Entscheidungsdatum
30.09.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs2Spruch
W232 2234262-1/6E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin MMag. Simone BÖCKMANN-WINKLER als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Serbien, vertreten durch RA Mag. Stefan ERRATH, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.07.2020, Zl. 1182936806-190485553, zu Recht:
A)
In Erledigung der Beschwerde wird der bekämpfte Bescheid gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 09.07.2020 wurde gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen (Spruchpunkt I.), gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass gemäß § 46 FPG die Abschiebung der Beschwerdeführerin nach Serbien zulässig sei (Spruchpunkt II.), gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 8 FPG gegen die Beschwerdeführerin ein auf die Dauer von 5 Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.), gemäß § 55 Abs. 4 FPG festgestellt, dass eine Frist für die freiwillige Ausreise nicht bestehe (Spruchpunkt IV.) und gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde gegen diese Rückkehrentscheidung aberkannt (Spruchpunkt V.).
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl stellte zur Person der Beschwerdeführerin fest, dass sie als Ehegattin eines EWR-Bürgers über eine Aufenthaltskarte mit der Gültigkeit bis 05.04.2023 verfüge. Im Rahmen des Ermittlungsverfahrens sei festgestellt worden, dass es sich bei der Ehe um eine Scheinehe handeln würde. Die Beschwerdeführerin erfülle nicht die Voraussetzungen, um Ihr unionsrechtliches Aufenthaltsrecht gemäß § 51 ff NAG in Anspruch zu nehmen. Zu den Gründen für die Erlassung des Einreiseverbots wurde festgehalten, dass aufgrund der Tatsache, dass es sich bei der Ehe um eine Scheinehe handeln würde, sich die Beschwerdeführerin einen Aufenthaltstitel erschlichen habe. Ergo dessen befinde sie sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet. Ihr Aufenthalt gefährde die öffentliche Ordnung und Sicherheit.
2. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin mit Schreiben vom 14.07.2020 vollinhaltliche Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage der Beschwerde gegen den angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, der im Verfahren vorgelegten Dokumente, der Einsichtnahme in die bezughabenden Verwaltungsakten, sowie der Einsichtnahme in das Zentrale Melderegister, das Zentrale Fremdenregister und Strafregister werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:
1. Feststellungen:
Die Beschwerdeführerin führt die im Spruch angeführte Identität (Name und Geburtsdatum) und ist Staatsangehörige der Republik Serbien.
Die Beschwerdeführerin ehelichte am XXXX den ungarischen Staatsangehörigen XXXX , geb. XXXX , und stellte am 27.02.2018 den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltskarte für Angehörige eines EWR-Bürgers, welche ihr von der BH XXXX am 12.04.2018 ausgefolgt wurde und eine Gültigkeit bis 05.04.2023 aufweist.
Es kann nicht festgestellt werden, dass die besagte Ehe der Beschwerdeführerin geschieden/aufgelöst wurde und/oder die Beschwerdeführerin eine neue Ehe eingegangen ist.
2. Beweiswürdigung:
Die Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin, ihrer Eheschließung und der Erteilung einer Aufenthaltskarte ergeben sich unzweifelhaft aus dem vorliegenden Verwaltungs- bzw. Gerichtsakt.
Die Nichtfeststellbarkeit der Auflösung/Scheidung der Ehe der Beschwerdeführerin mit einem ungarischen Staatsangehörigen beruhen auf dem Vorbringen im Beschwerdeschriftsatz und dem Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl, wonach nichts auf die Auflösung/Scheidung der Ehe hinweist.
3. Rechtliche Beurteilung:
Gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen den Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit.
Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.
Da im vorliegenden Verfahren keine Entscheidung durch Senate vorgesehen ist, liegt gegenständlich Einzelrichterzuständigkeit vor.
Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.
Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.
Zu A)
3.1. Zur Stattgabe der Beschwerde:
Gemäß § 2 Abs. 4 Z 11 FPG 2005 gilt als begünstigter Drittstaatsangehöriger, der Ehegatte, eingetragene Partner, eigene Verwandte und Verwandte des Ehegatten oder eingetragenen Partners eines EWR-Bürgers oder Schweizer Bürgers oder Österreichers, die ihr unionsrechtliches oder das ihnen auf Grund des Freizügigkeitsabkommens EG-Schweiz zukommende Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen haben, in gerader absteigender Linie bis zur Vollendung des 21. Lebensjahres, darüber hinaus, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, sowie eigene Verwandte und Verwandte des Ehegatten oder eingetragenen Partners in gerader aufsteigender Linie, sofern ihnen Unterhalt tatsächlich gewährt wird, insofern dieser Drittstaatsangehörige den unionsrechtlich aufenthaltsberechtigten EWR-Bürger oder Schweizer Bürger, von dem sich seine unionsrechtliche Begünstigung herleitet, begleitet oder ihm nachzieht.
Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl geht in dem angefochtenen Bescheid vom 09.07.2020 davon aus, dass die Beschwerdeführerin mit ihrem Ehemann, einem ungarischen Staatsangehörigen, eine Ehe eingegangen ist, ohne die Absicht zu hegen mit diesem ein Familienleben zu führen. Dennoch hat die Beschwerdeführerin am 27.02.2018 einen Antrag auf Ausstellung einer Aufenthaltskarte unter Berufung auf die mit einem ungarischen Staatsangehörigen am XXXX geschlossene Ehe gestellt und wurde ihr als Ehegattin eines EWR-Bürgers eine Aufenthaltskarte mit der Gültigkeit bis 05.04.2023 erteilt.
Ehegatten von EWR-Bürgern, die ihr unionsrechtliches Aufenthaltsrecht in Anspruch genommen haben, kommt die Stellung als "begünstigter Drittstaatsangehöriger" iSd § 2 Abs. 4 Z 11 FrPolG 2005 zu; das gilt auch dann, wenn die Ehe als Aufenthaltsehe zu qualifizieren ist (vgl. E 7. April 2011, 2011/22/0005; B 14. April 2016, Ro 2016/21/0005) und zwar jedenfalls solange keine rechtskräftige Feststellung iSd § 54 Abs. 7 NAG 2005 vorliegt (vgl. VwGH 25.09.2017, Ra 2017/20/0293).
Gegen begünstigte Drittstaatsangehörige kann eine Rückkehrentscheidung nach § 52 FPG 2005 nicht erlassen werden. Es sind hier die Bestimmungen des vierten Abschnittes des achten Hauptstückes des FPG, die in § 66 und in § 67 aufenthaltsbeendende Maßnahmen (ua.) gegen begünstigte Drittstaatsangehörige (Ausweisung und Aufenthaltsverbot) regeln, einschlägig (vgl. VwGH 26.06.2019, Ra 2019/21/0115).
Ebenso kommt bei begünstigten Drittstaatsangehörigen die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach § 57 AsylG 2005 von vornherein nicht in Betracht, weil die gesamte Bestimmung des siebenten Hauptstückes gemäß § 54 Abs. 5 AsylG 2005 nicht für diese Personengruppe gilt (vgl. VwGH 13.11.2018, Ra 2018/21/0103).
Die Beschwerdeführerin als Staatsangehörige von Serbien, die mit einem EWR-Bürger verheiratet ist und der am 05.04.2018 mit der Gültigkeit bis 05.04.2023 eine Aufenthaltskarte „Angehöriger eines EWR-Bürgers“ ausgestellt wurde, hat – ungeachtet des Vorliegens einer Aufenthaltsehe – den Status der begünstigten Drittstaatsangehörigen iSd § 2 Abs. 4 Z 11 FPG 2005 erworben. Eine Feststellung iSd § 54 Abs. 7 NAG liegt gegenständlich nicht vor.
Der Ausspruch einer auf § 52 FPG 2005 gestützten Rückkehrentscheidung im gegenständlichen Fall erweist sich als unzulässig. Die Frage nach dem Bestehen eines unionsrechtlichen Aufenthaltes bzw. des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen ein begünstigter Drittstaatsangehöriger zu sein oder nach der Zulässigkeit einer Aufenthaltsbeendigung wäre bereits vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Hinblick auf die Beschwerdeführerin anhand des speziellen Regelungsregimes, das die Erlassung aufenthaltsbeendender Maßnahmen gegen unionsrechtlich aufenthaltsberechtigte EWR-Bürger, Schweizer Bürger und begünstigte Drittstaatsangehörige regelt, konkret anhand von §§ 66 oder 67 FPG 2005, zu prüfen gewesen (vgl. VwGH 18.06.2013, Zl. 2012/18/005 und 15.12.2015, Zl. Ra 2015/22/0078).
Aus den genannten Gründen erweist sich der angefochtene Bescheid schon vor einem weiteren Eingehen auf die Beschwerdegründe als inhaltlich rechtswidrig.
3.2. Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG kann eine mündliche Verhandlung unterbleiben, wenn der Sachverhalt aus der Aktenlage in Verbindung mit der Beschwerde geklärt erscheint oder sich aus den bisherigen Ermittlungen zweifelsfrei ergibt, dass das Vorbringen nicht den Tatsachen entspricht. Im Übrigen gilt § 24 VwGVG.
Da aufgrund der Aktenlage feststand, dass der mit Beschwerde angefochtenen Bescheid aufzuheben war, konnte gemäß § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG eine mündliche Verhandlung unterbleiben.
Zu B) Unzulässigkeit der Revision:
Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision gegen die gegenständliche Entscheidung ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des VwGH ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des VwGH auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
Schlagworte
Aufenthaltsehe Aufenthaltsrecht begünstigte Drittstaatsangehörige Behebung der Entscheidung Einreiseverbot aufgehoben Rechtswidrigkeit Rückkehrentscheidung behoben UnionsrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W232.2234262.1.00Im RIS seit
14.01.2021Zuletzt aktualisiert am
14.01.2021