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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AufG 1992 §5 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Puck und die Hofräte Dr. Zens und Dr. Schick als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Kopp, über die Beschwerde des H in W, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. März 1997, Zl. 119.025/2-III/11/96, betreffend Aufenthaltsbewilligung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Der Beschwerdeführer stellte im Oktober 1995 beim Magistrat der Stadt Wien einen Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung. Der Landeshauptmann von Wien wies diesen Antrag gemäß § 6 Abs. 2 des Aufenthaltsgesetzes (AufG) ab. Die dagegen erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 19. März 1997 gemäß § 5 Abs. 1 AufG iVm § 10 Abs. 1 Z. 6 des Fremdengesetzes (FrG) abgewiesen.
Begründend führte der Bundesminister für Inneres aus, der Beschwerdeführer habe in seiner Berufung gegen die Beurteilung der ersten Instanz im wesentlichen eingewendet, daß er mit einem Touristensichtvermerk, gültig vom 13. September 1995 bis 13. Oktober 1995, ins Bundesgebiet eingereist sei. Am 20. Oktober 1995 habe er persönlich den Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung eingebracht. Eine ortsübliche Unterkunft sowie ein ausreichender Unterhalt lägen vor. Die Eltern und der Bruder des Beschwerdeführers hielten sich in Österreich auf.
Gemäß § 6 Abs. 2 AufG sei der Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung vor der Einreise nach Österreich vom Ausland aus zu stellen. Der Antrag auf Verlängerung könne auch im Inland eingebracht werden. Der Beschwerdeführer habe seinen Antrag bei der österreichischen Botschaft in Budapest eingebracht. Diese - richtigerweise - im Ausland beantragte Aufenthaltsbewilligung sei jedoch nicht zu erteilen, wenn der Antragsteller das Verfahren nicht im Ausland abwarte. Der Beschwerdeführer sei lediglich zur Antragstellung ausgereist, um hernach wieder ins österreichische Bundesgebiet einzureisen. Seitdem halte er sich gemäß § 15 FrG illegal im Bundesgebiet auf (Schulbesuchsbestätigung vom 14. November 1996, Externistenzeugnis vom 7. November 1996).
Der Beschwerdeführer sei nach der auf seinen eigenen Angaben beruhenden Aktenlage mit einem Touristensichtvermerk eingereist und wolle seinen damit begonnenen Aufenthalt mit dem vorliegenden Antrag auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung verlängern.
Bei der Beurteilung des Antrages des Beschwerdeführers sei zusätzlich maßgeblich, daß § 5 Abs. 1 AufG zwingend die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ausschließe, wenn ein Sichtvermerksversagungsgrund im Sinne des Fremdengesetzes vorliege. Nach § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG liege ein solcher vor, wenn der Sichtvermerk zeitlich an einen Touristensichtvermerk anschließen oder nach sichtvermerksfreier Einreise erteilt werden solle.
Im Hinblick auf die Erkenntnisse des Verfassungsgerichtshofes vom 1. Juli 1993, B 338/93 und B 445/93, erübrige sich das Eingehen auf eventuelle private und familiäre Interessen, da das "Vorliegen des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG" einen zulässigen Eingriff in das durch Art. 8 MRK geschützte Grundrecht darstelle.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes sowie Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden. Soweit die belangte Behörde die Antragstellung vom Ausland mit einer widerrechtlichen Wiedereinreise nach Österreich in Verbindung bringe, lägen keine amtlichen Feststellungen über diese Wiedereinreise vor. Ein kurzfristiger legaler Aufenthalt zum Besuch der Eltern des Beschwerdeführers und zum gleichzeitigen Besuch eines Sprachkurses könne nicht als illegal qualifiziert werden, weil der Besuch eines Sprachkurses die Integrationsbereitschaft des Beschwerdeführers unterstreiche.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in dem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:
Die maßgeblichen Vorschriften des Aufenthaltsgesetzes in der Fassung der Novelle BGBl. Nr. 351/1995 lauten (auszugsweise):
"§ 5. (1) Eine Bewilligung darf Fremden nicht erteilt werden, bei denen ein Sichtvermerksversagungsgrund (§ 10 Abs. 1 FrG) vorliegt, insbesondere aber, wenn der Lebensunterhalt oder eine für Inländer ortsübliche Unterkunft in Österreich für die Geltungsdauer der Bewilligung nicht gesichert ist."
§ 10 Abs. 1 Z. 4 und 6 FrG lauten:
"§ 10. (1) Die Erteilung eines Sichtvermerkes ist zu versagen, wenn
...
4.
der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde;
...
6.
der Sichtvermerk zeitlich an einen Touristensichtvermerk anschließen oder nach sichtvermerksfreier Einreise (§ 12 Aufenthaltsgesetz oder § 14) erteilt werden soll;"
Der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG ist bereits dann verwirklicht, wenn sich der Fremde in dem für die Entscheidung durch die Behörde maßgeblichen Zeitpunkt im Anschluß an eine mit einem Touristensichtvermerk erfolgte Einreise im Bundesgebiet aufhält (vgl. das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 1995, Zl. 95/19/0500).
Der Beschwerdeführer tritt der wesentlichen Sachverhaltsannahme der belangten Behörde, wonach er mit einem Touristensichtvermerk nach Österreich eingereist sei, dann Österreich kurzfristig zu Zwecken der Antragstellung verlassen habe, im Anschluß daran jedoch ohne den erforderlichen Sichtvermerk wieder in das Bundesgebiet eingereist sei und sich dort seither unrechtmäßig aufhalte, nicht entgegen. Die Beschwerde enthält auch keine Ausführungen dazu, ob und gegebenenfalls wann der Beschwerdeführer das Bundesgebiet wieder verlassen hätte. Die Heranziehung des Sichtvermerksversagungsgrundes des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG erfolgte daher zu Recht.
Daran vermag auch die kurzfristige Ausreise des Beschwerdeführers zum Zwecke der Antragstellung vom Ausland aus nichts zu ändern: Es kann in diesem Zusammenhang nämlich dahingestellt bleiben, ob die Rechtsprechung, wonach ein nahtloser Anschluß an den Touristensichtvermerk zur Verwirklichung des Versagungstatbestandes des § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG nicht gefordert ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 29. Juli 1993, Zl. 93/18/0293), auch auf jene Fälle zu übertragen ist, in denen vor Antragstellung (zum Zwecke derselben) eine kurzfristige Ausreise und eine daran anschließende Wiedereinreise erfolgt. Sollte die Wiedereinreise sichtvermerksfrei erfolgt sein, würde die angestrebte Aufenthaltsbewilligung jedenfalls (auch) an eine sichtvermerksfreie Einreise anschließen und den Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 6 (zweiter Fall) FrG verwirklichen. Sollte der Beschwerdeführer hingegen nicht sichtvermerksfrei eingereist sein, so ist - schon mangels entgegenstehender Beschwerdeausführungen zur Widerlegung der Feststellung der belangten Behörde, daß der Touristensichtvermerk am 13. Oktober 1995 und damit schon vor der Antragstellung am 20. Oktober 1995 abgelaufen sei - anzunehmen, daß der Beschwerdeführer unrechtmäßig in das Bundesgebiet (wieder) eingereist ist. Eine unrechtmäßige (Wieder)Einreise und ein daran anschließender unrechtmäßiger Aufenthalt verwirklichen aber jedenfalls den Sichtvermerksversagungsgrund nach § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. Juni 1997, Zl. 95/19/1913).
Die belangte Behörde hätte diesfalls zwar allenfalls zu Unrecht den Sichtvermerksversagungsgrund nach § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG herangezogen, doch kann nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes der Umstand, daß die Behörde ihre Entscheidung betreffend die Versagung eines Sichtvermerkes nicht auf die richtigerweise anzuwendende Ziffer (4 anstatt 6) des § 10 Abs. 1 FrG stützt, den Fremden nicht in seinen Rechten verletzen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 17. Mai 1995, Zl. 95/19/1758, und vom 30. Mai 1997, Zl. 95/19/0805).
Insoferne der Beschwerdeführer eine mangelhafte Bedachtnahme auf das durch Art. 8 MRK geschützte Privat- und Familienleben durch die belangte Behörde rügt, ist ihm zu entgegnen, daß nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes eine Bedachtnahme auf private und familiäre Interessen von Fremden sowohl bei einer auf § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG als auch bei einer auf § 10 Abs. 1 Z. 4 (bei unrechtmäßiger Einreise) gestützten Entscheidung nicht vorgesehen ist (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Jänner 1997, Zl. 95/19/1452).
Soweit die Beschwerdeausführungen auf § 6 Abs. 2 AufG Bezug nehmen, zeigen sie keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, weil die belangte Behörde - anders als die Behörde erster Instanz - ihren Bescheid NICHT auf § 6 Abs. 2 AufG, sondern auf § 5 Abs. 1 AufG iVm § 10 Abs. 1 Z. 6 FrG gestützt hat.
Da somit bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die vom Beschwerdeführer behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Soweit Entscheidungen des Verwaltungsgerichtshofes zitiert werden, die in der Amtlichen Sammlung der Erkenntnisse und Beschlüsse dieses Gerichtshofes nicht veröffentlicht sind, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1997191142.X00Im RIS seit
02.05.2001