TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/22 W228 2166649-1

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Veröffentlicht am 22.10.2020
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Entscheidungsdatum

22.10.2020

Norm

AsylG 2005 §3
AsylG 2005 §8 Abs1
AsylG 2005 §8 Abs4
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs5

Spruch

 

W228 2166649-1/31E

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Harald WÖGERBAUER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geboren am XXXX 1999, Staatsangehörigkeit Afghanistan, vertreten durch die Rechtsanwältin Mag. XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 12.07.2017,
Zl. XXXX , zu Recht erkannt:

A)

I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 als unbegründet abgewiesen.

II. Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides gemäß § 8 Abs. 1 AsylG 2005 stattgegeben und wird XXXX der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuerkannt.

III. Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG 2005 wird XXXX eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter bis zum 22.10.2021 erteilt.

IV. Die Spruchpunkte III. und IV. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang

Der Beschwerdeführer, ein afghanischer Staatsangehöriger, hat sein Heimatland verlassen, ist illegal in das Bundesgebiet eingereist und hat am 19.11.2015 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gestellt.

Bei der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes am 20.11.2015 gab der Beschwerdeführer zu seinem Fluchtgrund an, dass die Taliban von ihm verlangt hätten, dass er sich ihnen anschließe, ansonsten würden sie ihn töten. Er habe keine Perspektive und keine Zukunft in Afghanistan gehabt.

Der Beschwerdeführer wurde am 11.07.2017 beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl im Beisein eines Dolmetschers für die Sprache Dari niederschriftlich einvernommen. Dabei gab er an, dass er aus der Provinz Logar stamme. Sein Vater sei bereits verstorben. Seine Mutter, seine Schwester, ein Onkel väterlicherseits und ein Onkel mütterlicherseits würden nach wie vor in Logar leben. Zu seinem Fluchtgrund befragt, führte der Beschwerdeführer aus, dass er nach der Schule im Lebensmittelgeschäft seines Onkels väterlicherseits mitgeholfen habe. Eines Tages habe er zwei schwarze Säcke im Geschäft bemerkt. Sein Onkel sei gerade nicht da gewesen und habe der Beschwerdeführer diesbezüglich im Nachbargeschäft nachgefragt. Der Nachbar habe die Säcke angeschaut, aber nichts gesagt und sei gleich wieder gegangen. Fünf bis zehn Minuten später sie die Polizei gekommen und habe dem Beschwerdeführer viele Fragen gestellt, insbesondere mit wem sein Onkel väterlicherseits zusammenarbeite. Der Onkel mütterlicherseits sei dann zur Polizeistation gekommen und der Beschwerdeführer sei freigelassen worden. Einige Tage später sei der Onkel mütterlicherseits von den Taliban angesprochen worden; sie hätten ihn gefragt, warum der Beschwerdeführer eine Anzeige bei der Polizei gemacht habe und hätten nach ihm gesucht. Der Onkel mütterlicherseits habe dann die Ausreise des Beschwerdeführers organisiert. Auf Nachfrage, gab der Beschwerdeführer an, dass sein Onkel väterlicherseits vielleicht mit den Taliban zusammengearbeitet habe und die Säcke mit Sprengstoff gefüllt gewesen seien. Im Falle einer Rückkehr würde er von den Taliban umgebracht werden.

Mit angefochtenem Bescheid vom 12.07.2017 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan gemäß § 8 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Gemäß § 57 AsylG wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt und gemäß § 10 Abs.1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt III.). Weiters wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des Beschwerdeführers gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 2 Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.).

In der Bescheidbegründung traf die belangte Behörde Feststellungen zur Person des Beschwerdeführers, zu seinem Fluchtgrund, zur Situation im Falle seiner Rückkehr und zur Lage in seinem Herkunftsstaat. Es habe keine glaubhafte Gefährdungslage festgestellt werden können. Der Beschwerdeführer habe keine Verfolgung glaubhaft machen können. Dem Beschwerdeführer könne eine Rückkehr nach Afghanistan zugemutet werden.

Gegen verfahrensgegenständlich angefochtenen Bescheid wurde mit Schreiben der damaligen Rechtsvertretung des Beschwerdeführers vom 28.07.2017 Beschwerde erhoben. Darin wurde zunächst das vom Beschwerdeführer in der Einvernahme am 11.07.2017 erstattete Vorbringen wiederholt und mit neuen Details ergänzt und wurde ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Afghanistan einerseits Verfolgung durch die Taliban und andererseits durch die afghanische Regierung drohe, weil die Regierung dem Beschwerdeführer vorwerfe, mit den Taliban zusammenzuarbeiten. Der angefochtene Bescheid enthalte weder aktuelle Berichte zur Herrschaft und Vorgehensweise der Taliban, noch Berichte zur tatsächlichen Schutzfähigkeit der afghanischen Behörden. In weiterer Folge wurde auf Berichte zur Situation in Afghanistan verwiesen und wurde ausgeführt, dass dem Beschwerdeführer Asyl, zumindest jedoch subsidiärer Schutz zu gewähren sei.

Die Beschwerde und der Bezug habende Verwaltungsakt langten am 04.08.2017 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

Am 23.08.2017 wurde ein psychiatrischer Befund vom 18.08.2017 betreffend den Beschwerdeführer an das Bundesverwaltungsgericht übermittelt.

Am 12.09.2017 wurden diverse Integrationsunterlagen betreffend den Beschwerdeführer an das Bundesverwaltungsgericht übermittelt.

Am 25.09.2017 übermittelte die belangte Behörde einen Abtretungsbericht der Staatsanwaltschaft Graz vom 18.09.2017 an das Bundesverwaltungsgericht.

Am 27.09.2017 wurden diverse Integrationsunterlagen betreffend den Beschwerdeführer an das Bundesverwaltungsgericht übermittelt.

Am 14.10.2017 wurde eine Beschäftigungsbewilligung vom 04.10.2017 betreffend den Beschwerdeführer an das Bundesverwaltungsgericht übermittelt.

Am 30.11.2017 wurde ein zwischen dem Beschwerdeführer und XXXX abgeschlossener Lehrvertag an das Bundesverwaltungsgericht übermittelt.

Am 12.12.2018 wurde eine Verständigung der Behörde vom Rücktritt der Verfolgung gegen den Beschwerdeführer an das Bundesverwaltungsgericht übermittelt.

Am 11.02.2020 langte eine mit 10.02.2020 datierte „Mitteilung über das Lehrverhältnis und Fristhemmung“ beim Bundesverwaltungsgericht in.

Am 10.09.2020 langte beim Bundesverwaltungsgericht ein Bescheid des AMS vom 10.09.2020 ein, mit welchem die Beschäftigungsbewilligung des Beschwerdeführers für die berufliche Tätigkeit als Koch für die Zeit von 06.01.2021 bis 05.10.2021 verlängert wurde.

Am 08.10.2020 langte eine Stellungnahme der nunmehrigen Rechtsvertretung des Beschwerdeführers beim Bundesverwaltungsgericht ein.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht wurde in der gegenständlichen Rechtssache am 09.10.2020 eine öffentliche mündliche Verhandlung unter Beisein des Beschwerdeführers und seiner Rechtsvertretung sowie eines Dolmetschers für die Sprache Dari durchgeführt. Die belangte Behörde entschuldigte ihr Fernbleiben.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Der Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsbürger, geboren XXXX 1999. Er stammt aus der Provinz Logar, Distrik Pul-i-Alam und hat dort bis zu seiner Ausreise aus Afghanistan gelebt.

Der Vater des Beschwerdeführers ist bereits verstorben. Die Mutter und die Schwester des Beschwerdeführers leben nach wie vor im Heimatort in der Provinz Logar beim Onkel mütterlicherseits des Beschwerdeführers. Der Onkel mütterlicherseits des Beschwerdeführers besitzt Grundstücke in Logar. Er arbeitet als Landwirt auf den eigenen Feldern und versorgt die Mutter und die Schwester des Beschwerdeführers.

Der Beschwerdeführer ist volljährig und ledig. Er ist gesund und arbeitsfähig. Er ist Tadschike, schiitischer Moslem und spricht Dari. Der Beschwerdeführer hat in seinem Heimatort in der Provinz Logar fünf Jahre lang die Schule besucht. Nebenbei hat er im Lebensmittelgeschäft seines Onkels väterlicherseits ausgeholfen.

Der Beschwerdeführer befindet sich seit spätestens 19.11.2015 in Österreich. Er ist illegal in das Bundesgebiet eingereist. Es halten sich keine Familienangehörigen oder Verwandten des Beschwerdeführers in Österreich auf. Der Beschwerdeführer ist strafgerichtlich unbescholten.

1.2. Zum Fluchtgrund

Der Beschwerdeführer war in Afghanistan keiner konkreten individuellen Verfolgung ausgesetzt und wurden von ihm keine asylrelevanten Gründe für das Verlassen seines Heimatstaates dargetan. Es wird festgestellt, dass dem Beschwerdeführer im Falle der Rückkehr nach Afghanistan keine Verfolgungsgefahr durch die Taliban droht. Dem Beschwerdeführer droht im Falle der Rückkehr auch keine Verfolgung durch die afghanische Regierung.

Dem Beschwerdeführer droht in Afghanistan aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung keine Verfolgung.


1.3. Zur Situation im Falle der Rückkehr:

Dem Beschwerdeführer würde bei einer Rückkehr in seine Herkunftsprovinz Logar aufgrund der dort herrschenden allgemeinen schlechten Sicherheitslage mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit ein Eingriff in seine körperliche Unversehrtheit drohen.

Dem Beschwerdeführer ist auch eine Neuansiedlung in einer anderen Region Afghanistans, etwa in den Städten Herat oder Mazar-e Sharif, aufgrund seiner individuellen Umstände in Verbindung mit der aktuell wegen der COVID-19-Pandemie angespannten Beschäftigungs-, Wohn- und Versorgungsituation derzeit nicht zumutbar.

In den Großstädten Afghanistans sind die Möglichkeiten, eine Arbeit, insbesondere Gelegenheits- und Tagelöhnertätigkeiten, zu finden aufgrund der Corona-Krise nach wie vor niedrig. Die Lebensmittelpreise sind nach wie vor überdurchschnittlich hoch. Resultierend aus diesen beiden Umständen (weniger Möglichkeiten, ein Einkommen zu erwirtschaften in Verbindung mit höheren Lebensmittelpreisen) besteht für die Städte in Afghanistan bis mindestens Jänner 2021 IPC Phase 3, was bedeutet, dass Ersparnisse aufgebraucht werden müssen.

Der Beschwerdeführer ist ein junger, gesunder und arbeitsfähiger Mann. Er verfügt jedoch lediglich über eine fünfjährige Schulbildung und hat in Afghanistan ausschließlich Hilfstätigkeiten im Geschäft seines Onkels durchgeführt. Er verfügt über keine abgeschlossene Berufsausbildung oder sonstige besonderen Kenntnisse, hat noch nie in den Städten Mazar-e Sharif und Herat gelebt und hat in diesen Städten auch keine Verwandten. Er wäre daher bei einer Rückkehr nach Afghanistan und Ansiedlung in den Städten Herat oder Mazar-e Sharif zur Sicherung seines Lebensunterhaltes auf Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten angewiesen. Gerade diese stehen aber in Zusammenhang mit der COVID-19-Pandemie in den Großstädten derzeit nur in sehr eingeschränktem Ausmaß zur Verfügung. Dasselbe gilt auch für die Unterkunftssituation. Auch die Nahrungsmittelpreise sind in den letzten Monaten massiv gestiegen. Es wäre dem geringqualifizierten Beschwerdeführer, der in Afghanistan lediglich Hilfstätigkeiten ausgeübt hat und keine abgeschlossene Berufsausbildung aufweist und in den Städten Herat und Mazar-e Sharif über kein familiäres oder soziales Netzwerk verfügt, daher in der aktuellen Situation mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht möglich, eine Arbeit und eine für ihn leistbare Unterkunft zu finden.

Die beim Beschwerdeführer vorgenommene Einzelfallprüfung ergibt, dass aufgrund der oben dargelegten individuellen und allgemeinen Umstände nicht davon ausgegangen werden kann, dass es ihm möglich ist, in Afghanistan bei einer Neuansiedlung in den Städten Herat oder Mazar-e Sharif dort Fuß zu fassen und ein Leben ohne unbillige Härten zu führen, wie es auch andere Landsleute führen können. Bei einer dortigen Ansiedlung liefe der Beschwerdeführer vielmehr Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

1.4. Zur Lage im Herkunftsstaat/ maßgebliche Situation in Afghanistan:

Logar:

Die Provinz Logar liegt im Zentrum Afghanistans, etwa 65 Kilometer südlich von Kabul. Sie grenzt an die Provinzen Kabul im Norden, Nangarhar im Nordosten, Paktya im Süden und Ghazni und Wardak im Westen. Im Osten hat die Provinz im Distrikt Azra eine ca. acht Kilometer lange, unbewachte Grenze mit Pakistan (Provinz Khyber Pakhtunkhwa). Die Provinzhauptstadt von Logar ist Pul-e-Alam. Die Provinz ist in folgende Distrikte unterteilt: Azra, Baraki Barak, Charkh, Khar War, Khushi, Mohammad Agha und Pul-e-Alam.

Die afghanische zentrale Statistikorganisation (CSO) schätzte die Bevölkerung von Logar für den Zeitraum 2019-20 auf 426.821 Personen; sie besteht hauptsächlich aus Tadschiken, Paschtunen und Hazara. Die Provinz ist reich an Chromit; Lagerstätten werden illegal abgebaut und das Erz nach Pakistan geschmuggelt. Die Bodenschätze der Provinz führen oft zu lokalen Rivalitäten um die Einnahmen aus dem Abbau.

Die Autobahn Kabul-Gardez-Khost führt durch die Distrikte Mohammad Agha und Pul-e-Alam. Die Provinz ist ein strategischer Knotenpunkt für Taliban-Kämpfer; nicht nur wegen ihrer Nähe zu Kabul, sondern auch, weil sie einen einfachen Zugang zu den Fronten der Aufständischen in den nahegelegenen Provinzen Nangarhar, Paktia, Paktika, Khost, Wardak und Ghazni sowie in Pakistan bietet.

Hintergrundinformationen zum Konflikt und Akteure

Aufständische sind in gewissen Distrikten aktiv und führen terroristische Aktivitäten durch. So haben auch die Taliban eine Präsenz in der Provinz. Operationen zur Befreiung der Distrikte von Talibanaufständischen werden regelmäßig durchführt, unter anderem auch durch den afghanischen Geheimdienst (NDS).

In Bezug auf die Anwesenheit von staatlichen Sicherheitskräften liegt die Provinz Logar in der Verantwortung des 203. ANA Corps, das unter der Leitung von US-Truppen der Task Force Southeast (TF Southeast) steht.

Jüngste Entwicklungen und Auswirkungen auf die zivile Bevölkerung

Im Jahr 2019 dokumentierte UNAMA 218 zivile Opfer (95 Tote und 123 Verletzte) in der Provinz Logar. Dies entspricht einer Steigerung von 52% gegenüber 2018. Die Hauptursachen für die Opfer waren Luftangriffe, gefolgt von Kämpfen am Boden und gezielten Tötungen.

Die Provinz Logar zählt zu den relativ instabilen Provinzen Afghanistans mit aktiven aufständischen Kämpfern; die Sicherheitslage soll sich in den vergangenen Monaten verschlechtert haben. In der Provinz kommt es regelmäßig zu Sicherheitsoperationen, unter anderem auch von Spezialeinheiten des NDS. Luftangriffe werden durchgeführt, dabei werden Aufständische getötet. Zivilisten fallen manchmal auch Luftangriffen zum Opfer.

Die Taliban führen in Logar Angriffe auf Kontrollposten der Regierungskräfte durch. Auch kommt es zu Anschlägen auf hochrangige Regierungsvertreter durch die Taliban.

Immer wieder kommt es zu temporären Kontrollpunkten der Taliban, wie z.B. auf dem Straßenabschnitt Mohammad Agha; in manchen Fällen, um nach Regierungsmitarbeitern Ausschau zu halten.

Mazar-e Sharif:

Mazar-e Sharif ist die Hauptstadt der Provinz Balkh. Mazar-e Sharif liegt an der Autobahn zwischen Maimana und Pul-e-Khumri und ist gleichzeitig ein Wirtschafts- und Verkehrsknotenpunkt in Nordafghanistan. Die Region entwickelt sich wirtschaftlich gut. Es entstehen neue Arbeitsplätze, Firmen siedeln sich an und auch der Dienstleistungsbereich wächst.

In Mazar-e Sharif gibt es einen internationalen Flughafen, durch den die Stadt sicher zu erreichen ist.

Die Provinz Balkh ist nach wie vor eine der stabilsten Provinzen Afghanistans, sie zählt zu den relativ ruhigen Provinzen in Nordafghanistan. Manchmal kommt es zu Zusammenstößen zwischen Aufständischen und den afghanischen Sicherheitskräften.

Im Zeitraum 1.1.2017-30.4.2018 wurden in der Provinz 93 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 1.382.155 geschätzt.


Herat-Stadt:

Die Provinz Herat liegt im Westen Afghanistans und teilt eine internationale Grenze mit dem Iran im Westen und Turkmenistan im Norden. Die Provinzhauptstadt von Herat ist Herat-Stadt.

Die Provinz ist durch die Ring Road mit anderen Großstädten verbunden. Eine Hauptstraße führt von Herat ostwärts nach Ghor und Bamyan und weiter nach Kabul. Andere Autobahn verbinden die Provinzhauptstadt mit dem afghanisch-turkmenischen Grenzübergang bei Torghundi sowie mit der afghanisch-iranischen Grenzüberquerung bei Islam Qala. Ein Flughafen mit Linienflugbetrieb zu internationalen und nationalen Destinationen liegt in der unmittelbaren Nachbarschaft von Herat-Stadt.

Herat gehört zu den relativ ruhigen Provinzen im Westen Afghanistans, jedoch sind Talibankämpfer in einigen abgelegenen Distrikten aktiv und versuchen oft terroristische Aktivitäten durchzuführen. Je mehr man sich von Herat-Stadt (die als „sehr sicher“ gilt) und den angrenzenden Distrikten Richtung Norden, Westen und Süden entfernt, desto größer wird der Einfluss der Taliban.

Im Zeitraum 1.1.2018-30.9.2019 wurden in der Provinz 145 sicherheitsrelevante Vorfälle registriert. Die Bevölkerungszahl der Provinz wird auf 2.095.117 geschätzt.

Aktueller Stand der COVID-19 Krise in Afghanistan

Berichten zufolge, haben sich in Afghanistan mehr als 35.000 Menschen mit COVID-19 angesteckt (WHO 20.7.2020; vgl. JHU 20.7.2020, OCHA 16.7.2020), mehr als 1.280 sind daran gestorben. Aufgrund der begrenzten Ressourcen des öffentlichen Gesundheitswesens und der begrenzten Testkapazitäten sowie des Fehlens eines nationalen Sterberegisters werden bestätigte Fälle von und Todesfälle durch COVID-19 in Afghanistan wahrscheinlich insgesamt zu wenig gemeldet (OCHA 16.7.2020; vgl. DS 19.7.2020). 10 Prozent der insgesamt bestätigten COVID-19-Fälle entfallen auf das Gesundheitspersonal. Kabul ist hinsichtlich der bestätigten Fälle nach wie vor der am stärksten betroffene Teil des Landes, gefolgt von den Provinzen Herat, Balkh, Nangarhar und Kandahar (OCHA 15.7.2020). Beamte in der Provinz Herat sagten, dass der Strom afghanischer Flüchtlinge, die aus dem Iran zurückkehren, und die Nachlässigkeit der Menschen, die Gesundheitsrichtlinien zu befolgen, die Möglichkeit einer neuen Welle des Virus erhöht haben, und dass diese in einigen Gebieten bereits begonnen hätte (TN 14.7.2020). Am 18.7.2020 wurde mit 60 neuen COVID-19 Fällen der niedrigste tägliche Anstieg seit drei Monaten verzeichnet – wobei an diesem Tag landesweit nur 194 Tests durchgeführt wurden (AnA 18.7.2020).

Krankenhäuser und Kliniken berichten weiterhin über Probleme bei der Aufrechterhaltung oder Erweiterung der Kapazität ihrer Einrichtungen zur Behandlung von Patienten mit COVID-19. Diese Herausforderungen stehen im Zusammenhang mit der Bereitstellung von persönlicher Schutzausrüstung (PSA), Testkits und medizinischem Material sowie mit der begrenzten Anzahl geschulter Mitarbeiter - noch verschärft durch die Zahl des erkrankten Gesundheitspersonals. Es besteht nach wie vor ein dringender Bedarf an mehr Laborequipment sowie an der Stärkung der personellen Kapazitäten und der operativen Unterstützung (OCHA 16.7.2020, vgl. BBC-News 30.6.2020).

Maßnahmen der afghanischen Regierung und internationale Hilfe

Die landesweiten Sperrmaßnahmen der Regierung Afghanistans bleiben in Kraft. Universitäten und Schulen bleiben weiterhin geschlossen (OCHA 8.7.2020; vgl. RA KBL 16.7.2020). Die Regierung Afghanistans gab am 6.6.2020 bekannt, dass sie die landesweite Abriegelung um drei weitere Monate verlängern und neue Gesundheitsrichtlinien für die Bürger herausgeben werde. Darüber hinaus hat die Regierung die Schließung von Schulen um weitere drei Monate bis Ende August verlängert (OCHA 8.7.2020).

Berichten zufolge werden die Vorgaben der Regierung nicht befolgt, und die Durchsetzung war nachsichtig (OCHA 16.7.2020, vgl. TN 12.7.2020). Die Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des Virus unterscheiden sich weiterhin von Provinz zu Provinz, in denen die lokalen Behörden über die Umsetzung der Maßnahmen entscheiden. Zwar behindern die Sperrmaßnahmen der Provinzen weiterhin periodisch die Bewegung der humanitären Helfer, doch hat sich die Situation in den letzten Wochen deutlich verbessert, und es wurden weniger Behinderungen gemeldet (OCHA 15.7.2020).

Einwohner Kabuls und eine Reihe von Ärzten stellten am 18.7.2020 die Art und Weise in Frage, wie das afghanische Gesundheitsministerium (MoPH) mit der Ausbreitung der COVID-19-Pandemie im Land umgegangen ist, und sagten, das Gesundheitsministerium habe es trotz massiver internationaler Gelder versäumt, richtig auf die Pandemie zu reagieren (TN 18.7.2020). Es gibt Berichte wonach die Bürger angeben, dass sie ihr Vertrauen in öffentliche Krankenhäuser verloren haben und niemand mehr in öffentliche Krankenhäuser geht, um Tests oder Behandlungen durchzuführen (TN 12.7.2020).

Beamte des afghanischen Gesundheitsministeriums erklärten, dass die Zahl der aktiven Fälle von COVID-19 in den Städten zurückgegangen ist, die Pandemie in den Dörfern und in den abgelegenen Regionen des Landes jedoch zunimmt. Der Gesundheitsminister gab an, dass 500 Beatmungsgeräte aus Deutschland angekauft wurden und 106 davon in den Provinzen verteilt werden würden (TN 18.7.2020).

Am Samstag den 18.7.2020 kündete die afghanische Regierung den Start des Dastarkhan-e-Milli-Programms als Teil ihrer Bemühungen an, Haushalten inmitten der COVID-19-Pandemie zu helfen, die sich in wirtschaftlicher Not befinden. Auf der Grundlage des Programms will die Regierung in der ersten Phase 86 Millionen Dollar und dann in der zweiten Phase 158 Millionen Dollar bereitstellen, um Menschen im ganzen Land mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Die erste Phase soll über 1,7 Millionen Familien in 13.000 Dörfern in 34 Provinzen des Landes abdecken (TN 18.7.2020; vgl. Mangalorean 19.7.2020).

Die Weltbank genehmigte am 15.7.2020 einen Zuschuss in Höhe von 200 Millionen US-Dollar, um Afghanistan dabei zu unterstützen, die Auswirkungen von COVID-19 zu mildern und gefährdeten Menschen und Unternehmen Hilfe zu leisten (WB 10.7.2020; vgl. AN 10.7.2020).

Auszugsweise Lage in den Provinzen Afghanistans

Dieselben Maßnahmen – nämlich Einschränkungen und Begrenzungen der täglichen Aktivitäten, des Geschäftslebens und des gesellschaftlichen Lebens – werden in allen folgend angeführten Provinzen durchgeführt. Die Regierung hat eine Reihe verbindlicher gesundheitlicher und sozialer Distanzierungsmaßnahmen eingeführt, wie z.B. das obligatorische Tragen von Gesichtsmasken an öffentlichen Orten, das Einhalten eines Sicherheitsabstandes von zwei Metern in der Öffentlichkeit und ein Verbot von Versammlungen mit mehr als zehn Personen. Öffentliche und touristische Plätze, Parks, Sportanlagen, Schulen, Universitäten und Bildungseinrichtungen sind geschlossen; die Dienstzeiten im privaten und öffentlichen Sektor sind auf 6 Stunden pro Tag beschränkt und die Beschäftigten werden in zwei ungerade und gerade Tagesschichten eingeteilt (RA KBL 16.7.2020; vgl. OCHA 8.7.2020).

Die meisten Hotels, Teehäuser und ähnliche Orte sind aufgrund der COVID-19 Maßnahmen geschlossen, es sei denn, sie wurden geheim und unbemerkt von staatlichen Stellen geöffnet (RA KBL 16.7.2020; vgl. OCHA 8.7.2020).

In der Provinz Balkh gibt es ein Krankenhaus, welches COVID-19 Patienten behandelt und über 200 Betten verfügt. Es gibt Berichte, dass die Bewohner einiger Distrikte der Provinz mit Wasserknappheit zu kämpfen hatten. Darüber hinaus hatten die Menschen in einigen Distrikten Schwierigkeiten mit dem Zugang zu ausreichender Nahrung, insbesondere im Zuge der COVID-19-Pandemie (RA KBL 16.7.2020).

Wirtschaftliche Lage in Afghanistan

Verschiedene COVID-19-Modelle zeigen, dass der Höhepunkt des COVID-19-Ausbruchs in Afghanistan zwischen Ende Juli und Anfang August erwartet wird, was schwerwiegende Auswirkungen auf die Wirtschaft Afghanistans und das Wohlergehen der Bevölkerung haben wird (OCHA 16.7.2020). Es herrscht weiterhin Besorgnis seitens humanitärer Helfer, über die Auswirkungen ausgedehnter Sperrmaßnahmen auf die am stärksten gefährdeten Menschen – insbesondere auf Menschen mit Behinderungen und Familien – die auf Gelegenheitsarbeit angewiesen sind und denen alternative Einkommensquellen fehlen (OCHA 15.7.2020). Der Marktbeobachtung des World Food Programme (WFP) zufolge ist der durchschnittliche Weizenmehlpreis zwischen dem 14. März und dem 15. Juli um 12 Prozent gestiegen, während die Kosten für Hülsenfrüchte, Zucker, Speiseöl und Reis (minderwertige Qualität) im gleichen Zeitraum um 20 – 31 Prozent gestiegen sind (WFP 15.7.2020, OCHA 15.7.2020). Einem Bericht der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UNO (FAO) und des Ministeriums für Landwirtschaft, Bewässerung und Viehzucht (MAIL) zufolge sind über 20 Prozent der befragten Bauern nicht in der Lage, ihre nächste Ernte anzubauen, wobei der fehlende Zugang zu landwirtschaftlichen Betriebsmitteln und die COVID-19-Beschränkungen als Schlüsselfaktoren genannt werden. Darüber hinaus sind die meisten Weizen-, Obst-, Gemüse- und Milchverarbeitungsbetriebe derzeit nur teilweise oder gar nicht ausgelastet, wobei die COVID-19-Beschränkungen als ein Hauptgrund für die Reduzierung der Betriebe genannt werden. Die große Mehrheit der Händler berichtete von gestiegenen Preisen für Weizen, frische Lebensmittel, Schafe/Ziegen, Rinder und Transport im Vergleich zur gleichen Zeit des Vorjahres. Frischwarenhändler auf Provinz- und nationaler Ebene sahen sich im Vergleich zu Händlern auf Distriktebene mit mehr Einschränkungen konfrontiert, während die große Mehrheit der Händler laut dem Bericht von teilweisen Marktschließungen aufgrund von COVID-19 berichtete (FAO 16.4.2020; vgl. OCHA 16.7.2020; vgl. WB 10.7.2020).

Am 19.7.2020 erfolgte die erste Lieferung afghanischer Waren in zwei Lastwagen nach Indien, nachdem Pakistan die Wiederaufnahme afghanischer Exporte nach Indien angekündigt hatte um den Transithandel zu erleichtern. Am 12.7.2020 öffnete Pakistan auch die Grenzübergänge Angor Ada und Dand-e-Patan in den Provinzen Paktia und Paktika für afghanische Waren, fast zwei Wochen nachdem es die Grenzübergänge Spin Boldak, Torkham und Ghulam Khan geöffnet hatte (TN 20.7.2020).

Einreise und Bewegungsfreiheit

Die Türkei hat, nachdem internationale Flüge ab 11.6.2020 wieder nach und nach aufgenommen wurden, am 19.7.2020 wegen der COVID-19-Pandemie Flüge in den Iran und nach Afghanistan bis auf weiteres ausgesetzt, wie das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur mitteilte (TN 20.7.2020; vgl. AnA 19.7.2020, DS 19.7.2020).

Bestimmte öffentliche Verkehrsmittel wie Busse, die mehr als vier Passagiere befördern, dürfen nicht verkehren. Obwohl sich die Regierung nicht dazu geäußert hat, die Reisebeschränkungen für die Bürger aufzuheben, um die Ausbreitung von COVID-19 zu verhindern, hat sich der Verkehr in den Städten wieder normalisiert, und Restaurants und Parks sind wieder geöffnet (TN 12.7.2020).

2. Beweiswürdigung

2.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

Die getroffenen Feststellungen zur Person ergeben sich aus dem diesbezüglichen Vorbringen des Beschwerdeführers. Die Feststellungen zur Staatsangehörigkeit, zur Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit, zur Abstammung aus der Provinz Logar sowie zum nunmehrigen Aufenthaltsort seiner Angehörigen stützen sich auf die Angaben des Beschwerdeführers im Verfahren vor dem BFA, in der Beschwerde, sowie in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht und auf die Kenntnis und Verwendung der Sprache Dari.

2.2. Zum vorgebrachten Fluchtgrund:

Die Feststellungen zu den Gründen des Beschwerdeführers für das Verlassen seines Heimatstaates stützen sich auf die vom Beschwerdeführer vor dem BFA, in der Beschwerde sowie in der mündlichen Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht getroffenen Aussagen.

Das Vorbringen des Beschwerdeführers, wonach er im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan einer Verfolgung durch die Taliban ausgesetzt wäre, ist, aus folgenden Erwägungen, nicht glaubhaft:

Der Beschwerdeführer tätigte im Verfahren vor der belangten Behörde, in der Beschwerde und in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht teilweise widersprüchliche und zudem unplausible und nicht nachvollziehbare Angaben.

Der Beschwerdeführer brachte in der Einvernahme vor der belangten Behörde vor, dass er im Lebensmittelgeschäft seines Onkels väterlicherseits, in dem er ausgeholfen habe, zwei schwarze Säcke gefunden habe und - da sein Onkel gerade nicht im Geschäft gewesen sei - den Inhaber des Nachbargeschäfts geholt habe um bezüglich der Säcke Nachschau zu halten. Auf Vorhalt, warum er nicht selbst in die Säcke hineingeschaut habe, gab der Beschwerdeführer an, dass er Angst gehabt habe, was allerdings nicht nachvollziehbar ist, zumal verpackte Ware in einem Lebensmittelgeschäft nicht ungewöhnlich erscheint und der Beschwerdeführer nicht vorbrachte, dass irgendetwas an diesen Säcken ungewöhnlich gewesen wäre. In der Beschwerde - und in weiterer Folge in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht - führte der Beschwerdeführer erstmals und neu aus, dass er einen merkwürdigen Geruch nach Sprengstoff bemerkt habe, in weiterer Folge die schwarzen Säcke gesehen habe und er dann, da ihm dies unheimlich gewesen sei, den Nachbar geholt habe. Dass er Sprengstoff gerochen habe, ließ der Beschwerdeführer in der Einvernahme vor der belangten Behörde völlig unerwähnt. Abgesehen davon ist zu bemerken, dass, so wie der Beschwerdeführer in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht den Inhalt der Säcke beschrieben hat, nämlich dahingehend, dass sich Dynamitstangen und Handgranaten darin befunden hätten - das Wahrnehmen eines Sprengstoffgeruchs bei Dynamitstangen und Handgranaten nicht möglich scheint. Zu diesem Zweck wird der trainierte Geruchssinn von Spürhunden benötigt.

Des Weiteren kann nicht nachvollzogen werden, warum für den Beschwerdeführer – wie er in der Beschwerde vorbrachte und in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht bestätigte – die Beiziehung der Polizei durch den Nachbarn überraschend war. Es erscheint durchaus lebensnah, dass der Nachbar, nachdem er zwei, mit Sprengstoff gefüllte, Säcke gefunden habe, zur Polizei gegangen sei. Insbesondere ist zu bemerken, dass der Beschwerdeführer in der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht kurz darauf angab, dass er selbst die Polizei informieren habe wollen, aber nicht genau gewusst habe, wie er es anstellen sollte. Die Überraschung, dass der Nachbar die Polizei informiert habe, kann daher in keiner Weise nachvollzogen werden.

Des Weiteren tätigte der Beschwerdeführer widersprüchliche Angaben dahingehend, wann sein Onkel mütterlicherseits von den Taliban angesprochen und nach dem Beschwerdeführer gefragt worden sei. So gab er in der Einvernahme vor der belangten Behörde an, dass sein Onkel mütterlicherseits ihn von der Polizeistation abgeholt und mit nachhause genommen habe. Ein paar Tage später sei der Onkel mütterlicherseits von den Taliban angesprochen und gefragt worden, warum der Beschwerdeführer eine Anzeige bei der Polizei gemacht habe. In der Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht gab er hingegen an, dass sein Onkel mütterlicherseits noch am selben Tag, als sie von der Polizeistation nachhause gekommen seien, dem Beschwerdeführer gesagt habe, dass die Taliban ihn beschuldigen würden, der Polizei von den Säcken erzählt zu haben.

In einer Gesamtschau konnte der Beschwerdeführer nicht glaubhaft machen, dass sich der Vorfall im Geschäft seines Onkels, bei dem er Säcke mit Sprengstoff gefunden haben will und in weiterer Folge einer Verfolgung durch die Taliban ausgesetzt gewesen sei, tatsächlich ereignet hat. Der Beschwerdeführer konnte sohin eine ihm im Falle der Rückkehr nach Afghanistan drohende Verfolgungsgefahr durch die Taliban nicht glaubhaft machen.

Ebenso wenig konnte er eine - in der Beschwerde vorgebrachte - Verfolgungsgefahr durch die afghanische Regierung glaubhaft machen, zumal – wie bereits ausgeführt – seinem gesamten Fluchtvorbringen keine Glaubwürdigkeit zukommt.

2.3. Zur Situation im Falle der Rückkehr:

Die Feststellungen zur Situation im Herkunftsstaat ergeben sich aufgrund des Länderinformationsblattes der Staatendokumentation (Gesamtaktualisierung am 13.11.2019), den EASO-Richtlinien (Country Guidance Afghanistan) von Juni 2019 und der UNHCR-RL vom 30.08.2018.

Die Feststellungen zu den Folgen einer Rückkehr des Beschwerdeführers in seine Herkunftsprovinz Logar ergeben sich aus den oben angeführten Länderberichten.

Die Feststellungen zu der Situation in den Städten Afghanistans (geringe Möglichkeiten, ein Einkommen zu erwirtschaften in Verbindung mit höheren Lebensmittelpreisen) und der dort bestehenden IPC Phase 3, ergeben sich aus dem Dokument FEWS NET – Afghanistan Food Security Outlook Update von August 2020.

Die Grundversorgung vor der COVID-19-Pandemie war in Afghanistan generell – und so auch in den Städten Mazar-e Sharif und Herat – grundlegend gesichert. Aus den oben angeführten aktuellen Informationen ergibt sich jedoch, dass derzeit aufgrund der erschwerten Importsituation und der höheren Nachfrage die Lebensmittelpreise steigen. Insbesondere steigen die Kosten für Grundnahrungsmittel um hohe Prozentsätze, sodass die Versorgungssituation der Bevölkerung dadurch, verglichen mit der Situation vor COVID-19, noch einmal deutlich verschärft wird.

Der Beschwerdeführer hat in Afghanistan lediglich fünf Jahre lang die Schule besucht und Hilfstätigkeiten ausgeübt, verfügt jedoch über keine abgeschlossene Berufsausbildung oder sonst relevante Qualifikationen.

In den Städten Afghanistans herrscht, besonders für Geringqualifizierte wie den Beschwerdeführer, der auf Hilfs- und Gelegenheitsarbeiten angewiesen ist, eine eingeschränkte Möglichkeit einen Arbeitsplatz zu finden. Auch das Fehlen eines sozialen Netzwerks in Herat und Mazar-e Sharif erschwert für den Beschwerdeführer den Zugang zum Arbeitsmarkt. Es wäre dem Beschwerdeführer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit derzeit nicht möglich, eine Arbeit zu finden. Wie festgestellt, bedeutet die in den Städten Afghanistans bestehenden IPC Phase 3, dass Ersparnisse aufgebraucht werden müssen. Es ist im gegenständlichen Fall davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer als Rückkehrer keine Ersparnisse hat und daher nicht auf solche zurückgreifen kann. Sein Onkel mütterlicherseits betreibt zwar eine Landwirtschaft in Logar und versorgt mit den Erträgen die bei ihm lebende Mutter und Schwester des Beschwerdeführers, ein Verschicken der Naturalien aus der Landwirtschaft von Logar zum Beschwerdeführer nach Mazar-e Sharif oder Herat ist jedoch nicht möglich und mit finanzieller Unterstützung des Beschwerdeführers seitens eines Landwirts ist derzeit nicht zu rechnen.

Durch die Inanspruchnahme der nach den vorliegenden Länderinformationen grundsätzlich verfügbaren Rückkehrhilfe könnte der Beschwerdeführer höchstens sehr kurzfristig das Auslangen finden und wird insbesondere nur für Kabul berichtet, dass etwa Unterkünfte speziell für Rückkehrer verfügbar sind.

Dass diese Folgewirkungen der COVID-19-Pandemie durch die (an)laufenden internationalen Hilfs- bzw. Unterstützungsprogramme zur Gänze abgewendet werden könnten, ist nicht ersichtlich, zumal sich diese Programme vorwiegend auf die Unterstützung in medizinischer/gesundheitlicher Hinsicht konzentrieren.

Im gegenständlichen Verfahren nahm das Bundesverwaltungsgericht für den Beschwerdeführer eine individuelle Einzelfallprüfung vor, wie sie sowohl von EASO als auch von UNHCR für die Annahme einer Rückkehrmöglichkeit oder einer innerstaatlichen Flucht- und Schutzalternative gefordert werden. Das erkennende Gericht kommt in einer Gesamtbetrachtung zu dem Schluss, dass dem Beschwerdeführer aufgrund seiner individuellen Umstände in Verbindung mit der aktuell angespannten Beschäftigungs-, Wohn- und Versorgungsituation eine Rückkehr nach Afghanistan derzeit nicht zumutbar ist.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

Gemäß § 9 Abs. 2 FPG und § 7 Abs. 1 Z 1 BFA-VG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des BFA.

Da sich die gegenständliche Beschwerde gegen einen Bescheid des BFA richtet, ist das Bundesverwaltungsgericht für die Entscheidung zuständig.

Gemäß § 6 BVwGG entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt in der gegenständlichen Rechtssache die Entscheidung dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes ist durch das VwGVG geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

Zu A) Abweisung der Beschwerde:

Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Asylantrag gestellt hat, soweit der Antrag nicht gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK droht (vgl. auch die Verfolgungsdefinition in § 2 Abs. 1 Z 11 AsylG 2005, die auf Art. 9 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl. 2004 Nr. L 304/12 [Statusrichtlinie] verweist). Damit will der Gesetzgeber an die Gesamtheit der aufeinander bezogenen Elemente des Flüchtlingsbegriffs der GFK anknüpfen (VwGH 24.3.2011, 2008/23/1443). Gemäß § 3 Abs. 3 AsylG 2005 ist der Asylantrag bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abzuweisen, wenn dem Fremden eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offen steht oder wenn er einen Asylausschlussgrund (§ 6 AsylG 2005) gesetzt hat.

Flüchtling iSd Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK (idF des Art. 1 Abs. 2 des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge BGBl. 78/1974) - deren Bestimmungen gemäß § 74 AsylG 2005 unberührt bleiben - ist, wer sich "aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren." (vgl. VfSlg. 19.086/2010; VfGH 12.6.2010, U 613/10).

Zentraler Aspekt dieses Flüchtlingsbegriffs der GFK ist die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung. Wohlbegründet kann eine Furcht nur dann sein, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers und unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist (vgl. zB VwGH 22.12.1999, 99/01/0334; 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011; 17.3.2009, 2007/19/0459; 28.5.2009, 2008/19/1031). Es kommt nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation (aus Konventionsgründen) fürchten würde (vgl. VwGH 19.12.2007, 2006/20/0771; 17.3.2009, 2007/19/0459; 28.5.2009, 2008/19/1031; 6.11.2009, 2008/19/0012). Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende persönliche Sphäre des Einzelnen zu verstehen. Erhebliche Intensität liegt vor, wenn der Eingriff geeignet ist, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen. Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht; die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0131; 25.1.2001, 2001/20/0011; 28.5.2009, 2008/19/1031. Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in einem der Gründe haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK nennt (VwGH 9.9.1993, 93/01/0284; 15.3.2001, 99/20/0128; 23.11.2006, 2005/20/0551); sie muss Ursache dafür sein, dass sich der Asylwerber außerhalb seines Heimatlandes bzw. des Landes seines vorigen Aufenthaltes befindet.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. VwGH 28.3.1995, 95/19/0041; 27.6.1995, 94/20/0836; 23.7.1999, 99/20/0208; 21.9.2000, 99/20/0373; 26.2.2002, 99/20/0509 mwN; 12.9.2002, 99/20/0505; 17.9.2003, 2001/20/0177; 28.10.2009, 2006/01/0793; 23.2.2011, 2011/23/0064) ist eine Verfolgungshandlung nicht nur dann relevant, wenn sie unmittelbar von staatlichen Organen (aus Gründen der GFK) gesetzt worden ist, sondern auch dann, wenn der Staat nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, Handlungen mit Verfolgungscharakter zu unterbinden, die nicht von staatlichen Stellen ausgehen, sofern diese Handlungen - würden sie von staatlichen Organen gesetzt - asylrelevant wären. Eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung kann nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewandt werden kann (VwGH 22.3.2000, 99/01/0256 mwN).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe Dritter präventiv zu schützen (VwGH 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793 19.11.2010, 2007/19/0203; 23.2.2011, 2011/23/0064; 24.3.2011, 2008/23/1101). Für die Frage, ob eine ausreichend funktionierende Staatsgewalt besteht - unter dem Fehlen einer solchen ist nicht "zu verstehen, dass die mangelnde Schutzfähigkeit zur Voraussetzung hat, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht" (VwGH 22.3.2000, 99/01/0256) -, kommt es darauf an, ob jemand, der von dritter Seite (aus den in der GFK genannten Gründen) verfolgt wird, trotz staatlichem Schutz einen - asylrelevante Intensität erreichenden - Nachteil aus dieser Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit zu erwarten hat (vgl. VwGH 22.3.2000, 99/01/0256 im Anschluss an Goodwin-Gill, The Refugee in International Law2 [1996] 73; weiters VwGH 26.2.2002, 99/20/0509 mwN; 20.9.2004, 2001/20/0430; 17.10.2006, 2006/20/0120; 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793; 19.11.2010, 2007/19/0203; 23.2.2011, 2011/23/0064; 24.3.2011, 2008/23/1101). Für einen Verfolgten macht es nämlich keinen Unterschied, ob er auf Grund staatlicher Verfolgung mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit einen Nachteil zu erwarten hat oder ob ihm dieser Nachteil mit derselben Wahrscheinlichkeit auf Grund einer Verfolgung droht, die von anderen ausgeht und die vom Staat nicht ausreichend verhindert werden kann. In diesem Sinne ist die oben verwendete Formulierung zu verstehen, dass der Herkunftsstaat "nicht gewillt oder nicht in der Lage" sei, Schutz zu gewähren (VwGH 26.2.2002, 99/20/0509). In beiden Fällen ist es dem Verfolgten nicht möglich bzw. im Hinblick auf seine wohlbegründete Furcht nicht zumutbar, sich des Schutzes seines Heimatlandes zu bedienen (vgl. VwGH 22.3.2000, 99/01/0256; 13.11.2008, 2006/01/0191; 28.10.2009, 2006/01/0793; 19.11.2010, 2007/19/0203; 23.2.2011, 2011/23/0064; 24.3.2011, 2008/23/1101).

Im gegenständlichen Fall sind nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichtes die dargestellten Voraussetzungen, nämlich eine "begründete Furcht vor Verfolgung" im Sinne von Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK, nicht gegeben.

Der Beschwerdeführer stützte sein Fluchtvorbringen auf die Furcht vor Verfolgung durch die Taliban. Eine Verfolgungsgefahr ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH 21.12.2000, 2000/01/0132; 23.09.1998, 98/01/0224; 26.11.1998, 98/20/0309, u. v.a.). Dem Vorbringen des Beschwerdeführers war jedoch, wie bereits in der Beweiswürdigung dargelegt, keine dem Beschwerdeführer selbst mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit drohende individuelle, in seiner Person liegende, Verfolgung durch die Taliban zu entnehmen. Ebenso wenig war dem Vorbringen des Beschwerdeführers eine ihm drohenden Verfolgungsgefahr durch die afghanische Regierung zu entnehmen.

Im Verfahren haben sich auch sonst keine Anhaltspunkte ergeben, die eine Verfolgung aus asylrelevanten Gründen im Herkunftsstaat für maßgeblich wahrscheinlich erscheinen ließen:

Die allgemeine Lage in Afghanistan ist nicht dergestalt, dass bereits jedem, der sich dort aufhält, der Status eines Asylberechtigten zuerkannt werden müsste (vgl. etwa AsylGH 07.06.2011, C1 411.358-1/2010/15E, sowie den diesbezüglichen Beschluss des VfGH vom 19.09.2011, Zahl U 1500/11-6 u.v.a.).

Auch aus der wirtschaftlich schlechten Lage in Afghanistan lässt sich für den Beschwerdeführer eine Zuerkennung des Status eines Asylberechtigten nicht herleiten: Eine allgemeine desolate wirtschaftliche und soziale Situation stellt nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes keinen hinreichenden Grund für eine Asylgewährung dar (vgl. etwa VwGH vom 14.3.1995, 94/20/0798; 17.6.1993, 92/01/1081). Wirtschaftliche Benachteiligungen können nur dann asylrelevant sein, wenn sie jegliche Existenzgrundlage entziehen (vgl. etwa VwGH 9.5.1996, 95/20/0161; 30.4.1997, 95/01/0529, 8.9.1999, 98/01/0614). Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Judikatur erkennt, reicht auch der Verlust (oder die Schwierigkeit der Beschaffung) eines Arbeitsplatzes nicht aus, eine Asylgewährung zu begründen, solange damit nicht eine ernsthafte Bedrohung der Lebensgrundlage verbunden ist (VwGH 19.06.1997, 95/20/0482; vgl. 28.05.1994, 94/20/0034). Aber selbst für den Fall des Entzugs der Existenzgrundlage ist eine Asylrelevanz nur dann anzunehmen, wenn dieser Entzug mit einem in der GFK genannten Anknüpfungspunkt - nämlich der Rasse, der Religion, der Nationalität, der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung - zusammenhängt, was im vorliegenden Fall zu verneinen ist.

Da es dem Beschwerdeführer nicht gelungen ist, asylrelevante Verfolgung im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention in seinem Herkunftsstaat glaubhaft darzutun, war der Antrag auf internationalen Schutz des Beschwerdeführers gem. § 3 AsylG 2005 abzuweisen.

Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides

Wird ein Asylantrag "in Bezug auf die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten" abgewiesen, so ist dem Asylwerber gemäß § 8 Abs. 1 Z 1 AsylG 2005 der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, "wenn eine Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Fremden in seinen Herkunftsstaat eine reale Gefahr einer Verletzung von Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder Nr. 13 zur Konvention bedeuten würde oder für ihn als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes mit sich bringen würde". Nach § 8 Abs. 2 AsylG 2005 ist die Entscheidung über die Zuerkennung dieses Status mit der abweisenden Entscheidung nach § 3 AsylG 2005 zu verbinden.

Gemäß Art. 2 EMRK wird das Recht jedes Menschen auf das Leben gesetzlich geschützt. Abgesehen von der Vollstreckung eines Todesurteils, das von einem Gericht im Falle eines durch Gesetz mit der Todesstrafe bedrohten Verbrechens ausgesprochen worden ist, darf eine absichtliche Tötung nicht vorgenommen werden. Letzteres wurde wiederum durch das Protokoll Nr. 6 beziehungsweise Nr. 13 zur Abschaffung der Todesstrafe hinfällig. Gemäß Art. 3 EMRK darf niemand der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

Gemäß § 8 Abs. 3 und 6 AsylG 2005 ist der Antrag auf internationalen Schutz bezüglich dieses Status abzuweisen, wenn eine innerstaatliche Fluchtalternative (§ 11 AsylG 2005) offensteht oder wenn der Herkunftsstaat des Asylwerbers nicht festgestellt werden kann. Daraus und aus mehreren anderen Vorschriften (§ 2 Abs. 1 Z 13, § 10 Abs. 1 Z 2, § 27 Abs. 2 und 4 AsylG 2005) ergibt sich, dass dann, wenn dem Asylwerber kein subsidiärer Schutz gewährt wird, sein Antrag auf interanationalen Schutz auch in dieser Beziehung förmlich abzuweisen ist.

Unter "realer Gefahr" ist eine ausreichend reale, nicht nur auf Spekulationen gegründete Gefahr möglicher Konsequenzen für den Betroffenen ("a sufficiently real risk") im Zielstaat zu verstehen (VwGH 19.02.2004, Zl. 99/20/0573; auch ErläutRV 952 BlgNR 22. GP zu § 8 AsylG 2005). Die reale Gefahr muss sich auf das gesamte Staatsgebiet beziehen und die drohende Maßnahme muss von einer bestimmten Intensität sein und ein Mindestmaß an Schwere erreichen, um in den Anwendungsbereich des Artikels 3 EMRK zu gelangen (zB VwGH 26.06.1997, Zl. 95/21/0294; 25.01.2001, Zl. 2000/20/0438; 30.05.2001, Zl. 97/21/0560). Die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben wird, genügt nicht, um seine Abschiebung in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 8 Abs. 1 AsylG 2005 als unzulässig erscheinen zu lassen; vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass gerade der Betroffene einer derartigen Gefahr ausgesetzt sein würde (vgl. VwGH 27.02.2001, Zl. 98/21/0427; 20.06.2002, Zl. 2002/18/0028; siehe dazu vor allem auch EGMR 20.07.2010, N. gg. Schweden, Zl. 23505/09, Rz 52ff; 13.10.2011, Husseini gg. Schweden, Zl. 10611/09, Rz 81ff).

Die Herkunftsprovinz Logar des Beschwerdeführers ist auf Grund der dort herrschenden allgemeinen Sicherheitslage volatil. Aus diesem Grund könnte eine Rückführung des Beschwerdeführers in diese Region für ihn mit einer ernstzunehmenden Gefahr für Leib und Leben verbunden sein, weshalb ihm eine Rückkehr dorthin nicht möglich ist.

Festzuhalten ist, dass gemäß den UNHCR-Richtlinien vom 30.08.2018 eine innerstaatliche Schutzalternative in Kabul angesichts der gegenwärtigen Sicherheits-, Menschenrechts- und humanitären Lage in Kabul derzeit grundsätzlich nicht verfügbar ist (so auch VfGH 30.11.2018, E 3870/2018). Dasselbe gilt für Jalalabad. Dieser Einschätzung schließt sich das erkennende Gericht im gegenständlichen Verfahren an, sodass Kabul und Jalalabad nicht als innerstaatliche Schutzalternativen in Betracht kommen.

Hinsichtlich der in den Städten Herat und Mazar-e Sharif bestehenden Versorgungslage und der allgemeinen Lebensbedingungen der Bevölkerung ist aus den oben angeführten Länderberichten auf das Wesentliche zusammengefasst abzuleiten, dass derzeit die Verwirklichung grundlegender sozialer und wirtschaftlicher Bedürfnisse, wie etwa der Zugang zu Arbeit, Nahrung, Wohnraum und Gesundheitsversorgung, häufig nur sehr eingeschränkt möglich ist und dass v. a. Personen, die sich ohne jegliche familiäre Bindung, Berufsausbildung und Geldmittel in diesen Städten ansiedeln, mit sehr großen wirtschaftlichen Schwierigkeiten konfrontiert sein werden.

Es handelt sich letztlich um eine Entscheidung im Einzelfall, die auf der Grundlage ausreichender Feststellungen über die zu erwartende Lage des Asylwerbers in dem in Frage kommenden Gebiet sowie dessen sichere und legale Erreichbarkeit getroffen werden muss (vgl. VwGH 13.12.2018, Ra 2018/18/0533, mwN). Dabei hat sich das Bundesverwaltungsgericht auch mit den Richtlinien des UNHCR zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs afghanischer Asylsuchender vom 30. August 2018 sowie den Vorgaben der EASO Country Guidance Notes zu Afghanistan in adäquater Weise auseinanderzusetzen (VwGH 17.9.2019, Ra 2019/14/0160, Rn. 42 ff, mwN).

Im vorliegenden Fall ist - wie festgestellt und beweiswürdigend ausgeführt - aufgrund der derzeit bestehenden besonderen Vulnerabilität des Beschwerdeführers aufgrund seiner individuellen Umstände in Verbindung mit der angespannten Beschäftigungs-, Wohn- und Versorgungsituation in den Städten Mazar-e Sharif und Herat eine innerstaatliche Fluchtalternative nicht zumutbar.

Der Beschwerdeführer hat in den Städten Mazar-e Sharif und Herat keine Verwandten. Er ist zwar ein junger, gesunder und arbeitsfähiger Mann, hat jedoch lediglich fünf Jahre lang die Schule besucht und in Afghanistan ausschließlich Hilfsarbeiten im Geschäft seines Onkels verrichtet. Er verfügt über keine abgeschlossene Berufsausbildung oder sonstige besondere Kenntnisse.

Aufgrund dessen ist von einer individuellen Unzumutbarkeit einer innerstaatlichen Fluchtalternative auszugehen. Unter Berücksichtigung der dargelegten allgemeinen Gegebenheiten im Herkunftsstaat des Beschwerdeführers und der aufgezeigten persönlichen Umstände des Einzelfalls des Beschwerdeführers erscheint es insgesamt nicht möglich, dass der Beschwerdeführer in Herat oder Mazar-e Sharif Fuß fasst und dort ein Leben ohne unbillige Härten führen kann, wie es auch andere Landsleute führen (vgl. VwGH 23.1.2018, Ra 2018/18/0001). Auch eine drohende Verletzung seiner Rechte unter dem Gesichtspunkt ökonomischer Überlegungen ist zu bejahen, da der Beschwerdeführer aufgrund einer Zurückführung in eine ausweglose Situation geraten würde.

Dem Beschwerdeführer würde daher vor dem Hintergrund der dargelegten Erkenntnisquellen unter Berücksichtigung der ihn betreffenden individuellen, exzeptionellen Umstände bei einer Rückkehr nach Afghanistan die reale Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung drohen, wobei eine innerstaatliche Fluchtalternative aus den dargelegten Erwägungen nicht zumutbar ist. Es ist damit dargetan, dass seine Abschiebung eine Verletzung in seinen Rechten nach Art 3 EMRK darstellen würde.

Ausschlussgründe nach § 8 Abs. 3a iVm § 9 Abs. 2 AsylG liegen nicht vor, weil sie einerseits nicht hervorgekommen sind (§ 9 Abs. 2 Z 1 und 2 AsylG) und der Beschwerdeführer andererseits unbescholten ist (Z 3).

Daher war der Beschwerde gegen Spruchpunkt II. des angefochtenen Bescheides stattzugeben und dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 1 AsylG der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuzuerkennen.

II. - Erteilung einer befristeten Aufenthaltsberechtigung

Gemäß § 8 Abs. 4 AsylG ist einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wird, von der zuerkennenden Behörde gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter zu erteilen. Die Aufenthaltsberechtigung gilt ein Jahr und wird im Falle des weiteren Vorliegens der Voraussetzungen über Antrag des Fremden vom Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl für jeweils zwei weitere Jahre verlängert. Nach einem Antrag des Fremden besteht die Aufenthaltsberechtigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung über die Verlängerung des Aufenthaltsrechts, wenn der Antrag auf Verlängerung vor Ablauf der Aufenthaltsberechtigung gestellt worden ist.

Im gegenständlichen Fall ist dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuzuerkennen.

Daher ist dem Beschwerdeführer gemäß § 8 Abs. 4 AsylG gleichzeitig eine befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter für die Dauer eines Jahres zu erteilen.

III. - Ersatzlose Behebung der Spruchpunkte III. und IV. des angefochtenen Bescheides:

Im gegenständlichen Fall ist dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan zuzuerkennen.

Da die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anordnung einer Rückkehrentscheidung und die Festsetzung einer Frist für die freiwillige Ausreise somit nicht mehr vorliegen, sind die Spruchpunkte III und IV. des angefochtenen Bescheides ersatzlos zu beheben (vgl. dazu auch VfGH 13.9.2013, U 370/2012; VwGH 4.8.2016, Ra 2016/21/0162).

Es ist somit spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs.4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die maßgebliche Rechtsprechung wurde bei den Erwägungen zu den einzelnen Spruchpunkten des angefochtenen Bescheides wiedergegeben.

Schlagworte

befristete Aufenthaltsberechtigung Glaubwürdigkeit individuelle Verfolgungsgefahr individuelle Verhältnisse mangelnde Asylrelevanz private Verfolgung Rückkehrsituation Sicherheitslage staatliche Verfolgung subsidiärer Schutz Verfolgungsgefahr Versorgungslage vulnerable Personengruppe

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W228.2166649.1.00

Im RIS seit

14.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

14.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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