TE Bvwg Beschluss 2020/8/18 W144 2219194-1

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Veröffentlicht am 18.08.2020
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Entscheidungsdatum

18.08.2020

Norm

AsylG 2005 §35 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs3 Satz2

Spruch

W144 2219193-1/15E

W144 2219194-1/12E

W144 2219195-1/12E

W144 2219196-1/12E

BESCHLUSS

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Huber nach Beschwerdevorentscheidung der Österreichischen Botschaft in Addis Abeba vom 09.04.2019, Zl.: XXXX , aufgrund des Vorlageantrags 1.) des XXXX , XXXX geb., 2.) des XXXX , XXXX geb., 3.) des XXXX , XXXX geb. und 4.) der XXXX , XXXX geb., alle StA. von Somalia, über ihre gemeinsame Beschwerde gegen den Bescheid der Österreichischen Botschaft in Addis-Abeba vom 17.01.2019, Zlen. XXXX , beschlossen:

A) Der Beschwerde wird gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG stattgegeben, die bekämpften Bescheide werden behoben und die Angelegenheiten zur Erlassung neuer Entscheidungen an die Behörde zurückverwiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.

BEGRÜNDUNG:

I. Verfahrensgang

Die (1.- bis 4.-)Beschwerdeführer (BF) stellten als minderjährige Staatsangehörige von Somalia am 27.07.2017 bei der österreichischen Botschaft in Addis-Abeba (im Folgenden: ÖB) Anträge auf Erteilung von Einreisetiteln gem. § 35 Abs. 1 AsylG.

Begründend führten die BF aus, dass sie die minderjährigen Kinder des XXXX , XXXX geb., StA von Somalia, (aus erster Ehe), seien, dem mit Bescheid des BFA vom 24.05.2016, Zl. XXXX , der Status des Asylberechtigten gem. § 3 iVm § 34 Abs. 2 AsylG (durch „Erstreckung“ im Familienverfahren bezogen auf seine asylberechtigte (nunmehrige, zweite) Ehegattin XXXX , XXXX geb.,) zuerkannt worden sei.

Mit Schriftsatz (im Wege des Roten Kreuzes, RK) vom 22.08.2017 (sowie inhaltsgleichem Schriftsatz vom 04.04.2018, gefertigt von der Bezugsperson) reagierten die BF auf einen Verbesserungsauftrag der ÖB, wonach sie Nachweise der Bezugsperson im Hinblick auf 1. ihre Asylberechtigung, 2. Besitz von ausreichenden finanziellen Mitteln und 3. eines Mietvertrags nachreichen müssten und brachten diesbezüglich im Wesentlichen Folgendes vor:

1. Der Konventionsreisepass der Bezugsperson werde vorgelegt.

2. Zur Frage des Vorhandenseins von ausreichenden finanziellen Mitteln der Bezugsperson werde ausgeführt, dass im vorliegenden Fall die Kriterien des § 60 Abs. 2 Z. 1-3 AsylG nicht erfüllt werden, doch komme hier der Ausnahmetatbestand des § 35 Abs. 4 Z 3 AsylG zur Anwendung. Die Bezugsperson gehe aufgrund ihres Gesundheitszustandes (mehrere chronische Krankheiten) im Moment noch keiner Beschäftigung nach und könne somit das verlangte Einkommen nicht nachweisen.

3. Die Bezugsperson wohne derzeit in einer Wohngemeinschaft mit anderen Freunden, eine andere Unterkunft könne sie sich aufgrund der Arbeitslosigkeit nicht leisten. Die Trennung der Familie sei ein Resultat der Fluchtgründe der Bezugsperson. Österreich sei im vorliegenden Fall der einzige Staat, in dem das gemeinsame Familienleben fortgesetzt werden könne. Die BF würden derzeit in Somalia, an der Grenze zu Äthiopien leben, nachdem sie aus ihrem Heimatort hätten fliehen müssen. Die BF würden von ihrer 90-jährigen Großmutter beaufsichtigt. Seit seiner Asylgewährung schicke die Bezugsperson auch regelmäßig Geld nach Hause um die Kinder zu versorgen.

Unter einem wurden somalische Reisepässe und Geburtsurkunden der BF, sowie der Konventionsreisepass der Bezugsperson vorgelegt.

In der Folge übermittelte die ÖB die Anträge und den Sachverhalt am 08.08.2018 an das BFA zur Erstattung von Stellungnahmen gemäß § 35 Abs. 4 AsylG und einer diesbezüglichen Wahrscheinlichkeitsprognose, ob die Zuerkennung des Status von Asylberechtigten an die BF im Familienverfahren wahrscheinlich erscheine. Zum Sachverhalt wurden unter einem nachstehende Bedenken geäußert:

„Folgende Dokumente wurden vorgelegt:

?         XXXX Bestätigung über eine psychische Störung der Bezugsperson. Wie will er sich alleine um 4 Kinder kümmern, wenn er psychisch krank ist – hiermit entstehen bei einem Nachzug erhebliche Mehrkosten für öst. Körperschaften!

?         XXXX Bestätigung über Wohnrecht der Bezugsperson – Bezugsperson lebt in einer 16 m² Wohnung und ist deswegen NICHT in der Lage seine Kinder zu beherbergen – hiermit entstehen bei einem Nachzug erhebliche Mehrkosten für öst. Körperschaften!

?        ZMR Bestätigung der Bezugsperson

?        Asylkarte der Bezugsperson

?        E-Card der Bezugsperson

?        K-RP der Bezugsperson

?        Todesanzeige der leiblichen Mutter des Kindes – diese ist neun Jahre nachdatiert (Todeszeitpunkt XXXX , Ausstellungsdatum 10.10.2016). Ist somit sicherlich ohne Überprüfung ausgestellt und kann deswegen nicht als Echt anerkannt werden. Zustimmungserklärung zur Ausreise der leiblichen Mutter fehlt deswegen. AS 4 hat jedoch ein Geburtsdatum vom XXXX – wie dies sein kann, wenn die Mutter angeblich per XXXX verstorben ist?

?        Mindestsicherungsbescheid der Stadt XXXX – Bezugsperson hat kein Einkommen. Durch den Nachzug entstehen den öst. Körperschaften deswegen erhebliche Mehrkosten!

?        RK Stellungnahme zum Stand der Dinge

?        BFA Bescheid der Bezugsperson; wurde nicht abgegeben, Anträge beziehen sich aber anscheinend auf den Bescheid XXXX vom 24.05.2016

Mit Bezug auf somalische Dokumente darf die Botschaft grundsätzlich darauf hinweisen, dass die vorgelegten Dokumente (angefangen vom RP, GU, HU), hinsichtlich der inhaltlichen Richtigkeit („volle Beweis dessen, was darin bezeugt wird“) nicht automatisch als korrekt eingestuft werden können.

Das Urkundenwesen in einigen Staaten weist gravierende Mängel auf. In diesen Staaten werden öffentliche Urkunden gefälligkeitshalber oder auch sonst nach Kriterien errichtet, die nicht den Gepflogenheiten in Österreich entsprechen. In Staaten mit einem großen Anteil an ländlicher Bevölkerung und einer hohen Analphabetismusrate spielen Personenstandsregister nur eine untergeordnete Rolle, ein „Zeugenbeweis“ zählt mehr. Die Registrierung von Personenstandsfällen erfolgt nach Erfahrung der hiesigen Botschaften häufig erst nach nachträglich im Zusammenhang mit dem Kontakt ausländischer Behörden. Nachweise über Ereignisse, die bereits Jahrzehnte zurückliegen, können naturgemäß oft nicht erbracht werden. Für die Registrierung reicht es dann aus, dass Zeugen das „erwünschte“ Datum bestätigen. Oft werden Verstöße nicht geahndet, wenn Fälschungen und Falschbeurkundungen zum Gebrauch im Ausland hergestellt und verwendet werden. Zudem sei auf das hohe Korruptionsrisiko verwiesen. Überprüfungen durch die Botschaft sind nicht möglich, da a) in Somalia noch keine funktionierenden behördlichen Strukturen bestehen, b) der Botschaft keinerlei Unterschrifts- und Stempelproben vorliegen und c) die Botschaft über keine Vertrauensleute in Somalia verfügt, über welche allfällige Recherchen durchgeführt werden könnten.“

Mit Schreiben vom 31.08.2018, der ÖB mit Schreiben vom 04.09.2018 übermittelt, erstattete das BFA eine solche auf alle Antragsteller bezugnehmende Stellungnahme und führte darin im Wesentlichen aus, dass schon die allgemeinen Voraussetzungen für eine positive Entscheidung im Familienverfahren nicht vorlegen, weil 1. die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z. 1-3 AsylG von den Antragstellern nicht erfüllt worden seien und die Einreise der Antragsteller im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geboten erscheine, da kein aufrechtes Familienleben mehr mit der Bezugsperson vorliege und auch kein tatsächliches Familienleben bestehe, sowie 2. die Zustimmung des Obsorgeberechtigten zur Ausreise der Antragsteller nicht vorliege. Weiters wurde ausgeführt, das massive Zweifel an der Echtheit der vorgelegten Urkunden gegeben seien, zumal die Ehegattin der Bezugsperson im Zuge ihrer persönlichen Einvernahme vor dem Bundesasylamt ausdrücklich angegeben habe, dass die Bezugsperson vor ihrer Ehe weder verheiratet gewesen sei, noch andere Kinder habe. Es gebe nur die gemeinsamen (Anmerkung: 7) Kinder, welche sich bereits in Österreich befinden und asylberechtigt seien. Im Hinblick auf die vorliegende Todesanzeige der leiblichen Mutter der BF sei diese XXXX Jahre nachdatiert worden (Ausstellungsdatum 10.10.2016). Laut diesem Dokument wäre der Todeszeitpunkt der XXXX gewesen, jedoch sei der jüngste Sohn (der 2.-BF) am XXXX geboren worden. Aufgrund der bedenklichen Urkunden könne keineswegs davon ausgegangen werden, dass das behauptete Familienverhältnis erwiesen sei. Aus den dargelegten Gründen sei die Zuerkennung des Status im Rahmen eines Familienverfahrens nicht wahrscheinlich. Auch scheine eine Einreise der Beschwerdeführer gemäß Art. 8 EMRK nicht geboten, da kein aufrechtes bzw. tatsächliches Familienleben mit der Bezugsperson vorliege.

Mit Schreiben vom 05.09.2018 wurden die BF seitens der ÖB aufgefordert, zur Gleichzeitig vorgehaltenen Stellungnahme des BFA Stellung zu nehmen.

Die BF erstatteten in der Folge mit Schreiben vom 20.09.2018 eine solche Stellungnahme und führte dabei im Wesentlichen aus, dass die Bezugsperson im Rahmen einer Familienzusammenführung nach § 35 AsyG seiner Ehefrau nach Österreich nachgefolgt sei. Mit dieser habe die Bezugsperson gemeinsame Kinder, die auch im Zuge dessen nach Österreich eingereist seien. Die Bezugsperson sei jedoch schon einmal verheiratet gewesen, aus dieser (ersten) Ehe stammten die antragstellenden Kinder. Seine zweite Ehefrau sei gegen die Antragstellung seiner leiblichen Kinder aus erster Ehe gewesen, womit kein Familiennachzug im Zuge des ersten Verfahrens nach § 35 AsylbLG möglich gewesen sei. Inzwischen sei die Bezugsperson von seiner zweiten Ehefrau getrennt. Die Antragsteller seien die leiblichen Kinder der Bezugsperson und hätten am 27.07.2017 ihre Anträge auf Einreisetitel gemäß § 35 AsylG eingereicht, um das gemeinsame Familienleben mit ihrem Vater in Österreich weiterführen zu können. Die Mutter der Antragsteller sei verstorben. Im vorliegenden Fall würden nicht alle Kriterien des § 60 Abs. 2 Z. 1-3 AsylGH erfüllt. Die Bezugsperson gehe im Moment keiner Beschäftigung nach und könne das verlangte Einkommen nicht nachweisen, da unter mehreren chronischen Krankheiten leide. So wurde die Bezugsperson im Heimatland mehrfach angeschossen, Narben seien heute noch sichtbar. Allerdings verfüge die Bezugsperson überein eine eigene Wohnung, die Unterkunft der Antragsteller wäre somit gesichert. Dennoch sei eine Mitteilung über die wahrscheinliche Asylgewährung zu erteilen, da der Ausnahmetatbestand des § 35 Abs. 4 Z. 3 AsylG hier zur Anwendung komme. Die Antragsteller lebten derzeit in Somalia, würden von ihrer 90-jährigen Großmutter beaufsichtigt und habe die Bezugsperson all seine eigenen Besitztümer verkauft, um damit seine Familie zu Hause versorgen zu können. Auch aufgrund des hohen Alters der Großmutter befürchte die Bezugsperson, dass die Kinder in absehbarer Zeit auf sich alleine gestellt sein könnten, es gebe sonst keine Familienmitglieder, die sich um die Kinder kümmern könnten. Im vorliegenden Fall sei keine konkrete und individuelle Prüfung gemäß Art. 8 EMRK durchgeführt worden, sondern lediglich behauptet worden, dass kein aufrechtes Familienleben der Antragsteller mit der Bezugsperson vorliege. Auf welchen Ermittlungen diese Ansicht des BFA basiere, bleibe in der Stellungnahme schuldig. Es sei allerdings darauf hinzuweisen, dass das Familienleben zwischen Eltern und Kindern nicht automatisch aufgrund längerer Abwesenheit oder Trennung zu bestehen aufhöre. Nur in außergewöhnlichen Fällen könne die Aufhebung eines Familienlebens angenommen werden. Von so einer außergewöhnlichen Situation könne hier allerdings nicht ausgegangen werden. Die Bezugsperson sei mit der Kindesmutter der Antragsteller bis zu ihrem Tod verheiratet gewesen. Nach dem Tod der ersten Ehefrau hätten die Antragsteller bei der Bezugsperson gelebt und auch später gemeinsam mit der zweiten Ehefrau der Bezugsperson als Familie zusammen gelebt. Erst durch die notwendige Flucht der Familie und durch den Familiennachzug der Bezugsperson im September 2015 nach Österreich seien die Antragsteller vorübergehend in die Obhut der Großmutter übergeben worden. Seit der Ausreise der Bezugsperson habe jedoch regelmäßiger Kontakt zu seiner Familie im Heimatland bestanden und sei das Familienleben immer aufrecht gewesen. Wieso die Ehegattin der Bezugsperson die Aussage getätigt habe, dass die Bezugsperson vorher nicht verheiratet gewesen sei und auch keine anderen als die gemeinsamen Kinder habe, sei seitens der Antragsteller nicht erklärbar. Die Bezugsperson sei inzwischen von seiner zweiten Ehefrau getrennt. Auf jeden Fall stelle sich die gesamte Familie gerne einem DNA Test zur Verfügung. Schließlich wurde auf das Kindeswohl verwiesen und letztlich ausgeführt, dass sich die Bezugsperson auch nicht erklären könne, weshalb ein falsches Sterbedatum seiner ersten Ehefrau in der Urkunde aufscheine. Er kenne dieses Dokument nicht und gehe davon aus, dass die Kinder dieses Dokument auf ihren Wunsch von der Botschaft besorgt hätten. Jedenfalls habe die Bezugsperson nach dem Tod seiner ersten Frau – diese sei ca. einen Monat nach der Geburt des jüngsten Kindes XXXX verstorben; Dokumente dazu würden leider keine vorliegen – eine Heirat mit seiner zweiten Ehefrau eingegangen, die am XXXX nur wenige Monate nach dem Tod der ersten Ehefrau stattgefunden habe. Dies könnten auch die Antragsteller bezeugen. Die Kindesmutter sei verstorben, somit könne diese auch nicht ihre Zustimmung zur Ausreise der Antragsteller abgeben.

Nach neuerlicher Befassung des BFA teilte dieses der ÖB mit Schreiben vom 29.10.2018 mit, dass durch die vorgelegten Stellungnahmen der Antragsteller keine neuen Beweise vorgelegt worden sei und es zu keiner Änderung der Wahrscheinlichkeitsprognose komme.

Mit Bescheid vom 17.01.2019, zugestellt am selben Tag, verweigerte die ÖB die beantragten Visa mit der

Text


Begründung, dass die Antragsteller die Erfüllung der Erteilungsvoraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z. 1-3 AsylG nicht hätten nachweisen können und die Einreise der Antragsteller zur Aufrechterhaltung des Privat-und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK nicht geboten erscheine.

Gegen diesen Bescheid erhoben die BF mit Schreiben vom 11.02.2019 fristgerecht eine gemeinsame Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Begründend wiederholten die BF im Wesentlichen ihre Einwendungen, die sie in ihrer Stellungnahme vom 20.09.2018 erhoben haben. Zudem brachten die BF vor, dass nunmehr die Bezugsperson alle Kriterien des § 60 Abs. 2 Z. 1-3 AsylGH erfülle. Die Bezugsperson gehe nun einer Beschäftigung nach, diesbezüglich werden Lohnzettel vom Oktober, November und Dezember 2018 vorgelegt und verfüge die Bezugsperson über eine eigene Wohnung, sodass auch die Unterkunft für die Kinder gesichert wäre. Angeschlossen war ein Schreiben der XXXX , wonach die Bezugsperson eine Wohnung in der Größe zwischen 30 und 35 m² bezogen habe, die genaue Quadratmeteranzahl scheine jedoch nicht im Mietvertrag auf, die Wohnung sei ortsüblich. Es würde der Bezugsperson eine größere Wohnung vermittelt werden, wenn er seine Kinder in Österreich habe.

Aus den vorgelegten Lohnzetteln ergibt sich, dass der BF im Oktober € 114,56, im November € 1.244,76 und im Dezember 2018 € 1.410,29 ins Verdienen gebracht hat. Für Jänner 2019 wurde kein Lohnzettel vorgelegt. Aus dem bei geschlossenen Mietvertrag ergibt sich, dass die Wohnung der Bezugsperson aus einem Vorraum, einem Wohn-Schlafzimmer, einer Küche und einem Bad/WC besteht, der Mietzins beträgt € 281,70, die Betriebskosten betragen € 142,10, was insgesamt eine monatliche Belastung von € 423,80 ergibt.

In der Folge wies die ÖB die Beschwerde der BF mit Beschwerdevorentscheidung vom 09.04.2019, Zl. XXXX , im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass es nicht zu beanstanden sei, wenn das BFA vom Nichtvorliegen der Voraussetzungen im Sinne § 60 Abs. 2 Z. 1-3 AsylGH ausgegangen sei und schon aus diesem Grund der beantragte Einreisetitel verweigert worden sei. Daran könne auch das diesbezügliche kursorische Vorbringen in der Beschwerde nicht ändern, weil es dem Neuerungsverbot des § 11a FPG unterfalle bzw. eine bloße Vermutung über zukünftige Verhältnisse sei. Zudem garantiere Art. 8 EMRK nicht in jedem Fall die Gewährung eines Einreisetitels und lasse auch die besondere Berücksichtigung des Kindeswohls nicht den Schluss zu, dass der Grundsatz, wonach die EMRK Ausländern kein Recht auf Einreise verbürge, im Hinblick auf das Kindeswohl durchbrochen sei.

Mit Schriftsatz vom 19.04.2019 stellten die BF den gegenständlichen Vorlageantrag an das Bundesverwaltungsgericht.

Mit Schreiben des Bundesministeriums für Inneres vom 20.05.2019 wurde am 23.05.2019 dem Bundesverwaltungsgericht der Verwaltungsakt übermittelt. Fehlende Aktenteile (Beschwerde, Vorlageantrag) wurde amtswegig von der ÖB urgiert und mit Begleitemail der ÖB vom 29.05.2019 anher vorgelegt.

Gleichzeitig wurden auch die Verwaltungsakten zu den Asylverfahren betreffend die Bezugsperson und seine 2. Ehegattin seitens des BVwG angefordert und mit 31.05.2019 vom BFA vorgelegt.

Aus dem Asylakt der Bezugsperson XXXX ergibt sich Folgendes:

?        Im ihrem Antragsformular zum begehrten Einreisetitel gem. § 35 AsylG hat die Bezugsperson bei der ausdrücklichen Nachfrage nach allen Kindern (eheliche, uneheliche, adoptierte) nur 2 (gemeinsame) Kinder (mit der zweiten Ehefrau) [Anmerkung: die Bezugsperson hat mit der zweiten Ehefrau 3 Kinder, wobei eines schon mit der Ehefrau mitgereist war] angegeben.

?        In der Erstbefragung vom 26.09.2015 hat XXXX angegeben, dass er verheiratet sei. Dass er vorher schon einmal verheiratet gewesen sei, hat er verschwiegen (- der entsprechende Punkt bei der Abfrage des Familienstandes ist nicht angekreuzt).

?        In der Erstbefragung am 26.09.2015 hat er als Kinder aus erster Ehe im Heimatland angegeben: XXXX ca. 14 Jahre alt, XXXX ca. 12 Jahre alt, XXXX ca. 11 Jahre alt, XXXX ca. 8 Jahre alt. – es fällt dabei auf, dass der Antragsteller XXXX nach dessen Geburtsdatum XXXX jedoch im Sept. 2015 etwa 7 ½ Jahre alt gewesen wäre und nicht 11 Jahre; sowie dass der Antragsteller XXXX angesichts des Geburtsdatums XXXX 9 Jahre und 4 Monate alt gewesen wäre.

Aus dem Asylakt der zweiten Ehefrau der Bezugsperson XXXX geb., (- die ihrerseits Bezugsperson für die Asylgewährung des XXXX und der gemeinsamen 3 Kinder gewesen ist) ergibt sich Folgendes:

?        In ihrem Erstbefragungsprotokoll am 03.04.2013 hat sie angegeben mit der Bezugsperson verheiratet zu sein und auch schon vormals einmal verheiratet gewesen zu sein (der erste Ehegatte sei verstorben), wobei aus ihrer ersten Ehe 4 Kinder entstammten, aus der zweiten Ehe 3 Kinder, von denen 2 noch beim Ehegatten in Somalia seien. Sie hätten beschlossen, dass sie mit 5 Kindern nach Europa flüchte, für den Ehemann und die anderen 2 Kinder habe der Verkaufserlös für das Haus nicht gereicht.

?        Im Rahmen ihrer Einvernahme vom 18.04.2013 erklärte sie, dass sie ihren zweiten Ehemann im Juni 2008 geheiratet habe. Auf die Frage (AS 198), ob dieser zweite Ehemann vorherschon jemals verheiratet gewesen sei oder Kinder gehabt habe, erklärte sie wörtlich: „Nein, er war weder zuvor verheiratet noch hat er Kinder. Er hat nur unsere drei gemeinsamen Kinder.“ In Bezug auf die Ausreisemodalitäten mit ihren 4 Kindern aus erster Ehe sowie einem gemeinsamen Kind (AS 202): „Mein Mann sagte zu mir, ich solle die zwei jüngsten Kinder bei ihm lassen, da sie zu klein seien für die Reise. Die anderen Kinder sind größer und deshalb habe ich diese mitgenommen. Mein Mann hat dann das Haus verkauft und meine Ausreise organisiert.“ [ … ] „Ich war mit den Kindern bei verschiedenen Nachbarn bis zur Ausreise aufhältig. Mein Mann blieb alleine zu Hause.“

In der Folge wurde die gemeinsame Beschwerde der BF mit Erkenntnis des BVwG vom 11.06.2019, Zlen XXXX gemäß § 35 Abs. 1 und 5 AsylG idgF als unbegründet abgewiesen und die Beschwerdevorentscheidung bestätigt.

Begründend stellte das BVwG u.a. fest, dass die Bezugsperson der BF zweimal verheiratet war. Aus erster Ehe entstammen die BF selbst, sind somit die Kinder der Bezugsperson, aus zweiter Ehe entstammen drei weitere Kinder, die sich bereits im Bundesgebiet befinden. Die zweite Ehefrau der Bezugsperson brachte ihrerseits aus erster Ehe schon vier Kinder mit, die sich ebenfalls im Bundesgebiet befinden.

Nicht festgestellt werden kann hingegen, dass die BF mit der Bezugsperson, ihren Vater, seit dem Tod ihrer Mutter ein Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK geführt hätten bzw. ein solches Familienleben später wieder aufgenommen hätten. Vielmehr sei festzuhalten, dass dieses Familienleben untergegangen ist.

Gegen dieses Erkenntnis des BVwG erhoben die BF Revision an den VwGH, der die Entscheidung mit Erkenntnis vom 26.02.2020, Zlen, XXXX , aufhob.

Begründend führte der VwGH im Wesentlichen Folgendes aus (Hervorhebungen im Original nicht enthalten):

„Das BVwG ging (erkennbar) davon aus, dass die revisionswerbenden Parteien gemeinsam mit der Bezugsperson (ihrem Vater) bis zum Tod der Mutter im Jahr 2008 im gemeinsamen Haushalt gelebt hätten, und es nahm andererseits an, dass aufgrund außergewöhnlicher Umstände familiäre Bindungen der minderjährigen revisionswerbenden Parteien zur Bezugsperson nicht mehr gegeben seien.

Nach der oben dargestellten Judikatur des EGMR kann das familiäre Band zwischen Eltern und Kindern nur unter exzeptionellen Umständen zerreißen und es kommt sohin für die Frage, ob nicht mehr vom Bestehen familiärer Bindungen auszugehen ist, lediglich darauf an, ob tatsächlich jede Verbindung zwischen Eltern(teil) und Kind gelöst wurde (siehe dazu auch VfGH 24.11.2014, E 35/2014). Dass dies hier der Fall wäre, ergibt sich aus den im angefochtenen Erkenntnis getroffenen Feststellungen nicht. Das BVwG ging vom Bestehen eines gemeinsamen Haushaltes bis zum Jahr 2008 aus. Im Übrigen befasste sich das BVwG mit dem Kontakt der Bezugsperson zu den revisionswerbenden Parteien bis zum Zeitpunkt der Ausreise der Bezugsperson im Jahr 2014 und in den darauffolgenden Zeiträumen nicht bzw. nur summarisch und es setzte in diesem Zusammenhang auch keinerlei weitere Ermittlungsschritte.

Dabei setzte sich das BVwG nicht ausreichend mit dem bereits in der Stellungnahme vor der Österreichischen Botschaft Addis Abeba und auch in der Beschwerde der revisionswerbenden Parteien erstatteten Vorbringen auseinander. Demnach lebten die revisionswerbenden Parteien mit der Bezugsperson bis zu deren Ausreise aus Somalia im gemeinsamen Haushalt.

Erst nach der Ausreise der Bezugsperson seien die minderjährigen revisionswerbenden Parteien der Obhut der Großmutter übergeben worden. Seit der Ausreise der Bezugsperson habe stets regelmäßiger Kontakt zu den revisionswerbenden Parteien bestanden. Diese lebten nunmehr in Somalia an der Grenze zu Äthiopien, nachdem sie aus ihrem Heimatort hätten fliehen müssen. Sie würden dort von ihrer 90-jährigen Großmutter beaufsichtigt. Um ihre Familie versorgen zu können, habe die Bezugsperson alle ihre eigenen Besitztümer verkauft und unterstütze damit ihre Familie. Die revisionswerbenden Parteien und die Großmutter seien finanziell von der Bezugsperson abhängig.

Dem hielt das BVwG nur entgegen, dass die Bezugsperson bei ihrer Befragung nach ihrer Einreise in das Bundesgebiet das Alter von zwei der vier revisionswerbenden Parteien nicht korrekt angeführt und dass die zweite Ehefrau des Vaters (von der dieser aber nach Angaben der revisionswerbenden Parteien mittlerweile getrennt lebe) anlässlich ihres Asylverfahrens angegeben habe, dass die Bezugsperson keine Kinder aus erster Ehe habe. Es sei daher - so das BVwG in seinen beweiswürdigenden Überlegungen - davon auszugehen, dass seit der zweiten Eheschließung der Bezugsperson diese nicht im gemeinsamen Haushalt mit den revisionswerbenden Parteien gelebt und dass sich die Bezugsperson seit diesem Zeitpunkt nicht in familiärer Art und Weise um die revisionswerbenden Parteien gekümmert habe. Vor dem Hintergrund der oben wiedergegebenen Rechtsprechung bleibt das BVwG allerdings eine tragfähige Begründung dafür schuldig, weshalb fallbezogen - ohne dass die von den revisionswerbenden Parteien ins Treffen geführte, nach ihrem Vorbringen auch nach dem Jahr 2008 fortbestehende Beziehung zu der Bezugsperson näher beleuchtet worden wäre - davon auszugehen sei, dass außergewöhnliche Umstände jegliche familiäre Bindung zwischen der Bezugsperson und den revisionswerbenden Parteien gelöst hätten.“

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1.)      Feststellungen:

Festgestellt wird zunächst der oben wiedergegebene Verfahrensgang.

Weiters wird festgestellt, dass die Bezugsperson der BF zweimal verheiratet war. Aus erster Ehe entstammen die BF selbst, sind somit die Kinder der Bezugsperson, aus zweiter Ehe entstammen drei weitere Kinder, die sich bereits im Bundesgebiet befinden. Die zweite Ehefrau der Bezugsperson brachte ihrerseits aus erster Ehe schon vier Kinder mit, die sich ebenfalls im Bundesgebiet befinden.

Darüber, ob die BF mit der Bezugsperson, ihren Vater, seit dem Tod ihrer Mutter ein Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK geführt hätten bzw. ein solches Familienleben später wieder aufgenommen hätten, kann – ohne weitere Ermittlungsschritte – keine Aussage getroffen werden.

2.) Beweiswürdigung:

Die Festgestellungen zum Verfahrensgang ergeben sich aus dem Akt der ÖB.

Die Feststellung, dass keine Aussage darüber getroffen werden kann, ob die BF mit der Bezugsperson, ihren Vater, seit dem Tod ihrer Mutter ein Familienleben im Sinne des Art. 8 EMRK geführt hätten bzw. ein solches Familienleben später wieder aufgenommen hätten, ergibt sich aus nachstehenden Erwägungen:

Zum einen liegen – wie oben dargestellt und im ersten Rechtsgang erwogen – massive Zweifel daran vor, dass die BF mit der Bezugsperson nach deren Ehe mit der 2. Ehegattin Kontakt im Sinne eines aufrechten Familienlebens hatten, zum anderen wurde jedoch seitens des VwGH (zusammengefasst) erkannt, dass diesbezüglich eine „nähere Auseinandersetzung“ mit dem Parteivorbringen hätte erfolgen müssen, jedoch „keinerlei weitere Ermittlungsschritte gesetzt“ worden seien.

3.) Rechtliche Beurteilung:

Zu A) Behebung des Bescheides und Zurückverweisung:

§ 35 Asylgesetz 2005 (AsylG) lautet:

Anträge auf Einreise bei Vertretungsbehörden

§ 35. (1) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der mit konsularischen Aufgaben betrauten österreichischen Vertretungsbehörde im Ausland (Vertretungsbehörde) stellen. Erfolgt die Antragstellung auf Erteilung eines Einreisetitels mehr als drei Monate nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des Asylberechtigten, sind die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 zu erfüllen.

(2) Der Familienangehörige gemäß Abs. 5 eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde und der sich im Ausland befindet, kann zwecks Stellung eines Antrages auf internationalen Schutz gemäß § 34 Abs. 1 Z 2 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 frühestens drei Jahre nach rechtskräftiger Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten einen Antrag auf Erteilung eines Einreisetitels bei der Vertretungsbehörde stellen, sofern die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind. Diesfalls ist die Einreise zu gewähren, es sei denn, es wäre auf Grund bestimmter Tatsachen anzunehmen, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten nicht mehr vorliegen oder in drei Monaten nicht mehr vorliegen werden. Darüber hinaus gilt Abs. 4.

(2a) Handelt es sich beim Antragsteller um den Elternteil eines unbegleiteten Minderjährigen, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, gelten die Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 als erfüllt.

(3) Wird ein Antrag nach Abs. 1 oder Abs. 2 gestellt, hat die Vertretungsbehörde dafür Sorge zu tragen, dass der Fremde ein in einer ihm verständlichen Sprache gehaltenes Befragungsformular ausfüllt; Gestaltung und Text dieses Formulars hat der Bundesminister für Inneres im Einvernehmen mit dem Bundesminister für Europa, Integration und Äußeres und nach Anhörung des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für Flüchtlinge (§ 63) so festzulegen, dass das Ausfüllen des Formulars der Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts dient. Außerdem hat die Vertretungsbehörde auf die Vollständigkeit des Antrages im Hinblick auf den Nachweis der Voraussetzungen gemäß § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 hinzuwirken und den Inhalt der ihr vorgelegten Dokumente aktenkundig zu machen. Der Antrag auf Einreise ist unverzüglich dem Bundesamt zuzuleiten.

(4) Die Vertretungsbehörde hat dem Fremden aufgrund eines Antrags auf Erteilung eines Einreisetitels nach Abs. 1 oder 2 ohne weiteres ein Visum zur Einreise zu erteilen (§ 26 FPG), wenn das Bundesamt mitgeteilt hat, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist. Eine derartige Mitteilung darf das Bundesamt nur erteilen, wenn

1.

gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§§ 7 und 9),

2.

das zu befassende Bundesministerium für Inneres mitgeteilt hat, dass eine Einreise den öffentlichen Interessen nach Art. 8 Abs. 2 EMRK nicht widerspricht und

3.

im Falle eines Antrages nach Abs. 1 letzter Satz oder Abs. 2 die Voraussetzungen des § 60 Abs. 2 Z 1 bis 3 erfüllt sind, es sei denn, die Stattgebung des Antrages ist gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten.

Bis zum Einlangen dieser Mitteilung ist die Frist gemäß § 11 Abs. 5 FPG gehemmt. Die Vertretungsbehörde hat den Fremden über den weiteren Verfahrensablauf in Österreich gemäß § 17 Abs. 1 und 2 zu informieren.

(5) Nach dieser Bestimmung ist Familienangehöriger, wer Elternteil eines minderjährigen Kindes, Ehegatte oder zum Zeitpunkt der Antragstellung minderjähriges lediges Kind eines Fremden ist, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten zuerkannt wurde, sofern die Ehe bei Ehegatten bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat; dies gilt weiters auch für eingetragene Partner, sofern die eingetragene Partnerschaft bereits vor der Einreise des subsidiär Schutzberechtigten oder des Asylberechtigten bestanden hat.

§§ 11 Abs. 1 ,11a und 26 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG) idgF lauten:

„Verfahren vor den österreichischen Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11 (1) In Verfahren vor österreichischen Vertretungsbehörden haben Antragsteller unter Anleitung der Behörde die für die Feststellung des maßgeblichen Sachverhaltes erforderlichen Urkunden und Beweismittel selbst vorzulegen; in Verfahren zur Erteilung eines Visums D ist Art. 19 Visakodex sinngemäß anzuwenden. Der Antragssteller hat über Verlangen der Vertretungsbehörde vor dieser persönlich zu erscheinen, erforderlichenfalls in Begleitung eines Dolmetschers (§ 39a AVG). § 10 Abs. 1 letzter Satz AVG gilt nur für in Österreich zur berufsmäßigen Parteienvertretung befugte Personen. Die Vertretungsbehörde hat nach freier Überzeugung zu beurteilen, ob eine Tatsache als erwiesen anzunehmen ist oder nicht. Eine Entscheidung, die dem Standpunkt des Antragstellers nicht vollinhaltlich Rechnung trägt, darf erst ergehen, wenn die Partei Gelegenheit zur Behebung von Formgebrechen und zu einer abschließenden Stellungnahme hatte.

Beschwerden gegen Bescheide österreichischer Vertretungsbehörden in Visaangelegenheiten

§ 11a (1) Der Beschwerdeführer hat der Beschwerde gegen einen Bescheid einer österreichischen Vertretungsbehörde sämtliche von ihm im Verfahren vor der belangten Vertretungsbehörde vorgelegten Unterlagen samt Übersetzung in die deutsche Sprache anzuschließen.

(2) Beschwerdeverfahren sind ohne mündliche Verhandlung durchzuführen. Es dürfen dabei keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden.

(3) Sämtliche Auslagen der belangten Vertretungsbehörde und des Bundesverwaltungsgerichtes für Dolmetscher und Übersetzer sowie für die Überprüfung von Verdolmetschungen und Übersetzungen sind Barauslagen im Sinn des § 76 AVG.

(4) Die Zustellung der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichtes hat über die Vertretungsbehörde zu erfolgen. § 11 Abs. 3 gilt.

Visa zur Einbeziehung in das Familienverfahren nach dem AsylG 2005

§ 26 Teilt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl gemäß § 35 Abs. 4 AsylG 2005 mit, dass die Stattgebung eines Antrages auf internationalen Schutz durch Zuerkennung des Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten wahrscheinlich ist, ist dem Fremden ohne Weiteres zur einmaligen Einreise ein Visum mit viermonatiger Gültigkeitsdauer zu erteilen.“

Die maßgeblichen Bestimmungen des Bundesgesetzes über das Verfahren der Verwaltungsgerichte (Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz – VwGVG) idgF lauten wie folgt:
„§ 28. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

(2) Über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat das Verwaltungsgericht dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn

1. der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder

2. die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

(3) Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hiebei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.“

Wie sich aus der zitierten Entscheidung des VwGH vom 26.2.2020 ergibt, hat eine nähere Auseinandersetzung mit dem Parteienvorbringen der BF in ihrer Stellungnahme vom 20.9.2018 zu erfolgen. In dieser Stellungnahme behaupten die BF, dass sie mit der Bezugsperson nach dem Tod ihrer Mutter weiterhin als Familie zusammen gelebt hätten. Erst im Zuge der Flucht der Bezugsperson im September 2015 nach Österreich seien die BF gezwungenermaßen in die Obhut der Großmutter übergeben worden; seit diesem Zeitpunkt bestehe regelmäßiger Kontakt zwischen den BF und der Bezugsperson.

Bezüglich des Vorbringens der BF, wonach sie bis zur Ausreise der Bezugsperson im gemeinsamen Haushalt gelebt hätten, ist in der aufgehobenen Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts eine solche geforderte Auseinandersetzung sehr wohl dahingehend erfolgt, dass dieses Vorbringen vor dem Hintergrund, dass die zweite Ehefrau der Bezugsperson keinerlei Kenntnis von den BF hatte, als unglaubwürdig zu bewerten war - nach menschlichem Ermessen erscheint nämlich keineswegs glaubhaft, dass die zweite Ehegattin der Bezugsperson im Zeitraum zwischen ihrer Heirat im Mai 2008 und ihrem Verlassen des Heimatlandes im März 2013 (sohin etwa 5 Jahre lang!) nicht geradezu zwangsläufig „mitbekommen“ hätte, wenn die BF mit der Bezugsperson im gemeinsamen Haushalt gelebt hätten!

Damit bleibt lediglich das Vorbringen der BF, wonach sie seit dem Aufenthalt der Bezugsperson in Österreich regelmäßig Kontakt zu dieser hätten, als nicht ausreichend gewürdigt bestehen und ist diese – bloß in den Raum gestellte – Behauptung der BF nunmehr einer „näheren Beleuchtung“ und damit weiteren Ermittlungen, etwa durch Einvernahmen der BF zur konkreten Art und Häufigkeit solcher Kontakte, um eine tragfähige Entscheidungsgrundlage im Hinblick auf ein bestehendes oder aufgrund außergewöhnlicher Umstände untergegangenes Familienleben zu erhalten. Sollte das – bis dato lediglich unkonkret in den Raum gestellte – Parteienvorbringen eines bestehenden Kontaktes der BF mit der Bezugsperson seit deren Einreise in Österreich damit glaubhaft untermauert werden können, so wäre von einem aufrechten Familienleben der BF zur Bezugsperson auszugehen.

Gemäß § 11a Abs. 2 FPG sind Beschwerdeverfahren ohne mündliche Verhandlung durchzuführen und dürfen im Beschwerdeverfahren keine neuen Tatsachen oder Beweise vorgebracht werden, sodass in casu die belangte Behörde im fortgesetzten Verfahren die notwendigen Ermittlungsschritte zu setzen hat und spruchgemäß zu entscheiden war.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen. Nach Art. 133 Abs. 4 erster Satz B-VG idF BGBl. I Nr. 51/2012 ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

Im den vorliegenden Fall ist die ordentliche Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidungen nicht von der Lösung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung abhängt. Hinsichtlich der Einordnung des Sachverhaltes konnte sich das Bundesverwaltungsgericht auf eine ständige Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bzw. auf eine ohnehin klare Rechtslage stützen. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei obigen Erwägungen wiedergegeben.

Schlagworte

Behebung der Entscheidung Ermittlungspflicht Familienverfahren Kassation mangelnde Sachverhaltsfeststellung Rechtsanschauung des VwGH

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W144.2219194.1.00

Im RIS seit

14.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

14.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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