TE Bvwg Erkenntnis 2020/10/29 W182 2179168-1

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Veröffentlicht am 29.10.2020
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Entscheidungsdatum

29.10.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs3
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §58 Abs9 Z2
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
EMRK Art8
FPG §46
FPG §52 Abs3
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W182 2179168-1/3E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. PFEILER als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA. Republik der Philippinen, vertreten durch XXXX , gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 13.11.2017, Zl. IFA 577596004 – 151580156 (ATB), gemäß § 28 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I. 33/2013 idgF, erkannt:

A) I. Die Beschwerde gegen Spruchpunkt I. des bekämpften Bescheides wird mit der Maßgabe abgewiesen, dass der Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK vom 19.10.2015 gemäß § 58 Abs. 9 Z 2 Asylgesetz (AsylG 2005), BGBl. I Nr.100/2005 idgF, als unzulässig zurückgewiesen wird.

II. Im Übrigen wird der bekämpfte Bescheid ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 Bundes-Verfassungsgesetz, BGBl. Nr. 1/1930 (B-VG), nicht zulässig.


Text


Begründung:

I. Verfahrensgang und Sachverhalt:

1. Die beschwerdeführende Partei (im Folgenden: BF), eine Staatsangehörige der Republik der Philippinen, die in Österreich seit Dezember 2011 als gemeldet aufscheint, hält sich laut eigene Angaben seit 2005 illegal im Bundesgebiet auf.

Nachdem ein Erstantrag der BF auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ nach § 41a Abs. 9 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 50/2012, mit Bescheid der Niederlassungsbehörde vom 17.09.2012 abgewiesen wurde, brachte sie am 19.10.2015 den gegenständlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels aus Gründen des Art. 8 EMRK gemäß § 55 Asylgesetz (AsylG 2005), BGBl. I Nr.100/2005, beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: Bundesamt) ein.

Der Antrag wurde nach einer Einvernahme der BF am 12.05.2016 sowie am 22.05.2017 mit dem im Spruch genannten Bescheid des Bundesamtes vom 13.11.2017 gemäß § 55 AsylG 2005 abgewiesen (Spruchpunkt I.). Gemäß § 10 Abs. 3 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012, wurde gegen die BF eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 3 Fremdenpolizeigesetz 2005 (FPG), BGBl. I Nr. 100/2005, erlassen (Spruchpunkt II.) und gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass ihre Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Philippinen zulässig sei (Spruchpunkt III.). Unter Spruchpunkt IV, wurde festgestellt, dass die Frist für ihre freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage. Begründend wurde nach Durchführung einer Interessensabwägung nach Art. 8 EMRK im Wesentlichen ausgeführt, dass das Privatleben der BF nicht derart schützenswert sei, als dass eine Rückkehrentscheidung nicht zulässig wäre.

Mit Verfahrensanordnung vom 13.11.2017 nach § 52 Abs. 1 BFA-VG wurde der BF ein Rechtsberater amtswegig zur Seite gestellt.

Gegen den Bescheid wurde seitens der BF binnen offener Frist in allen Spruchpunkten seinem Umfang nach wegen Rechtswidrigkeit infolge inhaltlicher Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge von Verletzung von Verfahrensvorschriften Beschwerde erhoben. Die Beschwerde wurde mit der langen Aufenthaltsdauer der BF, ihren guten Deutschsprachkenntnissen, einen Arbeitsvorvertrag sowie ihrem Freundeskreis in Österreich begründet.

2. Die BF stellte am 27.08.2020 im Bundesgebiet einen Antrag auf internationalen Schutz. Über den Antrag ist bislang noch keine rechtskräftige oder durchsetzbare Entscheidung ergangen, ein diesbezügliches Beschwerdeverfahren gegen den abweisenden Bescheid des Bundesamtes vom 14.09.2020, Zl. 577596004/200782745, ist anhängig.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen und Beweiswürdigung:

Der unter Punkt I. widergegebene Verfahrensgang wird der Entscheidung als entscheidungsrelevanter Verfahrens-Sachverhalt zugrunde gelegt.

Der Sachverhalt ergibt sich zweifelsfrei aus dem zur im Spruch genannten Verfahrenszahl vorgelegten erstinstanzlichen Akt, der Beschwerdeschrift sowie dem vorliegenden Gerichtsakt des Bundesverwaltungsgerichtes.

2. Rechtliche Beurteilung:

1. Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG dann in der Sache selbst zu entscheiden, wenn (Z 1) der maßgebliche Sachverhalt feststeht oder (Z 2) die Feststellung des maßgeblichen Sachverhalts durch das Verwaltungsgericht selbst im Interesse der Raschheit gelegen oder mit einer erheblichen Kostenersparnis verbunden ist.

Liegen die Voraussetzungen des Abs. 2 nicht vor, hat das Verwaltungsgericht im Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Behörde dem nicht bei der Vorlage der Beschwerde unter Bedachtnahme auf die wesentliche Vereinfachung oder Beschleunigung des Verfahrens widerspricht. Hat die Behörde notwendige Ermittlungen des Sachverhalts unterlassen, so kann das Verwaltungsgericht den angefochtenen Bescheid mit Beschluss aufheben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverweisen. Die Behörde ist hierbei an die rechtliche Beurteilung gebunden, von welcher das Verwaltungsgericht bei seinem Beschluss ausgegangen ist.

Zu Spruchteil A):

2. Laut Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes ist nach der mit dem Fremdenbehördenneustrukturierungsgesetz (FNG, BGBl. I Nr. 87/2012) geschaffenen Systematik der aufenthaltsbeendenden Maßnahmen die Erlassung einer Rückkehrentscheidung grundsätzlich nicht zulässig, bevor über den Antrag auf internationalen Schutz abgesprochen wurde. In einem solchen Fall ist ein anhängiges Rückkehrentscheidungsverfahren einzustellen (vgl. dazu etwa VwGH 20.09.2018, Zl. Ra 2018/20/0349; VwGH 26.06.2019, Zl. Ra 2019/21/0146). Dazu führte der Verwaltungsgerichtshof bereits im Erkenntnis vom 04.08.2016, Zl. Ra 2016/21/0162, aus, dass nach § 10 Abs. 1 AsylG 2005 die Rückkehrentscheidung mit der negativen Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz "zu verbinden" ist, nach § 52 Abs. 2 FrPolG 2005 hat sie "unter einem" zu ergehen; sie setzt also die Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz voraus. Auch dann, wenn ein Rückkehrentscheidungsverfahren - unabhängig vom Verfahren über den Antrag auf internationalen Schutz - bereits anhängig ist, darf die Rückkehrentscheidung (unbeschadet eines allenfalls weiter bestehenden unrechtmäßigen Aufenthalts des Fremden) grundsätzlich nicht vor der Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz ergehen. Zugleich mit der Rückkehrentscheidung ist nämlich die Feststellung nach § 52 Abs. 9 FrPolG 2005 zu treffen, dass die Abschiebung des Drittstaatsangehörigen in einen oder mehrere bestimmte Staaten zulässig ist; dies würde aber - jedenfalls in Bezug auf den Herkunftsstaat - bedeuten, das Ergebnis des Verfahrens über den Antrag auf internationalen Schutz, in dem diese Frage erst zu klären ist, vorwegzunehmen (vgl. dazu auch VwGH 26.06.2019, Zl. Ra 2019/21/0146). Im Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 15.03.2018, Zl. Ra 2017/21/0138, wurde dargelegt, dass diese Überlegungen auch vor dem Hintergrund der seit 01.11.2017 geltenden neuen Rechtslage aufrechtzuerhalten sind (vgl. dazu auch VwGH 25.09.2018, Zl. Ra 2018/21/0107).

Eine bereits von der Behörde erlassene, mit Beschwerde bekämpfte Rückkehrentscheidung ist vom Bundesverwaltungsgericht ersatzlos zu beheben. Eine Aussetzung des Rückkehrentscheidungsverfahrens bis zur Beendigung des Verfahrens über den Antrag auf internationalen Schutz kommt nicht in Betracht, weil es nach der Entscheidung über den Antrag auf internationalen Schutz jedenfalls einzustellen wäre: sei es, weil Asyl oder subsidiärer Schutz gewährt wurde, sei es, weil eine negative Entscheidung und damit einhergehend eine Rückkehrentscheidung gemäß § 10 Abs. 1 AsylG 2005 iVm § 52 Abs. 2 FPG bzw. ein Ausspruch über die dauerhafte Unzulässigkeit der Rückkehrentscheidung oder ein Ausspruch nach § 8 Abs. 3a AsylG 2005 (der seit dem Fremdenrechtsänderungsgesetz 2017, BGBl. I Nr. 145/2017, ebenfalls mit der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme zu verbinden ist) ergangen ist (vgl. VwGH 20.09.2018, Zl. Ra 2018/20/0349).

Unter Zugrundelegung der zitierten Judikatur war aufgrund der Einbringung eines Antrages auf internationalen Schutz durch die BF am 27.08.2020 sohin der im Spruch genannte bekämpfte Bescheid des Bundesamtes vom 28.12.2017 hinsichtlich der erlassenen Rückkehrentscheidung einschließlich der Feststellung der Zulässigkeit der Abschiebung und die Festsetzungen einer Frist für die freiwillige Ausreise jedenfalls aufzuheben.

Ähnliches muss aber auch für die Entscheidung nach § 55 AsylG 2005 selbst gelten, zumal die gleichen Voraussetzungen wie im Rückkehrentscheidungsverfahren zu prüfen sind, eine derartige Prüfung aber - ungeachtet des Ausgangs – sohin ebenfalls zu einer unzulässigen Vorwegnahme des Ergebnisses des Verfahrens über den Antrag auf internationalen Schutz führen würde und auch eine Aussetzung letztlich nicht in Betracht kommt. Das Asylverfahren der BF gilt spätestens seit Einbringung der Beschwerde gegen die abweisende Entscheidung des Bundesamtes, der aufschiebende Wirkung zukommt, als zugelassen (vgl. § 28 Abs. 3 AsylG 2005), weshalb ihr ein Aufenthaltsrecht nach § 13 AsylG 2005 zukommt. § 58 Abs. 9 Z 2 AsylG 2005 sieht entsprechend vor, dass ein Antrag auf einen Aufenthaltstitel nach diesem Hauptstück als unzulässig zurückzuweisen ist, wenn der Drittstaatsangehörige bereits über ein Aufenthaltsrecht nach diesem Bundesgesetz oder dem NAG verfügt. Sohin war spruchgemäß zu entscheiden.

Da der Sachverhalt diesbezüglich auch als geklärt anzusehen ist, konnte gemäß § 21 Abs. 7 BFA-VG auch auf eine Verhandlung verzichtet werden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.

Schlagworte

Asylantragstellung Aufenthaltsrecht Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK Behebung der Entscheidung ersatzlose Teilbehebung Rückkehrentscheidung behoben Zurückweisung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W182.2179168.1.00

Im RIS seit

14.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

14.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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