leitender Stellung (§ 18 Abs. 3 GewO 1994).“
GewO 1994
„§ 18
Befähigungsnachweis für reglementierte Gewerbe
(1) Der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit hat für jedes reglementierte Gewerbe, hinsichtlich der im § 94 Z 14, 32, 33, 41 und 46 genannten Gewerbe und hinsichtlich des im § 94 Z 42 genannten Gewerbes, soweit es sich um die Tätigkeiten des Piercens und Tätowierens handelt, im Einvernehmen mit dem Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen, durch Verordnung festzulegen, durch welche Belege für sich allein oder in entsprechender Verbindung untereinander die Zugangsvoraussetzungen zum betreffenden Gewerbe, gegebenenfalls für dessen eingeschränkte Ausübung, im Hinblick auf die hiefür erforderliche fachliche Befähigung jedenfalls als erfüllt anzusehen sind. Dabei hat der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit zu berücksichtigen, dass bei reglementierten Gewerben, bei denen der Qualifikation auf Grund der Richtlinie 92/51/EWG über eine zweite allgemeine Regelung zur Anerkennung beruflicher Befähigungsnachweise in Ergänzung der Richtlinie 89/48/EWG oder der Richtlinie 89/48/EWG über eine allgemeine Regelung zur Anerkennung der Hochschuldiplome Diplomniveau zukommt, dieses Diplomniveau gewahrt bleibt.
(2) Als Belege im Sinne des Abs. 1 kommen in Betracht
1. Zeugnis über die erfolgreich abgelegte Meisterprüfung bei den im § 94 als Handwerke bezeichneten reglementierten Gewerben oder über eine sonstige Befähigungsprüfung;
2. Zeugnis über die erfolgreich abgelegte Unternehmerprüfung;
3. Zeugnis über den Abschluss einer Studienrichtung an einer Universität;
4. Zeugnis über den erfolgreichen Besuch eines Fachhochschul-Studienganges;
5. Zeugnis über den erfolgreichen Besuch einer Schule;
6. Zeugnis über den erfolgreichen Besuch eines Lehrganges;
7. Zeugnis über die erfolgreich abgelegte Lehrabschlussprüfung;
8. Zeugnis über eine fachliche Tätigkeit;
9. Zeugnis über eine Tätigkeit in leitender Stellung;
10. Zeugnis über eine Tätigkeit als Betriebsleiter;
11. Nachweise über eine Tätigkeit als Selbstständiger.
(3) Unter fachlicher Tätigkeit (Abs. 2 Z 8) ist eine Tätigkeit zu verstehen, die geeignet ist, die Erfahrungen und Kenntnisse zu vermitteln, die zur selbstständigen Ausübung des betreffenden Gewerbes erforderlich sind. Unter Tätigkeit in leitender Stellung (Abs. 2 Z 9) ist eine Tätigkeit zu verstehen, die überwiegend mit fachspezifischen Aufgaben und mit der Verantwortung für mindestens eine Abteilung des Unternehmens verbunden ist. Unter Tätigkeit als Betriebsleiter (Abs. 2 Z 10) ist eine Tätigkeit zu verstehen, die in einer der folgenden Funktionen ausgeübt wurde
1. als Leiter des Unternehmens oder einer Zweigniederlassung oder
2. als Stellvertreter des Unternehmers oder des Leiters des Unternehmens, wenn mit dieser Stellung eine Verantwortung verbunden ist, die der des vertretenen Unternehmers oder Leiters entspricht oder
3. in leitender Stellung je nach der Eigenart des betreffenden Gewerbes mit kaufmännischen oder mit kaufmännischen und technischen Aufgaben und mit der Verantwortung für mindestens eine Abteilung des Unternehmens.
(4) Wenn es Gründe der Abwehr von besonderen Gefahren für das Leben oder die Gesundheit von Menschen erfordern, hat der Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit durch Verordnung festzulegen, dass Zeugnisse im Sinne des Abs. 2 für ein Gewerbe nicht mehr zu berücksichtigen sind, wenn der Inhaber des Zeugnisses seit der Prüfung, dem Abschluss der Ausbildung oder seit der fachlichen Tätigkeit, die durch das betreffende Zeugnis bescheinigt wird, zehn Jahre nicht mehr die den Gegenstand des betreffenden Gewerbes bildenden Tätigkeiten ausgeübt hat.
(5) Bei Schulen, bei denen eine Abschlussprüfung vorgesehen ist, ist der erfolgreiche Besuch (Abschluss) durch das Abschlussprüfungszeugnis (Reifeprüfungszeugnis), bei Schulen, bei denen keine Abschlussprüfung vorgesehen ist, durch das Abschlusszeugnis (Jahreszeugnis) nachzuweisen. Als Abschluss eines Studiums gilt der Abschluss eines Diplom-, Bachelor-, Master- oder Doktoratsstudiums. Als Abschluss eines Fachhochschul-Studienganges gilt der Abschluss eines Fachhochschul-Bachelorstudienganges, eines Fachhochschul-Masterstudienganges oder eines Fachhochschul-Diplomstudienganges.
(Anm.: Abs. 6 aufgehoben durch BGBl. I Nr. 85/2012)
(7) Der Befähigungsnachweis für das Gewerbe der Gärtner (§ 94 Z 24) kann auch durch das Zeugnis über die erfolgreich abgelegte Gärtnermeisterprüfung gemäß den Vorschriften über die land- und forstwirtschaftliche Berufsausbildung erbracht werden.
§ 19
Individueller Befähigungsnachweis
Kann der nach § 18 Abs. 1 vorgeschriebene Befähigungsnachweis nicht erbracht werden, so hat die Behörde unter Bedachtnahme auf Vorschriften gemäß § 18 Abs. 4 das Vorliegen der individuellen Befähigung festzustellen, wenn durch die beigebrachten Beweismittel die für die jeweilige Gewerbeausübung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen nachgewiesen werden. Die Behörde hat das Vorliegen der individuellen Befähigung mit der Beschränkung auf Teiltätigkeiten des betreffenden Gewerbes auszusprechen, wenn die Befähigung nur in diesem Umfang vorliegt. § 373d Abs. 4 ist sinngemäß anzuwenden.“
V. Erwägungen:
Der Beschwerdeführer hat am 12.03.2020 die Ausübung eines Gewerbes bei der belangten Behörde angemeldet. Betreffend die besonderen Voraussetzungen wurde dabei ausgeführt, dass der Beschwerdeführer die Voraussetzungen gemäß § 2 Z 5 der Verordnung BGBl Nr II 61/2003 idF BGBl Nr II 399/2008 erfülle.
Unter Hinweis auf den Inhalt der Verordnung wird festgehalten, dass der Beschwerdeführer den Nachweis der einschlägigen Tätigkeit als Selbstständiger bzw als Unselbständiger nicht erbracht hat.
So hat der Beschwerdeführer zwar zahlreiche Nachweise über Tätigkeiten im Bereich Fliesen- und Plattenhandel vorgelegt, tatsächliche Nachweise betreffend eine handwerkliche Tätigkeit hat der Beschwerdeführer allerdings nicht erbracht. Der Verwaltungsgerichtshof hat beispielsweise in seiner Entscheidung vom 26.09.1995, 93/04/0199 ausgeführt, dass für den Nachweis der vollen Befähigung im Sinn des § 28 Abs 1 Z 1 GewO 1973 nicht nur der Bildungsgang des Nachsichtswerbers zu berücksichtigen sei, vielmehr sei im gegebenen Zusammenhang auch zu berücksichtigen, ob aufgrund der bisherigen Tätigkeiten des Nachsichtswerbers angenommen werden könne, dass seine Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen den im Befähigungsnachweis für Handwerker genannten Voraussetzungen entsprechen.
Diese Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes ist auch für die vorliegende Rechtsfrage relevant: So hat der Beschwerdeführer zwar nachgewiesen, dass er im Bereich Fliesenhandel über ausreichend Erfahrungen verfügt, im Bereich der Ausübung des Gewerbes, nämlich bei der Tätigkeit des Verlegens von Fliesen und Platten inklusive sämtlicher dabei zur berücksichtigender Arbeiten, wurden allerdings keine entsprechenden Nachweise für eine bereits ausgeübte Tätigkeit erbracht. Die im Bereich des Fliesenhandels nachgewiesenen Tätigkeiten sind sohin nicht einschlägig. Zwar ist der Beschwerdeführer im Recht, dass für eine einschlägige Tätigkeit nicht nur alleine die Ausübung des Handwerks als Fliesen- und Plattenleger in Frage kommt, allerdings muss es sich tatsächlich um ein Handwerk handeln und eben nicht nur um eine kaufmännische Tätigkeit. Handwerkliche Tätigkeiten hat der Beschwerdeführer allerdings nach seinen eigenen Ausführungen bei der mündlichen Verhandlung bisher nicht ausgeübt bzw kann die Tätigkeit als Gasschweißer nicht als einschlägig im Zusammenhang mit dem Verlegen von Fliesen und Platten verstanden werden. Die vom Beschwerdeführer bisher ausgeübten Tätigkeiten sind somit nicht einschlägig im Sinne des § 2 Z 5 der Verordnung BGBl Nr II 61/2003 idF BGBl Nr II 399/2008. Zumal der Beschwerdeführer daher auch nicht behauptet hat, dass er über andere fachliche Qualifikationen im Sinne des § 2 leg cit verfügt, werden die Voraussetzungen dieser Verordnung insgesamt nicht erfüllt.
Betreffend die weiters von der belangten Behörde überprüfte individuelle Befähigung wird festgehalten, dass auch dazu nach § 19 GewO 1994 die Vorlage von Beweismitteln erforderlich wäre, die die für die jeweilige Gewerbsausübung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen nachweisen würden. Die vom Beschwerdeführer nachgewiesenen Fortbildungen bei der DD erfüllen diese Voraussetzungen nicht. So können durch Seminare an sechs Werktagen zu unterschiedlichen Themen die Tätigkeiten, die sich aus dem Berufsbild entsprechend der Verordnung des Bundesministers für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft über die Berufsausbildung im Lehrberuf Platten- und Fliesenleger, BGBl II Nr 124/2015, ergeben, nicht erbracht werden. Festgehalten wird daher, dass auch durch die Schulungen bei der DD ein individueller Befähigungsnachweis nicht erbracht wurde, wie sich dies im Übrigen auch aus der von der belangten Behörde bei der zuständigen Innung eingeholten Stellungnahme ergibt.
Zusammenfassend wird daher festgehalten, dass die belangte Behörde zu Recht festgestellt hat, dass die Voraussetzungen gemäß § 2 der Verordnung BGBl II Nr 612/2003 idF BGBl Nr II 399/2008 nicht vorliegen, zumal die bisherigen Tätigkeiten des Beschwerdeführers nicht als einschlägig im Sinn des § 2 Z 5 der Verordnung zu werten sind. Auch ein individueller Befähigungsnachweis nach § 19 GewO liegt nicht vor, zumal der Beschwerdeführer durch die von ihm vorgelegten Beweismittel die für die jeweilige Gewerbsausübung erforderlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen nicht nachgewiesen hat.
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. So handelt es sich im vorliegenden Fall formell nicht um eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung, sondern um eine sachverhaltsbezogene Einzelfallfeststellung.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.
Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Mag. Dünser
(Richter)
Schlagworte
Individuelle Befähigung;European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2020:LVwG.2020.15.1863.4Zuletzt aktualisiert am
13.01.2021