Entscheidungsdatum
15.10.2020Norm
AVG §19Spruch
W171 2223819-1/11E
BESCHLUSS
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Gregor MORAWETZ, MBA als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX , Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch RA Dr. Pochieser, gegen Spruchpunkt II. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX , Zahl: XXXX , beschlossen:
A)
Die Beschwerde wird gemäß § 13 Abs. 4 VwGVG als unzulässig zurückgewiesen.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) reiste gemeinsam mit seiner mittlerweile geschiedenen Gattin und den beiden mj. Töchtern unrechtmäßig in das Bundesgebiet ein und stellte am 11.11.2015 erstmalig einen Antrag auf internationalen Schutz.
2. Mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in Folge auch BFA oder Behörde genannt) vom 26.03.2018 wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF nicht erteilt, gegen den BF wurde eine Rückkehrentscheidung erlassen und festgestellt, dass seine Abschiebung nach Afghanistan zulässig sei. Die belangte Behörde stellte fest, dass keine Frist für die freiwillige Ausreise bestehe. Der Beschwerde gegen diese Entscheidung wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt.
3. Gegen den oben genannten Bescheid erhob der BF am 23.04.2018 Beschwerde.
4. Mit dem Erkenntnis vom 27.04.2018, XXXX , wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerde des BF als unbegründet ab. Dieses Erkenntnis erwuchs in Rechtskraft.
5. Der BF stellte sodann am 05.11.2018 einen weiteren Antrag auf internationalen Schutz (Folgeantrag).
6. Mit Bescheid des BFA vom 14.02.2019 wurde der Folgeantrag des BF hinsichtlich des Status des Asylberechtigten und hinsichtlich des Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 68 Abs. 1 AVG wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF gemäß § 57 AsylG nicht erteilt. Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA- VG wurde gegen den BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Es wurde gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist und dass gemäß § 55 Abs. 1a FPG keine Frist für seine freiwillige Ausreise besteht. Es wurde gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 6 FPG ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot gegen den BF erlassen.
7. Dagegen erhob der BF am 28.02.2019 fristgerecht Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Die Beschwerde wurde mit Erkenntnis des BVwG vom 12.03.2019, XXXX , in den wesentlichen Punkten abgewiesen. Es erfolgte eine Beschwerde an den VfGH verbunden mit einem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung.
8. Mit gegenständlichem Bescheid des BFA vom 10.09.2019 wurde dem BF gem. § 46 Abs. 2a und 2b FPG i.V.m. § 19 AVG aufgetragen, zur Einholung eines Ersatzdokuments zum angegebenen Termin und Ort als Beteiligter persönlich zu kommen und an den notwendigen Handlungen zur Erlangung eines Ersatzreisedokuments mitzuwirken (Spruchpunkt I.). Unter Spruchpunkt II. wurde einer Beschwerde gegen diesen Bescheid die aufschiebende Wirkung gem. § 13 Abs. 2 VwGVG aberkannt.
9. Gegen Spruchpunkt II. des oben angeführten Bescheids (Ausschluss der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde) richtet sich die am 19.09.2019 beim BFA eingebrachte und am 27.09.2019 bei Gericht eingelangte Beschwerde der rechtsfreundlichen Vertretung des BF. Darin wurde ausgeführt, dass das Tatbestandsmerkmal „Gefahr im Verzug“ des § 13 Abs. 2 VwGVG nach der Rechtsprechung einer sachverhaltsbezogenen fachlichen Beurteilung durch die Behörde bedürfe, eine diesbezügliche Erörterung im Bescheid jedoch nicht stattgefunden habe. Es komme nicht hervor, weshalb die Behörde davon ausgehe, dass ein sofortiger Vollzug des Bescheides geboten sei. Darüber hinaus habe die Behörde das öffentliche, wie auch das subjektive Interesse an einem ordnungsgemäßen rechtsstaatlichen Verfahren völlig außer Acht gelassen. Durch den sofortigen Vollzug werde auch die Entscheidungskompetenz des VfGH zur Entscheidung über die dort beantragte aufschiebende Wirkung missachtet und de facto ausgesetzt.
Beantragt wurde, den Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides aufzuheben.
10. Das BFA legte die Beschwerde dem Gericht am 27.09.2019 vor und beantragte, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
11. Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 01.10.2019, XXXX wurde der Beschwerde stattgegeben und Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheids ersatzlos behoben.
Begründend wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass im bekämpften Bescheid nicht dargelegt worden sei, inwiefern im vorliegenden Fall besondere öffentliche Interessen die vorzeitige Vollstreckung des Bescheides sachlich rechtfertigen würden und inwiefern Gefahr im Verzug gegeben sei. Das BFA gebe nicht an, welche konkrete Gefahr durch einen fortgesetzten illegalen Aufenthalt für die Öffentlichkeit unmittelbar bestehen würde. Nach der Judikatur zu § 13 Abs. 2 VwGVG genüge aber ein allgemeines öffentliches Interesse an der Einhaltung der Gesetze für den rechtmäßigen Ausschluss der aufschiebenden Wirkung nicht, sondern es müsse ein besonderes öffentliches Interesse an einer vorzeitigen Vollstreckung eines Bescheides dargelegt werden und sachlich geboten sein.
12. Am 08.10.2019 brachte der BF eine Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des Bescheids vom 10.09.2019 ein. Dieses Verfahren ist am Bundesverwaltungsgericht zu XXXX anhängig.
12. Gegen die Entscheidung vom 01.10.2019 erhob das BFA außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof, der die Entscheidung mit Erkenntnis vom 04.03.2020, XXXX wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit des Verwaltungsgerichts aufhob.
Zusammengefasst führte der VwGH aus, dass es sich beim Ausschluss der aufschiebenden Wirkung um einen, in Bezug auf den die Hauptsache betreffenden Ausspruch, bloß akzessorischen Nebenausspruch handelt. In einem Fall wie dem vorliegenden, in dem die Beschwerde in der Hauptsache im Zeitpunkt der Entscheidung über die Beschwerde gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung (noch gar) nicht eingebracht war, wäre diese Beschwerde vom BVwG zurückzuweisen gewesen.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Rechtliche Beurteilung:
1. Zu Spruchpunkt A:
1.1. Gesetzliche Grundlage:
§ 13 VwGVG lautet:
„(1) Eine rechtzeitig eingebrachte und zulässige Beschwerde gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG hat aufschiebende Wirkung.
(2) Die Behörde kann die aufschiebende Wirkung mit Bescheid ausschließen, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist. Ein solcher Ausspruch ist tunlichst schon in den über die Hauptsache ergehenden Bescheid aufzunehmen.
(3) Die Behörde kann Bescheide gemäß Abs. 2 von Amts wegen oder auf Antrag einer Partei aufheben oder abändern, wenn sich der maßgebliche Sachverhalt so geändert hat, dass seine neuerliche Beurteilung einen im Hauptinhalt des Spruchs anderslautenden Bescheid zur Folge hätte.
(4) Die Beschwerde gegen einen Bescheid gemäß Abs. 2 hat keine aufschiebende Wirkung. Sofern die Beschwerde nicht als verspätet oder unzulässig zurückzuweisen ist, hat die Behörde dem Verwaltungsgericht die Beschwerde unter Anschluss der Akten des Verfahrens unverzüglich vorzulegen. Das Verwaltungsgericht hat über die Beschwerde ohne weiteres Verfahren unverzüglich zu entscheiden und der Behörde, wenn diese nicht von der Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung absieht, die Akten des Verfahrens zurückzustellen."
§ 22 Abs. 2 und 3 VwGVG lauten:
"(2) Im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG kann das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung durch Beschluss ausschließen, wenn nach Abwägung der berührten öffentlichen Interessen und Interessen anderer Parteien der vorzeitige Vollzug des angefochtenen Bescheides oder die Ausübung der durch den angefochtenen Bescheid eingeräumten Berechtigung wegen Gefahr im Verzug dringend geboten ist.
(3) Das Verwaltungsgericht kann Bescheide gemäß § 13 und Beschlüsse gemäß Abs. 1 und 2 auf Antrag einer Partei aufheben oder abändern, wenn es die Voraussetzungen der Zuerkennung bzw. des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung anders beurteilt oder wenn sich die Voraussetzungen, die für die Entscheidung über den Ausschluss bzw. die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde maßgebend waren, wesentlich geändert haben."
1.2. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Entscheidung vom 04.03.2020, XXXX dargelegt, dass die Zulässigkeit der gegenständlichen Beschwerde betreffend die aufschiebende Wirkung (Spruchpunkt II.) die Erhebung einer Beschwerde auch in der Hauptsache (Spruchpunkt I.) vorausgesetzt hätte.
Die Wieder-Zuerkennung der gemäß § 13 Abs. 2 VwGVG ausgeschlossenen aufschiebenden Wirkung ist nämlich nicht Selbstzweck, sondern zielt darauf, dass der Betroffene nicht einseitig mit den Folgen einer potenziell rechtswidrigen behördlichen Entscheidung so lange belastet wird, bis sein Rechtsschutzgesuch (seine Beschwerde) endgültig erledigt ist. Unter dem Gesichtspunkt der Effektivität des Rechtsschutzes ist dabei auch maßgeblich, ob durch den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung per se bzw. durch den dadurch ermöglichten sofortigen Vollzug eines Bescheides der mögliche Erfolg mit einer (in der Hauptsache erhobenen) Beschwerde ins Leere läuft. Wurde (noch) keine Beschwerde in der Hauptsache erhoben und somit die Rechtmäßigkeit des Bescheides, dessen Vollzug aufgeschoben werden soll, gar nicht in Frage gestellt, dann fehlt ein Rechtschutzbedürfnis in Bezug auf die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung für eine (noch) nicht eingebrachte Beschwerde.
Dieses Ergebnis wird auch durch die Regelung im Abs. 4 des § 13 VwGVG gestützt, in dessen letztem Halbsatz erkennbar davon ausgegangen wird, dass die Beschwerde gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung gemeinsam mit der Beschwerde in der Hauptsache erhoben wurde. Vorrangig ist aber der Umstand, dass es sich beim Ausschluss der aufschiebenden Wirkung um einen - in Bezug auf den die Hauptsache betreffenden Ausspruch (Erlassung des Ladungs- und Mitwirkungsbescheides) - bloß akzessorischen Nebenausspruch handelt. Dieser Nebenausspruch hat zwar insofern selbständigen Charakter, als er in einem gesonderten Bescheid getrennt vom Ausspruch in der Hauptsache ergehen kann (vgl. § 13 Abs. 2 letzter Satz VwGVG) und auch die Rechtsmittelinstanz über die Berufung (nunmehr: Beschwerde) gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung getrennt von der Hauptsache entscheiden kann (vgl. zur inhaltsgleichen Vorgängerregelung des § 64 Abs. 2 AVG etwa VwGH 17.2.2000, 97/18/0564, Punkt II.1.3. der Entscheidungsründe, mwN). Zur Frage, ob die Beschwerde gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung ohne Beschwerde in der Hauptsache möglich ist, hat der Verwaltungsgerichtshof aber schon im Erkenntnis VwGH 20.9.1983, 83/11/0034, zu § 64 Abs. 2 AVG festgehalten, dass dieser Nebenausspruch "in Verbindung mit der Berufung in der Hauptsache" (nunmehr: Beschwerde) innerhalb der Rechtsmittelfrist eigens bekämpft werden muss. Das gilt auch für § 13 Abs. 2 VwGVG.
Daher sprach der Verwaltungsgerichtshof aus, dass in einem Fall wie dem vorliegenden, in dem die Beschwerde in der Hauptsache im Zeitpunkt der Entscheidung über die Beschwerde gegen den Ausschluss der aufschiebenden Wirkung (noch gar) nicht eingebracht war, diese Beschwerde vom BVwG zurückzuweisen ist.
Es war sohin spruchgemäß zu entscheiden.
2. Entfall einer mündlichen Verhandlung:
Das Gericht hat bei Anträgen auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung gemäß § 13 Abs 5 VwGVG ohne weiteres Verfahren zu entscheiden. Die vorliegende Entscheidung hatte somit auch ohne vorausgehende mündliche Verhandlung zu erfolgen.
Zu Spruchpunkt B. – Revision
Gemäß § 25a Abs. 1 des Verwaltungsgerichtshofgesetzes 1985 hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, wenn die Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, wenn es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes fehlt oder wenn die Frage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird bzw. sonstige Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vorliegen.
Wie bereits ausgeführt sind keine Auslegungsfragen hinsichtlich der anzuwendenden Normen hervorgekommen, es waren auch keine Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung zu lösen. Die Revision war daher in Bezug auf beide Spruchpunkte nicht zuzulassen. Im Hinblick auf die eindeutige Rechtslage in den übrigen Spruchpunkten war die Revision gleichfalls nicht zuzulassen.
Schlagworte
Akzessorischer Charakter aufschiebende Wirkung aufschiebende Wirkung - Entfall Beschwerdeeinbringung ZurückweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:BVWG:2020:W171.2223819.1.00Im RIS seit
14.01.2021Zuletzt aktualisiert am
14.01.2021