TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/15 W233 2199795-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 15.10.2020
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Entscheidungsdatum

15.10.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §2 Abs1 Z13
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §54 Abs1 Z2
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9 Abs2
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §52

Spruch

W233 2199795-1/36E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Andreas FELLNER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörige von Kasachstan, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.05.2018, Zl. 1129981706-161270715, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 22.11.2018 und am 30.06.2020 zu Recht:

A)

I. Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. II. und III. des angefochtenen Bescheids wird als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde gegen Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheids wird stattgegeben und festgestellt, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG iVm § 9 Abs. 2 und 3 BFA-VG auf Dauer unzulässig ist. XXXX wird gemäß § 54 Abs. 1 Z 2 und § 58 Abs. 2 iVm § 55 AsylG der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung“ für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

I.1. Die Beschwerdeführerin, eine Staatsangehörige der Republik Kasachstan reiste gemeinsam mit ihrem Ehemann XXXX (hg. Verfahren zu GZ W233 2199785-1), ihrer minderjährigen Tochter XXXX (hg. Verfahren zu W233 2199791-1) und ihrem minderjährigen Sohn XXXX (hg. Verfahren zu W233 2199789-1) im Besitz eines Visums Typ C für den Schengen Raum, gültig von 10.09.2016 bis 07.10.2016, am 19.09.2016 in das Bundesgebiet ein und stellte noch am selben Tag einen Antrag auf internationalen Schutz.

I.2. In ihrer Erstbefragung am selben Tag stützte sich die Beschwerdeführerin im Wesentlichen auf die Fluchtgründe ihres Ehemannes und führte aus, dass sie selbst und ihre minderjährigen Kinder keine eigenen Fluchtgründe haben.

I.3. Im Rahmen ihrer niederschriftlichen Einvernahme vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wurde die Beschwerdeführerin zu ihrer Person, ihrem Gesundheitszustand, ihrem Leben in Kasachstan und in Kirgisistan, zu den Gründen für ihre endgültige Ausreise sowie zu ihrem Privat- und Familienleben in Österreich befragt. Dabei hielt sie ihr Vorbringen aus der Erstbefragung zu ihren Fluchtgründen aufrecht.

I.4. Mit gegenständlichen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 25.05.2018 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status der Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Kasachstan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gem. § 57 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen die Beschwerdeführerin eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass ihre Abschiebung gem. § 46 FPG nach Kasachstan zulässig ist (Spruchpunkt V.). Gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG wurde eine zweiwöchige Frist zur freiwilligen Ausreise ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung eingeräumt (Spruchpunkt VI.).

I.5. Die Anträge des Ehemanns sowie ihrer Tochter XXXX und ihres Sohnes XXXX wurden ebenfalls mit Bescheid vom 25.05.2018 abgewiesen. Ferner wurde gegen sie eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass ihre Abschiebung nach Kasachstan zulässig ist.

I.6. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 25.06.2018 fristgerecht Beschwerde wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit infolge unrichtiger rechtlicher Beurteilung sowie der Verletzung von Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung für die Beschwerdeführerin ein günstigerer Bescheid erzielt worden wären.

I.7. Zur Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhaltes fand am 22.11.2018 vor dem Bundesverwaltungsgericht eine mündliche Beschwerdeverhandlung statt, in welcher die Beschwerdeführerin sowie ihr Ehemann, der Beschwerdeführe zur GZ: W233 2199785-1, zu ihrem Fluchtvorbringen einvernommen wurden. In der Beschwerdeverhandlung wurden die aktuellen Länderinformationsblätter der Staatendokumentation zu Kirgisistan (Stand 18.05.2018) und Kasachstan (Stand 20.07.2018) und jeweils eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation über Kirgisistan und Kasachstan betreffend die jeweilige Situation von Familien mit kasachischer und kirgisischer Staatsbürgerschaft in das Verfahren eingebracht.

I.8. Mit Verfahrensanordnung vom 26.04.2019 wurde der Beschwerdeführerin und ihrem Ehemann aufgetragen, näher bezeichnete Urkunden im Original vorzulegen. Im Wege ihrer Vertretung kamen sie der Aufforderung nach, woraufhin das erkennende Gericht amtswegig Übersetzungen der Urkunden einholte und eine urkundentechnische Untersuchung veranlasste.

I.9. Am 30.06.2020 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht eine weitere mündliche Beschwerdeverhandlung statt, in welcher die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann, der Beschwerdeführer zur GZ: W233 2199785-1, zu ihrem Fluchtvorbringen, zum Ergebnis der urkundentechnischen Untersuchung sowie zu ihrem Privat- und Familienleben in Österreich einvernommen wurden.

I.10. Das Bundesverwaltungsgericht holte in weiterer Folge amtswegig eine Anfragebeantwortung der Staatendokumentation betreffend den Konflikt zwischen den Mitgliedern der Titularnation und der Volksgruppe der Dunganen in Kasachstan ein. Mit Verfahrensanordnung vom 28.07.2020 wurde der Beschwerdeführerin hierzu Parteiengehör gewährt. Mit Schriftsatz vom 11.08.2020 bezog die Beschwerdeführerin im Wege ihrer Vertretung zu der ihr übermittelten Anfragebeantwortung der Staatendokumentation Stellung.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

II.1. Feststellungen

II.1.1. Zur Person der Beschwerdeführerin

Die Beschwerdeführerin führt den im Spruch genannten Namen, ist Staatsangehörige der Republik Kasachstan und Angehörige der Volksgruppe der Dunganen. Sie bekennt sich zum sunnitischen Glauben des Islams.

Der Ehemann der Beschwerdeführerin sowie ihre drei gemeinsamen minderjährigen Kinder sind Staatsangehörige Kirgisistans.

I.1.2. Einreise und Antragstellung

Die Beschwerdeführerin verließ am 18.09.2016 mit ihrem Ehemann (W233 2199785-1) sowie mit ihren minderjährigen Kindern XXXX (W233 2199791-1) und XXXX (W233 2199789-1) Kasachstan und reiste über Griechenland nach Österreich. Am 19.09.2016 stellte sie den verfahrensgegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz.

Ihr Sohn XXXX (W233 2230291-1) ist am XXXX in Österreich geboren. Am 26.02.2020 wurde auch für ihn ein Antrag auf internationalen Schutz eingebracht.

II.1.3. Zu den Flucht- und Verfolgungsgründen sowie zur Situation im Fall der Rückkehr nach Kasachstan

Die Beschwerdeführerin war als Ehefrau ihres kirgisischen Ehemanns vor ihrer Ausreise aus ihrem Aufenthaltsstaat Kirgisistan keinen unmittelbaren Bedrohungen oder konkreten Gefahren, im Besonderen nicht durch Organe der kirgisischen Polizei, ihre körperliche Unversehrtheit betreffend ausgesetzt.

Die Beschwerdeführerin war und ist als Angehöriger der Volksgruppe der Dunganen in Kasachstan keiner asylrelevanten Gruppenverfolgung ausgesetzt.

Ebenso wenig steht fest, dass die Beschwerdeführerin im Falle der Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung nach Kasachstan in ihrem Recht auf Leben gefährdet, der Folter oder unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung unterworfen würde oder von der Todesstrafe bedroht wäre.

Die Beschwerdeführerin ist gesund und arbeitsfähig. Ihre Erstsprache ist Dunganisch. Ferner spricht sie Chinesisch, Russisch und ein wenig Englisch und Deutsch. Sie wurde in Kasachstan geboren und hat dort die Grundschule bis zur dritten Klasse besucht. Im Alter von circa 10 Jahren ist sie mit ihren Eltern und ihrer Schwester nach Kirgisistan in ein Dorf in der Nähe von Bischkek verzogen. In Kirgisistan hat sie die Grundschule abgeschlossen, Sprachkurse besucht und drei bis vier Monate als Verkäuferin gearbeitet. Nach ihrer Eheschließung ist sie keiner Erwerbstätigkeit nachgegangen. Zuletzt hat sie mit ihrem Ehemann und ihren Kindern in Bischkek gelebt. Ihr Ehemann hat dort eine Boutique betrieben und mit chinesischen Mobiltelefonen sowie Zubehör gehandelt.

In Kasachstan leben aktuell die Eltern sowie eine Schwester der Beschwerdeführerin. Ihre Eltern haben ein eigenes Haus in Almata. Die Mutter der Beschwerdeführerin arbeitet als Köchin, ihr Vater ist Elektriker. Zu ihrer Mutter pflegt sie nach wie vor regelmäßigen Kontakt.

In Kirgisistan leben die Schwiegereltern, der Schwager und eine Schwester der Beschwerdeführerin. Sowohl in Kasachstan als auch in Kirgisistan leben weitere weitschichtige Verwandte der Beschwerdeführerin.

Es ist davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin im Fall der Rückkehr nach Kasachstan in der Lage ist, ihren Lebensunterhalt durch die Ausübung einer Erwerbstätigkeit zu bestreiten. Ferner kann sie damit rechnen, von ihren Eltern unterstützt zu werden. Es steht nicht fest, dass die Beschwerdeführerin im Fall ihrer Rückkehr in den Herkunftsstaat in eine existenzgefährdende Notlage geraten würde und ihr die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre.

II.1.4. Zur Fortführung des Familienlebens in Kasachstan oder Kirgisistan

II.1.4.1. Voraussetzungen für die Einbürgerung in der Kirgisischen Republik sind ein ständiger Aufenthalt in Kirgisistan für mindestens fünf Jahre, Grundkenntnisse der Amtssprache Kirgisisch, die Verpflichtung sich an die Verfassung und die Gesetze zu halten, sowie eine Quelle zur Sicherung des Lebensunterhaltes. Eine Doppelstaatsbürgerschaft ist grundsätzlich möglich, wird jedoch im Fall von Nachbarstaaten der Kirgisischen Republik ausgeschlossen. Eine Eheschließung hat keinen Einfluss auf die Staatsangehörigkeit (vgl. Anfragebeantwortung der Staatendokumentation Kirgisistan, Staatsbürgerschaftsrecht, vom 13.03.2018, S. 1).

Bürger der Republik Kasachstan können die Republik Kirgisistan visafrei für bis zu 60 Tage betreten. Ausländer oder Staatenlose benötigen in der Kirgisischen Republik eine Arbeitsgenehmigung, um eine Erwerbstätigkeit auszuüben.

Eine befristete Aufenthaltsgenehmigung für die Republik Kirgisistan wird in folgenden Fällen ausgestellt:

-        Arbeit in der Kirgisischen Republik;

-        Studium in einer Bildungseinrichtung auf Antrag dieser Bildungseinrichtung und des kirgisischen Ministeriums für Bildung und Wissenschaft; und

-        Nachgehen von Investitionstätigkeiten in der Kirgisischen Republik.

Sie kann durch Personen, die sich für mindestens sechs Monate in der Kirgisischen Republik aufhalten, bei den nächstgelegenen Organen des kirgisischen Innenministeriums beantragt werden. Eine befristete Aufenthaltserlaubnis wird für die Dauer von einem Jahr, mit der Möglichkeit einer späteren Verlängerung um höchstens fünf Jahre, erteilt. Die Prüfung eines Antrags auf Erteilung einer befristeten Aufenthaltsgenehmigung erfolgt in der Regel innerhalb von höchstens einem Monat.

Daueraufenthaltsgenehmigungen werden für eine Dauer von fünf Jahren erteilt, jedoch nicht über die Gültigkeitsdauer des ausländischen Reisepasses hinaus. Daueraufenthaltsgenehmigungen werden (unter anderem) für Ausländer oder Staatenlose, die nach Vollendung des 18. Lebensjahres ihren ständigen Wohnsitz in der Kirgisischen Republik haben, ausgestellt (vgl. Anfragebeantwortung der Staatendokumentation Kirgisistan, Staatsbürgerschaftsrecht, vom 13.03.2018, s. 5ff).

Es steht nicht fest, dass die Beschwerdeführerin über eine befristete oder dauerhafte Aufenthaltsberechtigung in Kirgisistan verfügt hat oder aktuell verfügt. Für die Beschwerdeführerin besteht die Möglichkeit, sich für die Dauer von 60 Tagen visumsfrei in Kirgisistan aufzuhalten. Sie kann jedoch im Fall der Einreise nicht darauf vertrauen, eine befristete oder unbefristete Aufenthaltsberechtigung zu erlangen. Die Beschwerdeführerin erfüllt nicht die Voraussetzungen für die Einbürgerung in Kirgisistan. Im Fall der gemeinsamen Rückkehr mit ihrem Ehemann und ihren Kindern nach Kirgisistan ist die Fortführung des gemeinsamen Familienlebens nicht gesichert.

II.1.4.2. Für eine Einbürgerung gibt es in Kasachstan mehrere Voraussetzungen. Dazu zählen ein ständiger Wohnsitz in Kasachstan für fünf Jahre, eine mindestens dreijährige Ehe mit einem kasachischen Staatsbürger, oder im Fall von Staatsangehörigen ehemaliger Unionsrepubliken mit ständigem Wohnsitz in Kasachstan, die Existenz eines nahen Verwandten (ein Kind, der Ehepartner, ein Elternteil, ein Geschwister, ein Großelternteil) mit der kasachischen Staatsbürgerschaft. Die Entscheidung über Anträge auf Einbürgerung als Staatsangehöriger der Republik Kasachstan obliegt dem Präsidenten der Republik Kasachstan. Das Staatsbürgerschaftsrecht der Republik Kasachstan erlaubt keine Doppelstaatsbürgerschaft (Anfragebeantwortung der Staatendokumentation Kasachstan, Staatsbürgerschaftsrecht vom 13.03.2018, S. 1).

In der Republik Kasachstan wird das Recht eines Ausländers auf dauerhaften Aufenthalt in Kasachstan durch eine Aufenthaltsgenehmigung verbrieft. Die Ausstellung dieses Dokuments erfolgt nach Ansuchen durch die Gebietskörperschaft des Migrationsdienstes. Die wichtigste Anforderung, die denjenigen gestellt wird, die in Kasachstan ankommen und eine Aufenthaltsgenehmigung beantragen, ist der Nachweis ihrer Bonität. Eine Aufenthaltsgenehmigung für die Republik Kasachstan wird für die Dauer von 10 Jahren ausgestellt, oder für die Gültigkeitsdauer es Reisepasses des Fremden (Anfragebeantwortung der Staatendokumentation Kasachstan, Staatsbürgerschaftsrecht vom 13.03.2018, S. 6f.).

Es ist nicht gesichert, dass dem Ehemann und den minderjährigen Kindern der Beschwerdeführerin eine Aufenthaltsgenehmigung für Kasachstan erteilt wird und das gemeinsame Familienleben in Kasachstan fortgeführt werden kann. Ihr Ehemann und ihre Kinder erfüllen nicht die Voraussetzungen für die Einbürgerung in Kasachstan.

II.1.5. Zum Privat- und Familienleben in Österreich

Die Beschwerdeführerin hält sich seit 19.09.2016 durchgehend im Bundesgebiet auf und lebt mit ihrem Ehemann sowie ihren drei minderjährigen Kindern in einem gemeinsamen Haushalt. Die Betreuung der Kinder übernehmen die Beschwerdeführerin und ihr Ehemann grundsätzlich gemeinsam. Da der jüngste Sohn jedoch erst rund acht Monate alt ist und von der Beschwerdeführerin gestillt wird, ist die Beschwerdeführerin seine Hautbezugs- und Betreuungsperson.

Die Beschwerdeführerin hat Deutschkurse besucht, verfügt jedoch nicht über einen Nachweis über die erfolgreiche Absolvierung der Integrationsprüfung gemäß § 11 InteG. In Österreich hat sie sich einen Bekanntenkreis aufgebaut. Sie bestreitet ihren Unterhalt aus den Mitteln der Grundversorgung. Ferner hat sie durch Arbeiten auf Basis von Dienstleistungsschecks zum Erhalt der Familie beigetragen und hat zudem gelegentlich hilfsbedürftige Personen unterstützt. Aktuell kümmert sie sich aber in erster Linie um ihren neugeborenen Sohn.

Die Beschwerdeführerin ist in Österreich strafrechtlich unbescholten.

II.1.6. Zur allgemeinen Lage in Kasachstan ist fallbezogen festzustellen:

II.1.6.1. Auszug aus dem Länderinformationsblatt der Staatendokumentation vom 20.07.2018 mit letzter Kurzinformation vom 12.06.2019

Sicherheitslage

Erstmals kam es im Jahre 2011 zu mehreren kleineren islamistisch-terroristische Anschlägen in Kasachstan. Daraufhin wurde im Oktober 2011 ein neues Religionsgesetzes verabschiedet, um die Verbreitung extremistischer religiöser Strömungen einzudämmen (GIZ 6.2018a; vgl. AA 3.2018a).

2016 kam es zu den ersten größeren Anschlägen seit 2011 (USDOS 19.7.2017). Am 5.6.2016 und am Folgetag kam es in der 400.000 Einwohner-Stadt Aqtobe zu Schießereien zwischen mutmaßlichen islamistischen Extremisten und Sicherheitskräften, bei denen laut Innenministerium 19 Menschen getötet wurden. Zwei Dutzend junger Männer überfielen zwei Waffengeschäfte, dann einen Posten der Nationalgarde. Es wurde die oberste Terrorwarnstufe ausgerufen (FR 6.6.2016; vgl. ZA 30.6.2016). Unter den Toten waren 13 Attentäter, drei Zivilisten und drei Soldaten der Nationalgarde (RFE/RL 7.6.2016). Während nachfolgender Polizeirazzien wurden fünf weitere vermeintliche Attentäter getötet (RFE/RL 10.6.2016). Die Staatsführung stufte beide Ereignisse als terroristische Akte ein und beschuldigte ausländische Akteure, obwohl die Ermittlungen der Strafverfolgungsbehörden keine Hinweise auf eine direkte Verbindung zu ausländischen terroristischen Organisationen ergaben (USDOS 19.7.2017). So brachte etwa Präsident Nasarbajew die Anschläge mit den Farbrevolutionen in Georgien, der Ukraine und Kirgisistan 2010 in Verbindung (ZA 30.6.2016).

Am 18.7.2016 stürmte ein bewaffneter, offenbar islamistischer Einzeltäter mit krimineller Vergangenheit das Bezirkshauptquartier der Polizei in Almaty und tötete fünf Menschen – darunter drei Polizisten – und verletzte drei weitere Personen zum Teil lebensgefährlich (GIZ 6.2018a; vgl. ZA 29.7.2016). Der Hauptangeklagte des Anschlages wurde später zum Tode verurteilt (AA 3.2018a).

Kasachstan verfügt über eine umfassende Anti-Terrorismus-Gesetzgebung. Es gibt vier spezielle Anti-Terror-Einheiten beim Innenministerium sowie eine weitere beim Nationalen Sicherheitskomitee. Die Regierung hat schon seit langem die Möglichkeit einer Rückkehr ausländischer Terroristen aus dem Irak und Syrien befürchtet, doch haben die Anschläge vom Juni und Juli die Aufmerksamkeit der Regierung wieder verstärkt auf einheimische gewalttätige Extremisten gelenkt. Um dieser Bedrohung besser zu begegnen, änderte die Regierung die Anti-Terror-Gesetzgebung. Was den Umgang mit ehemaligen IS-Kämpfern anlangt, wird einerseits ein Rehabilitationsprogramm umgesetzt, andererseits werden ehemalige IS-Kämpfer auch verhaftet und gerichtlich verfolgt (USDOS 19.7.2017).

Im September 2016 wurde offiziell mitgeteilt, dass durch die Gerichte Kasachstans zahlreiche Urteile im Zusammenhang mit Förderung von „Extremismus“ und Terrorismus, sowie zu militanten Tätigkeiten in Syrien, sowie wegen Rekrutierung von Terroristen verhängt worden sind. Innerhalb von fünf Jahren wurden 64 terroristische Anschläge vereitelt und 445 Terroristen verurteilt, darunter 33 Heimkehrer aus Konfliktregionen (USDOS 19.7.2017).

Wurde im April 2015 die Zahl der Kasachen in Syrien mit 350 Personen angegeben (150 Kämpfer, der Rest Familienmitglieder) (USDOS 2.6.2016), wurden 2017 keine dahingehenden offiziellen Schätzungen abgegeben (USDOS 19.7.2017). US-amerikanische Quellen schätzten im Oktober 2017 die Zahl der kasachischen Staatsbürger unter den IS-Kämpfern auf 500 (ZA 27.1.2018).

Die Sicherheitslage in Kasachstan kann im Vergleich zu den Nachbarländern als stabil bezeichnet werden (BMEIA 25.4.2018). 2017 gab es keine islamistischen Anschläge (GIZ 6.2018a).

[…]

Allgemeine Menschenrechtslage

Die aktuelle Menschenrechtslage in Kasachstan ist nicht zufriedenstellend und bleibt hinter internationalen Standards und Verpflichtungen zurück (AA 3.2018).

Während von der kasachischen Regierung international hochkarätige Veranstaltungen wie die EXPO 2017, wie auch mehrere Runden der Syrien-Friedensgespräche veranstaltet wurden, verschlechterte sich ihre Menschenrechtsbilanz im Kasachstan weiter. Von den Behörden werden unabhängige Gewerkschaftsaktivitäten unterdrückt und die Behörden richten sich weiterhin mit politisch motivierten Anklagen und anderen Schikanen gegen Regierungskritiker und Journalisten. Mehrere zu Unrecht inhaftierte Aktivisten und Gewerkschaftsführer bleiben inhaftiert. Straflosigkeit für Folter und Misshandlung in der Haft bleibt bestehen (HRW 18.1.2018).

Das Europäische Parlament (EP), forderte eine Umkehr der negativen Tendenzen in Bezug auf die Freiheit der Medien, die freie Meinungsäußerung, sowie die Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit und die Religionsfreiheit und zeigte sich besorgt über die Einschränkung der Freiheit der Medien, über die Einschränkung der Freiheit der Medien, der freien Meinungsäußerung, der Vereinigungs- und Versammlungsfreiheit und der Religionsfreiheit, mittels restriktiver Rechtsvorschriften, Druck, Zensur und der strafrechtlichen Verfolgung von Aktivisten (EP 12.12.2017).

Zu den wichtigsten Menschenrechtproblemen gehören Verletzungen der Persönlichkeitsrechte der Bürger, eine weit verbreitete Korruption und Misshandlung durch Strafverfolgungs- und Justizbeamte, willkürliche Verhaftungen und Inhaftierungen, harte und manchmal lebensbedrohliche Haftbedingungen, Folter sowie andere Misshandlungen von Häftlingen und Gefangenen, sowie willkürliche oder unrechtmäßige Tötungen (USDOS 20.4.2018).

2014 trat der Nationale Präventionsmechanismus gegen Folter (NPM) in Kraft. Der NPM ist Teil der Ombudsstelle (Büro des Menschenrechtsbeauftragten) und somit kein von der Regierung unabhängiges Organ. Manche Beobachter meinen, dass es dem NPM an ausreichend qualifiziertem und ausgebildetem Personal mangelt (USDOS 20.4.2018).

Die Meinungs- und Medienfreiheit wird rechtlich und faktisch erheblich eingeschränkt. Der Großteil der Medien wird direkt oder indirekt staatlich finanziert. Dadurch kommt es, trotz verfassungsmäßig garantierter Pressefreiheit, häufig zu Selbstzensur. Die Versammlungsfreiheit wird restriktiv gehandhabt. Die Religionsfreiheit ist für traditionelle und nicht traditionelle Religionen weitgehend gewährleistet. Im Rechtsbereich kommen nach wie vor Korruption und politische Intervention vor. Im Strafverfahren werden häufig Verfahrensregeln verletzt. Seit 2003 gilt ein Moratorium für die Todesstrafe (AA 3.2018a).

[…]

Religionsfreiheit
[…]

Relevante Bevölkerungsgruppen

Laut Schätzung (2009) sind 63,1% der Einwohner Kasachstans ethnische Kasachen; 23,7% Russen; 2,9% Usbeken; 2,1% Ukrainer; 1,4% Uiguren; 1,3% Tataren; 1,1% Deutsche und 4,4% gehören anderen Ethnien an (CIA 12.7.2018; vgl. ASRK 2011). Von 1999 bis 2009 nahm der Anteil der Kasachen hierbei von 53,5 auf 63,1% zu, jener der Russen als zweitgrößter Gruppe schrumpfte im gleichen Zeitraum von 29,9 auf 23,7%. Mit Ausnahme der Usbeken, haben sich die Anteile aller Minderheiten an der Gesamtbevölkerung verkleinert, auch jener Minderheiten, die in absoluten Zahlen gewachsen sind (ASRK 2011).

Kasachstan ist nicht nur das neuntgrößte Land der Erde, auf seinem Territorium leben auch Angehörige von 120 Nationalitäten. Entsprechend groß ist die Vielfalt der Sprachen, Religionen, Traditionen und Kulturen – auch wenn früher das „Sowjetische“ und heute zunehmend das „Kasachische“ im Vordergrund steht. Nach der Unabhängigkeit hat es eine starke Emigration vieler nichtkasachischer Nationalitäten (Russen, Deutsche, Polen u.v.a.) gegeben, gleichzeitig kehrten Kasachen aus den ehemaligen Sowjetrepubliken, der Mongolei und China in ihre „historische Heimat" zurück. Das Zusammenleben war seit der Unabhängigkeit nicht problemfrei, aber abgesehen von ganz kleinen, lokal begrenzten Auseinandersetzungen, friedlich. Nicht nur in der Verfassung, sondern auch in der Realität genossen die Nationalitäten Schutz; Eintracht zwischen den Nationalitäten war ausdrückliches Politikziel. In den letzten Jahren lässt sich aber deutlich eine „Kasachisierungs“-Tendenz erkennen. Nach der Unabhängigkeit wurde Kasachisch in der Verfassung zur Staatssprache erhoben, Russisch erhielt aber eine herausgehobene Sonderrolle als Sprache der interethnischen Kommunikation. Durch die Ereignisse in der Ukraine reagiert das offizielle Kasachstan derzeit sehr nervös auf vereinzelte Forderungen nach Autonomie oder Anschluss an Russland. Offenbar ausgelöst durch die aktuelle Wirtschaftskrise ist seit 2015 eine neue Ausreisewelle von Russen zu beobachten (GIZ 6.2018b).

[…]

Frauen/Kinder

Knapp 52% der Bevölkerung Kasachstans sind Frauen. Sie sind im sozialen Leben und auf der Einkommensskala nicht gleichberechtigt und in Spitzenpositionen von Politik und Wirtschaft trotz ihrer relativ hohen Bildungs- und Erwerbstätigkeitsquote unterrepräsentiert (GZ 5.2018b; vgl. AA 3.2018a). Im Vergleich mit anderen Staaten der Region steht Kasachstan in Sachen Gleichberechtigung jedoch relativ gut da. Das drücken auch die verschiedenen internationalen Gender Indizes aus. Kasachstan hat eine Reihe internationaler Gender Equality Vereinbarungen unterzeichnet (GIZ 6.2018b).

Auf dem Gender Gap Index des World Economic Forum nahm Kasachstan 2017 Rang 52 (2015: 47/145) von 144 Ländern ein. Überdurchschnittlich war das Abschneiden bei den Subkategorien: „economic participation and opportunity“ (mit Ausnahme der Komponente Einkommen), „educational attainment“ und „health and survival“. Unterdurchschnittlich rangierte Kasachstan hinsichtlich der politischen Position von Frauen. Infolge der unterdurchschnittlichen Repräsentanz in politischen Vertretungs- und Regierungsorganen gab es hier bloß Platz 93 (2015: 78/145) (WEF 2017).

Das Europäische Parlament hieß in der Resolution zur Implementierung der EU-Zentralasienstrategie die kasachische Strategie zur Geschlechtergleichstellung willkommen, bedauerte jedoch gleichzeitig die mangelnde Vertretung von Frauen in den kasachischen staatlichen Entscheidungsorganen trotz der gesetzlich festgelegten 30%-Quote (EP 13.4.2016).

Gewalt gegen Frauen, einschließlich häuslicher Gewalt, stellt ein Problem dar. Das Gesetz zur häuslichen Gewalt kennt zahlreiche Arten häuslicher Gewalt, wie physische, psychologische, sexuelle, und ökonomische und beinhaltet die Zuständigkeiten der lokalen und nationalen Regierungen sowie der NGOs bei der Bereitstellung von Unterstützung für Opfer von häuslicher Gewalt. Für häusliche Gewalt können bis zu zehn Jahre Haft verhängt werden. Vergewaltigung ist strafbar, das Strafmaß beträgt zwischen drei und fünfzehn Jahren Haft; Vergewaltigung in der Ehe ist hier ebenfalls inkludiert. Es gibt jedoch Berichte darüber, dass - insbesondere bei Vergewaltigungen in der Ehe - Polizei und Gerichte eher zögerlich vorgehen. Sexuelle Belästigung bleibt ein Problem. Rechts- und Genderexperten sehen die Gesetzeslage als unzureichend, da das Gesetz nur bestimmte Formen sexueller Belästigung verbietet. Es gibt Berichte über Fälle von sexueller Belästigung in denen das Opfer keinen Schutz durch das Gesetz gefunden hat und es gibt auch keine Berichte über dahingehende Strafverfolgung. Die Polizei greift in Familiendispute nur ein, wenn sie annimmt, dass der Missbrauch lebensgefährlich ist. Laut Innenministerium bestehen 28 Krisenzentren für Opfer häuslicher Gewalt. NGOs schätzen, dass jährlich mehr als 400 Frauen an den Folgen häuslicher Gewalt sterben. Die Staatsanwaltschaft hingegen zählte 2016 lediglich 36 Todesopfer (Frauen) als Folge häuslicher Gewalt (USDOS 20.4.2018).

Schätzungsweise 17.000 bis 18.000 Kinder leiden unter psychischer oder physischer Misshandlung durch ihre Eltern. Laut Zahlen von UNICEF werden gar 62% der Kinder in Kasachstan in ihren Familien misshandelt. In 65% der Familien wird psychischer Druck auf Kinder ausgeübt und in 40% werden Kinder mit körperlicher Bestrafung diszipliniert. 75% der Befragten heißen die Prügelstrafe für Kinder gut (USDOS 20.4.2018; vgl. ZA 29.6.2018)

Auch Gewalt in Schulen ist ein Problem. Experten schätzen, dass zwei von drei Schülern Gewalt erlitten oder miterlebt haben. Gewalt und Misshandlung stellen sich in Internaten und Waisenhäusern besonders gravierend dar (USDOS 20.4.2018).

Das UN-Kinderrechtskomitee zeigte sich im Oktober 2015 besorgt, weil es Berichten zufolge noch immer zu Fällen von Folter und Misshandlung von Kindern in Polizeigewahrsam bzw. Pflegeeinrichtungen komme. Zwar lobte das Komitee einige positive Gesetzesänderungen, doch zeigte es sich besorgt, dass die Gesetzgebung es verabsäumte, körperliche Züchtigung ausdrücklich zu verbieten. Besorgnis äußerte das Komitee auch hinsichtlich Fällen von Gewalt gegen Kinder durch Lehrer mit schwerwiegenden Folgen, inklusive des Todes eines Kindes. Weiters gibt es Berichte von einem Anstieg von Fällen sexuellen Missbrauchs von Kindern und einem Mangel an Schutzeinrichtung für die Opfer (CRC 2.10.2015).

Die Unterhausabgeordnete Sagipa Balijewa ist 2016 durch ein präsidentielles Dekret zur ersten kasachischen Ombudsfrau für Kinderrechte bestimmt (USDOS 20.4.2018; vgl. ZA 1.4.2016).

Das rechtliche Mindestalter für die Ehe beträgt 18 Jahre, mit der Möglichkeit einer Senkung auf 16 Jahre im Falle einer Schwangerschaft oder des gegenseitigen Einvernehmens. Die NGO „League of Women of Creative Initiative“ geht von 2.000 bis 3.000 Zwangsehen bzw. Ehen von Minderjährigen jährlich aus (USDOS 20.4.2018).

[…]

Bewegungsfreiheit

Das Gesetz garantiert die innere Bewegungsfreiheit, Auslandsreisen, Emigration und Rückkehr. Trotz einiger Einschränkungen respektiert die Regierung diese Rechte und kooperiert mit dem Flüchtlingshochkommissariat und anderen humanitären Organisationen, um Binnenflüchtlingen, Flüchtlingen, rückkehrenden Flüchtlingen, Asylwerbern, Staatenlosen und anderen betroffenen Personen Schutz und Unterstützung zu gewähren (USDOS 20.4.2018).

[…]

Grundversorgung und Wirtschaft

Im Februar 2014 musste der Tenge um fast 20% abgewertet werden. Die Verschiebung bei der Aufnahme der Erdölförderung in Kaschachstan zeigte Auswirkungen, vor allem aber bereitet die schwächelnde russische Wirtschaft bei der engen Verknüpfung beider Ökonomien Probleme. Bei der mangelnden Diversifizierung der Wirtschaft hat Kasachstan darüber hinaus wenige Einflussmöglichkeiten. Der global immer weiter sinkende Ölpreis macht die wirtschaftliche Situation immer schwieriger. Ende 2015 hatte der Tenge einen um mehr als 50% geringeren Wert als zu Beginn des Jahres. Die Führung des Landes reagiert mit verschiedenen Antikrisenmaßnahmen. Beobachter halten vor allem auch eine effektive Bekämpfung der weit verbreiteten Korruption für notwendig (GIZ 6.2018c).

Die Wirtschaftskrise, traf die mittleren Einkommensgruppen am stärksten und verkleinerte die Kluft zu den ärmsten Bevölkerungsschichten. Laut UNDP-Bericht über die menschliche Entwicklung 2016 liegen 36,4% der Bevölkerung unter der nationalen Armutsgrenze. 2001 waren dies noch 47%. Dennoch bestehen soziale Ausgrenzung und Marginalisierung ebenso weiter, wie auch eine grundlegende Ausgrenzung durch Armut und schlechte Bildung (BTI 2018).

Die Reallöhne sinken seit mehreren Jahren. Unzufriedenheit mit der eigenen sozialen Lage und mit von der Regierung geplanten Reformen wirkt nur die Menschen wenig aktivierend. Anfang Februar 2014 hat die Freigabe des Tenge-Kurses und die darauffolgende Entwertung zu Protesten geführt, was ein Durchgreifen der Sicherheitskräfte provozierte. Die aktuelle Wirtschaftskrise und die damit verbundene Entwertung des Tenge verschärfen die sozioökonomische Lage großer Teile der Bevölkerung. Bislang tragen aber nur verzweifelte Hypothekenschuldner ihren Protest auf die Straße, doch kann man die Demonstrationen gegen das Projekt eines neuen Landgesetzes im Frühjahr 2016 - die bislang größten im unabhängigen Kasachstan - als Zeichen interpretieren, dass die Geduld vieler Kasachen nicht unendlich ist. Der Anteil der nach internationaler Definition Armen erscheint gering, doch erfordert das Überleben in so teuren Städten wie Almaty und Astana weit mehr als 2 US-Dollar pro Tag. Besonders von Armut betroffen sind häufig Rentner, daneben Arbeitslose und ländliche Zuwanderer.

Die Arbeitslosenquote wurde im Juli 2017 offiziell mit 4,9% angegeben, inoffizielle Zahlen nennen mehr als 10% (GIZ 6.2018b).

Bei den Wohlfahrtsleistungen wird zwischen Zulagen und Sozialleistungen unterschieden. Erstere werden von der öffentlichen Hand an alle bedürftigen Bürger ausgeschüttet, zweitere werden von der Sozialversicherung nur an Beitragszahler ausbezahlt. Die Sozialversicherung ist verpflichtend für Arbeitnehmer und Selbständige (e.gov. 2.7.2018).

Der sogenannte monatliche Berechnungsindex (MCI) dient der Berechnung von Pensionen, Beihilfen und anderen Sozialleistungen. 2018 beträgt der MCI 2.405 KZT [das sind 5,95 € mit Stand 6.7.2018]. Das Mindestgehalt beträgt 2018 28.284 KZT, die Mindestpension 33.745 sowie die Mindeststufe für die Berechnung der Basis für die Sozialbeihilfe 28.284 KZT (e.gov 6.7.2018).

Die Dauer des Mutterschaftsurlaubs beträgt 126 Kalendertage (70 Kalendertage vor der Geburt und 56 Kalendertage nach der Geburt). Gemäß Gesetz darf der Arbeitgeber im Zusammenhang mit dem Mutterschaftsurlaub niemanden entlassen. Ein solcher Urlaub kann grundsätzlich vom Vater oder der Mutter in Anspruch genommen werden (e.gov 22.6.2018).

Die Unterstützungszahlungen im Falle der Schwangerschaft und Geburt werden als Einmalbeträge gewährt, während das Kindergeld monatlich bis zum Alter von einem Jahr ausgezahlt wird. Die monatliche Kinderbeihilfe bis zum Erreichen des ersten Lebensjahres berechnet sich nach dem monatlichen Durchschnittseinkommen. Anlässlich der Kindsgeburt wird für das erste bis dritte Kind das achtunddreissigfache des MCI-Wertes ausbezahlt (91.3590 KZT mit Stand 12.7.2018), für das vierte und weitere dreiundsechzigmal des MCI-Wertes. Das zusätzliche Monatsgeld bis zum Alter von einem Jahr beträgt für das erste Kind 5,76 mal der MCI, für das zweite 6,81 mal der MCI, für das dritte 7,85 mal der MCI und für jedes weiter Kind 8,90 mal der MCI (e.gov 22.6.2018).

Das Arbeitslosengeld richtet sich nach dem vormaligen Einkommen der letzten 24 Monate multipliziert mit einer Einkommensersatzrate. Die Bezugszeit hängt von der Länge der Beschäftigungszeit ab. Der Ersatzratenfaktor beträgt 0,3. Teilnehmer aus dem obligatorischen kasachischen Sozialversicherungssystem erhalten im Falle des Verlustes des Arbeitsplatzes je nach Beitragseinzahlungen abgestuft, zwischen einem Monat und sechs Monaten Arbeitslosengeld (e.gov 2.7.2018).

[…]

Medizinische Versorgung

Die ärztliche und zahnärztliche Versorgung in Kasachstan entspricht nicht europäischen Verhältnissen. In Astana, in allen Stadtbezirken Almatys und in den größeren Städten Kasachstans existieren vereinzelt kleinere Kliniken mit internationalem Standard (SOS International, IMC, Interteach). Die Ausstattung der Apotheken in Kasachstan entspricht nicht europäischem Standard, jedoch sind in der Regel ausreichend Medikamente zur Behandlung unkomplizierter Krankheiten vorhanden (AA 9.3.2018).

Die Reform des Gesundheitswesen wurde und wird mit vielerlei Programmen vorangetrieben, während sich das zuständige Ministerium zufrieden mit den Ergebnissen zeigt, sind es die Betroffenen offenbar weniger. Nach Angaben der WHO wurden 2014 nur 4,3% des BIP für den Gesundheitssektor aufgewendet. Ein Überblick zeigt, dass der Gesundheitszustand der Bürger Kasachstans zu wünschen übrig lässt. Die relativ hohe TB-Rate der neunziger Jahre hat sich zwar verbessert, ist aber immer noch vergleichsweise hoch. Nur eine Grundsicherung auf niedrigem Niveau ist kostenfrei, die notwendige Zuzahlung für viele Untersuchungen, plus die häufig geforderten „inoffiziellen“ Zahlungen schließen einen beträchtlichen Teil der Bevölkerung, gerade Rentner, von der medizinischen Betreuung aus. Wer viel zahlen kann, wird bestens und auf höchstem Niveau behandelt. Das Versorgungsangebot ist auch sehr ungleichmäßig, wie überall in den Städten besser als auf dem Land, manche Gebiete Kasachstans sind aber auch sehr viel schlechter versorgt als andere. Dies wird sogar in einem mehrjährigem Unterschied beispielsweise der Lebenserwartung der Bevölkerung sichtbar: im Gebiet Nord-Kasachstan betrug sie 2010 66,3 Jahre, in der Stadt Astana 73,2 Jahre. Für eine zahlungskräftige ausländische Klientel von Medizintouristen ist Kasachstan dagegen sogar ein Anziehungspunkt geworden. Die Bezahlung des im öffentlichen Sektor beschäftigten medizinischen Personals ist sehr niedrig, was sich auf die Reputation der Gesundheitsberufe und manchmal auch das Engagement auswirkt (GIZ 6.2018b).

Tuberkulose stellt in Kasachstan ein relevantes Gesundheitsproblem dar. Es werden immer noch 100 Neuerkrankungen pro 100 000 Einwohner pro Jahr erfasst. Die Resistenzrate des Tuberkelerregers gegen die üblichen Tuberkulosemedikamente liegt relativ hoch (AA 9.3.2018).

[…]

Rückkehr

Die Lage der Zuwanderer ist prekär, sowohl der kasachischen, die auf der Suche nach Arbeit und besseren Lebensbedingungen vom Land in die Städte kommen und dort auf Wohnungsprobleme stoßen und nur wenig Geld mit wenig qualifizierten Tätigkeiten verdienen, als auch der Arbeitsmigranten aus den benachbarten zentralasiatischen Republiken, deren Status und soziale Lage noch problematischer sind (GIZ 6.2018b).

Zu Beginn wurde in Kasachstan, als Teil eines postsowjetischen Nation-Building-Prozesses, der staatliche Ansatz einer „Rückholung“ ethnischer Kasachen ins Land verfolgt. Die Umsetzung verschiedener Rückführungsprogramme erwies sich jedoch schwieriger als erwartet, da sich die Rückkehrer nicht „natürlich" in die kasachische Gesellschaft integriert haben. Die sogenannten „Oralmans“ [Rückkehrer] stellen damit bis heute eine problematische soziale Gruppe dar (CAP 4.2017) obwohl ihnen Mittel zwecks Landerwerbs, Hilfe bei der Arbeitsplatzsuche, Bereitstellung von Ausbildungsplätzen für Kinder in Vorschuleinrichtungen und Schulen, und anderen sozialen Einrichtungen, weiterführende Ausbildungslehrgänge, Aufschub bei der Absolvierung des Wehrdienstes, Pensions- und Unterstützungszahlungen, medizinische Leistungen, zoll- und steuerfreier Transfer von Gütern, inklusive Viehbeständen, bei der Übersiedlung nach Kasachstan sowie Quotenplätze in Einrichtungen der mittleren und höheren Berufsbildung gewährt werden (e.gov 15.2.2018).

[…]

II.1.6.2. Auszug aus der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 22.07.2020 betreffend den Konflikt zwischen der Volksgruppe der Kasachen und der Volksgruppe der Dunganen

Den nachfolgend zitierten Quellen ist zu entnehmen, dass es am 7. und 8.2.2020 in den Dörfern Massantschi, Bular Batyr, Sortobe und Auchatty im Distrikt Korday, in der südostlichen kasachischen Region Schambyl an der Grenze zu Kirgisistan zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen ethnischen Kasachen und der muslimischen chinesischen Minderheit der Duganen gekommen ist. Bei den schweren Ausschreitungen wurden Medienangaben zufolge elf Personen getötet und mehr als 190 Personen verletzt, darunter 19 Polizisten. Mehr als 165 Häuser, 17 Geschäftsgebäude und rund 120 Fahrzeuge wurden während der Ereignisse zerstört oder beschädigt.

Es werden mehrere mögliche Gründe für die Eskalationen im Februar 2020 angegeben:

Potentiell für die erfolgten massiven Ausschreitungen im Februar 2020 hatten frühere, kleinere Zusammenstöße zwischen Dunganen und Kasachen eine große Rolle für den Ausbruch der Gewalt im Februar: Eine erfolgte „Schlichtung“ eines Streits im Jahre 2018 zwischen den Ältesten der kasachischen und der dunganischen Gemeinschaft in der Siedlung Karakemer führten nach Bekanntwerden darüber, dass die erfolgte „Bereinigung“ keine Streichung von verhängten Vorstrafen bewirken kann, am 5.2.2020 in Sortobe zu einer Schlägerei, bei der auch ein betagter kasachischer Aksakal [Dorfältester] verletzt wurde. Daraufhin entluden sich die emotionalen Anspannungen, die Unzufriedenheit mit der Untätigkeit von Polizei und Justiz und der Unmut über die lokalen Behörden in offenen Feindseligkeit zwischen den Angehörigen der beiden ethnischen Gruppen.

Darüber hinaus können die Schmuggeltätigkeiten im grenznahen Raum eine Rolle spielen. So weisen viele Interpretationen zum Konflikt darauf hin, dass eine Konfrontation um Einflussgebiete rivalisierender Schmugglerbanden Ursache für die Eskalation gewesen sein könnte. Auch wurde beim Besuch des kasachstanischen Präsidenten Qassym-Schomart Toqajew des Gebietes Schambyl am 1.3.2020 die Problematik krimineller Gruppen, die im Wettstreit um Einnahmequellen aus illegalen grenzüberschreitenden Handelsgeschäften stehen, thematisiert.

Ein am 7.2.2020 im Internet kursierendes Video, welches junge Dunganen dabei zeigt, wie sie gegenüber Polizisten beleidigend auftreten und auch handgreiflich werden, trug ebenfalls zu einer feindlichen Stimmung bei und befeuerten den Konflikt. Als Reaktion auf dieses Video setzten sich Bewohner anderer Gebiete und Ortschaften Kasachstans in den Distrikt Korday in Bewegung und nahmen anden Gewaltexzessen teil.

Auf Anordnung des kasachischen Präsidenten traf am 8.2.2020 im Distrikt Korday eine Regierungskommission zur Abmilderung der Folgen ein. Die Delegation leitete Sofortmaßnahmen zur Lösung sozioökonomischer und humanitärer Fragen, zur Hilfeleistungen bei der Bestattung der Toten, zur Abschätzung des Schadens und zur Wiederherstellung des beschädigten Eigentums ein. Die Schadenshöhe soll sich auf mehrere Millionen Dollar belaufen. Jedoch sollen gem. einer NGO noch keine Hilfeleistungen erfolgt sein.

Durch die Sicherheitsbehörden wurden 200 Personen identifiziert, die an den Unruhen beteiligt waren und es wurden 120 Strafverfahren eingeleitet. Unmittelbar nach den Übergriffen wurden 47 Personen festgenommen. Dabei soll es sich gemäß einer NGO-Quelle um 44 Dunganen und drei Kasachen gehandelt haben. Bis zum 13.5.2020 wurden daraufhin 25 Personen im Zusammenhang mit den Gewaltakten festgehalten. Ihnen wurde von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen, „aktiv an der Gewalt teilgenommen zu haben“, bei der elf Menschen (zehn Dunganen und ein Kasache) ums Leben gekommen sind. Fünf dieser Personen wurden für Delikte bestraft, die sich vor den Auschreitungen in der Zeit vom 7. auf den 8.2.2020 ereignet hatten.

Am 24.4.2020 wurden vom Bezirksgericht Korday zwei Dunganer - einen Vater und einen Sohn, die am 5. Februar im Dorf Sortobe wegen eines Konflikts mit einer kasachischen Familie, der den Auslöser für die Ausschreitungen gewesen sein soll, zu zwei, bzw. zweieinhalb Jahren Haft und und sechs Monaten Sozialdienst und hohen Geldstrafen verurteilt. Viele hochrangige regionale Beamte, darunter auch der örtliche Polizeichef, wurden nach den Zusammenstößen von der kasachischen Regierung entlassen. Drei Polizisten wurden zu eineinhalb Jahren Haft verurteilt.

Die Ereignisse - so eine Expertenmeinung - werden jedoch nicht ohne Folgen bleiben, die aus gegenwärtiger Sicht nur schwer absehbar sind, auch wenn die Situation in der Region durch den stellvertretenden Generalstaatsanwalt „stabil“ bezeichnet wird [Anm.: 27.3.2020].

II.1.6.3. Zur Situation aufgrund der Covid-19-Pandemie

COVID-19 ist eine durch das Corona-Virus SARS-CoV-2 verursachte Viruserkrankung, die erstmals im Jahr 2019 in Wuhan/China festgestellt wurde und sich seither weltweit verbreitet.

Nach dem aktuellen Stand verläuft die Viruserkrankung bei ca. 80% der Betroffenen leicht und bei ca. 15% der Betroffenen schwerer, wenn auch nicht lebensbedrohlich. Bei ca. 5% der Betroffenen verläuft die Viruserkrankung derart schwer, dass Lebensgefahr gegeben ist und intensivmedizinische Behandlungsmaßnahmen notwendig sind. Diese sehr schweren Krankheitsverläufe treten am häufigsten in den Risikogruppen der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen (wie z.B. Diabetes, Herzkrankheiten und Bluthochdruck) auf.

Mit Stichtag vom 08.10.2020 werden von der World Health Organization (WHO) in Kasachstan 142.239 bestätigte Fälle von mit dem Corona-Virus infizierten Personen nachgewiesen, wobei im Fall von 2.106 der infizierten Personen der Todesfall bestätigt worden ist. Ebenso zeigt eine von der „Johns Hopkins University“ veröffentlichte Statistik, dass mit Stichtag 08.10.2020 in Kasachstan 108.454 bestätigte COVID-19 Erkrankungen gezählt werden bzw. 1746 Todesfälle in diesem Zusammenhang zu beklagen sind.

II.2. Beweiswürdigung

II.2.1. Zu den Feststellungen zur Person der Beschwerdeführerin

Die Verfahrensidentität der Beschwerdeführerin kann aufgrund des vorgelegten Reisepasses hinreichend festgestellt werden. Im Spruch erfolgte eine Berichtigung des Nachnamens der Beschwerdeführerin, da sie unter Vorlage ihrer Heiratsurkunde nachvollziehbar vorbrachte, dass sie seit der Eheschließung den Namen XXXX führt. Ferner ist aus den Auszügen aus GVS, ZMR und Strafregister ersichtlich, dass sie ihren Namen auch in den öffentlichen Registern berichtigen ließ.

Die weiteren Feststellungen zu Volksgruppenzugehörigkeit, Religionsbekenntnis und Sprachkenntnissen werden aufgrund der dahingehend glaubhaften Angaben der Beschwerdeführerin in Zusammenschau mit den von ihr dargelegten Orts- und Sprachkenntnissen getroffen.

Die Feststellungen zur Einreise und zur Antragstellung ergeben sich aus dem unbestrittenen Akteninhalt, insbesondere aus dem vorgelegten Reisepass in Verbindung mit den Angaben des Erstbeschwerdeführers und seiner Frau.

II.2.2. Zu den Flucht- und Verfolgungsgründen der Beschwerdeführerin

Die Beschwerdeführerin bezog sich bei ihrem Antrag auf internationalen Schutz auf die Fluchtgründe ihres Ehemannes in seinem Verfahren vor dem Bundesamt bzw. dem Bundesverwaltungsgericht.

Für den gegenständlichen Antrag der Beschwerdeführerin bedeutet diese, dass sie ihre Furcht vor Verfolgung in Kirgisistan durch Organe der kirgisischen Polizei abwenden hätte können, indem sie Schutz in ihrem Herkunftsstaat Kasachstan sucht.

Insoweit die Beschwerdeführerin vorbringt, ihr sei eine Rückkehr nach Kasachstan aufgrund der bestehenden Konflikte zwischen der Titularnation und den Dunganen nicht zumutbar, ist Folgendes festzuhalten:

Der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation vom 22.07.2020 ist hinsichtlich dieses Konflikts zu entnehmen, dass es am 07.02.2020 und am 08.02.2020 in den Dörfern Massantschi, Bular, Batyr, Sortobe und Auchatty im Distrikt Korday in der südöstlichen kasachischen Region Schambyl an der Grenze zu Kirgisistan zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen ethnischen Kasachen und der muslimischen chinesischen Minderheit der Dunganen gekommen ist, wobei elf Personen getötet und mehr als 190 Personen verletzt worden sind. Zunächst ist sohin festzuhalten, dass es in der Stadt Almata, in welcher die Eltern der Beschwerdeführerin leben, sowie in den übrigen Landesteilen zu keinen Ausschreitungen gekommen ist.

Hinzu kommt, dass nach den Recherchen der Staatendokumentation auf Anordnung des kasachischen Präsidenten im Distrikt Korday eine Regierungskommission zur Abmilderung der Folgen eingetroffen ist und Sofortmaßnahmen zur Lösung sozioökonomischer und humanitärer Fragen, zur Hilfeleistung bei der Bestattung der Toten, zur Abschätzung des Schadens und zur Wiederherstellung des beschädigten Eigentums eingeleitet hat. Durch die Sicherheitsbehörden sind 200 an den Unruhen beteiligten Personen identifiziert und 120 Strafverfahren eingeleitet worden. Viele hochrangige regionale Beamte, darunter auch der örtliche Polizeichef, sind nach den Zusammenstößen entlassen worden. Drei Polizisten wurden zu eineinhalb Jahren Haft verurteilt.

Hinweise darauf, dass es nach den Ausschreitungen Anfang Februar 2020 zu weiteren Gewaltakten gekommen sei, die sich gezielt gegen Angehörige der Volksgruppe der Dunganen gerichtet hätten, ist der Anfragebeantwortung vom 22.07.2020 demgegenüber nicht zu entnehmen.

Aus der Anfragebeantwortung geht sohin nicht hervor, dass Angehörige der Volksgruppe der Dunganen in Kasachstan bloß aufgrund ihrer Anwesenheit der realen Gefahr einer Verfolgung ausgesetzt sind und vermochte die Beschwerdeführerin auch mit den von ihr ins Verfahren eingeführten Länderberichten nicht Gegenteiliges aufzuzeigen. Folglich war festzustellen, dass die Beschwerdeführerin im Fall ihrer Rückkehr nicht real Gefahr läuft, aufgrund der Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Dunganen verfolgt zu werden.

II.2.3. Zu den Feststellungen zur Situation der Beschwerdeführerin im Fall ihrer Rückkehr in den Herkunftsstaat

Die Feststellungen zu den Lebensumständen der Beschwerdeführerin, insbesondere zur Herkunft, zu ihrer Schulbildung, der Übersiedlung mit ihrer Familie nach Kirgisistan im Kindesalter, ihrer Berufserfahrung, ihrer Eheschließung sowie ihren Angehörigen in Kirgisistan und in Kasachstan beruhen auf ihren dahingehend konsistenten und insoweit glaubhaften Angaben im gegenständlichen Verfahren.

Auch die Feststellung zum Gesundheitszustand gründet sich auf die konsistenten Angaben der Beschwerdeführerin. Im Hinblick auf die derzeit bestehende Pandemie aufgrund des Corona-Virus ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin 30 Jahre alt ist, an keinen schwerwiegenden Erkrankungen leidet und sohin nicht unter die Risikogruppe der älteren Personen und der Personen mit Vorerkrankungen fällt. Ferner kann in Zusammenhang mit der weltweiten Ausbreitung des COVID-19-Erregers unter Zugrundelegung der medial ausführlich kolportieren Entwicklungen (auch) im Herkunftsland der Beschwerdeführerin bislang keine derartige Entwicklung erkannt werden, die im Hinblick auf eine Gefährdung nach Art. 2 und Art. 3 EMRK eine entscheidungsrelevante Lageänderung erkennen lässt.

Aufgrund folgender Überlegungen kann nicht festgestellt werden, dass die Beschwerdeführerin im Fall ihrer Rückkehr die notdürftigste Lebensgrundlage entzogen wäre und sie in eine existenzgefährdende Notlage geraten würde:

Die Beschwerdeführerin legte nachvollziehbar dar, dass sie über Schulbildung verfügt und vor ihrer Eheschließung einer Erwerbstätigkeit nachgegangen ist. Folglich ist davon auszugehen, dass sie aufgrund ihres Alters und ihres Gesundheitszustandes im Fall der Rückkehr in der Lage sein wird, ihren Lebensunterhalt aus Eigenem zu bestreiten. Ferner verfügt sie in Kasachstan nach wie vor über ein substantielles soziales Netz, von welchem sie Unterstützung erhalten kann. Bereits vor ihrer Einreise in Österreich hat sie mit ihren Kindern und ihrem Mann zumindest für einen kurzen Zeitraum bei ihren Eltern in Almata gelebt. Ferner gab sie an, mit ihren Eltern nach wie vor in Kontakt zu stehen (Verhandlung 30.06.2020, S. 13). Folglich ist davon auszugehen ist, dass sie im Fall ihrer Rückkehr neuerlich von ihren Eltern unterstützt wird. Aus den Länderberichten ist im Übrigen ersichtlich, dass die Lebensmittelsicherheit und sonstige Grundversorgung in Kasachstan grundsätzlich gesichert ist.

II.2.4. Zu den Feststellungen zur Fortführung des Familienlebens in Kasachstan oder in Kirgisistan

Die Beschwerdeführerin gab in der mündlichen Beschwerdeverhandlung an, sie sei im Alter von etwa zehn Jahren mit ihren Eltern und ihrer Schwester nach Kirgisistan übersiedelt und habe dort bis zu ihrer Ausreise im Jahr 2016 gewohnt. In Bezug auf ihren aufenthaltsrechtlichen Status in Kirgisistan brachte sie vor, keine Probleme mit den kirgisischen Behörden gehabt zu haben. Allerdings könne sie sich eigenen Angaben nach nicht erinnern, zu den Einwanderungsbehörden Kirgisistans Kontakt gehabt zu haben (Verhandlung 22.11.2018, S. 27). Diese Angaben lassen nicht den Rückschluss zu, dass der Beschwerdeführerin während ihres Aufenthalts in Kirgisistan ein Aufenthaltsrecht zugekommen ist und sie sich rechtmäßig in Kirgisistan aufgehalten hat.

Die Feststellungen zum Aufenthalts- und Staatsbürgerschaftsrecht in Kasachstan sowie in Kirgisistan stützen sich auf die Anfragebeantwortungen der Staatendokumentation vom 13.03.2018, welche vom Bundesamt dem nunmehr angefochtenen Bescheid zugrunde gelegt wurden. Das Bundesverwaltungsgericht geht allerdings –anders als die belangte Behörde – nicht davon aus, dass die Beschwerdeführerin als Ehefrau eines kirgisischen Staatsangehörigen nach Kirgisistan zurückkehren und dort problemlos einen Aufenthaltstitel erwerben könne, zumal eine solche Feststellung keine Deckung in der Anfragebeantwortung zum Staatsbürgerschafts- und Fremdenrecht in Kirgisistan vom 13.03.2018 findet.

Dieser Anfragebeantwortung ist zu entnehmen, dass sich Staatsangehörige Kasachstans in Kirgisistan lediglich für die Dauer von 60 Tagen visumsfrei aufhalten können.

Eine Aufenthaltsberechtigung ermöglicht nach den Ausführungen der Staatendokumentation einen längerfristigen Aufenthalt in Kirgisistan. Allgemeine Voraussetzung für die Ausstellung einer Aufenthaltsgenehmigung ist der Aufenthalt in der Kirgisischen Republik von zumindest sechs Monaten (vgl. Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Kirgisistan „Staatsbürgerschaftsrecht“ vom 13.03.3018, S. 6: „Under Kyrgyz legislation, foreign nationals or stateless persons residing in the Kyrgyz Republic for not less than 6 months may file with the bodies of Kyrgyz Ministry of Internal Affairs closest tot he place of location an application for residence permit“).

Ferner muss für die Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung eine der folgenden drei Alternativvoraussetzungen erfüllt sein:

-        Arbeit in der Kirgisischen Republik;

-        Studium in einer Bildungseinrichtung auf Antrag dieser Bildungseinrichtung und des kirgisischen Ministeriums für Bildung und Wissenschaft; und

-        Nachgehen von Investitionstätigkeiten in der Kirgisischen Republik.

Hinsichtlich der Voraussetzung der Ausübung einer Erwerbstätigkeit ist der Anfragebeantwortung ferner zu entnehmen, dass hierfür eine Arbeitserlaubnis der Kirgisischen Republik erforderlich ist.

Daueraufenthaltsgenehmigungen werden unter anderem für Ausländer oder Staatenlose, die nach Vollendung des 18. Lebensjahres ihren ständigen Wohnsitz in der Kirgisischen Republik haben, ausgestellt.

Hinweise, dass es in Kirgisistan für Familienangehörige von kirgisischen Staatsangehörigen beim Erwerb von Aufenthaltsberechtigungen Erleichterungen gibt, sind der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation nicht zu entnehmen und sind im Verfahren auch keine sonstigen Anhaltspunkte für einen derartigen Sachverhalt hervorgekommen.

Im Fall der Beschwerdeführerin ergibt sich daraus, dass sie sich zwar für die Dauer von 60 Tagen visumsfrei in Kirgisistan aufhalten kann, ihr darüberhinausgehender Aufenthalt jedoch nicht gesichert ist. So scheitert die Erteilung einer unbefristeten Aufenthaltsberechtigung bereits daran, dass sie keinen ständigen Wohnsitz in Kirgisistan hat. Ob einem Antrag auf Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung stattgegeben wird, hängt zudem von verschiedenen unsicheren Faktoren ab. Abgesehen davon, dass sie zunächst auf die Erteilung eines Visums angewiesen ist, um sich rechtmäßig für die Dauer von sechs Monaten in Kirgisistan aufhalten zu können, muss sie in weiterer Folge eine der drei Alternativvoraussetzungen erfüllen, wobei die letztgenannte Möglichkeit, das Nachgehen von Investitionstätigkeiten, im Fall der Beschwerdeführerin nicht realistisch ist, zumal nicht angenommen werden kann, dass sie über hinreichende Ressourcen verfügt, um diese Voraussetzung zu erfüllen. Ebenso wenig kann mit hinreichender Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass die Beschwerdeführerin binnen kurzer Zeit in der Lage ist, erfolgreich ein Studium zu betreiben oder einer Erwerbstätigkeit nachzugehen, zumal dies an weitere – ungewisse – Voraussetzungen, nämlich an die Aufnahme in einer Bildungseinrichtung oder die Erteilung einer Arbeitserlaubnis, geknüpft ist.

Nur der Vollständigkeit halber ist darauf hinzuweisen, dass eine Einbürgerung in Kirgisistan unter anderem einen ständigen Aufenthalt von mindestens fünf Jahren voraussetzt. Folglich kommt für die Beschwerdeführerin auch eine Einbürgerung nicht in Betracht.

Der Ehemann und die minderjährigen Kinder der Beschwerdeführerin haben sich vor der Reise nach Österreich in Kasachstan aufgehalten. Allerdings sind im Verfahren keine Anhaltspunkte dafür hervorgekommen, dass sie in Kasachstan über ein Aufenthaltsrecht verfügen.

Hinsichtlich der Möglichkeit der Beschwerdeführerin, sich gemeinsam ihrem Ehemann und den gemeinsamen Kindern in Kasachstan niederzulassen, ist weiter festzuhalten, dass nach der Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Kasachstan „Staatsbürgerschaftsrecht“ vom 13.03.2018 eine der wichtigsten Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung in Kasachstan die Bonität des Fremden ist. Aus der Anfragebeantwortung geht jedoch nicht hervor, welche Kriterien für die Annahme einer ausreichenden Bonität erfüllt sein müssen. Ebenso wenig ist der Anfragebeantwortung zu entnehmen, welche weiteren Voraussetzungen für die Erteilung einer Aufenthaltsgenehmigung vorliegen müssen, und wie lange die Ausstellung einer Aufenthaltsgenehmigung im Regelfall in Anspruch nimmt. Der Ehemann und die minderjährigen Kinder der Beschwerdeführerin können sohin nicht darauf vertrauen, dass ihnen innerhalb kurzer Zeit eine Aufenthaltsberechtigung in Kasachstan erteilt wird.

Ihre Einbürgerung in Kasachstan kommt ebenso wenig in Betracht, zumal ein ständiger Wohnsitz in der Republik Kasachstan hierfür zwingende Voraussetzung ist (vgl. zu den Voraussetzungen vgl. Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Kasachstan „Staatsb

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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