TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/13 W221 2206812-3

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Veröffentlicht am 13.10.2020
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Entscheidungsdatum

13.10.2020

Norm

AsylG 2005 §3 Abs3 Z2
BFA-VG §18 Abs1 Z2
BFA-VG §18 Abs5
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W221 2206812-3/4E
W221 2235894-1/4E

TEILERKENNTNIS

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag. Daniela URBAN, LL.M. als Einzelrichterin über die Beschwerde 1.) der XXXX , geb. XXXX , StA. Iran und 2.) des mj. XXXX , geb. XXXX , StA: ungeklärt, beide vertreten durch RA Dr. Klammer, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl jeweils vom 21.09.2020, Zlen. 1.) 1049141205-191106054 und 2.) 1250700904/191104221, zu Recht:

A)

Der Beschwerde gegen Spruchpunkt IX. des angefochtenen Bescheides mit der Zl. 1049141205-191106054 und gegen Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides mit der Zl. 1250700904/191104221 wird Folge gegeben und dieser ersatzlos behoben. Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG wird der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuerkannt.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Die Erstbeschwerdeführerin reisten am 09.05.2015 legal mittels eines Visums in Österreich ein.

Mit Bescheid vom 14.09.2015 wurde ihr gemäß § 3 iVm § 34 Abs. 2 AsylG der Status einer Asylberechtigten im Familienverfahren zuerkannt. Dieser Bescheid erwuchs mit 02.10.2015 in Rechtskraft.

Im Juni 2018 wurde die Erstbeschwerdeführerin vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels zu einer Freiheitstrafe in der Dauer von acht Monaten verurteilt, wobei ein Strafteil von sieben Monaten unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde.

Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 31.01.2019, ZI. 1049141205-180402081, wurde der Erstbeschwerdeführerin der Status der Asylberechtigten nach § 7 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 aberkannt, kein subsidiärer Schutz zuerkannt, ein Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG 2005 nicht erteilt, eine Rückehrentscheidung erlassen, die Abschiebung in den Iran für zulässig erklärt und eine vierzehntägige Frist zur freiwilligen Ausreise gestellt.

Das Bundesverwaltungsgericht wies die dagegen erhobene Beschwerde mit Erkenntnis vom 08.05.2019, ZI. W224 2206812-2/4E, als unbegründet ab.

Am 26.09.2019 wurde der Zweitbeschwerdeführer in Innsbruck als Kind der Erstbeschwerdeführerin geboren.

Am XXXX stellten die Beschwerdeführer einen (weiteren) Antrag auf internationalen Schutz.

Mit im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurden die Anträge der Beschwerdeführer nach Durchführung einer Einvernahme am 27.02.2020 bezüglich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten in Spruchpunkt I. gemäß § 3 Abs. 3 Z 2 iVm § 2 Z 13 und § 6 Abs. 1 Z 4 AsylG 2005 sowie bezüglich der Zuerkennung des Status von subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Iran in Spruchpunkt II. gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 bzw. Abs. 6 leg.cit. ab. Weiters erteilte das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Beschwerdeführern keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 leg.cit. (Spruchpunkt III.), erließ gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 leg.cit. iVm § 9 BFA-VG ihnen gegenüber eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG (Spruchpunkt IV.) und stellte gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung der Erstbeschwerdeführerin nach Iran gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt V.). Zudem erließ das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl über die Erstbeschwerdeführerin gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von fünf Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt VI.). Zudem sprach das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass einer Beschwerde gegen diese Entscheidung gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt werde (Spruchpunkt IX. bei der Erstbeschwerdeführerin und Spruchpunkt VI. beim Zweitbeschwerdeführer) und dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für die freiwillige Ausreise bestünde.

Zur Begründung von Spruchpunkt IX. bzw. VI. führt das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aus, dass mit der strafgerichtlichen Verurteilung der Erstbeschwerdeführerin wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels schwerwiegende Gründe für die Rechtfertigung der Annahme vorliegen würden, dass die Erstbeschwerdeführerin eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung sei. Hinsichtlich des Zweitbeschwerdeführers wird ausgeführt, dass angesichts der Tatsache, dass eine Außerlandesbringung nur gemeinsam mit der Mutter möglich sei, diesbezüglich gleiche Voraussetzungen zu schaffen gewesen seien. Aufgrund der von ihr ausgehenden Gefährdung sei eine unmittelbare Beendigung des Aufenthalts der Erstbeschwerdeführerin erforderlich.

Gegen diese Bescheide richtet sich die fristgerecht beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl eingebrachte Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. In der Beschwerde wird beantragt, dieser die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat über die zulässige Beschwerde erwogen:

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist. Da weder im BFA-VG noch im AsylG 2005 eine Senatsentscheidung vorgesehen ist, liegt in der vorliegenden Rechtssache Einzelrichterzuständigkeit vor.

Nach § 28 Abs. 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist. Gemäß § 31 Abs. 1 leg.cit. erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist.

Zu A) Stattgabe der Beschwerde gegen Spruchpunkt IX. des angefochtenen Bescheides und Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung:

Gemäß § 18 Abs. 1 Z 2 BFA-VG kann das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl einer Beschwerde gegen eine abweisende Entscheidung über einen Antrag auf internationalen Schutz die aufschiebende Wirkung aberkennen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass der Asylwerber eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung darstellt.

Gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG hat das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde, der die aufschiebende Wirkung vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl aberkannt wurde, binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde von Amts wegen die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, wenn anzunehmen ist, dass eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK, Art. 8 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde. In der Beschwerde gegen den in der Hauptsache ergangenen Bescheid sind die Gründe, auf die sich die Behauptung des Vorliegens einer realen Gefahr oder einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit gemäß Satz 1 stützt, genau zu bezeichnen.

Ein Ablauf der Frist nach Abs. 5 steht der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht entgegen (§ 18 Abs. 6 BFA-VG).

In seinem Erkenntnis vom 20.09.2017, Ra 2017/19/0284, hielt der Verwaltungsgerichtshof fest, dass das Bundesverwaltungsgericht gemäß § 18 Abs. 5 erster Satz BFA-VG der Beschwerde die aufschiebende Wirkung unter den dort genannten Voraussetzungen zuzuerkennen habe. Ein gesonderter Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung sei in § 18 Abs. 5 BFA-VG nicht vorgesehen. Im Rahmen des § 18 BFA-VG könne sich ein Beschwerdeführer in seiner Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht gegen den Ausspruch des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl über die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 18 Abs. 1 BFA-VG wenden. § 18 Abs. 5 BFA-VG sei – als lex specialis zu § 13 Abs. 5 VwGVG – nur so zu lesen, dass das Bundesverwaltungsgericht über eine Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nach § 18 Abs. 1 BFA-VG (bzw. gegen einen derartigen trennbaren Spruchteil eines Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl) gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG binnen einer Woche ab Vorlage der Beschwerde zu entscheiden habe. Eine Entscheidung über den die aufschiebende Wirkung aberkennenden Spruchpunkt des angefochtenen Bescheides habe in Form eines (Teil-)Erkenntnisses zu erfolgen.

Die Beschwerdeführer wenden sich in ihrer Beschwerde gegen sämtliche Spruchpunkte des angefochtenen Bescheides wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften. Dabei führt begründend aus, ihr drohe Verfolgung durch ihre Familie und durch staatliche Behörden, weil weder ihre Familie in Iran noch ihr Vater in Wien wüssten, dass sie von einem Afghanen unverheiratet ein Kind geboren habe. Als alleinerziehende Mutter könne sie im Iran nicht überleben.

Mit dem dargelegten Vorbringen zeigen die Beschwerdeführer Umstände auf, die vorderhand ein maßgebliches Risiko einer Verletzung ihrer Rechte nach Art. 3 EMRK im Falle einer Überstellung nach Iran nahelegen können. Ob eine entsprechende reale Gefahr vorliegt, wird erst durch eine Überprüfung der Glaubhaftigkeit der Aussagen der Erstbeschwerdeführerin unter Berücksichtigung des Länderberichtsmaterials zur Lage in Iran nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu beurteilen sein. In diesem Sinne hat der Beschwerde gegen den Bescheid der belangten Behörde die aufschiebende Wirkung zuzukommen. Nur der Vollständigkeit halber sei angemerkt, dass hinsichtlich des Zweitbeschwerdeführers die Voraussetzungen zur Aberkennung der aufschiebenden Wirkung nicht vorliegen würden, weil er als Kleinkind keine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit darstellt. Im Familienverfahren darf das Fehlverhalten eines Familienmitgliedes nicht auf andere (verfahrensrechtlich) durchschlagen darf, sofern diese nicht dafür mitverantwortlich sind (vgl. Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht (2016) K3 zu § 18 BFA-VG). Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl hat auch nicht berücksichtigt, dass sich noch der Vater des Zweitbeschwerdeführers in Österreich befindet.

Der die aufschiebende Wirkung der Beschwerde aberkennende Spruchpunkt IX. bzw. Spruchpunkt VI. der angefochtenen Bescheide ist aus diesem Grund mittels vorliegendem Teilerkenntnis ersatzlos zu beheben und der Beschwerde gemäß § 18 Abs. 5 BFA-VG vom Bundesverwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

Soweit sich die Beschwerde gegen die übrigen Spruchpunkte der angefochtenen Bescheide richtet, wird darüber nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung entschieden werden.

Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung konnte zur Beurteilung der Frage der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG entfallen.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

aufschiebende Wirkung aufschiebende Wirkung - Entfall Behebung der Entscheidung ersatzlose Teilbehebung Spruchpunktbehebung Teilerkenntnis Teilstattgebung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W221.2206812.3.00

Im RIS seit

14.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

14.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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