TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/5 W200 2112413-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 05.11.2020
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Entscheidungsdatum

05.11.2020

Norm

AsylG 2005 §54 Abs1 Z1
AsylG 2005 §55 Abs1
AsylG 2005 §58 Abs2
AsylG 2005 §9 Abs1 Z1
AsylG 2005 §9 Abs4
BFA-VG §9 Abs2
BFA-VG §9 Abs3
B-VG Art133 Abs4
FPG §52
VwGVG §28 Abs2
VwGVG §28 Abs5

Spruch

W200 2112413-3/15E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht hat durch die Richterin Mag. SCHERZ als Einzelrichterin über die Beschwerde von XXXX , geb. 01.01. XXXX , StA. AFGHANISTAN, vertreten durch: RA Mag. Dr. Gregor KLAMMER gegen den Bescheid des BFA, Regionaldirektion Niederösterreich (BFA-NÖ) vom 07.08.2019, Zl. 1075961502-181059687, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

A)

1.       Die Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des Bescheides werden als unbegründet abgewiesen.

2.       Der Beschwerde gegen Spruchpunkte III. – V. des angefochtenen Bescheides wird stattgegeben und festgestellt, dass eine Rückkehrentscheidung gemäß § 28 Abs. 2 VwGVG und § 52 FPG 2005 iVm § 9 Abs. 2 und 3 BFA-VG auf Dauer unzulässig ist.

Gemäß § 54 Abs. 1 Z 1, § 58 Abs. 2 iVm § 55 Abs. 1 AsylG 2005 wird XXXX der befristete Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus“ in der Dauer von zwölf Monaten erteilt.

3.       Der Spruchpunkt VI. des angefochtenen Bescheides wird ersatzlos behoben.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

I. Verfahrensgang:

Der afghanische Beschwerdeführer stellte nach der illegalen Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 01.07.2015 einen Antrag auf internationalen Schutz.

Dieser Antrag wurde mit Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.03.2017 bezüglich der Zuerkennung sowohl des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 abgewiesen, dem Beschwerdeführer der Status des subsidiär Schutzberechtigten gem. § 8 AsylG gewährt und ihm eine befristete Aufenthaltsberechtigung erteilt - dies mit der Begründung, dass die Sicherheitslage in Nangarhar erkennbar instabil ware, er in einer anderen Provinz nicht ortskundig sei und auch nicht über soziale oder familiäre Anknüpfungspunkte verfügte. Für ihn als Zivilperson hätte die reale Gefahr einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens nicht ausreichend ausgeschlossen werden können.

Gegen Spruchpunkt I. des Bescheides erhob der Beschwerdeführer Beschwerde.

Mit Erkenntnis des BVwG vom 22.06.2018, Zl. W257 2112413-2/6E wurde diese Beschwerde abgewiesen.

In der Begründung wurde ausgeführt, dass dass er weder durch die Taliban oder Daesh/IS bedroht worden sei und werde, noch sei es zu Übergriffen der Taliban oder Daesh/IS auf ihn gekommen. Insbesondere sei er und/oder seine Familie nicht durch die Verwandtschaft seines Vaters bedroht worden oder sei es bislang zu derartigen Übergriffen gekommen. Auch konnte nicht festgestellt werden, dass sein verstorbener Bruder für die afghanische Armee tätig gewesen sei.

In weiterer Folge wurde dem Beschwerdeführer eine befristete Aufenthaltsberechtigung bis 23.03.2020 ausgestellt.

Mit Urteil des LG für Strafsachen Wien vom 24.04.2019, 162 Hv 124/18w wurde der Beschwerdeführer wegen der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften gem. §§ 27 Abs. 1 Z. 1, siebenter Fall und Abs. 2a und §§ 27 Abs. 1 erster und zweiter Fall und Abs. 2 zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 3 Monaten, bedingt auf eine Probezeit von 3 Jahren, rechtskräftig verurteilt.

Aufgrund dieser Verurteilung leitete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl mit AV vom 24.06.2019 von Amts wegen ein Verfahren zur Aberkennung des subsidiären Schutzes ein.

Am 25.07.2019 wurde der Beschwerdeführer vom BFA niederschriftlich einvernommen und gab im Wesentlichen Folgendes zu Protokoll:

Er sei in der Provinz Nangarhar, Distrikt Khugiani, Dorf XXXX geboren und hätte dort bis zur Ausreise gelebt. Die Schulen in der Nähe seien alle aufgrund der allgemeinen Sicherheitslage geschlossen gewesen. Er habe seit seiner Kindheit auf den eigenen Grundstücken als Landwirt gearbeitet. Er sei ledig und kinderlos.

Sein Vater sei rund drei Jahren vor seiner Einreise in Österreich, sein älterer Bruder sei rund eineinhalb Jahre vor seiner Ausreise verstorben. Seine Mutter, seine beiden (jüngeren) Brüder sowie seine (jüngere) Schwester lebten seit dem Tod seines Bruders bei seinem Onkel mütterlicherseits im Distrikt Khugiani. Er hätte dort ebenfalls rund acht Monate gelebt.

Er habe letzmalig vor drei Monaten Kontakt zur Familie, seit seinem Aufenthalt in Österreich erst drei Mal telefonischen Kontakt zu ihr gehabt. Der Familie gehe es gut. Die Mutter mache sich Sorgen um ihre Söhne, da diese älter würden und damit gefährdet seien. Er habe insgesamt drei Onkel und zwei Tanten mütterlicherseits im Heimatdistrikt sowie zwei Tanten väterlicherseits. Zudem habe er vier Halbcousins seines Vaters, welche nach wie vor noch im Heimatdorf lebten.

Im Fall einer Rückkehr fürchte er den Tod durch die nach wie vor bestehende Feindschaft, weshalb er bereits Afghanistan damals verlassen habe, und zudem auch noch die allgemeine Sicherheitslage. Er habe Angst vor den Taliban, da die Halbcousins seines Vaters entweder mit den Taliban oder mit den Daesh zusammenarbeiten und diese seinen Bruder umgebracht hätten. Jetzt habe auch er Angst, von diesen umgebracht zu werden.

Zu seinen Befürchtungen im Fall einer Rückkehr speziell nach Mazar-e-Sharif befragt, gab er an, dass man bei Problemen mit den Taliban nirgendswo leben könne. Die Halbcousins seines Vaters hätten mit den Taliban zu tun und deswegen habe er sowohl vor diesen Halbcousins als auch vor den Taliban Angst. Die Sicherheitslage sei dort auch sehr schlecht. Es würden sehr viele Menschen von dort fliehen, weil es Krieg gebe.

Seine beiden (jüngeren) Brüder seien bei seiner Ausreise 10 und 5 Jahre, seine Schwester 3 Jahre alt gewesen. Er glaube, dass sie die Schule nicht besuchen würden, da es zu gefährlich sei.

Seit 25.06.2019 arbeite er als Hilfsarbeiter (putzen, Teller abwaschen, Tomaten schneiden, usw.). Er habe sich immer bemüht, hätte 200 Bewerbungen abgeschickt, um diese Arbeit zu erhalten. Alleine deshalb, weil er von Österreich zurückkehre, würden ihn die Leute in Afghanistan nicht am Leben lassen, weil die Leute dort extremistisch denken. Es gebe dort die Taliban und die Daesh; diese würden ihn nicht am Leben lassen. Er lebe zu Dritt in einer Mietwohnung.

Mit Bescheid des BFA vom 07.08.2019 wurde dem Beschwerdeführer der mit Bescheid vom 23.03.2017 zuerkannte Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 9 Absatz 1 Ziffer 1 Asylgesetz 2005, BGBl I Nr. 100/2005 (AsylG) idgF, von Amts wegen aberkannt (Spruchpunkt I.), die mit Bescheid vom 23.03.2018 erteilte befristete Aufenthaltsberechtigung als subsidiär Schutzberechtigter gemäß § 9 Absatz 4 AsylG entzogen (Spruchpunkt II.), ihm ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 nicht erteilt (Spruchpunkt III.), gegen ihn gemäß § 10 Absatz 1 Ziffer 5 AsylG iVm § 9 BFA-Verfahrensgesetz, BGBl. I Nr. 87/2012 (BFA-VG) idgF, eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Absatz 2 Ziffer 2 Fremdenpolizeigesetz 2005, BGBl. I Nr. 100/2005 (FPG) idgF, erlassen (Spruchpunkt IV.), gemäß § 52 Absatz 9 FPG festgestellt, dass seine Abschiebung gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig ist (Spruchpunkt V.), ihm gemäß § 55 Absatz 1 bis 5 FPG als Frist für seine freiwillige Ausreise 14 Tage ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung gewährt (Spruchpunkt VI.).

Begründend führte das BFA aus, dass laut Erkenntnis des BVwG (W192 2004018-4/2E) vom 14.05.2019 bei Vorliegen von Straffälligkeit die damalige Schutzgewährung einer neuen individuellen Bewertung zu unterziehen sei. Eine solche Neubewertung habe folglich ausschließlich auf Grundlage der Sach- und Rechtslage zum Entscheidungszeitpunkt zu erfolgen, und sei dabei nicht notwendigerweise auf eine Lageänderung abzustellen.

Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten lägen zum gegenwärtigen Entscheidungszeitpunkt nicht vor. Laut gängiger Judikatur sei einem arbeitsfähigen, erwachsenen und gesunden Mann eine Neuansiedlung in den Städten Mazar-e-Sharif sowie Herat sehr wohl zuzumuten. Er verfüge über Arbeitserfahrung als Landwirt, habe zudem in Österreich an Lebens- sowie Arbeitserfahrung dazugewonnen und sei gesund. Er könne im Falle der Rückkehr für seine Existenzsicherung aufkommen. Auch ein fehlender sozialer bzw. familiärer Background bzw. fehlende Unterstützung in den Städten Mazar-e-Sharif oder Herat führe freilich nicht (mehr) zu einer Unzumutbarkeit einer Neuansiedlung in diesen Städten, umso mehr als er als erwachsener, arbeitsfähiger und gesunder Mann seinen Lebensunterhalt in eigener Regie organisieren und bewerkstelligen und dabei im Bedarfsfall auch auf die diversen Unterstützungsnetzwerke (internationale und nationale Rückkehrorganisationen bzw. NGO´s) zurückgreifen könnte.

Anzumerken sei, dass bereits der Verwaltungsgerichtshof in seiner jüngeren Rechtsprechung erkannt hätte, dass selbst fehlende familiäre oder soziale Anknüpfungspunkte bzw. Unterstützungen in Mazar-e-Sharif oder Herat Stadt nicht (mehr) zu einer Unzumutbarkeit einer Rückkehr an diese Orte führen. Auch eine schwierige Lebenssituation (bei der Arbeitsplatz- und Wohnraumsuche sowie in wirtschaftlicher Hinsicht), die ein Rückkehrer vorfände, reiche für sich betrachtet nicht mehr aus, um eine Rückkehr in die Städte Mazar-e-Sharif oder Herat zu verneinen.

Mit seiner erworbenen Arbeitserfahrung könnte er freilich im Falle der Rückkehr insbesondere bei der Suche nach Arbeit profitieren. Im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan, insbesondere in den Städten Mazar-e-Sharif oder Herat, könnte er eine zumutbare Lebenssituation vorfinden.

Da es ihm in Österreich schließlich gelungen sei, seinen Lebensunterhalt zu bestreiten sowie die im Alltag immer wieder auftretenden Schwierigkeiten in den diversen Bereichen zu bewältigen, sei es ihm freilich nun sehr wohl zuzumuten, mit seiner (neu gewonnenen) Lebens- sowie Arbeitserfahrung auch in Afghanistan, speziell in Mazar-e-Sharif oder Herat Stadt, zumutbar leben zu können. Dies alles spreche schließlich dafür, dass er nun in der Lage sei, sich (auch) aus eigenen Kräften ein notdürftiges Überleben in Afghanistan zu sichern und somit sei davon auszugehen, dass er nun aufgrund seiner bisherigen Lebenserfahrung über die hierfür erforderlichen Fertigkeiten verfüge.

Somit führe die vorzunehmende Neubewertung des Schutzstatus zum Ergebnis, dass er laut den aktuellen Länderfeststellungen zur Sicherheits- und Versorgungslage in Afghanistan seinen Lebensunterhalt insbesondere in den Städten Mazar-e-Sharif oder Herat bestreiten könnte. Er könnte eben dort freilich eine Erwerbstätigkeit aufnehmen, wie er dies bereits in Österreich getan hätte. Es lägen schließlich keine Umstände vor, die gerade in seinem Fall die Inanspruchnahme einer Schutzalternative unzumutbar erscheinen ließen, wie etwa eine lebensbedrohliche Erkrankung oder sonstige Defizite, die einer Existenzsicherung im Wege stehen könnten.

Bezugnehmend auf eine etwaige Ortsunkenntnis oder anfänglich möglicherweise bestehende Orientierungslosigkeit in den Städten Mazar-e-Sharif oder Herat sei anzumerken, dass dies - alleine gesehen - freilich nicht zur Feststellung führen könne, diese Orte kämen nicht als taugliche Fluchtalternative in Frage, zumal nun gerade mit den ansässigen Hilfsorganisationen Möglichkeiten gegeben seien, um diesem etwaigen Problem Abhilfe zu verschaffen. Hinzu komme, dass es einem Erwachsenen wohl zumutbar sei, sich in den Großstädten seines Heimatlandes Kenntnisse der örtlichen Gegebenheiten anzueignen, genauso wie er dazu – wohl wesentlich komplizierter – im Ausland ohne Sprachkenntnisse in der Lage gewesen sei. In Anbetracht der Vielzahl an Rückkehrern aus dem Ausland und deren Möglichkeiten, sich im Heimatland Afghanistan anzusiedeln, lasse sich kein Grund feststellen, der gerade in seinem Fall eine solche Rückkehr unmöglich erscheinen ließe, umso mehr er diesbezüglich auch keine plausible Begründung abgegeben oder eine besondere Stellung erklärt habe.

Es sei ihm schließlich nun zuzumuten, dass er auch unter durchaus schweren Bedingungen am Arbeitsmarkt nach einer Beschäftigung suche und möglicherweise durch das Verrichten von Gelegenheitsarbeiten seinen Lebensunterhalt - (auch) ohne unmittelbar in Herat Stadt oder Mazar-e-Sharif bestehendem familiären Background - bestreiten könnte. Wie zudem der Würdigung zu seiner Person zu entnehmen sei, konnte festgestellt werden, dass er mit den afghanischen Traditionen und Gepflogenheiten sowie der Sprache vertraut sei und somit müsste es ihm auch möglich sein, in seine Heimat zurückzukehren, um sich dort ein neues Leben aufzubauen. Weiters verfüge er über eine Vielzahl familiärer Anknüpfungspunkte in der Heimatprovinz, die er freilich im Falle der Rückkehr nützen könne.

Aufgrund der Länderinformationen, seiner gesammelten Lebenserfahrung und seiner bis dato ausgeübten Arbeitstätigkeit lasse sich schließlich kein Grund mehr feststellen, der seine Rückkehr nach Afghanistan unzumutbar mache. Zudem sei es gerade für junge Menschen ein leichtes Unterfangen, neue soziale Kontakte in einer ihnen noch weitestgehend unbekannten Umgebung zu knüpfen. Darüber hinaus könnte er selbstverständlich im Falle der Rückkehr - wie den Feststellungen zum Herkunftsland klar hervorgehe - zum Zwecke des Bestreitens des Lebensunterhaltes Unterstützungen, insbesondere in Zusammenhang mit einer Rückkehr, vom UNHCR oder IOM in Anspruch nehmen. Daher bestehe schließlich kein Zweifel daran, dass er sich als arbeitsfähiger und gesunder Mann in Mazar-e-Sharif oder in Herat Stadt ohne kulturelle, traditionelle und sprachliche Barrieren, selbst versorgen könne, zumal auch ebendort internationale Hilfsorganisationen den Wiedereinstieg für Rückkehrer unterstützen.

Aus der Länderinformation gehe klar hervor, dass Mazar-e-Sharif und Herat über den Luftweg aufgrund des vorhandenen Flughafens gut bzw. sicher erreichbare Städte seien.

Das BVwG führte am 30.10.2020 eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, in der dem Beschwerdeführer die Feststellungen des BVwG im Erkenntnis vom 22.06.2018, Zl. W257 2112413-2/6E sowie die Begründung für die Gewährung des Status des subsidiär Schutzberechtigten im Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 23.03.2017 zur Kenntnis gebracht wurden.

Die weitere Einvernahme des Beschwerdeführers gestaltete sich wie folgt:

„RI: Wieso können Sie nicht in Mazar-e Sharif leben. Sie sind jung, gesund, arbeitsfähig und haben in den letzten Jahren auch in Österreich Berufserfahrung gesammelt.

BF: Wenn ich nach Mazar-e Sharif zurückkehren muss, sie werden mich töten.

RI: Wer?

BF: Meine Feinde, die Feinde, die meinen Vater umgebracht haben, deswegen ist auch mein Bruder ums Leben gekommen.

RI: Das ist bereits von meinem Kollegen als unglaubwürdig festgestellt worden. Das ist heute nicht das Thema.

BF: Die Sicherheitslage hat sich dort überall drastisch verschlechtert. In Kabul ist es zu mehreren Angriffen gekommen. In Jalalabad ebenfalls.

BFV: Ich verweise auf die verschlechterte wirtschaftliche Situation und der massiven Rückkehr insbesondere von Afghanen aus dem Iran, welche ebenfalls mit der Coronakrise korrespondiert und die bisher prekäre Lage weiter verschärft hat.

RI: Sind Sie gesund?

BF: Ja.

RI: Gehören Sie einer Risikogruppe betreffend COVID-19 an?

BF: Nein.

RI: Haben Sie Kontakt zu Ihrer Familie?

BF: Alle zwei Monate oder drei Monate, manchmal.

RI: Gibt es sonst Familienangehörige in Afghanistan, außer Ihrer Kernfamilie?

BF: Ich habe Tanten, aber mit diesen bin ich nicht in Kontakt.

RI: Würde Sie Ihre Familie bzw. die Verwandten in Afghanistan im Fall einer Rückkehr unterstützen – ua durch Geldleistungen?

BF: Finanziell geht es ihnen extrem schlecht, sie haben für sich selber nichts.

RI: Haben Sie in Österreich lebende Familienangehörige oder Verwandte?

BF: Nein.

RI: Was haben Sie seit 2015 in Österreich gemacht?

BF: Ich habe unterschiedliche Kurse besucht. Beim Alphabetisierung habe ich angefangen. Ich habe auch sehr viel gearbeitet. Diesbezügliche Unterlagen habe ich vorgelegt.

RI: Mit wem wohnen Sie?

BF: Ich habe zwei Mitbewohner. Nachgefragt: Diese sind Afghanen.

RI: Haben Sie einen Deutschkurs absolviert – ich meine damit eine Prüfung positiv abgeschlossen?

BF: Deutschkurse hatte ich. Nachgefragt: Prüfung hatte ich, aber diese habe ich leider nicht bestanden.

RI: Warum sind Sie straffällig geworden?

BF: Das stimmt, dass ich straffällig geworden bin. Der Grund dafür war, dass ich schlechte Leute kennengelernt habe. Es tut mir sehr sehr leid. Es wird nie mehr vorkommen. Ich nehme keine Drogen mehr.

RI: Wieso glauben Sie, dass Sie nicht mehr nach Afghanistan zurückkehren können?

BF: Ich vermisse mein Land, aber hätte ich keine Probleme gehabt, hätte ich es nie verlassen. Ich bin minderjährig nach Österreich gekommen. Ich bin hier aufgewachsen. Ich habe mich an das Leben hier gewöhnt. Ich habe österreichische Kultur und Gesetze und ich kenne diese auch.

Ab hier ohne D.

RI: Was machen Sie jetzt aktuell hier in Österreich?

BF: Jetzt arbeiten.

RI: Was arbeiten Sie?

BF: Bei XXXX .

RI: Wie viele Stunden in der Woche arbeiten Sie?

BF: Jeden Tag 8 Stunden.

R: Was machen Sie in Ihrer Freizeit?

BF: Freizeit gehen in die Disko oder spazieren.

RI: Was machen Sie jetzt während der Coronazeit?

BF: Die ganze Coronazeit ich arbeiten.

RI: Haben Sie Kontakt zu Österreichern? Woher kennen Sie die?

BF: Ja. Ich habe Freunde, aber keine Freundin.

RI: Wer sind die Freunde?

BF: Nur Freunde.

Die Frage wird mit D übersetzt.

BF: Alex, Markus, Christopher.

Ab hier wieder mit D.

RI: Machen Sie mit den Freunden in der Freizeit auch etwas?

BF: Am Wochenende sind wir unterwegs, wir haben Diskos besucht. Wir gehen spazieren.“

Vom rechtsfreundlichen Vertreter wurde auf den Zuerkennungsbescheid aus dem Jahr 2017 verwiesen und festgehalten, dass die Länderberichte keine Änderung zur damaligen Lage anführen – im Gegenteil hätten diese seit dem Jahr 2017 hat keine positiven Änderungen hervorgebracht. Er verwies auf die seit März 2020 eingetretenen besonderen wirtschaftlichen Verschlechterungen, weshalb das BVwG zuletzt sogar gesunden Männern im Alter von 20 bis 30 Jahren aus Afghanistan wieder subsidiären Schutz gewährt hätte, ohne dass das BFA eine Amtsrevision dagegen erhoben hätte.

Laut richtungsweisendem Erkenntnis des AsylGH vom 06.09.2011, E10225377-3/2011, dürfe eine rechtskräftig entschiedene Refoulemententscheidung nicht neu aufgerollt werden, und dürfe die in der vorgelegten Entscheidung vorgenommene Neubewertung deshalb auch hinsichtlich jener Fälle, die nicht in die qualifizierte Straffälligkeit des § 9 Abs. 2 Z 3 AsylG fallen, der Asylbehörde (Zitat des AsylGH) „quasi einen Freibrief zum systematisch, willkürlichen und jederzeitigen Eingriff in eine bereits rechtskräftig entschiedene Sache“ (Zitat Ende) bieten. Weiters verwies er auf Art. 16 Abs. 2 der Statusrichtlinie 2011/95/EU, wonach eben eine wesentliche und nicht nur vorübergehende Veränderung vorzuliegen hätte, damit in den Standardfällen (keine qualifizierte Straffälligkeit) eine Aberkennung nach § 9 Abs. 1 Z 1 AsylG erfolgen könne. Der § 9 AsylG sei europarechtskonform auszulegen.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

Der knapp 23jährige Beschwerdeführer ist afghanischer Staatsangehöriger, Paschtune, Sunnit, volljährig, ledig und kinderlos. Er ist in der Provinz Nangarhar, Distrikt Khugiani, Dorf XXXX geboren und hat dort bis zur Ausreise gelebt. Er hat nie die Schule besucht, sondern seit seiner Kindheit auf den eigenen Grundstücken als Landwirt gearbeitet.

Sein Vater ist rund drei Jahren vor seiner Einreise in Österreich, sein älterer Bruder rund eineinhalb Jahre vor seiner Ausreise verstorben. Seine Mutter, seine beiden (jüngeren) Brüder sowie seine (jüngere) Schwester leben seit dem Tod seines Bruders bei seinem Onkel mütterlicherseits im Distrikt Khugiani, wo er selbst ebenfalls rund acht Monate gelebt hat. Er steht regelmäßig mit der Familie in Kontakt.

Im Vorverfahren wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer in Afghanistan keiner konkreten individuellen Verfolgung ausgesetzt war.

Der Beschwerdeführer spricht Paschtu als Muttersprache und ist im afghanischen Familienverband aufgewachsen. In Afghanistan hat er in der Landwirtschaft gearbeitet, in Österreich arbeitet er als Hilfsarbeiter im Gastronomiebereich, ua auch Essenslieferant.

Es wird festgestellt, dass nicht jedem Afghanen, der aus Europa nach Afghanistan zurückkehrt physische und/oder psychische Gewalt in Afghanistan droht.

Er ist jung, gesund und arbeitsfähig, sodass er im Herkunftsstaat zumindest durch einfache Arbeit das nötige Einkommen erzielen könnte, um sich eine Existenzgrundlage zu schaffen.

Dem Beschwerdeführer steht eine zumutbare innerstaatliche Schutzalternative in der Stadt Mazar-e Sharif zur Verfügung.

Festgestellt wird, dass die aktuell vorherrschende Pandemie aufgrund des Corona-Virus kein Rückkehrhindernis darstellt. Der Beschwerdeführer ist physisch gesund und gehört mit Blick auf sein Alter und das Fehlen physischer (chronischer) Vorerkrankungen keiner spezifischen Risikogruppe betreffend COVID-19 an. Es besteht keine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan eine COVID-19-Erkrankung mit schwerwiegendem oder tödlichem Verlauf bzw. mit dem Bedarf einer intensivmedizinischen Behandlung bzw. einer Behandlung in einem Krankenhaus erleiden würde.

Mit Urteil des LG für Strafsachen Wien vom 24.04.2019, 162 Hv 124/18w wurde der Beschwerdeführer wegen der Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften gem. §§ 27 Abs. 1 Z. 1, siebenter Fall und Abs. 2a und §§ 27 Abs. 1 erster und zweiter Fall und Abs. 2 SMG zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 3 Monaten, bedingt auf eine Probezeit von 3 Jahren, rechtskräftig verurteilt.

Der Beschwerdeführer hält sich nachweislich seit 1. Juli 2015, also knappe fünfeinhalb Jahre, in Österreich auf. Der Beschwerdeführer ist seit über eineinhalb Jahren vollzeit berufstätig - aus den vorgelegten Gehaltszetteln ist ersichtlich, dass er zwischen Jänner und September 2020 monatlich zwischen 1.244 € und 2.441 € netto verdient hat. Er lebt mit zwei Afghanen in einer Wohnung. In seiner Freizeit trifft er sich mit Freunden – besucht Diskos und geht spazieren. Während der Coronazeit arbeitete er durchgehend als Essenslieferant. Insofern hat der Beschwerdeführer seinen bislang im Bundesgebiet verbrachten Aufenthalt äußerst positiv genutzt und war von Beginn an bemüht, in Österreich Fuß zu fassen und sich zu integrieren und insbesondere zu arbeiten.

Unter Berücksichtigung der Persönlichkeitskonstellation, des Lebensverlaufs seit seiner Einreise und seinen Zukunftsperspektiven ist von einer positiven Prognose auszugehen. Es liegt ein aufrechtes Privatleben in Österreich vor. Eine Rückkehrentscheidung würde einen ungerechtfertigten Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers darstellen.

Zu Afghanistan:

COVID-19 (Stand 21.07.2020):

Aktueller Stand der COVID-19 Krise in Afghanistan

Berichten zufolge, haben sich in Afghanistan mehr als 35.000 Menschen mit COVID-19 angesteckt (WHO 20.7.2020; vgl. JHU 20.7.2020, OCHA 16.7.2020), mehr als 1.280 sind daran gestorben. Aufgrund der begrenzten Ressourcen des öffentlichen Gesundheitswesens und der begrenzten Testkapazitäten sowie des Fehlens eines nationalen Sterberegisters werden bestätigte Fälle von und Todesfälle durch COVID-19 in Afghanistan wahrscheinlich insgesamt zu wenig gemeldet (OCHA 16.7.2020; vgl. DS 19.7.2020). 10 Prozent der insgesamt bestätigten COVID-19-Fälle entfallen auf das Gesundheitspersonal. Kabul ist hinsichtlich der bestätigten Fälle nach wie vor der am stärksten betroffene Teil des Landes, gefolgt von den Provinzen Herat, Balkh, Nangarhar und Kandahar (OCHA 15.7.2020). Beamte in der Provinz Herat sagten, dass der Strom afghanischer Flüchtlinge, die aus dem Iran zurückkehren, und die Nachlässigkeit der Menschen, die Gesundheitsrichtlinien zu befolgen, die Möglichkeit einer neuen Welle des Virus erhöht haben, und dass diese in einigen Gebieten bereits begonnen hätte (TN 14.7.2020). Am 18.7.2020 wurde mit 60 neuen COVID-19 Fällen der niedrigste tägliche Anstieg seit drei Monaten verzeichnet – wobei an diesem Tag landesweit nur 194 Tests durchgeführt wurden (AnA 18.7.2020).

Krankenhäuser und Kliniken berichten weiterhin über Probleme bei der Aufrechterhaltung oder Erweiterung der Kapazität ihrer Einrichtungen zur Behandlung von Patienten mit COVID-19. Diese Herausforderungen stehen im Zusammenhang mit der Bereitstellung von persönlicher Schutzausrüstung (PSA), Testkits und medizinischem Material sowie mit der begrenzten Anzahl geschulter Mitarbeiter - noch verschärft durch die Zahl des erkrankten Gesundheitspersonals. Es besteht nach wie vor ein dringender Bedarf an mehr Laborequipment sowie an der Stärkung der personellen Kapazitäten und der operativen Unterstützung (OCHA 16.7.2020, vgl. BBC-News 30.6.2020).

Maßnahmen der afghanischen Regierung und internationale Hilfe

Die landesweiten Sperrmaßnahmen der Regierung Afghanistans bleiben in Kraft. Universitäten und Schulen bleiben weiterhin geschlossen (OCHA 8.7.2020; vgl. RA KBL 16.7.2020). Die Regierung Afghanistans gab am 6.6.2020 bekannt, dass sie die landesweite Abriegelung um drei weitere Monate verlängern und neue Gesundheitsrichtlinien für die Bürger herausgeben werde. Darüber hinaus hat die Regierung die Schließung von Schulen um weitere drei Monate bis Ende August verlängert (OCHA 8.7.2020).

Berichten zufolge werden die Vorgaben der Regierung nicht befolgt, und die Durchsetzung war nachsichtig (OCHA 16.7.2020, vgl. TN 12.7.2020). Die Maßnahmen zur Eindämmung der Ausbreitung des Virus unterscheiden sich weiterhin von Provinz zu Provinz, in denen die lokalen Behörden über die Umsetzung der Maßnahmen entscheiden. Zwar behindern die Sperrmaßnahmen der Provinzen weiterhin periodisch die Bewegung der humanitären Helfer, doch hat sich die Situation in den letzten Wochen deutlich verbessert, und es wurden weniger Behinderungen gemeldet (OCHA 15.7.2020).

Einwohner Kabuls und eine Reihe von Ärzten stellten am 18.7.2020 die Art und Weise in Frage, wie das afghanische Gesundheitsministerium (MoPH) mit der Ausbreitung der COVID-19-Pandemie im Land umgegangen ist, und sagten, das Gesundheitsministerium habe es trotz massiver internationaler Gelder versäumt, richtig auf die Pandemie zu reagieren (TN 18.7.2020). Es gibt Berichte wonach die Bürger angeben, dass sie ihr Vertrauen in öffentliche Krankenhäuser verloren haben und niemand mehr in öffentliche Krankenhäuser geht, um Tests oder Behandlungen durchzuführen (TN 12.7.2020).

Beamte des afghanischen Gesundheitsministeriums erklärten, dass die Zahl der aktiven Fälle von COVID-19 in den Städten zurückgegangen ist, die Pandemie in den Dörfern und in den abgelegenen Regionen des Landes jedoch zunimmt. Der Gesundheitsminister gab an, dass 500 Beatmungsgeräte aus Deutschland angekauft wurden und 106 davon in den Provinzen verteilt werden würden (TN 18.7.2020).

Am Samstag den 18.7.2020 kündete die afghanische Regierung den Start des Dastarkhan-e-Milli-Programms als Teil ihrer Bemühungen an, Haushalten inmitten der COVID-19-Pandemie zu helfen, die sich in wirtschaftlicher Not befinden. Auf der Grundlage des Programms will die Regierung in der ersten Phase 86 Millionen Dollar und dann in der zweiten Phase 158 Millionen Dollar bereitstellen, um Menschen im ganzen Land mit Nahrungsmitteln zu versorgen. Die erste Phase soll über 1,7 Millionen Familien in 13.000 Dörfern in 34 Provinzen des Landes abdecken (TN 18.7.2020; vgl. Mangalorean 19.7.2020).

Die Weltbank genehmigte am 15.7.2020 einen Zuschuss in Höhe von 200 Millionen US-Dollar, um Afghanistan dabei zu unterstützen, die Auswirkungen von COVID-19 zu mildern und gefährdeten Menschen und Unternehmen Hilfe zu leisten (WB 10.7.2020; vgl. AN 10.7.2020).

Auszugsweise Lage in den Provinzen Afghanistans

Dieselben Maßnahmen – nämlich Einschränkungen und Begrenzungen der täglichen Aktivitäten, des Geschäftslebens und des gesellschaftlichen Lebens – werden in allen folgend angeführten Provinzen durchgeführt. Die Regierung hat eine Reihe verbindlicher gesundheitlicher und sozialer Distanzierungsmaßnahmen eingeführt, wie z.B. das obligatorische Tragen von Gesichtsmasken an öffentlichen Orten, das Einhalten eines Sicherheitsabstandes von zwei Metern in der Öffentlichkeit und ein Verbot von Versammlungen mit mehr als zehn Personen. Öffentliche und touristische Plätze, Parks, Sportanlagen, Schulen, Universitäten und Bildungseinrichtungen sind geschlossen; die Dienstzeiten im privaten und öffentlichen Sektor sind auf 6 Stunden pro Tag beschränkt und die Beschäftigten werden in zwei ungerade und gerade Tagesschichten eingeteilt (RA KBL 16.7.2020; vgl. OCHA 8.7.2020).

Die meisten Hotels, Teehäuser und ähnliche Orte sind aufgrund der COVID-19 Maßnahmen geschlossen, es sei denn, sie wurden geheim und unbemerkt von staatlichen Stellen geöffnet (RA KBL 16.7.2020; vgl. OCHA 8.7.2020).

In der Provinz Kabul gibt es zwei öffentliche Krankenhäuser die COVID-19 Patienten behandeln mit 200 bzw. 100 Betten. Aufgrund der hohen Anzahl von COVID-19-Fällen im Land und der unzureichenden Kapazität der öffentlichen Krankenhäuser hat die Regierung kürzlich auch privaten Krankenhäusern die Behandlung von COVID-19-Patienten gestattet. Kabul sieht sich aufgrund von Regen- und Schneemangel, einer boomenden Bevölkerung und verschwenderischem Wasserverbrauch mit Wasserknappheit konfrontiert. Außerdem leben immer noch rund 12 Prozent der Menschen in Kabul unter der Armutsgrenze, was bedeutet, dass oftmals ein erschwerter Zugang zu Wasser besteht (RA KBL 16.7.2020; WHO o.D).

In der Provinz Balkh gibt es ein Krankenhaus, welches COVID-19 Patienten behandelt und über 200 Betten verfügt. Es gibt Berichte, dass die Bewohner einiger Distrikte der Provinz mit Wasserknappheit zu kämpfen hatten. Darüber hinaus hatten die Menschen in einigen Distrikten Schwierigkeiten mit dem Zugang zu ausreichender Nahrung, insbesondere im Zuge der COVID-19-Pandemie (RA KBL 16.7.2020).

In der Provinz Herat gibt es zwei Krankenhäuser die COVID-19 Patienten behandeln. Ein staatliches öffentliches Krankenhaus mit 100 Betten, das vor kurzem speziell für COVID-19-Patienten gebaut wurde (RA KBL 16.7.2020; vgl. TN 19.3.2020) und ein Krankenhaus mit 300 Betten, das von einem örtlichen Geschäftsmann in einem umgebauten Hotel zur Behandlung von COVID-19-Patienten eingerichtet wurde (RA KBL 16.7.2020; vgl. TN 4.5.2020). Es gibt Berichte, dass 47,6 Prozent der Menschen in Herat unter der Armutsgrenze leben, was bedeutet, dass oft ein erschwerter Zugang zu sauberem Trinkwasser und Nahrung haben, insbesondere im Zuge der Quarantäne aufgrund von COVID-19, durch die die meisten Tagelöhner arbeitslos blieben (RA KBL 16.7.2020; vgl. UNICEF 19.4.2020).

In der Provinz Daikundi gibt es ein Krankenhaus für COVID-19-Patienten mit 50 Betten. Es gibt jedoch keine Auswertungsmöglichkeiten für COVID-19-Tests – es werden Proben entnommen und zur Laboruntersuchung nach Kabul gebracht. Es dauert Tage, bis ihre Ergebnisse von Kabul nach Daikundi gebracht werden. Es gibt Berichte, dass 90 Prozent der Menschen in Daikundi unter der Armutsgrenze leben und dass etwa 60 Prozent der Menschen in der Provinz stark von Ernährungsunsicherheit betroffen sind (RA KBL 16.7.2020).

In der Provinz Samangan gibt es ebenso ein Krankenhaus für COVID-19-Patienten mit 50 Betten. Wie auch in der Provinz Daikundi müssen Proben nach Kabul zur Testung geschickt werden. Eine unzureichende Wasserversorgung ist eine der größten Herausforderungen für die Bevölkerung. Nur 20 Prozent der Haushalte haben Zugang zu sauberem Trinkwasser (RA KBL 16.7.2020).

Wirtschaftliche Lage in Afghanistan

Verschiedene COVID-19-Modelle zeigen, dass der Höhepunkt des COVID-19-Ausbruchs in Afghanistan zwischen Ende Juli und Anfang August erwartet wird, was schwerwiegende Auswirkungen auf die Wirtschaft Afghanistans und das Wohlergehen der Bevölkerung haben wird (OCHA 16.7.2020). Es herrscht weiterhin Besorgnis seitens humanitärer Helfer, über die Auswirkungen ausgedehnter Sperrmaßnahmen auf die am stärksten gefährdeten Menschen – insbesondere auf Menschen mit Behinderungen und Familien – die auf Gelegenheitsarbeit angewiesen sind und denen alternative Einkommensquellen fehlen (OCHA 15.7.2020). Der Marktbeobachtung des World Food Programme (WFP) zufolge ist der durchschnittliche Weizenmehlpreis zwischen dem 14. März und dem 15. Juli um 12 Prozent gestiegen, während die Kosten für Hülsenfrüchte, Zucker, Speiseöl und Reis (minderwertige Qualität) im gleichen Zeitraum um 20 – 31 Prozent gestiegen sind (WFP 15.7.2020, OCHA 15.7.2020). Einem Bericht der Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der UNO (FAO) und des Ministeriums für Landwirtschaft, Bewässerung und Viehzucht (MAIL) zufolge sind über 20 Prozent der befragten Bauern nicht in der Lage, ihre nächste Ernte anzubauen, wobei der fehlende Zugang zu landwirtschaftlichen Betriebsmitteln und die COVID-19-Beschränkungen als Schlüsselfaktoren genannt werden. Darüber hinaus sind die meisten Weizen-, Obst-, Gemüse- und Milchverarbeitungsbetriebe derzeit nur teilweise oder gar nicht ausgelastet, wobei die COVID-19-Beschränkungen als ein Hauptgrund für die Reduzierung der Betriebe genannt werden. Die große Mehrheit der Händler berichtete von gestiegenen Preisen für Weizen, frische Lebensmittel, Schafe/Ziegen, Rinder und Transport im Vergleich zur gleichen Zeit des Vorjahres. Frischwarenhändler auf Provinz- und nationaler Ebene sahen sich im Vergleich zu Händlern auf Distriktebene mit mehr Einschränkungen konfrontiert, während die große Mehrheit der Händler laut dem Bericht von teilweisen Marktschließungen aufgrund von COVID-19 berichtete (FAO 16.4.2020; vgl. OCHA 16.7.2020; vgl. WB 10.7.2020).

Am 19.7.2020 erfolgte die erste Lieferung afghanischer Waren in zwei Lastwagen nach Indien, nachdem Pakistan die Wiederaufnahme afghanischer Exporte nach Indien angekündigt hatte um den Transithandel zu erleichtern. Am 12.7.2020 öffnete Pakistan auch die Grenzübergänge Angor Ada und Dand-e-Patan in den Provinzen Paktia und Paktika für afghanische Waren, fast zwei Wochen nachdem es die Grenzübergänge Spin Boldak, Torkham und Ghulam Khan geöffnet hatte (TN 20.7.2020).

Einreise und Bewegungsfreiheit

Die Türkei hat, nachdem internationale Flüge ab 11.6.2020 wieder nach und nach aufgenommen wurden, am 19.7.2020 wegen der COVID-19-Pandemie Flüge in den Iran und nach Afghanistan bis auf weiteres ausgesetzt, wie das Ministerium für Verkehr und Infrastruktur mitteilte (TN 20.7.2020; vgl. AnA 19.7.2020, DS 19.7.2020).

Bestimmte öffentliche Verkehrsmittel wie Busse, die mehr als vier Passagiere befördern, dürfen nicht verkehren. Obwohl sich die Regierung nicht dazu geäußert hat, die Reisebeschränkungen für die Bürger aufzuheben, um die Ausbreitung von COVID-19 zu verhindern, hat sich der Verkehr in den Städten wieder normalisiert, und Restaurants und Parks sind wieder geöffnet (TN 12.7.2020).

Quellen:

-        AnA – Andolu Agency (19.7.2020): Turkey suspends Iran and Afghanistan flights, https://www.aa.com.tr/en/middle-east/turkey-suspends-iran-and-afghanistan-flights-/1915627, Zugriff 20.7.2020

-        AnA – Andolu Agency (18.7.2020): Afghanistan: Virus cases hit low as testing declines, https://www.aa.com.tr/en/asia-pacific/afghanistan-virus-cases-hit-low-as-testing-declines/1914895, Zugriff 20.7.2020

-        Arab News (10.7.2020): Coronavirus-hit Afghanistan gets $200 million World Bank grant, https://www.arabnews.com/node/1702656/world, Zugriff 20.7.2020

-        BBC – News (30.6.2020): Coronavirus overwhelms hospitals in war-ravaged Afghanistan, https://www.bbc.com/news/world-asia-53198785, Zugriff 20.7.2020

-        DS – Daily Sabah (19.7.2020): Turkey suspends flights to Iran, Afghanistan amid COVID-19 outbreak, https://www.dailysabah.com/business/transportation/turkey-suspends-flights-to-iran-afghanistan-amid-covid-19-outbreak, Zugriff 20.7.2020

-        FAO - Food and Agriculture Organization of the United Nations (16.7.2020): Afghanistan Revised humanitarian response Coronavirus disease 2019 (COVID-19) May–December 2020, https://reliefweb.int/report/afghanistan/afghanistan-revised-humanitarian-response-coronavirus-disease-2019-covid-19-may, Zugriff 20.7.2020

-        JHU - John Hopkins Universität (20.7.2020): COVID-19 Dashboard by the Center for Systems Science and Engineering (CSSE) at Johns Hopkins University (JHU), https://coronavirus.jhu.edu/map.html, Zugriff 20.7.2020

-        Mangalorean (19.7.2020): Afghanistan launches new COVID-19 relief package, https://www.mangalorean.com/afghanistan-launches-new-covid-19-relief-package/, Zugriff 20.7.2020

-        OCHA - United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (16.7.2020): Strategic Situation Report COVID-19, https://reliefweb.int/sites/reliefweb.int/files/resources/Afghanistan%20-%20Strategic%20Situation%20Report%20-%20COVID-19%2C%20No.%2062%20%2816%20July%202020%29.pdf, Zugriff 20.7.2020

-        OCHA - United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (15.7.2020): COVID-19 Multi-Sectoral Response Operational Situation Report, 15 July 2020, https://www.humanitarianresponse.info/sites/www.humanitarianresponse.info/files/documents/files/operational_sitrep_covid-19_15_july_2020.pdf, Zugriff 20.7.2020

-        OCHA – United Nations Office for the Coordination of Humanitarian Affairs (8.7.2020): Afghanistan: COVID-19 Multi-Sectoral Response Operational Situation Report, 8 July 2020, https://reliefweb.int/report/afghanistan/afghanistan-covid-19-multi-sectoral-response-operational-situation-report-8-july, Zugriff 20.7.2020

-        PT – Pakistan Today (17.9.2020): Trade with Afghanistan increased 25pc despite Covid-19, NA told, https://profit.pakistantoday.com.pk/2020/07/17/trade-with-afghanistan-increased-25pc-despite-covid-19-na-told/, Zugriff 20.7.2020

-        RA KBL – Rechtsanwalt in Kabul (16.7.2020): Antwortschreiben, per Mail

-        TN – Tolonews (19.7.2020): Afghan Goods Enter India Through Wagah Border, https://tolonews.com/business/afghan-goods-enter-india-through-wagah-border, Zugriff 20.7.2020

-        TN – Tolonews (18.7.2020a): Afghan Govt Launches New COVID-19 Relief Package, https://tolonews.com/afghanistan/afghan-govt-launches-new-covid-19-relief-package, Zugriff 20.7.2020

-        TN – Tolonews (18.7.2020b): Health Ministry’s COVID-19 Strategy Questioned, https://tolonews.com/health/health-ministry%E2%80%99s-covid-19-strategy-questioned, Zugriff 20.7.2020

-        TN – Tolonews (12.7.2020): Afghanistan Faces Catastrophe if Health Measures Not Heeded: AIMA, https://tolonews.com/health/afghanistan-faces-catastrophe-if-health-measures-not-heeded-aima, Zugriff 20.7.2020

-        TN – Tolonews (14.7.2020): Herat Health Dept Warns of Second Wave of COVID-19, https://tolonews.com/afghanistan/herat-health-dept-warns-second-wave-covid-19, Zugriff 20.7.2020

-        TN – Tolonews (20.7.2020): Turkey Suspends Flights to Afghanistan and Iran, https://tolonews.com/business/turkey-suspends-flights-afghanistan-and-iran, Zugriff 20.7.2020

-        TN – Tolo News (5.4.2020): 300-Bed Hospital Opened for COVID-19 Patients in Herat, https://tolonews.com/health/300-bed-hospital-opened-covid-19-patients-herat, Zugriff 20.7.2020

-        TN – Tolo News (19.3.2020): Govt Builds 100-Bed Hospital in Herat for COVID-19 Patients, https://tolonews.com/health/govt-builds-100-bed-hospital-herat-covid-19-patients, Zugriff 20.7.2020

-        WB – World Bank (10.7.2020): World Bank: $200 Million for Afghanistan to Protect People, Support Businesses Amid COVID-19, https://reliefweb.int/report/afghanistan/world-bank-200-million-afghanistan-protect-people-support-businesses-amid-covid, Zugriff 20.7.2020

-        WFP – World Food Programme (15.7.2020): Afghanistan: Countrywide Weekly Market Price Bulletin, Issue 9 (Covering 2nd week of July 2020), https://reliefweb.int/report/afghanistan/afghanistan-countrywide-weekly-market-price-bulletin-issue-9-covering-2nd-week, Zugriff 15.7.2020

-        WFP – World Food Programme (5.2020): WFP Afghanistan Country Brief May 2020, https://docs.wfp.org/api/documents/WFP-0000116792/download/, Zugriff 20.7.2020

-        WHO – World Health Organization (20.7.2020): Coronavirus disease (COVID-19) Dashboard, https://covid19.who.int/?gclid=EAIaIQobChMIjryr5qHb6gIVkakYCh3mbwOQEAAYASABEgIpyPD_BwE, Zugriff 20.7.2020

-        WHO – World Health Organization (o.D.): Afghanistan - Hospital and laboratory services http://www.emro.who.int/afg/programmes/hospital-and-laboratory-services.html, Zugriff 20.7.2020

-        UNICEF (19.4.2020): Female-headed households bear the brunt of Covid-19 as livelihood gaps increase, https://www.unicef.org/afghanistan/stories/female-headed-households-bear-brunt-covid-19-livelihood-gaps-increase, Zugriff 20.7.2020

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COVID-19 (Stand 29.06.2020):

Berichten zufolge, haben sich mehr als 30.000 Menschen in Afghanistan mit COVID-19 angesteckt (WP 25.5.2020; vgl. JHU 26.6.2020), mehr als 670 sind daran gestorben. Dem Gesundheitsministerium zufolge, liegen die tatsächlichen Zahlen viel höher; auch bestünde dem Ministerium zufolge die Möglichkeit, dass in den kommenden Monaten landesweit bis zu 26 Millionen Menschen mit dem Virus infiziert werden könnten, womit die Zahl der Todesopfer 100.000 übersteigen könnte. Die COVID-19 Testraten sind extrem niedrig in Afghanistan: weniger als 0,2% der Bevölkerung – rund 64.900 Menschen von geschätzten 37,6 Millionen Einwohnern – wurden bis jetzt auf COVID-19 getestet (WP 25.6.2020).

In vier der 34 Provinzen Afghanistans – Nangahar, Ghazni, Logar und Kunduz – hat sich unter den Sicherheitskräften COVID-19 ausgebreitet. In manchen Einheiten wird eine Infektionsrate von 60-90% vermutet. Dadurch steht weniger Personal bei Operationen und/oder zur Aufnahme des Dienstes auf Außenposten zur Verfügung (WP 25.6.2020).

In Afghanistan sind landesweit derzeit Mobilität, soziale und geschäftliche Aktivitäten sowie Regierungsdienste eingeschränkt. In den größeren Städten wie z.B. Kabul, Kandahar, Mazar-e Sharif, Jalalabad, Parwan usw. wird auf diese Maßnahmen stärker geachtet und dementsprechend kontrolliert. Verboten sind zudem auch Großveranstaltungen – Regierungsveranstaltungen, Hochzeitsfeiern, Sportveranstaltungen – bei denen mehr als zehn Personen zusammenkommen würden (RA KBL 19.6.2020). In der Öffentlichkeit ist die Bevölkerung verpflichtet einen Nasen-Mund-Schutz zu tragen (AJ 8.6.2020).

Wirksame Maßnahmen der Regierung zur Bekämpfung von COVID-19 scheinen derzeit auf keiner Ebene möglich zu sein: der afghanischen Regierung zufolge, lebt 52% der Bevölkerung in Armut, während 45% in Ernährungsunsicherheit lebt (AF 24.6.2020). Dem Lockdown folge zu leisten, "social distancing" zu betreiben und zuhause zu bleiben ist daher für viele keine Option, da viele Afghan/innen arbeiten müssen, um ihre Familien versorgen zu können (AJ 8.6.2020).

Gesellschaftliche Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19 Auswirkungen

In Kabul, hat sich aus der COVID-19-Krise heraus ein "Solidaritätsprogramm" entwickelt, welches später in anderen Provinzen repliziert wurde. Eine afghanische Tageszeitung rief Hausbesitzer dazu auf, jenen ihrer Mieter/innen, die Miete zu reduzieren oder zu erlassen, die aufgrund der Ausgangsbeschränkungen nicht arbeiten konnten. Viele Hausbesitzer folgten dem Aufruf (AF 24.6.2020).

Bei der Spendenaktion „Kocha Ba Kocha“ kamen junge Freiwillige zusammen, um auf die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie zu reagieren, indem sie Spenden für bedürftige Familien sammelten und ihnen kostenlos Nahrungsmittel zur Verfügung stellten. In einem weiteren Fall startete eine Privatbank eine Spendenkampagne, durch die 10.000 Haushalte in Kabul und andere Provinzen monatlich mit Lebensmitteln versorgt wurden. Außerdem initiierte die afghanische Regierung das sogenannte „kostenlose Brot“-Programm, bei dem bedürftige Familien – ausgewählt durch Gemeindeälteste – rund einen Monat lang mit kostenlosem Brot versorgt werden (AF 24.6.2020). In dem mehrphasigen Projekt, erhält täglich jede Person innerhalb einer Familie zwei Stück des traditionellen Brots, von einer Bäckerei in der Nähe ihres Wohnortes (TN 15.6.2020). Die Regierung kündigte kürzlich an, das Programm um einen weiteren Monat zu verlängern (AF 24.6.2020; vgl. TN 15.6.2020). Beispielsweise beklagten sich bedürftige Familien in der Provinz Jawzjan über Korruption im Rahmen dieses Projektes (TN 20.5.2020).

Weitere Maßnahmen der afghanischen Regierung

Schulen und Universitäten sind nach aktuellem Stand bis September 2020 geschlossen (AJ 8.6.2020; vgl. RA KBL 19.6.2020). Über Fernlernprogramme, via Internet, Radio und Fernsehen soll der traditionelle Unterricht im Klassenzimmer vorerst weiterhin ersetzen werden (AJ 8.6.2020). Fernlehre funktioniert jedoch nur bei wenigen Studierenden. Zum einen können sich viele Familien weder Internet noch die dafür benötigten Geräte leisten und zum anderen schränkt eine hohe Analphabetenzahl unter den Eltern in Afghanistan diese dabei ein, ihren Kindern beim Lernen behilflich sein zu können (HRW 18.6.2020).

Die großen Reisebeschränkungen wurden mittlerweile aufgehoben; die Bevölkerung kann nun in alle Provinzen reisen (RA KBL 19.6.2020). Afghanistan hat mit 24.6.2020 den internationalen Flugverkehr mit einem Turkish Airlines-Flug von Kabul nach Istanbul wiederaufgenommen; wobei der Flugplan aufgrund von Restriktionen auf vier Flüge pro Woche beschränkt wird (AnA 24.6.2020). Emirates, eine staatliche Fluglinie der Vereinigten Arabischen Emirate, hat mit 25.6.2020 Flüge zwischen Afghanistan und Dubai wiederaufgenommen (AnA 24.6.2020; vgl. GN 9.6.2020). Zwei afghanische Fluggesellschaften Ariana Airlines und der lokale private Betreiber Kam Air haben ebenso Flüge ins Ausland wiederaufgenommen (AnA 24.6.2020). Bei Reisen mit dem Flugzeug sind grundlegende COVID-19-Schutzmaßnahmen erforderlich (RA KBL 19.6.2020). Wird hingegen die Reise mit dem Auto angetreten, so sind keine weiteren Maßnahmen erforderlich. Zwischen den Städten Afghanistans verkehren Busse. Grundlegende Schutzmaßnahmen nach COVID-19 werden von der Regierung zwar empfohlen – manchmal werden diese nicht vollständig umgesetzt (RA KBL 19.6.2020).

Seit 1.1.2020 beträgt die Anzahl zurückgekehrter Personen aus dem Iran und Pakistan: 339.742; 337.871 Personen aus dem Iran (247.082 spontane Rückkehrer/innen und 90.789 wurden abgeschoben) und 1.871 Personen aus Pakistan (1.805 spontane Rückkehrer/innen und 66 Personen wurden abgeschoben) (UNHCR 20.6.2020).

Situation in der Grenzregion und Rückkehr aus Pakistan

Die Grenze zu Pakistan war fast drei Monate lang aufgrund der COVID-19-Pandemie gesperrt. Mit 22.6.2020 erhielt Pakistan an drei Grenzübergängen erste Exporte aus Afghanistan: frisches Obst und Gemüse wurde über die Grenzübergänge Torkham, Chaman und Ghulam Khan nach Pakistan exportiert. Im Hinblick auf COVID-19 wurden Standardarbeitsanweisungen (SOPs – standard operating procedures) für den grenzüberschreitenden Handel angewandt (XI 23.6.2020). Der bilaterale Handel soll an sechs Tagen der Woche betrieben werden, während an Samstagen diese Grenzübergänge für Fußgänger reserviert sind (XI 23.6.2020; vgl. UNHCR 20.6.2020); in der Praxis wurde der Fußgängerverkehr jedoch häufiger zugelassen (UNHCR 20.6.2020).

Pakistanischen Behörden zufolge waren die zwei Grenzübergänge Torkham und Chaman auf Ansuchen Afghanistans und aus humanitären Gründen bereits früher für den Transithandel sowie Exporte nach Afghanistan geöffnet worden (XI 23.6.2020).

Situation in der Grenzregion und Rückkehr aus dem Iran

Die Anzahl aus dem Iran abgeschobener Afghanen ist im Vergleich zum Monat Mai stark gestiegen. Berichten zufolge haben die Lockerungen der Mobilitätsmaßnahmen dazu geführt, dass viele Afghanen mithilfe von Schmugglern in den Iran ausreisen. UNHCR zufolge, gaben Interviewpartner/innen an, kürzlich in den Iran eingereist zu sein, aber von der Polizei verhaftet und sofort nach Afghanistan abgeschoben worden zu sein (UNHCR 20.6.2020).

Quellen:

-        AF - Asia Foundation (24.6.2020): Afghanistan’s Covid-19 Bargain, https://asiafoundation.org/2020/06/24/afghanistans-covid-19-bargain/, Zugriff 26.6.2020

-        AJ - al-Jazeera (8.6.2020): Afghan schools, universities to remain closed until September, https://www.aljazeera.com/news/2020/06/afghan-schools-universities-remain-closed-september-200608062711582.html, Zugriff 26.6.2020

-        AnA – Andolu Agency (24.6.2020): Afghanistan resumes international flights amid COVID-19, https://www.aa.com.tr/en/asia-pacific/afghanistan-resumes-international-flights-amid-covid-19/1888176, Zugriff 26.6.2020

-        GN – Gulf News (9.6.2020): COVID-19: Emirates to resume regular passenger flights to Kabul from June 25, https://gulfnews.com/uae/covid-19-emirates-to-resume-regular-passenger-flights-to-kabul-from-june-25-1.71950323, Zugriff 26.6.2020

-        HRW - Human Rights Watch (18.6.2020): School Closures Hurt Even More in Afghanistan, https://www.hrw.org/news/2020/06/18/school-closures-hurt-even-more-afghanistan, Zugriff 26.6.2020

-        JHU -John Hopkins Universität (26.6.2020): COVID-19 Dashboard by the Center for Systems Science and Engineering (CSSE) at Johns Hopkins University (JHU), https://coronavirus.jhu.edu/map.html, Zugriff 26.6.2020

-        RA KBL – Rechtsanwalt in Kabul (19.6.2020): Antwortschreiben per Mail, liegt bei der Staatendokumentation auf.

-        TN – Tolonews (15.6.2020): Govt Will Resume Bread Distribution: Palace, https://tolonews.com/afghanistan/govt-will-resume-bread-distribution-palace, Zugriff 29.6.2020

-        TN – Tolonews (15.6.2020): Poor Claim ‘Unjust’ Bread Distribution in Jawzjan, https://tolonews.com/afghanistan/poor-claim-%E2%80%98unjust%E2%80%99-bread-distribution-jawzjan, Zugriff 29.6.2020

-        UNHCR – (20.6.2020): Border Monitoring Update COVID-19 Response 14-20 June 2020, https://data2.unhcr.org/en/documents/download/77302, Zugriff 26.6.2020

-        WHO – World Health Organization (25.3.2020): Coronavirus disease 2019 (COVID-19) Situation Report –65, https://www.who.int/docs/default-source/coronaviruse/situation-reports/20200325-sitrep-65-covid-19.pdf?sfvrsn=2b74edd8_2, Zugriff 16.4.2020

-        WP - Washington Post (25.6.2020): Coronavirus sweeps through Afghanistan’s security forces, https://www.washingtonpost.com/world/asia_pacific/afghanistan-coronavirus-security-forces-military/2020/06/24/0063c828-b4e2-11ea-9a1d-d3db1cbe07ce_story.html, Zugriff 26.6.2020

-        XI – Xinhua (23.6.2020): Pakistan receives 1st Afghan export since COVID-19 pandemic, http://www.xinhuanet.com/english/2020-06/23/c_139159139.htm, Zugriff 26.6.2020

COVID-19 (Stand 18.05.2020):

In 30 der 34 Provinzen Afghanistans wurden mittlerweile COVID-19-Fälle registriert (NYT 22.4.2020). Nachbarländer von Afghanistan, wie China, Iran und Pakistan, zählen zu jenen Ländern, die von COVID-19 besonders betroffen waren bzw. nach wie vor sind. Dennoch ist die Anzahl, der mit COVID-19 infizierten Personen relativ niedrig (AnA 21.4.2020). COVID-19 Verdachtsfälle können in Afghanistan aufgrund von Kapazitätsproblem bei Tests nicht überprüft werden – was von afghanischer Seite bestätigt wird (DW 22.4.2020; vgl. QA 16.4.2020; NYT 22.4.2020; ARZ KBL 7.5.2020). Auch wird die Dunkelziffer von afghanischen Beamten höher geschätzt (WP 20.4.2020). In Afghanistan können derzeit täglich 500 bis 700 Personen getestet werden. Diese Kapazitäten sollen in den kommenden Wochen auf 2.000 Personen täglich erhöht werden (WP 20.4.2020). Die Regierung bemüht sich noch weitere Testkits zu besorgen – was Angesicht der derzeitigen Nachfrage weltweit, eine Herausforderung ist (DW 22.4.2020).

Landesweit können – mit Hilfe der Vereinten Nationen – in acht Einrichtungen COVID-19-Testungen durchgeführt werden (WP 20.4.2020). Auch haben begrenzte Laborkapazitäten und -ausrüstung einige Einrichtungen dazu gezwungen Testungen vorübergehend einzustellen (WP 20.4.2020). Unter anderem können COVID-19-Verdachtsfälle in Einrichtungen folgender Provinzen überprüft werden: Kabul, Herat, Nangarhar (TN 30.3.2020) und Kandahar. COVID-19 Proben aus angrenzenden Provinzen wie Helmand, Uruzgan und Zabul werden ebenso an die Einrichtung in Kandahar übermittelt (TN 7.4.2020a).

Jahrzehntelange Konflikte in Afghanistan machen das Land anfällig für den Ausbruch von Krankheiten: nach wie vor ist Polio dort endemisch (als eines von drei Ländern weltweit) (WP 20.4.2020) außerdem ist das Gesundheitssystem fragil (AnA 21.4.2020; vgl. QA 16.4.2020; ARZ KBL 7.5.2020). Beispielsweise mangelt es an adäquaten Medikamenten für Patient/innen, die an COVID-19 erkrankt sind. Jedoch sind die wenigen Medikamente, die hierfür zur Verfügung stehen, kostenfrei (ARZ KBL 7.5.2020). Der landesweite Mangel an COVID-19-Testkits sowie an Isolations- und Behandlungseinrichtungen verdeutlichen diese Herausforderung (AnA 21.4.2020; vgl. ARZ KBL 7.5.2020). Landesweit stehen 10.400 Krankenhausbetten (BBC 9.4.2020) und 300 Beatmungsgeräte zur Verfügung (TN 8.4.2020; vgl. DW 22.4.2020; QA 16.4.2020). 300 weitere Beatmungsgeräte plant die afghanische Regierung zu besorgen. Weiters mangelt es an geschultem Personal, um diese medizinischen Geräte in Afghanistan zu bedienen und zu warten (DW 22.4.2020; vgl. ARZ KBL 7.5.2020). Engpässe bestehen bei den PPE (personal protective equipment), persönlichen Schutzausrüstungen für medizinisches Personal; außerdem wird mehr fachliches Personal benötigt, um Patient/innen auf den Intensivstationen zu betreuen (ARZ KBL 7.5.2020).

Aufgrund der Nähe zum Iran gilt die Stadt Herat als der COVID-19-Hotspot Afghanistans (DW 22.4.2020; vgl. NYT 22.4.2020); dort wurde nämlich die höchste Anzahl bestätigter COVID-19-Fälle registriert (TN 7.4.2020b; vgl. DW 22.4.2020). Auch hat sich dort die Anzahl positiver Fälle unter dem Gesundheitspersonal verstärkt. Mitarbeiter/innen des Gesundheitswesens berichten von fehlender Schutzausrüstung – die Provinzdirektion bestätigte dies und erklärtes mit langwierigen Beschaffungsprozessen (TN 7.4.2020b). Betten, Schutzausrüstungen, Beatmungsgeräte und Medikamente wurden bereits bestellt – jedoch ist unklar, wann die Krankenhäuser diese Dinge tatsächlich erhalten werden (NYT 22.4.2020). Die Provinz Herat verfügt über drei Gesundheitseinrichtungen für COVID-19-Patient/innen. Zwei davon wurden erst vor kurzem errichtet; diese sind für Patient/innen mit leichten Symptomen bzw. Verdachtsfällen des COVID-19 bestimmt. Patient/innen mit schweren Symptomen hingegen, werden in das Regionalkrankenhaus von Herat, welches einige Kilometer vom Zentrum der Provinz entfernt liegt, eingeliefert (TN 7.4.2020b). In Hokerat wird die Anzahl der Beatmungsgeräte auf nur 10 bis 12 Stück geschätzt (BBC 9.4.2020; vgl. TN 8.4.2020).

Beispiele für Maßnahmen der afghanisch

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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