TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/7 W280 2224630-1

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Veröffentlicht am 07.10.2020
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Entscheidungsdatum

07.10.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs2
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §50
FPG §52 Abs1 Z1
FPG §52 Abs9

Spruch

W280 2224630-1/17E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Wolfgang BONT über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX .02.195 XXXX , StA Serbien, vertreten durch RA Dr. Wolfgang WEBER gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX .09.2019, Zl. XXXX , zu Recht:

A)

Die Beschwerde wird hinsichtlich der Spruchpunkte II. und III. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Aufgrund einer anonymen Anzeige an eine Polizeidienststelle in XXXX im Mai 201 XXXX über den unrechtmäßigen Aufenthalt von XXXX , nachmalige XXXX , und nunmehrige Beschwerdeführerin (BF) wurde nach Durchführung einer fremdenpolizeilichen Kontrolle gegen diese eine aufenthaltsbeendende Maßnahme eingeleitet.

Ein im Oktober 201 XXXX beim Amt der XXXX gestellter Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß den Bestimmungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) wurde mit Bescheid vom XXXX .05.201 XXXX abgewiesen.

Eine seitens des BFA im Dezember 201 XXXX angeordneten Hauserhebung an der Hauptwohnsitzadresse der BF in XXXX , blieb erfolglos, an der Nebenwohnsitzadresse in XXXX , wurde den Erhebungsbeamten vom Unterkunftgeber sinngemäß mitgeteilt, dass Frau XXXX bereits seit einem Monat, sohin Jänner 201 XXXX nicht mehr an dieser Adresse aufhältig sei.

Am XXXX .08.201 XXXX wurde seitens der Landespolizeidirektion XXXX , Abteilung Fremdenpolizei, im Zuge einer Hauserhebung wegen einer möglichen Aufenthaltsehe an der Adresse XXXX , die BF angetroffen und Anzeige gemäß §§ 31 Abs. 1a, 31 Abs. 1 iVm. § 120 Abs. 1a FPG erstattet.

Nach niederschriftlicher Einvernahme erging am XXXX .09.201 XXXX , zugestellt am selben Tag, der beschwerdegegenständliche Bescheid der belangten Behörde mit dem ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 AsylG nicht erteilt (Spruchpunkt I.) und gegen die BF gem. § 10 Abs. 2 AsylG iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen wurde (Spruchpunkt II.). Gem. § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass eine Abschiebung gem. 46 FPG nach Serbien zulässig ist (Spruchpunkt III.) und gem. § 55 Abs. 1 bis 3 FPG die Frist für eine freiwillige Ausreise mit 2 (zwei) Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung festgesetzt (Spruchpunkt IV.).

Gegen den Bescheid der belangten Behörde wurde fristgerecht am XXXX .10.201 XXXX Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht erhoben, die sich gegen die Spruchpunkte II. und III. richtet. Darin wurde unter Darlegung der Beschwerdegründe beantragt, das BVwG möge den angefochtenen Bescheid dahingehend abändern, dass die gegen die BF ausgesprochenen Rückkehrentscheidung gem. § 52 Abs. 9 FPG für dauerhaft unzulässig erklärt wird und der Ausspruch über die Abschiebung nach Serbien aufgehoben wird, in eventu den Bescheid gemäß § 28 Abs. 3 VwGVG hinsichtlich der angefochtenen Spruchpunkte beheben und zur neuerlichen Verhandlung an das BFA zurückzuverweisen, in eventu eine öffentliche mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) anzuberaumen.

Die gegenständliche Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt wurde dem Bundesverwaltungsgericht am XXXX .10.201 XXXX , eingelangt am XXXX .10.201 XXXX , von der belangten Behörde vorgelegt und beantragt die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

Mit Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses vom XXXX .03.2020 wurde die gegenständliche Rechtssache einer anderen Gerichtsabteilung zugewiesen.

Nach Wechsel der Vertretungsvollmacht wurde seitens der BF am XXXX .08.2020 wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch das BVwG ein Fristsetzungsantrag gemäß § 38 VwGG an den Verwaltungsgerichtshof (VwGH) gestellt.

Mit Verfahrensleitender Anordnung vom XXXX . August 2020, beim BVwG eingelangt am XXXX .08.2020 wurde dem BVwG aufgetragen, binnen drei Monaten eine Entscheidung zu erlassen.

Am XXXX .09.2020 fand vor dem BVwG eine mündliche Verhandlung statt.

I. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Die am XXXX .02.195 XXXX in XXXX in Serbien geborene BF ist Staatsangehörige der Republik Serbien und somit Drittstaatsangehörige im Sinne des § 2 Abs. 4 Zif 10 FPG. Ihr bei der niederschriftlichen Einvernahme durch die belangte Behörde einbehaltene Reisepass ist am 25.12.2019 abgelaufen. Ihre Identität steht fest.

Die BF besuchte in Serbien 8 Jahre die Pflichtschule und wuchs bei ihren Großeltern auf. In Folge der Pflege ihrer Großeltern erlernte die BF keinen Beruf, hat jedoch durch die Anmeldung zur Landwirtschaftlichen Pensionsversicherung und Einzahlung der Beiträge durch deren Eltern in ihrem Herkunftsstaat einen Pensionsanspruch in Höhe von ca. EUR XXXX erworben. In Österreich bezieht die BF eine Alterspension in Höhe von EUR XXXX .

Aus der ersten - nach 35 Jahren geschiedenen - Ehe der BF stammen eine nunmehr 47 Jahre alte Tochter, sowie ein nunmehr 43 Jahre alter Sohn. Die Tochter, die von Beruf Kindergärtnerin ist, wohnt mit deren Mann und deren zwei Kinder in einem Einfamilienhaus im Geburtsort der BF. Der Sohn, der in einer Fabrik arbeitet, wohnt im Haus seiner Großeltern. Seitens der BF besteht kein Kontakt zu ihrem Sohn, der zusammen mit ihrem geschiedenen Mann im selben Haus wohnt. Zur Tochter besteht gelegentlich ein Kontakt.

Nach der Erkrankung Ihrer in Österreich aufhältigen Eltern pendelte die BF zwischen 2010 und 2012 zwischen Serbien und Österreich. Seit 2012 ist die BF durchgängig im Bundesgebiet aufhältig. Der Vater der BF verstarb am XXXX .10.201 XXXX , die Mutter am XXXX .06.201 XXXX . Bis 2012 lag der Lebensmittelpunkt der BF in ihrem Herkunftsstaat.

Der Antrag der BF auf Erteilung eines Aufenthaltstitels für den Zweck „ausgenommen Erwerbstätigkeit“ nach den Bestimmungen des NAG wurde von der zuständigen Behörde am XXXX .05.201 XXXX rechtskräftig abgewiesen.

Am XXXX .08.201 XXXX heiratete die BF den österreichischen Staatsbürger XXXX . Behördliche Meldungen an der Adresse ihres Ehemannes existieren für den Zeitraum XXXX .07.201 XXXX bis XXXX .09.201 XXXX (Hauptwohnsitz), für den Zeitraum XXXX .10.201 XXXX bis XXXX .05.201 XXXX (Nebenwohnsitz) und für den Zeitraum ab XXXX .05.201 XXXX (Hauptwohnsitz).

Ein neuerlicher Antrag der BF vom XXXX .10.201 XXXX auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach den Bestimmungen des NAG („Familienangehöriger“) wurde von der zuständigen Behörde am XXXX .06.202 XXXX mit Bescheid abgewiesen.

Die BF hat keine Sorgepflichten. Die BF geht in Österreich keiner Beschäftigung nach. Es gibt keine gemeinsamen wirtschaftlichen Anschaffungen mit ihrem Ehemann. Ihr Lebensunterhalt wird von diesem bestritten.

Die BF verfügt über keinen Freundeskreis in Österreich. Es sind auch keine weitergehenden sozialen oder integrativen Aktivitäten feststellbar. Die BF weist keine Kenntnisse der deutschen Sprache auf. Die BF spricht mit ihrem Mann serbisch.

Es steht fest, dass der BF keine gravierenden Gesundheitsbeschwerden hat.

Im Strafregister der Republik Österreich scheinen keine weiteren Verurteilungen auf.

Gründe, die einer Rückführung in den Herkunftsstaat entgegengestanden hätten, liegen nicht vor.

2. Beweiswürdigung:

Der oben unter Punkt I angeführte Verfahrensgang sowie die Feststellungen zur Identität und zur Staatsangehörigkeit der BF ergibt sich aus dem Akteninhalt des vorgelegten Verwaltungsaktes des BFA und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes.

Die Feststellungen betreffend die persönlichen, familiären, finanziellen und wirtschaftlichen Verhältnisse und Lebensumstände der BF in Serbien und in Österreich beruhen auf den Angaben der BF bei ihrer niederschriftlichen Befragung, deren Angaben in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG sowie den vorgelegten Unterlagen (Heiratsurkunde, Verständigung der Pensionsversicherungsanstalt).

Die Feststellungen zu ihrem Aufenthalt im Bundesgebiet und der dieser zugrundeliegenden Motivation ergibt sich aus den Angaben der BF vor der belangten Behörde sowie gegenüber dem erkennenden Gericht, jener über die behördlichen Meldungen an der Adresse ihres Ehemannes aus der amtlicherseits eingeholten Melderegisterabfrage.

Die Abweisung von Aufenthaltstiteln nach dem NAG ergeben sich aus dem vorgelegten Verfahrensakt sowie aus der von der BF im Beschwerdeverfahren vorgelegten Ablichtung eines diesbezüglichen Bescheides. Vor diesem Hintergrund ist die Rechtfertigung der BF, dass niemand sie über die Ablehnung informiert hätte, weder glaubhaft noch rechtlich relevant.

Die Feststellungen zur Tragung des Lebensunterhaltes, der Kenntnisse der deutschen Sprache und dem Fehlen von sozialen und integrativen Aktivitäten beruhen auf den Angaben der BF bei deren niederschriftlichen Einvernahme vor der belangten Behörde sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem BVwG.

Dass keine Verurteilungen im Strafregister der Republik aufscheinen entspricht dem Amtswissen des Bundesverwaltungsgerichtes durch Einsicht in dieses.

Dass die BF keine gravierenden gesundheitlichen Probleme hat beruht auf ihren Angaben vor der belangten Behörde und dem Gericht.

Die Feststellung betreffend die Zulässigkeit der Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Serbien beruht darauf, dass der BF weder vor der belangten Behörde noch in der Beschwerde substantiierte Angaben getätigt hat, die eine solche in Zweifel ziehen würden und geeignet gewesen wären eine rechtliche oder tatsächliche Unmöglichkeit der Abschiebung anzunehmen. Auch sind keine Anhaltspunkte dahingehend hervorgekommen, dass die Abschiebung gemäß § 46 FPG aus von dem BF zu vertretenden Gründen nicht möglich wäre (§ 52 Abs. 9 FPG).

3. Rechtliche Beurteilung:

Gemäß § 9 Abs. 2 FPG und § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA.

Da sich die gegenständliche - zulässige und rechtzeitige - Beschwerde gegen einen Bescheid des BFA richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte (mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes) ist durch das VwGVG, BGBl. I Nr. 33/2013, geregelt (§ 1 leg.cit.). Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung – BAO, BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes – AgrVG, BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 – DVG, BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem, dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen, Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A)

Zur Rückkehrentscheidung sowie zur Zulässigkeit der Abschiebung nach Serbien (Spruchpunkt II. und III. des angefochtenen Bescheides):

Die BF reiste im Zeitraum 2010 erstmals zum Zwecke der Pflege ihres damals erkrankten und in Österreich wohnhaften Vaters in das Bundesgebiet ein und pendelte folglich zwischen ihrem Herkunftsstaat und Österreich bis 2012. Seitdem hält sie sich durchgängig in Österreich auf.

Die BF brachte in Österreich zwei Anträge auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem NAG ein. Der erste Antrag wurde im zweiten Verfahrensgang von der belangten Behörde am XXXX .05.201 XXXX rechtskräftig abgewiesen. Ein neuerlicher Antrag vom 08.10.2019 wurde von der zuständigen Behörde am XXXX .06.202 XXXX bescheidmäßig abgewiesen.

Es ist somit der von der belangten Behörde vertretenen Ansicht beizutreten, dass sich die BF zum Zeitpunkt der Erlassung der Rückkehrentscheidung nicht rechtmäßig in Österreich aufgehalten hat.

Gemäß § 52 Abs. 1 FPG hat das BFA gegen einen Drittstaatsangehörigen mit Bescheid eine Rückkehrentscheidung zu erlassen, wenn er sich nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufhält (Zif 1) oder nicht rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten hat und das Rückkehrentscheidungsverfahren binnen sechs Wochen ab Ausreise eingeleitet wurde (Zif 2).

Die belangte Behörde hat im angefochtenen Bescheid die Rückkehrentscheidung aufgrund des oben angeführten nicht rechtmäßigen Aufenthalts der Beschwerdeführerin zutreffend auf § 52 Abs. 1 Zif 1 FPG gestützt.

Gemäß § 52 Abs. 9 FPG ist mit einer Rückkehrentscheidung gleichzeitig festzustellen, ob die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen gemäß § 46 in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung des Drittstaates, in den der Drittstaatsangehörige abgeschoben werden soll, aus vom Drittstaatsangehörigen zu vertretenden Gründen nicht möglich ist.

Wird durch eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG, eine Anordnung zur Außerlandesbringung gemäß § 61 FPG, eine Ausweisung gemäß § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot gemäß § 67 FPG in das Privat- oder Familienleben des Fremden eingegriffen, so ist die Erlassung der Entscheidung zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist (§ 9 Abs. 1 BFA-VG).

Gemäß Art. 8 Abs. 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Gemäß Art. 8 Abs. 2 EMRK ist der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft, insoweit dieser Eingriff gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG insbesondere zu berücksichtigen die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt des Fremden rechtswidrig war (Zif 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Zif 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Zif 3), der Grad der Integration (Zif 4), die Bindungen zum Heimatstaat des Fremden (Zif 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Zif 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Zif 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben des Fremden in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Zif 8), und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes des Fremden in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Zif 9).

Über die Zulässigkeit der Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist jedenfalls begründet, insbesondere im Hinblick darauf, ob diese gemäß Abs. 1 auf Dauer unzulässig ist, abzusprechen. Die Unzulässigkeit einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG ist nur dann auf Dauer, wenn die ansonsten drohende Verletzung des Privat- und Familienlebens auf Umständen beruht, die ihrem Wesen nach nicht bloß vorübergehend sind. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG schon allein auf Grund des Privat- und Familienlebens im Hinblick auf österreichische Staatsbürger oder Personen, die über ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht oder ein unbefristetes Niederlassungsrecht (§ 45 oder §§ 51 ff NAG) verfügen, unzulässig wäre (§ 9 Abs. 3 BFA-VG).

Die Beurteilung, ob die Erlassung einer Rückkehrentscheidung einen unverhältnismäßigen Eingriff in die nach Art. 8 EMRK geschützten Rechte eines Fremden darstellt, hat nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles stattzufinden. Dabei muss eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an einer Aufenthaltsbeendigung mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen des Fremden, insbesondere unter Berücksichtigung der in § 9 Abs. 2 BFA-VG genannten Kriterien und unter Einbeziehung der sich aus § 9 Abs. 3 BFA-VG ergebenden Wertungen, in Form einer Gesamtbetrachtung vorgenommen werden (vgl. etwa VwGH 29.03.2019, Ra 2018/18/0539).

Die BF ist seit XXXX .08.201 XXXX mit dem österreichischen Staatsangehörigen XXXX verheiratet, mit dem sie seit 201 XXXX in einer Beziehung lebt und an dessen Wohnadresse seit XXXX .07.201 XXXX auch durchgehend behördlich gemeldet ist.

Die Rückkehrentscheidung greift sohin in das Familienleben der BF ein. Bei der nach § 9 BFA-VG gebotenen Abwägung ist zu berücksichtigen, dass sie ein erhebliches Interesse an einem Verbleib in Österreich hat, da hier ihr Ehemann, der österreichischer Staatsangehöriger ist, hier lebt und mit dem sie eine Haushalts- und Ehegemeinschaft führt.

Ihrem Interesse an einer Fortsetzung dieses Familienlebens steht das große öffentliche Interesse an der Einhaltung fremdenrechtlicher Vorschriften gegenüber.

Das Gewicht des Familienlebens der BF wird gemäß § 9 Abs. 2 Zif 8 BFA-VG dadurch relativiert, dass es zu einem Zeitpunkt entstand, zu dem ihr ihr unsicherer Aufenthaltsstatus bekannt war, zumal sie nie über eine die erlaubte visumfreie Aufenthaltsdauer übersteigende Aufenthaltserlaubnis in Österreich verfügte. Der BF musste bewusst sein, dass ihr Aufenthalt in Österreich – verbunden mit der Begründung eines Familienlebens mit ihrem Ehegatten (Heirat am XXXX .08.201 XXXX ) – im Hinblick auf den nur 90-tägigen visumfreien Aufenthalt in Österreich innerhalb eines Halbjahreszeitraumes und ohne eine darüber hinausgehende Aufenthaltsberechtigung nur ein vorübergehender ist, wo doch ihr erster Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels im zweiten Verfahrensgang bereits ein Jahr zuvor ( XXXX .05.201 XXXX ) abgewiesen worden war.

In der gegenständlichen Beschwerde wird vorgebracht, der Ehegatte der BF sei pflegebedürftig und auf deren Unterstützung angewiesen. Dazu ist auszuführen, dass während des gesamten Verfahrens nicht substantiiert dargelegt wurde, warum die Pflege des Ehegatten unbedingt durch die Beschwerdeführerin geleistet werden müsste. So wurden weder ärztliche Atteste oder dergleichen vorgelegt, die belegen würden, dass eine Pflege durch die Beschwerdeführerin unabdingbar wäre noch wurde der Antrag auf Zuerkennung von Pflegegeld respektive das Bestehen eines Anspruches auf Pflegegeld und damit der Nachweis der Notwendigkeit einer Pflege dargetan.

Im vorliegenden Fall würde sich daher eine zeitweilige Trennung der Beschwerdeführerin und ihres Ehegatten ergeben. Eine Trennung von einem österreichischen oder in Österreich dauerhaft niedergelassenen Ehepartner alleine wegen eines unrechtmäßigen Aufenthaltes ist nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht verhältnismäßig. Eine solche Trennung ist im Ergebnis nur dann gerechtfertigt, wenn dem öffentlichen Interesse an der Vornahme einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme insgesamt ein sehr großes Gewicht beizumessen ist, wie etwa bei Straffälligkeit des Fremden oder bei einer von Anfang an beabsichtigten Umgehung der Regelungen über eine geordnete Zuwanderung und den „Familiennachzug“ (VwGH 23.03.2017, Ra 2016/21/0199).

Da die Beschwerdeführerin ohne Aufenthaltstitel in das Bundesgebiet einreiste, die Ehe mit ihrem Ehemann zu einem Zeitpunkt eingegangen ist, obwohl ihr Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels zuvor abgewiesen worden war und sie wusste, dass sie sich nur während der zulässigen visumfreien Aufenthaltsdauer in Österreich aufhalten durfte, liegt eine von Anfang an beabsichtigte Umgehung der Regelungen über den Familiennachzug vor.

In dieser Konstellation führt auch eine aufrechte Ehe mit einem österreichischen Staatsbürger nicht dazu, dass unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 EMRK von einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme Abstand genommen und akzeptiert werden muss. Die BF hat mit ihrem Verhalten letztlich versucht, in Bezug auf ihren Aufenthalt in Österreich vollendete Tatsachen zu schaffen (vgl. dazu etwa VwGH 18.10.2012, 2011/23/0503).

Hinsichtlich der Fortsetzung des Familienlebens mit ihrem Ehegatten nach einer Rückkehr der BF in den Herkunftsstaat ist auszuführen, dass keine hinreichenden Anhaltspunkte dahingehend vorliegen, dass es dem Ehegatten als österreichischen Staatsangehörigen allenfalls nicht möglich oder zumutbar wäre, den familiären Kontakt mit der BF über diverse Kommunikationsmittel (etwa über das Internet oder Telefon) oder durch regelmäßige wechselseitige Besuche im Herkunftsstaat bzw. der BF in Österreich während der Dauer des erlaubten visumfreien Aufenthalts aufrechtzuerhalten. Dies umso mehr, als der Ehemann der BF selbst serbischer Abstammung ist, der serbischen Sprache mächtig ist und sich die Ehepartner auch in Österreich in dieser Sprache unterhalten.

Was die privaten Lebensumstände der Beschwerdeführerin in Österreich betrifft, wird zwar nicht verkannt, dass sich die Beschwerdeführerin bereits seit 2012 durchgängig in Österreich aufhält, diese jedoch in Österreich nie einer Erwerbstätigkeit nachgegangen ist, keine sozialen Kontakte abseits des Ehelebens aufgebaut hat, der deutschen Sprache nicht mächtig ist und sohin im Ergebnis keine maßgeblichen Hinweise auf eine zum Entscheidungszeitpunkt vorliegende, berücksichtigungswürdige besondere Integration der Beschwerdeführerin vorliegen.

Bei der BF ist davon auszugehen, dass diese - auch wenn sie die letzten 8 Jahre in Österreich gelebt hat - nach wie vor eine starke Bindung zu ihrem Herkunftsstaat hat. Neben dem Faktum, dass sie 55 Jahre ihres Lebens in Serbien verbracht hat, dort 35 Jahre verheiratet war, ihre Kinder und deren Familien dort leben, zeugen nicht zuletzt die mangelnden Sprachkenntnisse und das Fehlen sozialer Integration hiervon.

Die BF ist mit den Gepflogenheiten in Serbien vertraut und hat familiäre Anknüpfungspunkte, darunter ihre zwei erwachsenen Kinder und deren Familien, und verfügt über einen Pensionsanspruch. Somit wird es ihr insgesamt möglich sein, sich wieder in die dortige Gesellschaft zu integrieren.

Die strafrechtliche Unbescholtenheit der Beschwerdeführerin vermag weder ihr persönliches Interesse an einem Verbleib in Österreich zu verstärken noch das öffentliche Interesse an der aufenthaltsbeendenden Maßnahme entscheidend abzuschwächen (vgl. VwGH 19.04.2012, 2011/18/0253). Abgesehen vom nicht rechtmäßigen Aufenthalt der Beschwerdeführerin liegen keine Verstöße gegen die öffentliche Ordnung vor, ebensowenig den Behörden zurechenbare überlange Verfahrensverzögerungen.

Unbeachtlich der erfolgten Abweisung des von der BF (unzulässiger Weise im Inland) zuletzt gestellten zweiten Antrags auf Erteilung eines Aufenthaltstitels besteht nach wie vor die Möglichkeit, erneut nach den Bestimmungen des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes (NAG) einen Aufenthaltstitel zu beantragen. Dazu ist festzuhalten, dass keine Umstände hervorgekommen sind, weshalb es der BF nicht möglich sein sollte, zur Erlangung eines längerfristigen Aufenthalts in Österreich gerade zum Zweck der Familiengemeinschaft mit ihrem Ehegatten einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels nach dem NAG zu stellen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass ein solcher Antrag grundsätzlich auch im Falle einer durchsetzbaren Rückkehrentscheidung gestellt werden kann, nachdem der Fremde seiner Ausreiseverpflichtung freiwillig nachgekommen ist (§ 11 Abs. 1 Z 3 NAG). Der Umstand, dass eine solche Antragstellung nachweis-, gebühren- und allenfalls auch quotenpflichtig ist, vermag daran nichts zu ändern, da auch eine Antragstellung nach den Bestimmungen des Asylgesetzes mit einer von Anfang an beabsichtigen Umgehung der Bestimmungen des NAG als missbräuchlich anzusehen wäre.

Den teilweise, wie oben ausgeführt, zu relativierenden familiären und privaten Interessen der BF an einem weiteren Aufenthalt in Österreich stehen die öffentlichen Interessen an einem geordneten Fremdenwesen gegenüber. Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes kommt den Normen, die die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regeln, aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu (vgl. etwa VwGH 15.12.2015, Ra 2015/19/0247; 07.09.2016, Ra 2016/19/0168).

Das beharrliche unrechtmäßige Verbleiben eines Fremden im Bundesgebiet bzw. ein länger dauernder unrechtmäßiger Aufenthalt stellt eine gewichtige Gefährdung der öffentlichen Ordnung im Hinblick auf die Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens dar, was wiederum eine aufenthaltsbeendende Maßnahme gegen den Fremden als dringend geboten erscheinen lässt (vgl. VwGH 31.10.2002, 2002/18/0190). Die Voraussetzungen dafür liegen im gegenständlichen Fall vor.

Nach Maßgabe einer Interessenabwägung im Sinne des § 9 BFA-VG ist die belangte Behörde somit im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass das öffentliche Interesse an der Beendigung des Aufenthalts im Bundesgebiet das persönliche Interesse am Verbleib in Österreich überwiegt und daher durch die angeordnete Rückkehrentscheidung eine Verletzung des Art. 8 EMRK nicht vorliegt. Auch sonst sind keine Anhaltspunkte hervorgekommen und auch in der Beschwerde nicht substantiiert vorgebracht worden, welche im gegenständlichen Fall eine Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig erscheinen ließen. Da eine Rückkehrentscheidung nicht auf Dauer unzulässig ist, kommt die Erteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 55 AsylG 2005 nicht in Betracht.

Schließlich sind im Hinblick auf die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid gemäß § 52 Abs. 9 iVm. § 50 FPG getroffene Feststellung keine konkreten Umstände dahingehend hervorgekommen, dass die Abschiebung in den Herkunftsstaat unzulässig wäre. Derartiges wurde auch in der gegenständlichen Beschwerde nicht substantiiert behauptet.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Konkrete Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung sind weder in der gegenständlichen Beschwerde vorgebracht worden noch im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht hervorgekommen. Die oben in der rechtlichen Beurteilung angeführte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist zwar teilweise zu früheren Rechtslagen ergangen, sie ist jedoch nach Ansicht des erkennenden Gerichtes auf die inhaltlich meist völlig gleichlautenden Bestimmungen der nunmehr geltenden Rechtslage unverändert übertragbar.

Schlagworte

Familienleben illegaler Aufenthalt Interessenabwägung öffentliches Interesse Rückkehrentscheidung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W280.2224630.1.00

Im RIS seit

14.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

14.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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