TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/2 G305 2155795-2

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 02.11.2020
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Entscheidungsdatum

02.11.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs1a
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

G305 2155795-2/20E
G305 2155790-2/20E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Dr. Ernst MAIER, MAS als Einzelrichter über die Beschwerden 1.) des XXXX , geboren am XXXX , und 2.) des XXXX , geboren am XXXX , beide StA: Irak vertreten durch Mag.a Nadja LORENZ, Rechtsanwältin in Wien, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl RD XXXX jeweils vom XXXX .01.2018, Zahlen: zu 1.) XXXX , und 2.) XXXX betreffend die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz sowie die Erlassung einer Rückkehrentscheidung, nach Durchführung einer mündlicher Verhandlung am 10.08.2018 zu Recht:

A)

Die gegen die Spruchpunkte I., II., III., IV., V. und VI. der angefochtenen Bescheide gerichteten Beschwerden werden als unbegründet abgewiesen.

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

1.1. Am XXXX .08.2015 stellten die jeweils zum Aufenthalt im Bundesgebiet nicht berechtigten XXXX , geboren am XXXX , (in der Folge: Erstbeschwerdeführer oder kurz: BF1) und der zum damaligen Zeitpunkt minderjährige XXXX , geboren am XXXX (in der Folge: Zweitbeschwerdeführer der kurz: BF2), beide irakische Staatsangehörige, vor Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörden einen Antrag auf internationalen Schutz. Zum gleichen Zeitpunkt stellte der in einem gesonderten Erkenntnis abgehandelte Sohn des BF1, XXXX , geboren am XXXX (GZ: G305 2155787-2), einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2. Am XXXX .08.2015 wurde der BF1 von Organen der Polizeiinspektion XXXX niederschriftlich einvernommen.

Zu seinen Fluchtgründen befragt, gab er an, als XXXX telefonisch bedroht worden zu sein. Demnach will er zur Aufgabe seiner Stelle aufgefordert worden sein, da sonst seine Kinder sterben würden. Daraufhin hätten er und seine Kinder die Vereinsmitgliedschaft beendet. Er habe angenommen, dass diese Drohungen von einer schiitischen Miliz gekommen seien und er habe sie ernst genommen und mit seinem jüngsten Sohn das Land verlassen. Zielland sei immer Finnland gewesen. Unterwegs habe er erfahren, dass sein Bruder in Österreich einen Asylantrag gestellt habe und sich daher entschlossen, es hier zu probieren. Bei einer Rückkehr in die Heimat fürchte er sich vor Drohungen, rechne jedoch nicht mit staatlichen Sanktionen. Weitere Gründe nannte er zu diesem Zeitpunkt nicht.

Zur Reiseroute befragt, gab der BF1 für sich und den BF2 an, am XXXX .2015 von XXXX ausgehend mit dem Flugzeug nach Antalya (Türkei) geflogen zu sein. Von dort aus sei er mit einem Reisebus nach Bodrum gefahren und sei mittels Schlauchbootes auf die Insel Kos übergesetzt. Mit einer Fähre habe er Athen erreicht und sei er von dort teils zu Fuß, teils mit dem Bus und Van bis nach Österreich gelangt. Ein Schlepper habe ihn jedoch nach Deutschland gebracht. Da der Bruder des BF1 in XXXX ausgestiegen sei, habe er sich entschlossen, nach Österreich zurückzukehren. Über eine Brücke seien sie ins Bundesgebiet gelangt und da von der Polizei aufgegriffen worden, da die Kommunikation mit einem Taxifahrer und eine Weiterreise nach XXXX nicht möglich gewesen sei. Zielland sei ursprünglich Finnland gewesen da ihnen mitgeteilt worden sei, dass Österreich keine Flüchtlinge mehr aufnehme. Die Reise habe seit der Einreise in die EU etwa 10 Tage gedauert, sei teilweise von Schleppern organisiert worden und habe etwa EUR 3000 pro Person gekostet.

Die vom Vater angegebenen Fluchtgründe sowie die Angaben zur Reiseroute gelten auch für den mittlerweile volljährigen BF2. In dessen Akt wurden diese nicht angegeben.

Eine von den öffentlichen Sicherheitsorganen durchgeführte EURODAC-Abfrage verlief negativ.

1.3. Am XXXX .05.2016 wurde der BF1 ab 08:00 Uhr durch Organe des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (in der Folge BFA oder belangte Behörde) einvernommen.

Bei dieser Einvernahme wiederholte er das Fluchtvorbringen und gab an, telefonisch bedroht worden zu sein. Er solle entweder seine Arbeit aufgeben oder er und seine Söhne würden getötet werden. Der BF sprach die Vermutung aus, dass Kollegen in der XXXX hinter dieser Drohung gesteckt hätten, da diese Schiiten seien und der Mahdi Miliz angehört hätten. Als er in Österreich angekommen sei, sei er auf Facebook (in der Folge FB) blockiert worden. Eine dieser Personen habe zudem die Tätigkeiten des BF1 übernommen, obwohl sie nicht einmal über einen Grundschulabschluss, sondern lediglich über Kontakte zur Mahdi Miliz verfüge. Es sei wortwörtlich gesagt worden: „entweder du gibst deinen Job auf, oder wir werden dich und deine Söhne töten“. Danach sei aufgelegt worden; ein Rückruf sei gescheitert, da der Anrufer das Handy abgedreht habe. Dieser habe sich nicht zu erkennen gegeben, sondern nur die Bedrohung Anfang August 2015 ausgesprochen. Es sei nur einmal zu einer solchen Situation gekommen. Bei Mitgliederversammlungen der XXXX , für welche der BF1 tätig gewesen sei, habe der BF bemerkt, dass er von Mitgliedern der Mahdi Miliz hochnäsig angesprochen zu werden und dass er unerwünscht sei. Bei einer Rückkehr fürchte er um sein Leben und das seiner Kinder.

1.4. Mit jeweils zum XXXX .04.2017 datierten Bescheiden der belangten Behörde, wies das BFA die Anträge der beschwerdeführenden Parteien (in der Folge auch: Beschwerdeführer oder kurz: bfP) hinsichtlich ihrees Antrages auf internationalen Schutz vom 23.08.2015 bezüglich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.) und sprach aus, dass ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt werde, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und festgestellt werde, dass gemäß § 53 Abs 9 FPG die Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG betrage 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung Spruchpunkt IV.). Begründet wurde dies im Wesentlichen damit, dass den bfP im Heimatstaat keine aslyrelevante Verfolgung drohe und der BF1 unglaubwürdige Angaben gemacht hätte.

1.5. Gegen die zum XXXX .04.2017 datierten Bescheide erhoben die bfP Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht. Darin erklärten sie, dass sie den Bescheid - gestützt auf die Beschwerdegründe „inhaltliche Rechtswidrigkeit“ und „Verletzung von Verfahrensvorschriften“ - vollumfänglich anfechten und die Beschwerde mit den Anträgen verbinden, 1.) eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, 2.) alle zu ihren Lasten gehenden Rechtswidrigkeiten amtswegig aufzugreifen bzw. allenfalls den BF Verbesserungsaufträge zu erteilen und ihnen einen Verfahrenshelfer beizustellen, um die nicht mit der Beschwerde geltend gemachten Beschwerdepunkte ausführen zu können, 3.) ihnen Asyl zu gewähren, in eventu 4.) subsidiären Schutz zu gewähren, in eventu 5.) den Bescheid bezüglich des Spruchpunktes III.) aufzuheben bzw. dahingehend abzuändern, dass die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig erklärt werde und ihnen ein Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK erteilt werde, in eventu 6.) ihnen einen „Aufenthaltstitel besonderer Schutz“ zu erteilen sowie in eventu 7.) den Bescheid zu beheben und an das BFA zurückzuverweisen. Zudem brachten die beschwerdeführenden Parteien vor, dass die Familie des BF1 auch nach dessen Ausreise bedroht worden sei. Zudem habe das BFA ungenaue Ermittlungen angestellt und sich nicht mit den erwähnten schiitischen Milizen auseinandergesetzt.

1.6. im Mai 2017 wurde die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt erstmalig dem BVwG vorgelegt.

1.7. Mit Beschlüssen vom 20.11.2017 wies das Bundesverwaltungsgericht die Beschwerden zu GZen: L521 2155795-1/5E und L521 2155790-1/5E gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG in Verbindung mit § 18 Abs. 3 AVG als unzulässig zurück und begründete dies im Wesentlichen damit, dass das damalige Schriftstück nicht mit der Unterschrift des Genehmigenden versehen war und sich die Beschwerde gegen einen Nichtbescheid richten würde und dass das Verfahren folglich noch immer vor dem BFA anhängig sei, das vor der neuerlichen Bescheiderlassung einerseits das Beschwerdevorbringen, andererseits das Vorbringen in der Beschwerdeergänzung zu berücksichtigen habe.

1.8. Mit jeweils zum XXXX .01.2018 datierten Bescheiden der belangten Behörde, wies die belangte Behörde neuerlich die Anträge der bfP hinsichtlich des Antrages auf internationalen Schutz vom 23.08.2015 bezüglich der Zuerkennung des Status von Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG (Spruchpunkt I.) und des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status eines subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG ab (Spruchpunkt II.) und sprach aus, dass ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG nicht erteilt werde, gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm. § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen und festgestellt werde, dass gemäß § 53 Abs 9 FPG die Abschiebung in den Irak gemäß § 46 FPG zulässig sei (Spruchpunkt III.). Die Frist für die freiwillige Ausreise gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt IV.). Begründet wurde dies wiederholt im Wesentlichen damit, dass den bfP im Heimatstaat keine aslyrelevante Verfolgung drohe und der BF1 widersprüchliche und unglaubwürdige Angaben gemacht hätte. Eine Einbeziehung des Vorbringens in der Beschwerde erfolgte nicht.

1.9. Gegen den zuletzt erlassenen Bescheid erhoben die beschwerdeführenden Parteien Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht und erklärten darin, dass sie den Bescheid vollumfänglich anfechten und die Beschwerde mit den Anträgen verbinden, 1.) eine mündliche Verhandlung anzuberaumen, 2.) alle zu ihren Lasten gehenden Rechtswidrigkeiten amtswegig aufzugreifen bzw. allenfalls den BF Verbesserungsaufträge zu erteilen um die nicht mit der Beschwerde geltend gemachten Beschwerdepunkte ausführen zu können, 3.) der Beschwerde stattzugeben, in der Sache selbst zu entscheiden und den Beschwerdeführern Asyl zu gewähren, in eventu 4.) die angefochtenen Bescheide bezüglich des Spruchpunktes II. abzuändern und ihnen den Status von subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, in eventu 5.) die Bescheide bezüglich des Spruchpunktes III. aufzuheben bzw. dahingehend abzuändern, dass die Rückkehrentscheidung auf Dauer unzulässig erklärt werde und den BF ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen erteilt werde sowie festzustellen, dass ihre Abschiebung in den Irak unzulässig sei und die Frist für die freiwillige Ausreise ersatzlos behoben werde und in eventu 6.) der Bescheid behoben und an das BFA zurückverwiesen werde. In der Beschwerde wurde vorgebracht, dass zusätzlich zu den bereits vorgebrachten Gründen die Familie der bfP weiterhin bedroht werde. Zudem habe sich die belangte Behörde entgegen den Vorgaben des Bundesveraltungsgerichts in den Beschlüssen vom 20.11.2017, L521 2155795-1/5E und L521 2155790-1/5E nicht mit den bereits vorgebrachten Beschwerdepunkten auseinandergesetzt.

1.10. Am 09.03.2018 wurde die gegenständliche Beschwerde samt dazugehörigem Verwaltungsakt dem BVwG vorgelegt.

1.11. Anlässlich der am 10.08.2018 vor dem Bundesverwaltungsgericht durchgeführten mündlichen Verhandlung wurden der BF1 und der zum damaligen Zeitpunkt minderjährige BF2 im Beisein eines Dolmetschers für die arabische Sprache und ihrer Rechtsvertreterin einvernommen. Die Verhandlung wurde bis zu einem Termin für die Rückübersetzung der Niederschrift vertagt.

1.12. Am 05.10.2018 fand vor dem Bundesverwaltungsgericht der Rückübersetzungstermin der VH-Niederschrift vom 10.08.2018 unter Anwesenheit der bfP, eines Dolmetschers für die arabische Sprache und ihrer Rechtsvertreterin statt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Identitätsfeststellungen:

Der BF1 führt die im Spruch angegebene Identität XXXX , geboren am XXXX , und ist irakischer Staatsangehöriger. Er gehört der Ethnie der irakischen Araber an und bekennt sich zur sunnitisch-islamischen Religionsgemeinschaft. Seine Muttersprache ist arabisch. Er ist der Vater des mittlerweile volljährigen BF2, XXXX , geboren am XXXX . Dieser ist, wie sein Vater, irakischer Staatsangehöriger und sunnitisch-islamischer Glaubensrichtung [Personalausweiskopie BF1, AS 77; Staatsbürgerschaftsnachweiskopie BF1, AS 81; Reisepasskopie BF2, AS 73; VH-Niederschrift S. 5].

Der BF1 ist standesamtlich mit XXXX , der Mutter des BF2 und des XXXX , geboren am XXXX (GZ: G305 2155787-2) verheiratet [EBF des BF1, AS 21; Personalausweiskopie BF1, AS 77; VH-Niederschrift, S. 5]. Der BF2 ist ledig und ohne Sorgepflichten [VH-Niederschrift S. 7f].

Die beschwerdeführenden Parteien haben ihren Hauptwohnsitz seit dem XXXX .2015 im Bundesgebiet an der Anschrift XXXX und sind strafrechtlich unbescholten [Auszug aus dem Zentralen Melderegister - ZMR; Strafregisterauszug].

Dem BF1 wurde bereits in seiner Heimat ein Bein amputiert. Darüber hinaus gehend bestehen bei den beschwerdeführenden Parteien keine gesundheitlichen Einschränkungen [NS-BFA AS 67; VH-Niederschrift S. 5; Bestätigungen in OZ 18]

1.2. Zur Ausreise, Reiseroute und Einreise der beschwerdeführenden Parteien ins Bundesgebiet und der darauf folgenden Asylantragstellung:

Die bfP stammen aus XXXX und sind gemeinsam mit einem weiteren Sohn des BF1, XXXX , geboren am XXXX (GZ: G305 2155787-2) am XXXX .08.2015 von XXXX ausgehend mit dem Flugzeug nach Antalya (Türkei) ausgereist. Von dort gelangten sie mit einem Reisebus nach Bodrum und mittels Schlauchboot auf die Insel Kos. Mit einer Fähre setzten sie nach Athen über und gelangt sie von dort teils zu Fuß, teils mit dem Bus und mit einem Van nach Österreich. Ein Schlepper brachte die Familie nach Deutschland. Da der Bruder des BF1 in XXXX war, entschloss sich der BF1, nach Österreich zurückzukehren. Über eine Brücke gelangten sie ins Bundesgebiet und wurden dort von der Polizei aufgegriffen, da die Kommunikation mit einem Taxifahrer und eine Weiterreise nach XXXX nicht möglich war. Zielland war ursprünglich Finnland, da ihnen mitgeteilt wurde, dass Österreich keine Flüchtlinge mehr aufnehme. Seit der Einreise in die EU dauerte die Fortsetzung ihrer Reise ungefähr 10 Tage, wurde teilweise von Schleppern organisiert und kostete etwa EUR 3000 pro Person [EBF des BF1, AS 24].

Eine von den öffentlichen Sicherheitsorganen durchgeführte EURODAC-Abfrage verlief negativ [EURODAC-Abfrage AS 35].

1.3. Zur individuellen Situation der beschwerdeführenden Parteien im Heimatstaat:

Im Herkunftsstaat besuchte der BF1 sechs Jahre lang die Grundschule, über einen Zeitraum von drei Jahren die Mittelschule und über einen Zeitraum von weiteren drei Jahren das Gymnasium, alle in XXXX gelegen. Er begann er eine Universitätsausbildung im Bereich Journalismus, ohne diese beendet zu haben. Der BF2 besuchte sechs Jahre lang die Grund- und zwei Jahre lang die Mittelschule in XXXX [VH-Niederschrift S. 10].

Der BF1 arbeitete im Bereich XXXX . Er begann als XXXX und wurde 2009 XXXX und zuständiger XXXX des Irak in XXXX . Er war als Mitglied der XXXX als Leiter für XXXX zuständig. Nach eigenen Angaben ging es ihm und seiner Familie im Irak finanziell gut. Für den BF2 kam sein Vater für den Lebensunterhalt auf [VH-Niederschrift S. 10 und S. 19].

Die Kernfamilie der Beschwerdeführer lebte zuletzt in einem Einfamilienhaus im Bezirk XXXX in XXXX , einem vorwiegend von Sunniten bewohnten Stadtteil (https://en.wikipedia.org/wiki/ XXXX , letzter Zugriff: 10.09.2020). Dromr Kernfamilie bestand bis zur Ausreise der bfP aus dem BF1, seiner Ehegattin, XXXX , geboren XXXX und den Söhnen XXXX , geboren XXXX und XXXX , geboren XXXX . Die Ehefrau des BF ist derzeit unsteten Aufenthalts im Herkunftsstaat, die beiden Söhne leben mit deren Familien in den Stadtteilen XXXX und XXXX in Räumlichkeiten der jeweiligen Schwiegerfamilien [EBF AS 23; VH-Niederschrift S. 5 und S. 8; Protokoll der Rückübersetzung S. 4].

1.4. Zu den Fluchtgründen der beschwerdeführenden Parteien:

Die bfP gehörten im Heimatland keiner politischen Bewegung an und hatten weder mit der Polizei, noch mit den Verwaltungsbehörden, noch mit den Gerichten des Herkunftsstaates ein Problem. Keiner von ihnen wurde von staatlichen Organen oder von einer bewaffneten Gruppierung wegen der Zugehörigkeit zur Glaubensrichtung der Sunniten oder aus politischen Gründen, etwa wegen einer Zugehörigkeit zu einer politischen Partei des Herkunftsstaates verfolgt [VH-Niederschrift S. 10 und S. 17f].

Das Fluchtvorbringen des BF1, ob der Bedrohung durch unbekannte, vorgeblich schiitische Personen, ausgereist zu sein, erweist sich als unglaubwürdig [NS-BFA AS 65f; VH-Niederschrift S. 14ff].

Festgestellt wird, dass die bfP aufgrund der allgemeinen Lage vor Ort ihren Herkunftsstaat verlassen haben.

Weitere Fluchtgründe wurden nicht vorgebracht.

Insgesamt vermochten die beschwerdeführenden Parteien nicht glaubhaft zu machen, dass sie im Herkunftsstaat einer asylrelevanten Bedrohung oder Verfolgung ausgesetzt gewesen wären.

1.5. Zu etwaigen Integrationsschritten der bfP im Bundesgebiet:

Der BF1 hat nachweislich von Oktober 2015 bis Juni 2016 und von Februar 2017 bis Juni 2017 einen Deutschkurs besucht und ein Sprachzertifikat der Stufe A1 erworben. Zudem nahm er psychotherapeutische Behandlungen des Flüchtlingsdienstes in Anspruch [Akt des BF1 AS 235 und 247; Bestätigungen in OZ 6]. Der BF2 legte im Mai 2019 eine Integrationsprüfung auf dem Niveau B1 (Sprachkompetenz/Werte- und Orientierungskurs) ab und nahm von November 2018 bis Juni 2019 am Lehrgang für Jugendliche mit geringen Kenntnissen der Unterrichtssprache Deutsch teil. Er ist aktiver Spieler des XXXX . Seit September 2020 ist er Schüler der XXXX , zuvor war er Schüler einer öffentlichen Schule in XXXX [Schulbesuchsbestätigungen AS 237ff; Bestätigungen in den OZ 15, 17 und 19]

Die bfP sind nicht erwerbstätig und beziehen Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung; beide BF sind strafrechtlich unbescholten [VH-Niederschrift, S. 14; GVS-Auszug Strafregisterauszug].

1.6. Zur Lage im Irak wird festgestellt:

Nachdem es den irakischen Sicherheitskräften (ISF) gemeinsam mit schiitischen Milizen, den sogenannten Popular Mobilisation Forces (PMF), mit Unterstützung durch die alliierten ausländischen Militärkräfte im Laufe des Jahres 2016 gelungen war, die Einheiten der Terrororganisation Islamischer Staat (IS) sowohl aus den von ihr besetzten Teilen der südwestlichen Provinz Al Anbar bzw. deren Metropolen Fallouja und Ramadi als auch aus den nördlich an Bagdad anschließenden Provinzen Diyala und Salah al Din zu verdrängen, beschränkte sich dessen Herrschaftsgebiet in der Folge auf den Sitz seiner irakischen Kommandozentrale bzw. seines „Kalifats“ in der Stadt Mossul, Provinz Ninava, sowie deren Umgebung bis hin zur irakisch-syrischen Grenze. Ab November 2016 wurden die Umgebung von Mossul sowie der Ostteil der Stadt bis zum Ufer des Tigris sukzessive wieder unter die Kontrolle staatlicher Sicherheitskräfte gebracht, im Westteil wurde der IS von den irakischen Sicherheitskräften und ihren Verbündeten, die aus dem Süden, Norden und Westen in das Zentrum der Stadt vordrangen, in der Altstadt von Mossul eingekesselt. Der sunnitische IS wiederum versuchte parallel zu diesen Geschehnissen durch vereinzelte Selbstmordanschläge in Bagdad und anderen Städten im Süd- sowie Zentralirak seine wenn auch mittlerweile stark eingeschränkte Fähigkeit, die allgemeine Sicherheitslage zu destabilisieren, zu demonstrieren. Anfang Juli 2017 erklärte der irakische Premier Abadi Mossul für vom IS befreit. In der Folge wurden auch frühere Bastionen des IS westlich von Mossul in Richtung der irakisch-syrischen Grenze wie die Stadt Tal Afar durch die Militärallianz vom IS zurückerobert. Zuletzt richteten sich die Operationen der Militärallianz gegen den IS auf letzte Überreste des früheren Herrschaftsgebiets dieser Organisation im äußersten Westen der Provinz Anbar sowie eine Enklave um Hawija südwestlich von Kirkuk.

Die Sicherheitslage innerhalb der drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion des Nordiraks, nämlich Dohuk, Erbil und Suleimaniya, ist angesichts der Maßnahmen der regionalen Sicherheitskräfte wie Grenzkontrollen und innerregionale Aufenthaltsbestimmungen als stabil anzusehen. Seit Oktober 2017 befindet sich die kurdische Regionalregierung in Konflikt mit der irakischen Zentralregierung in der Frage der Kontrolle über die von kurdischen Sicherheitskräften bislang besetzt gehaltenen Grenzregionen südlich der Binnengrenze der Autonomieregion zum übrigen irakischen Staatsgebiet, insbesondere die Region um die Stadt Kirkuk betreffend. Zuletzt kam es zu einer Besetzung dieser Region sowie weiterer Landstriche entlang der Binnengrenze durch die irakische Armee und der Zentralregierung nahestehende Volksmobilisierungseinheiten, während sich die kurdischen Sicherheitskräfte aus diesen Bereichen zurückzogen. Eine Einreise in die drei Provinzen der kurdischen Autonomieregion ist angesichts eines Luftraumembargos der Nachbarstaaten Türkei und Iran gegen die kurdische Regionalregierung auf direkte Weise aktuell nur auf dem Landweg möglich.

Die Sicherheitslage in den südirakischen Provinzen, insbesondere in der Provinz Basra, war, als Folge einer Sicherheitsoffensive staatlicher Militärkräfte im Gefolge interkonfessioneller Gewalt im Jahr 2007, ab 2008 stark verbessert und bis 2014 insgesamt stabil. Auch war die Region nicht unmittelbar von der Invasion der Truppen des IS im Irak in 2013 und 2014 betroffen. Die Gegenoffensive staatlicher Sicherheitskräfte und deren Verbündeter gegen den IS in Anbar und den nördlicher gelegenen Provinzen bedingte zuletzt eine Verlagerung von Militär- und Polizeikräften in den Norden, die wiederum eine größere Instabilität im Süden, verbunden vor allem mit einem Anstieg an krimineller Gewalt mit sich brachte.

Die Sicherheitslage im Großraum Bagdad war durch die genannten Ereignisse im Wesentlichen ebenfalls nicht unmittelbar beeinträchtigt. Es waren jedoch vereinzelte Anschläge bzw. Selbstmordattentate auf öffentliche Einrichtungen oder Plätze mit einer teils erheblichen Zahl an zivilen Opfern zu verzeichnen, die, ausgehend vom Bekenntnis des - als sunnitisch zu bezeichnenden - IS dazu, sich gegen staatliche Sicherheitsorgane oder gegen schiitische Wohnviertel und Städte richteten, um dort ein Klima der Angst sowie religiöse Ressentiments zu erzeugen und staatliche Sicherheitskräfte vor Ort zu binden. Hinweise auf eine etwaig religiös motivierte Bürgerkriegssituation finden sich in den Länderberichten nicht, ebenso auch nicht in Bezug auf die Säuberung von ethnischen oder religiösen Gruppierungen bewohnte Gebiete.

Die Beschwerdeführer waren weder durch die im Herkunftsstaat tätigen Milizen noch durch die Polizei des Herkunftsstaates einer asylrelevanten Bedrohung oder gar Verfolgung ausgesetzt.

1.6.1. Die Asa’ib Ahl al-Haqq (Liga der Rechtschaffenen oder Khaz’ali-Netzwerk, League of the Righteous, kurz: AAH) ist eine der unter der PMF zusammengefassten schiitischen Milizen. Diese Miliz wurde 2006 von Qais al-Khaz’ali gegründet und bekämpfte zu jener Zeit die US-amerikanischen Truppen im Irak. Ausgegangen wird von einer Truppengröße von mindestens 3.000 Mann; einige Quellen sprechen von 10.000 bis 15.000 Kämpfern. Die Miliz erhält starke Unterstützung vom Iran und ist, wie die Badr-Organisation und Kata’ib Hizbullah, vor allem westlich und nördlich von Bagdad aktiv. Seitens der Regierung wurde 2016 der Versuch unternommen, Teile der PMF in die staatliche Sicherheitsstruktur einzugliedern und unter die Kontrolle des Premierministers zu stellen - ein Projekt, dessen Ausgang noch immer unklar ist.

Eine landesweite und systematische Verfolgung von Angehörigen der sunnitischen Glaubensgemeinschaft oder der palästinensischen Minderheit durch diese Miliz besteht nicht. Den Berichten zum Herkunftsstaat der bfP lässt sich nicht entnehmen, dass staatliche Organe wegen einer korrekten Amtsführung ins Visier dieser Miliz gelangt wären.

Anlassbezogen ist jedoch nicht hervorgekommen, dass der Beschwerdeführer einer asylrelevanten Bedrohung durch schiitische Milizen, den IS oder durch die Polizei des Herkunftsstaates ausgesetzt gewesen wäre.

1.6.2 Bei der von vom BF namentlich bezeichneten genannten Mahdi Miliz handelt es sich um die Saraya as-Salam (Schwadronen des Friedens, Peace Brigades), eine der unter der PMF zusammengefassten schiitischen Milizen. Diese Miliz wurde 2014 von Muqtada as-Sadr gegründet und kann als Fortführung der ehemaligen Mahdi-Armee (Jaish al-Mahdi; https://de.wikipedia.org/wiki/Mahdi-Armee, Stand Dezember 2019, Zugriff am: 09.09.2020) bezeichnet werden. Einige Quellen sprechen von 50.000 bis zu 100.000 Kämpfern. Ihre Schlagkraft ist mangels ausreichender finanzieller Ausstattung und militärischer Ausrüstung begrenzt, was an der gewahrten politischen Distanz zu Teheran und damit einhergehend reduzierten Mitteln von Seiten des Iran liegt. Ihr Haupteinsatzgebiet liegt im vorgeblichen Schutz heiliger schiitischer Stätten. Seitens der Regierung wurde 2016 der Versuch unternommen, Teile der PMF in die staatliche Sicherheitsstruktur einzugliedern und unter die Kontrolle des Premierministers zu stellen - ein Projekt, dessen Ausgang noch immer unklar ist.

Anlassbezogen konnte der BF eine Bedrohung oder Verfolgung durch diese Miliz nicht glaubhaft machen.

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges- amt- bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff am 09.09.2020

-        ACCORD - Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (11.12.2019): ecoi.net-Themendossier zum Irak: Schiitische Milizen, https://www.ecoi.net/en/document/2021156.html, Zugriff am 09.09.2020

-        BFA Staatendokumentation: Anfragebeantwortung der Staatendokumentation zu Irak: Von schiitischen Milizen dominierte Gebiete (Ergänzung zum Länderinformationsblatt), 04.01.2018 https://www.ecoi.net/en/file/local/1422124/5618_1516263925_irak-sm-von-schiitischen-milizen-dominierte-gebiete-2018-01-04-ke.doc Zugriff am 09.09.2020

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (1.2020a): Geschichte & Staat, https://www.liportal.de/irak/geschichte-staat/, Zugriff am 09.09.2020

-        FPRI - Foreign Policy Research Institute (19.8.2019): The Future of the Iraqi Popular Mobilization Forces, https://www.fpri.org/article/2019/08/the-future-of-the-iraqi-popular-mobilization-forces/, Zugriff am 09.09.2020

-        Süß, Clara-Auguste (21.8.2017): Al-Hashd ash-Sha’bi: Die irakischen „Volksmobilisierungseinheiten“ (PMU/PMF), in BFA Staatendokumentation: Fact Finding Mission Report Syrien mit ausgewählten Beiträgen zu Jordanien, Libanon und Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1410004/5618_1507116516_ffm-bericht-syrien-mit-beitraegen-zu-jordanien-libanon-irak-2017-8-31-ke.pdf, Zugriff 09.09.2020

-        UK Home Office: Country Policy and Information Note Iraq: Sunni (Arab) Muslims, 06/2017 https://www.ecoi.net/en/file/local/1403272/1226_1499246656_iraq-sunni-arabs-cpin-v2-0-june-2017.pdf Zugriff am 09.09.2020

-        UNHCR – UN High Commissioner for Refugees: Iraq: Relevant COI for Assessments on the Availability of an Internal Flight or Relocation Alternative (IFA/IRA); Ability of Persons Originating from (Previously or Currently) ISIS-Held or Conflict Areas to Legally Access and Remain in Proposed Areas of Relocation, 12.04.2017, https://www.ecoi.net/en/file/local/1397131/1930_1492501398_58ee2f5d4.pdf Zugriff am 09.09.2020

-        Wilson Center (27.4.2018): Part 2: Pro-Iran Militias in Iraq, https://www.wilsoncenter.org/article/part-2-pro-iran-militias-iraq, Zugriff am 09.09.2020

1.6.3. Berufsgruppen:

Aus den Länderinformationen zum Herkunftsstaat der bfP geht hervor, dass Polizisten, Soldaten, Journalisten, Menschenrechtsverteidiger, Intellektuelle, Richter und Rechtsanwälte und alle Mitglieder des Sicherheitsapparats besonders gefährdet seien (AA 12.01.2019).

Inhaber von Geschäften, in denen Alkohol verkauft wird - fast ausschließlich Angehörige von Minderheiten, vor allem Jesiden und Christen (AA 12.1.2019; vgl. USDOS 21.6.2019), Zivilisten, die für internationale Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen oder ausländische Unternehmen arbeiten, sowie medizinisches Personal werden ebenfalls immer wieder Ziel von Entführungen oder Anschlägen (AA 12.1.2019).

Der BF war laut eigenen Angaben zuletzt als XXXX des Irak und der XXXX tätig. Eine mit 07.02.2019 beim Bundesverwaltungsgericht eingelangte ACCORD-Anfragebeantwortung [Anfragebeantwortung in OZ13] sowie hg. durchgeführte Recherchen ergaben, dass hohe XXXX keiner Gefährdung durch schiitische Milizen ausgesetzt wären. Dem sind die bfP im Rahmen des ihnen gewährten Parteiengehörs nicht entgegen getreten.

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff am 09.09.2020

-        USDOS - US Department of State (21.6.2019): 2018 Report on International Religious Freedom: https://www.ecoi.net/de/dokument/2011175.html, Zugriff am 09.09.2020

1.6.4. Medizinische Versorgung:

Das Gesundheitswesen besteht aus einem privaten und einem öffentlichen Sektor. Grundsätzlich sind die Leistungen des privaten Sektors besser, zugleich aber auch teurer. Ein staatliches Krankenversicherungssystem existiert nicht. Alle irakischen Staatsbürger, die sich als solche ausweisen können - für den Zugang zum Gesundheitswesen wird lediglich ein irakischer Ausweis benötigt - haben Zugang zum Gesundheitssystem. Fast alle Iraker leben etwa eine Stunde vom nächstliegenden Krankenhaus bzw. Gesundheitszentrum entfernt. In ländlichen Gegenden lebt jedoch ein bedeutender Teil der Bevölkerung weiter entfernt von solchen Einrichtungen (IOM 1.4.2019). Staatliche, wie private Krankenhäuser sind fast ausschließlich in den irakischen Städten zu finden. Dort ist die Dichte an praktizierenden Ärzten, an privaten und staatlichen Kliniken um ein Vielfaches größer. Gleiches gilt für Apotheken und medizinische Labore. Bei der Inanspruchnahme privatärztlicher Leistungen muss zunächst eine Art Praxisgebühr bezahlt werden. Diese beläuft sich in der Regel zwischen 15.000 und 20.000 IQD (Anm.: ca. 12-16 EUR). Für spezielle Untersuchungen und Laboranalysen sind zusätzliche Kosten zu veranschlagen. Außerdem müssen Medikamente, die man direkt vom Arzt bekommt, gleich vor Ort bezahlt werden. In den staatlichen Zentren zur Erstversorgung entfällt zwar in der Regel die Praxisgebühr, jedoch nicht die Kosten für eventuelle Zusatzleistungen. Darunter fallen etwa Röntgen- oder Ultraschalluntersuchungen (GIZ 12.2019).

Insgesamt bleibt die medizinische Versorgungssituation angespannt (AA 12.1.2019). Die Erstversorgung ist hier grundsätzlich gegeben; allerdings gilt die Faustformel: Je kleiner und abgeschiedener das Dorf, umso schwieriger die medizinische Versorgung (GIZ 12.2019). In Bagdad arbeiten viele Krankenhäuser mit eingeschränkter Kapazität. Die Ärzte und das Krankenhauspersonal gelten generell als qualifiziert, viele haben aber aus Angst vor Entführung oder Repression das Land verlassen. Die für die Grundversorgung der Bevölkerung besonders wichtigen örtlichen Gesundheitszentren (ca. 2.000 im gesamten Land) sind entweder geschlossen oder wegen baulicher, personeller und Ausrüstungsmängel nicht in der Lage, die medizinische Grundversorgung sicherzustellen (AA 12.1.2019). Spezialisierte Behandlungszentren für Personen mit psychosoziale Störungen existieren zwar, sind jedoch nicht ausreichend (UNAMI 12.2016). Laut Weltgesundheitsorganisation ist die primäre Gesundheitsversorgung nicht in der Lage, effektiv und effizient auf die komplexen und wachsenden Gesundheitsbedürfnisse der irakischen Bevölkerung zu reagieren (WHO o.D.).

Dem BF1 wurde bereits in der Heimat ein Bein amputiert. Er gab zwar an, dass er deshalb bei der Findung eines Berufs eingeschränkt wäre; eine darüber hinausgehende gesundheitliche Einschränkung behauptete er dagegen nicht. Ein etwaiges, durch die Amputation bedingtes Nachbehandlungserfordernis wurde nicht behauptet [VH-Niederschrift S. 4].

Quellen:

-        AA - Auswärtiges Amt (12.1.2019): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Irak, https://www.ecoi.net/en/file/local/1457267/4598_1548939544_auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-republik-irak-stand-dezember-2018-12-01-2019.pdf, Zugriff am 09.09.2020

-        GIZ - Deutsche Gesellschaft für internationale Zusammenarbeit (12.2019): Alltag, https://www.liportal.de/irak/alltag/, Zugriff am 09.09.2020

-        IOM - Internationale Organisation für Migration (1.4.2019): Länderinformationsblatt Irak (Country Fact Sheet 2018), https://milo.bamf.de/milop/livelink.exe/fetch/2000/702450/698578/704870/698617/18363939/Irak_%2D_Country_Fact_Sheet_2018%2C_deutsch.pdf?nodeid=20101157&vernum=-2, Zugriff am 09.09.2020

-        UNAMI - United Nations Assistance Mission to Iraq (12.2016): Report on the Rights of Persons with Disabilities in Iraq, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/UNAMI_OHCHR__Report_on_the_Rights_of_PWD_FINAL_2Jan2017.pdf, Zugriff am 09.09.2020

-        WHO - World Health Organization (o.D.): Iraq: Primary Health Care, http://www.emro.who.int/irq/programmes/primary-health-care.html, Zugriff am 09.09.2020

1.7. Die beschwerdeführenden Parteien hatten weder mit den Behörden, noch mit der Polizei noch mit den Gerichten des Herkunftsstaates - etwa wegen ihres Religionsbekenntnisses oder ihrer ethnischen Zugehörigkeit zur Mehrheitsbevölkerung der Araber oder aus politischen Gründen - Probleme. Weder sie noch weitere Angehörige ihrer Kernfamilie waren Mitglied einer politischen Partei oder politisch aktiven Bewegung des Herkunftsstaates, noch gehörte einer von ihnen einer bewaffneten Gruppierung des Herkunftsstaates an.

Die beschwerdeführenden Parteien hatten zu keinem Zeitpunkt näheren Kontakt mit Angehörigen einer Miliz. Ebenso konnte nicht festgestellt werden, dass auch nur einer von ihnen mit Angehörigen derselben Glaubensrichtung oder einer anderen im Herkunftsstaat beheimateten Glaubensrichtungen Probleme gehabt hätte.

Abschließend konnte nicht festgestellt werden, dass die beschwerdeführenden Parteien bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat aus in ihrer Person gelegenen Gründen oder aufgrund der allgemeinen Lage vor Ort der realen Gefahr einer Verletzung seiner durch Art. 2 EMRK, Art. 3 EMRK oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 zur Konvention geschützten Rechte, oder dass sie als Zivilpersonen einer ernsthaften Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konfliktes ausgesetzt wären.

2. Beweiswürdigung:

2.1. Zum Verfahrensgang:

Der oben unter Punkt I. dargestellte Verfahrensgang und die in der Folge getroffenen (sachverhaltsbezogenen) Feststellungen ergeben sich aus dem unzweifelhaften und unbestrittenen Akteninhalt der vorgelegten Verwaltungsakten des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl und des vorliegenden Gerichtsaktes des Bundesverwaltungsgerichtes, sowie aus den niederschriftlich protokollierten Angaben des BF1 anlässlich seiner Befragung durch die Organe der belangten Behörde.

2.2. Zur Person der beschwerdeführenden Parteien:

Soweit in der gegenständlichen Rechtssache zur Identität, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit sowie der Staatsangehörigkeit der Beschwerdeführer Feststellungen getroffen wurden, beruhen diese im Wesentlichen auf den im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, die vom BF1 vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde, andererseits vor den Organen der belangten Behörde getätigt wurden, sowie auf den im Akt befindlichen Kopien der vorgelegten persönlichen Dokumente und Urkunden.

Diese Feststellungen gelten ausschließlich für die Identifizierung der Person der bfP im gegenständlichen verwaltungsgerichtlichen Verfahren.

Die beschwerdeführenden Parteien waren nie Mitglied einer politischen Partei, einer anderen politischen aktiven Bewegung oder bewaffneten Gruppierung des Irak. Im Herkunftsstaat hatten sie weder mit der Polizei, noch mit den Verwaltungsbehörden, noch mit den Gerichten ein Problem.

Bis zu ihrer Ausreise aus dem Irak lebten sie unbehelligt in dem von der Familie bewohnten Haus in Bagdad. In seiner Heimatstadt ging der BF1 einer Erwerbstätigkeit als XXXX nach und konnte er aus den daraus erzielten Einkünften seine Familie gut versorgen.

Die zu ihrer Ausreise aus dem Irak, zur weiteren Reiseroute und zur Einreise ins Bundesgebiet getroffenen Konstatierungen ergeben sich aus den glaubhaften Angaben des BF1 anlässlich seiner niederschriftlichen Einvernahme vor den Organen der Sicherheitsbehörde, die im Wesentlichen unstrittig geblieben sind und der gegenständlichen Entscheidung daher im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu Grunde gelegt werden konnten [BF1, AS 24].

Die Feststellungen zur Wohnsitznahme in XXXX , zum Bezug von staatlichen Leistungen aus Grundversorgung und zur strafrechtlichen Unbescholtenheit der bfP im Bundesgebiet ergeben sich einerseits aus den amtswegigen Abfragen aus dem Zentralen Melderegister, der Abfrage aus dem Betreuungsinformationssystem-GVS und dem Strafregisterauszug sowie aus den - damit in Einklang stehenden - Angaben der beschwerdeführenden Parteien anlässlich ihrer vor dem Bundesverwaltungsgericht stattgehabten PV.

2.3. Zum Vorbringen der beschwerdeführenden Parteien:

Die Konstatierungen zu den Gründen für das Verlassen des Herkunftsstaates und zur Situation, die die beiden Beschwerdeführer im Fall ihrer Rückkehr in den Herkunftsstaat vorfinden würden, gründen einerseits auf den Angaben des BF1 vor den Organen der öffentlichen Sicherheitsbehörde, sowie auf den vor den Organen der belangten Behörde gemachten Angaben. Der vom BF2 gestellte Antrag auf internationalen Schutz gründet sich wiederum auf den Angaben des BF1.

Während die Fluchtroute und der Ablauf der Flucht durch den BF1 plausibel geschildert wurden und der BF1 auch seine Tätigkeit als XXXX glaubhaft darlegte, vermochten weder er noch der BF2 einen Asylgrund glaubhaft zu machen.

Vor den Organen der Sicherheitsbehörde, dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl sowie dem Bundesverwaltungsgericht gab der BF1 zwar durchgehend an, dass er als XXXX bedroht worden sei. Demnach hätte kurz nach seiner Flucht eine weniger qualifizierte Person, die noch dazu einer schiitischen Miliz nahestehen soll, seinen Posten übernommen, was auch in anderen XXXX der Fall gewesen sein soll. Um seine Bedrohung zu verdeutlichen, brachte er in der mündlichen Verhandlungen Foto- und Videodokumente zur Vorlage, die die Ermordung und Bedrohung anderer hoher XXXX verdeutlichen sollten. In dem vor dem Bundesverwaltungsgericht gezeigten und durch den anwesenden Dolmetscher übersetzten Video wurde der BF1 und dessen Fluch zwar namentlich erwähnt, eine zuvor gegen ihn bestehende Drohung konnte hier letztendlich nicht bestätigt werden.

Wenn der BF1 im Rahmen der mündlichen Verhandlung angibt, dass die von ihm verdächtigte Person geplant hatte, die XXXX als Deckmantel für Schlepperaktivitäten zu nutzen (S. 23ff der VH-Niederschrift) so ist hier anzuführen, dass der BF1 hierfür keinerlei Beweise vorlegen konnte, um diese Angaben zu untermauern.

Der BF1 konnte jedoch keine konkreten Personen nennen, welche ihn bedroht haben sollen. Er äußerte lediglich den Verdacht, dass es sich hierbei um Arbeitskollegen handle, welche den schiitischen Milizen und dem Netzwerk von Al Sadr nahestehen sollen (S. 18f der Verhandlungsniederschrift). Die Flucht begründete er damit, dass bereits in den Wochen zuvor andere XXXX attackiert worden sein sollen. Der BF1 konnte somit nicht klar darlegen, von welcher Seite die vermeintliche Drohung ausgesprochen wurde. Jenes Mobiltelefon, auf welches er angerufen worden sein will ist nicht mehr im Besitz des BF1. Die Nummer, von welcher aus er angeblich angerufen wurde war sofort nach dem Anruf nicht mehr erreichbar.

Auch wenn der BF1 angab, einmalig über sein Telefon bedroht worden zu sein, konnte er nie eine gegen ihn gerichtete, asylrechtlich relevante Bedrohung oder Verfolgung aus Gründen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten Ethnie oder aus religiösen Gründen oder aus politischen Gründen glaubhaft machen. Selbst bei Wahrunterstellung seiner Angaben war die behauptete Drohung durch eine unbekannte Person ausschließlich persönlich motiviert. Hiermit in Einklang steht auch, dass die vom Bundesverwaltungsgericht amtswegig eingeholte ACCORD-Anfragebeantwortung (OZ 13) und die aktuellen Länderberichte zum Herkunftsstaat keine Hinweise dazu enthalten, dass hohe XXXX des Herkunftsstaates Opfer einer staatlichen Verfolgung geworden wären. Es ist anlassbezogen auch im Dunkel geblieben, warum der BF1 die gegen ihn ausgesprochene Drohung bei den staatlichen Behörden des Herkunftsstaates, namentlich der Polizei des Herkunftsstaates nicht zur Anzeige gebracht hat, obwohl er mit diesen nach eigenen Angaben kein Problem hatte (S. 15 der Verhandlungsniederschrift) und selbst ein Mitglied einer XXXX war.

Auch wenn der BF1 vorbrachte, dass seine im Irak verbliebene Frau nach seiner Flucht aus dem Herkunftsstaat unsteten Aufenthalts wäre, da sie und seine erwachsenen Söhne im Jahr 2016 aus deren Haus delogiert worden seien, steht dies nicht mit einer staatlichen Willkür oder mit einer Willkür von Seiten der im Herkunftsstaat tätigen Milizen im Zusammenhang, sondern ausschließlich mit der Auflösung des Dienstverhältnisses zum Staat, wie es der BF1 Glauben machen suchte. Nach eigenen Angaben will er während der von ihm ausgeübten Funktion eines XXXX von staatlicher Seite ein Gehalt in Höhe von 2.750.000 irakischen Dinar und eine Pension für seine frühere XXXX in Höhe von 500.000 irakischen Dinar monatlich (in Summe etwa EUR 2.300) erhalten haben. Der Verlust des Wohnhauses resultiert sohin nicht aus einer Schikane von staatlicher Seite oder durch Milizen, sondern steht dieser vielmehr mit der Auflösung des Dienstverhältnisses zum Staat Irak zusammen.

Aus den angeführten Gründen und der Tatsache, dass der BF1 im gesamten Verfahrensverlauf nur Mutmaßungen über jene Personen, die ihn angeblich bedroht haben sollen, aufstellen konnte aber zu keinem Zeitpunkt in der Lage war, konkrete Behauptungen aufzustellen, gelang es ihm weder mit seinen Angaben, noch mit den vorgelegten Beweismitteln einen asylrechtlich relevanten Verfolgungsgrund darzutun.

Die getroffenen Konstatierungen waren somit im Rahmen der freien Beweiswürdigung zu treffen.

2.4. Zur Lage im Herkunftsstaat:

Die länderkundlichen Feststellungen zur allgemeinen Lage im Irak gründen auf dem Amtswissen des erkennenden Gerichtes und auf den als notorisch zu qualifizierenden aktuellen Ereignissen im Herkunftsstaat der bfP in Verbindung mit den dazu ergänzend eingesehenen länderkundlichen Informationsquellen. Diesen war auch kein über die oben erörterten, von den BF selbst dargebotenen Verfolgungsgründe hinausgehender Sachverhalt zu entnehmen, der allenfalls Anhaltspunkte für eine aus sonstigen Gründen der bfP drohende individuelle Gefährdung beinhaltet hätte.

2.5. Zur Integration der bfP in Österreich:

Die Feststellungen zu den von den Beschwerdeführern in Österreich gesetzten Integrationsschritten (Deutschkursbesuch, Integrationskurse, Schulbesuche und die Mitgliedschaft in einem Sportverein) ergaben sich aus den diesbezüglichen glaubhaften Nachweisen im Akt.

3. Rechtliche Beurteilung:

Zu Spruchteil A):

3.1. Zuständigkeit und anzuwendendes Recht:

3.1.1. Die gegen die Bescheide der belangten Behörde vom XXXX .01.2018 erhobenen Beschwerden der bfP sind rechtzeitig und legte die belangte Behörde die Beschwerdesachen dem Bundesverwaltungsgericht vor.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 1 des BFA-Verfahrensgesetzes (BFA-VG), BGBl. I Nr. 87/2012 idgF., entscheidet über Beschwerden gegen Entscheidungen (Bescheide) des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) das Bundesverwaltungsgericht.

3.1.2. Gemäß § 6 des Bundesverwaltungsgerichtsgesetzes (BVwGG), BGBl. I Nr. 10/2013, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht durch Einzelrichter, sofern nicht in Bundes- oder Landesgesetzen die Entscheidung durch Senate vorgesehen ist.

Da in den maßgeblichen gesetzlichen Bestimmungen eine Senatszuständigkeit nicht vorgesehen ist, obliegt die Entscheidung in der gegenständlichen Rechtssache dem nach der jeweils geltenden Geschäftsverteilung des Bundesverwaltungsgerichtes zuständigen Einzelrichter.

Das Verfahren der Verwaltungsgerichte, mit Ausnahme des Bundesfinanzgerichtes, ist durch das Verwaltungsgerichtsverfahrensgesetz (VwGVG), BGBl. I Nr 33/2013 idgF, geregelt. Gemäß § 58 Abs. 2 VwGVG bleiben entgegenstehende Bestimmungen, die zum Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Bundesgesetzes bereits kundgemacht wurden, in Kraft.

Gemäß § 17 VwGVG sind, soweit in diesem Bundesgesetz nicht anderes bestimmt ist, auf das Verfahren über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 B-VG die Bestimmungen des AVG mit Ausnahme der §§ 1 bis 5 sowie des IV. Teiles, die Bestimmungen der Bundesabgabenordnung (BAO), BGBl. Nr. 194/1961, des Agrarverfahrensgesetzes (AgrVG), BGBl. Nr. 173/1950, und des Dienstrechtsverfahrensgesetzes 1984 (DVG), BGBl. Nr. 29/1984, und im Übrigen jene verfahrensrechtlichen Bestimmungen in Bundes- oder Landesgesetzen sinngemäß anzuwenden, die die Behörde in dem dem Verfahren vor dem Verwaltungsgericht vorangegangenen Verfahren angewendet hat oder anzuwenden gehabt hätte.

3.1.3. Der mit „Familienverfahren im Inland“ betitelte § 34 AsylG lautet wie folgt:

„Familienverfahren im Inland

§ 34. (1) Stellt ein Familienangehöriger von

1. einem Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist;

2. einem Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten (§ 8) zuerkannt worden ist oder

3. einem Asylwerber

einen Antrag auf internationalen Schutz, gilt dieser als Antrag auf Gewährung desselben Schutzes.

(2) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist und

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

3. gegen den Fremden, dem der Status des Asylberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 7).

(3) Die Behörde hat auf Grund eines Antrages eines Familienangehörigen eines Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt worden ist, dem Familienangehörigen mit Bescheid den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wenn

1. dieser nicht straffällig geworden ist;

(Anm.: Z 2 aufgehoben durch Art. 3 Z 13, BGBl. I Nr. 84/2017)

3. gegen den Fremden, dem der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt wurde, kein Verfahren zur Aberkennung dieses Status anhängig ist (§ 9) und

4. dem Familienangehörigen nicht der Status eines Asylberechtigten zuzuerkennen ist.

(4) Die Behörde hat Anträge von Familienangehörigen eines Asylwerbers gesondert zu prüfen; die Verfahren sind unter einem zu führen; unter den Voraussetzungen der Abs. 2 und 3 erhalten alle Familienangehörigen den gleichen Schutzumfang. Entweder ist der Status des Asylberechtigten oder des subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, wobei die Zuerkennung des Status des Asylberechtigten vorgeht, es sei denn, alle Anträge wären als unzulässig zurückzuweisen oder abzuweisen. Jeder Asylwerber erhält einen gesonderten Bescheid. Ist einem Fremden der faktische Abschiebeschutz gemäß § 12a Abs. 4 zuzuerkennen, ist dieser auch seinen Familienangehörigen zuzuerkennen.

(5) Die Bestimmungen der Abs. 1 bis 4 gelten sinngemäß für das Verfahren beim Bundesverwaltungsgericht.

(6) Die Bestimmungen dieses Abschnitts sind nicht anzuwenden:

1. auf Familienangehörige, die EWR-Bürger oder Schweizer Bürger sind;

2. auf Familienangehörige eines Fremden, dem der Status des Asylberechtigten oder der Status des subsidiär Schutzberechtigten im Rahmen eines Verfahrens nach diesem Abschnitt zuerkannt wurde, es sei denn es handelt sich bei dem Familienangehörigen um ein minderjähriges lediges Kind;

3. im Fall einer Aufenthaltsehe, Aufenthaltspartnerschaft oder Aufenthaltsadoption (§ 30 NAG).“

3.1.4. Zum Zeitpunkt der Asylantragstellung der bfP am XXXX .08.2015 war der BF2 noch minderjährig, weshalb nicht von ihm selbst, sondern vom BF1, seinem Vater, als dessen gesetzlichen Vertreter für ihn der verfahrensgegenständliche Antrag auf internationalen Schutz gestellt wurde.

Bezüglich des Verfahrens des BF1 und dessen zum Zeitpunkt der Asylantragstellung noch minderjährigen Sohn liegt somit jedenfalls ein Familienverfahren iSv § 34 Abs. 4 AsylG vor.

3.2. Zu Spruchpunkt I. der angefochtenen Bescheide:

3.2.1. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 ist einem Fremden, der in Österreich einen Antrag auf internationalen Schutz im Sinne des § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 gestellt hat, soweit dieser Antrag nicht bereits gemäß §§ 4, 4a oder 5 AsylG 2005 zurückzuweisen ist, der Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, wenn glaubhaft ist, dass ihm im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, idF des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974 (Genfer Flüchtlingskonvention - GFK), droht.

Als Flüchtling im Sinne des Art. 1 Abschnitt A Z 2 der GFK ist anzusehen, wer sich aus wohlbegründeter Furcht, aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung verfolgt zu werden, außerhalb seines Heimatlandes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, sich des Schutzes dieses Landes zu bedienen; oder wer staatenlos ist, sich infolge obiger Umstände außerhalb des Landes seines gewöhnlichen Aufenthaltes befindet und nicht in der Lage oder im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt ist, in dieses Land zurückzukehren.

Zentrales Element des Flüchtlingsbegriffes ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH die „wohlbegründete Furcht vor Verfolgung“ (vgl. VwGH vom 22.12.1999, Zl. 99/01/0334; vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131 und vom 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011). Eine solche liegt dann vor, wenn sie im Lichte der speziellen Situation des Asylwerbers unter Berücksichtigung der Verhältnisse im Verfolgerstaat objektiv nachvollziehbar ist. Dabei kommt es nicht darauf an, ob sich eine bestimmte Person in einer konkreten Situation tatsächlich fürchtet, sondern ob sich eine mit Vernunft begabte Person in dieser Situation aus Konventionsgründen fürchten würde (VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0370 und vom 21.09.2000, Zl. 2000/20/0286).

Unter Verfolgung ist ein ungerechtfertigter Eingriff von erheblicher Intensität in die zu schützende Sphäre des Einzelnen zu verstehen, der sich eignet, die Unzumutbarkeit der Inanspruchnahme des Schutzes des Heimatstaates bzw. der Rückkehr in das Land des vorigen Aufenthaltes zu begründen (VwGH vom 24.11.1999, Zl. 99/01/0280). Eine Verfolgungsgefahr ist dann anzunehmen, wenn eine Verfolgung mit einer maßgeblichen Wahrscheinlichkeit droht, die entfernte Möglichkeit einer Verfolgung genügt nicht (VwGH vom 19.12.1995, Zl. 94/20/0858; vom 23.09.1998, Zl. 98/01/0224; vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318; vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0370; vom 06.10.1999, Zl. 99/01/0279 mwN; vom 19.10.2000, Zl. 98/20/0233; vom 21.12.2000, Zl. 2000/01/0131 und vom 25.01.2001, Zl. 2001/20/0011).

Die Verfolgungsgefahr muss aktuell sein, was bedeutet, dass sie zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegen muss (VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318 und vom 19.10.2000, Zl. 98/20/0233). Bereits gesetzte vergangene Verfolgungshandlungen können im Beweisverfahren ein wesentliches Indiz für eine bestehende Verfolgungsgefahr darstellen, wobei hierfür dem Wesen nach eine Prognose zu erstellen ist (VwGH vom 05.11.1992, Zl. 92/01/0792 und vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0318). Die Verfolgungsgefahr muss ihre Ursache in den in der GFK genannten Gründen haben, welche Art. 1 Abschnitt A Z 2 nennt, und muss ihrerseits Ursache dafür sein, dass sich die betreffende Person außerhalb ihres Heimatstaates bzw. des Staates ihres vorigen Aufenthaltes befindet. Die Verfolgungsgefahr muss dem Heimatstaat bzw. dem Staat des letzten gewöhnlichen Aufenthaltes zurechenbar sein, wobei Zurechenbarkeit nicht nur ein Verursachen bedeutet, sondern eine Verantwortlichkeit in Bezug auf die bestehende Verfolgungsgefahr bezeichnet (VwGH vom 16.06.1994, Zl. 94/19/0183).

Von einer mangelnden Schutzfähigkeit des Staates kann nicht bereits dann gesprochen werden, wenn der Staat nicht in der Lage ist, seine Bürger gegen jedwede Übergriffe seitens Dritter präventiv zu schützen. Es ist erforderlich, dass der Schutz generell infolge Fehlens einer nicht funktionierenden Staatsgewalt nicht gewährleistet wird (vgl. VwGH vom 01.06.1994, Zl. 94/18/0263 und vom 01.02.1995, Zl. 94/18/0731). Die mangelnde Schutzfähigkeit hat jedoch nicht zur Voraussetzung, dass überhaupt keine Staatsgewalt besteht - diesfalls wäre fraglich, ob von der Existenz eines Staates gesprochen werden kann -, die ihren Bürgern Schutz bietet. Es kommt vielmehr darauf an, ob in dem relevanten Bereich des Schutzes der Staatsangehörigen vor Übergriffen durch Dritte aus den in der GFK genannten Gründen eine ausreichende Machtausübung durch den Staat möglich ist. Mithin kann eine von dritter Seite ausgehende Verfolgung nur dann zur Asylgewährung führen, wenn sie von staatlichen Stellen infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abgewendet werden kann (VwGH vom 22.03.2000, Zl. 99/01/0256).

Verfolgungsgefahr kann nicht ausschließlich aus individuell gegenüber dem Einzelnen gesetzten Einzelverfolgungsmaßnahmen abgeleitet werden, vielmehr kann sie auch darin begründet sein, dass regelmäßig Maßnahmen zielgerichtet gegen Dritte gesetzt werden, und zwar wegen einer Eigenschaft, die der Betreffende mit diesen Personen teilt, sodass die begründete Annahme besteht, (auch) er könnte unabhängig von individuellen Momenten solchen Maßnahmen ausgesetzt sein (VwGH vom 09.03.1999, Zl. 98/01/0370 und vom 22.10.2002, Zl. 2000/01/0322).

Die Voraussetzungen der GFK sind nur bei jenem Flüchtling gegeben, der im gesamten Staatsgebiet seines Heimatlandes keinen ausreichenden Schutz vor einer konkreten Verfolgung findet (VwGH vom 08.10.1980, VwSlg. 10.255 A). Steht dem Asylwerber die Einreise in Landesteile seines Heimatstaates offen, in denen er frei von Furcht leben kann, und ist ihm dies zumutbar, so bedarf er des asylrechtlichen Schutzes nicht; in diesem Fall liegt eine sog. „inländische Fluchtalternative“ vor. Der Begriff „inländische Fluchtalternative“ trägt dem Umstand Rechnung, dass sich die wohlbegründete Furcht vor Verfolgung iSd. Art. 1 Abschnitt A Z 2 GFK, wenn sie die Flüchtlingseigenschaft begründen soll, auf das gesamte Staatsgebiet des Heimatstaates des Asylwerbers beziehen muss (VwGH vom 08.09.1999, Zlen. 98/01/0503 und 98/01/0648).

Grundlegende politische Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet zu sein behauptet, können die Annahme begründen, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht (mehr) länger bestehe. Allerdings reicht eine bloße - möglicherweise vorübergehende - Veränderung der Umstände, die für die Furcht des betreffenden Flüchtlings vor Verfolgung mitbestimmend waren, jedoch keine wesentliche Veränderung der Umstände iSd. Art. 1 Abschnitt C Z 5 GFK mit sich brachten, nicht aus, um diese zum Tragen zu bringen (VwGH vom 21.01.1999, Zl. 98/20/0399 und vom 03.05.2000, Zl. 99/01/0359).

3.2.2. Auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens und des festgestellten Sachverhaltes erweist sich die gegenständliche Beschwerde als unbegründet:

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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