TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/11 W255 1437262-2

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Veröffentlicht am 11.11.2020
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Entscheidungsdatum

11.11.2020

Norm

AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §7 Abs1 Z2
AsylG 2005 §7 Abs4
AsylG 2005 §8 Abs1 Z2
B-VG Art133 Abs4
VwGVG §28 Abs2

Spruch

W255 1437262-2/7E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Ronald EPPEL, MA als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , geb. XXXX , StA. Afghanistan, vertreten durch Rechtsanwältin Mag.a Nadja LORENZ, gegen Spruchpunkte I., II. und III. des Bescheides des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 24.09.2018, Zl. 830814100/180759982, zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkte I., II. und III. des angefochtenen Bescheides stattgegeben und der bekämpfte Bescheid in den diesbezüglichen Spruchpunkten behoben.

B)

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.


Text


Entscheidungsgründe:

1.        Verfahrensgang:

1.1.    Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF), ein afghanischer Staatsangehöriger, stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 16.06.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz.

1.2.    Am 16.06.2013 fand die Erstbefragung des BF vor Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes statt. Dabei gab der BF im Wesentlichen Folgendes an: Er sei am XXXX , im Dorf XXXX , im Distrikt XXXX , in der Provinz XXXX , geboren und mit seiner Familie aufgewachsen. Er spreche Paschto, sei sunnitischer Moslem und ledig. Er habe die Grundschule besucht. Sein Vater heiße XXXX und sei verschollen, seine Mutter heiße XXXX und sei ca. 40 Jahre alt. Der Vater des BF sei ein hochrangiges Mitglied der Hezb-e Islami gewesen. Seitens dieser Partei habe der BF große Probleme gehabt. Die Partei habe gewollt, dass sich der BF ihnen anschließe, was der BF nicht gewollt habe. Der BF habe Drohbriefe erhalten, in denen die Partei dem BF mit dem Umbringen bedroht habe, falls er sich ihnen nicht anschließen würde. Aus Angst um sein Leben sei der BF aus Afghanistan geflüchtet.

1.3.    Am 26.07.2013 wurde der BF vor dem (damaligen) Bundeasylamt niederschriftlich einvernommen. Dabei brachte der BF im Wesentlichen vor, sein ganzes Leben im Dorf XXXX , im Distrikt XXXX , in der Provinz XXXX verbracht zu haben. Der BF sei bis zur zehnten Klasse in die Schule gegangen, er habe nicht gearbeitet. Mutter und Bruder seien zu einem Onkel in der Provinz XXXX gezogen. Momentan lebe niemand im Heimatdorf. Der BF könne eine Tazkira und einen Drohbrief vorlegen.

Der BF habe Afghanistan vor ca. ein bis eineinhalb Jahren verlassen. Nach der Ausreise habe er zu seiner Familie keinen Kontakt mehr gehabt. Er habe Afghanistan verlassen, da sein Vater Kommandant der Hezb-e Islami gewesen sei. Die Parteimitglieder hätten gewollt, dass der BF ebenfalls Parteimitglied werde. Das habe er aber nicht gewollt. Der BF habe dann vor ca. zwei Jahren ein Drohschreiben bekommen. Bis zu diesem Zeitpunkt sei sein Vater bei der Hezb-e Islami gewesen. Als der Vater verschollen sei, seien Mitglieder der Hezb-e Islami zum BF gekommen. Der BF glaube, sein Vater sei tot.


Der Vater sei immer wieder in Begleitung vieler Menschen nach Hause gekommen, plötzlich sei er nicht mehr gekommen. Der BF habe das Drohschreiben bekommen und einmal seien die Leute auch zu ihnen nach Hause gekommen. Zu diesem Zeitpunkt sei der BF nicht zu Hause gewesen. Die Mutter sei zu Hause gewesen und man habe nach dem BF gefragt. Auf die Frage der Mutter, was sie wollten, hätten sie gesagt, der BF sollte sich ihnen anschließen. Diese Leute seien früher öfter mit dem Vater nach Hause gekommen und hätten gegessen und getrunken. Persönlich sei der BF aber nicht angesprochen worden.

Der BF habe sich den Drohbrief vorlesen lassen. Auf dem Drohbrief sei gestanden, der BF solle sich den Leuten anschließen, da sonst sein Leben in Gefahr wäre.

Der Vater sei ein Gruppenführer gewesen. Die Familie des BF habe ein Haus und viele Ländereien gehabt. Sie seien angesehene Leute gewesen. Vielleicht könnte man den Namen des Vaters im Internet finden. Am Bruder habe die Partei noch kein Interesse bekundet, dieser sei bei seinem Weggang erst zehn Jahre alt gewesen. Ausgereist sei der BF drei bis vier Monate nach Erhalt des Drohbriefs. Die finanzielle Lage der Familie sei aufgrund der zahlreichen Ländereien gut. Der BF glaube nicht, dass man die Familie vom Tod des Vaters in Kenntnis gesetzt hätte.

1.4.    Mit Bescheid des Bundesasylamtes vom 31.07.2013, Zl. 13 08.141-BAT, wurde der Antrag des BF auf Zuerkennung des Status des Asylberechtigten abgewiesen und dem BF der Status des subsidiär Schutzberechtigten zuerkannt.

Begründend führte das Bundesasylamt im Wesentlichen aus, die Ausführungen des BF hätten keine asylrelevanten Anhaltspunkte enthalten. Das Fluchtvorbringen sei nicht glaubhaft gewesen. Es bestünde allerdings stichhaltige Gründe für die Annahme, dass der BF im Fall der Rückkehr der realen Gefahr der Verletzung von Art. 2, 3. Oder der Protokolle Nr. 6 oder 13 EMRK ausgesetzt wäre.

1.5.    Gegen den unter Punkt 1.4. genannten Bescheid erhob der BF fristgerecht Beschwerde.

1.6.    Am 30.10.2014 führte das Bundesverwaltungsgericht eine öffentliche mündliche Verhandlung im Beisein des BF durch. Im Rahmen der Verhandlung bestätigte der BF im Wesentlichen seine im bisherigen Verfahren gemachten Angaben und präzisierte diese.

Ferner wurde der seitens des BF vorgelegte und im bisherigen Verfahren nicht übersetzt gebliebene Drohbrief übersetzt. Demnach sollte der BF an die Stelle des verstorbenen Vaters treten.

Auf den Vorhalt, weshalb die Mitglieder der Gruppe des Vaters dem BF etwas antun sollten, wenn der Vater ein bedeutender Führer gewesen sei, gab der BF an, seine Weigerung, sich der Gruppe anzuschließen, hätte ihrem Ansehen geschadet. Wäre er länger geblieben, hätten sie ihn mit Gewalt mitgenommen.

Zu den dem BF zur Kenntnis gebrachten Länderberichten gab dieser an, es herrsche ein Kampf zwischen Hezb-e Islami und Jamiat-e Islami. Die Provinz XXXX werde von Panjsher, wo die Jamiat-e Islami das Sagen hätten, durch einen Berg getrennt. Die Angehörigen der Jamiat-e Islami seien auch in XXXX aktiv.

1.7.    Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.11.2014, GZ W118 1437262-1/6E, wurde der Beschwerde des BF stattgegeben und dem BF gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wurde festgestellt, dass dem BF damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme.

Das Bundesverwaltungsgericht begründete dies damit, dass der Vater des BF ein Kommandant der Hezb-e Islami gewesen und vor einigen Jahren ums Leben gekommen sei. In der Folge hätten die Mitglieder seiner Gruppe den BF aufgefordert, an die Stelle des Vaters zu treten und sich ihnen anzuschließen. Nachdem seitens des BF keine Reaktion erfolgt sei, sei dem BF ein Drohbrief übermittelt und entsprechende Konsequenzen in Aussicht gestellt worden. Darüber hinaus hätte die Hezb-e Islami ihrer Forderung durch einen Besuch bei der Mutter Ausdruck verliehen. Der BF selbst sei an diesem Tag nicht zu Hause gewesen. Wäre er zu Hause gewesen, hätten sie ihn sehr wahrscheinlich dazu gezwungen, mit ihnen zu kommen.

Der Umstand, dass sich der BF nicht bei der Gruppe des Vaters gemeldet habe, habe die Runde gemacht und dem BF sei von der Dorfbevölkerung zu verstehen gegeben, dass die Hezb-e Islami ihn umbringen würde, wenn er sich ihnen nicht anschließen würde.

Die Hezb-e Islami hätte eine Ablehnung seitens des BF aufgrund der hervorgehobenen Stellung des Vaters des BF nicht akzeptieren können.

Der BF sei somit seitens der Hezb-e Islami einem asylrelevanten Eingriff in seine persönliche Sphäre ausgesetzt gewesen. Von einer Möglichkeit, die Hilfe der Behörden in Anspruch zu nehmen, habe auf Basis der Feststellungen nicht ausgegangen werden können.

Eine inländische Fluchtalternative sei dem BF nicht offen gestanden, da es dem BF mangels familiären Netzwerks nicht zuzumuten sei, sich in einem anderen Teil des Landes anzusiedeln. Durch eine Übersiedelung in das angrenzende XXXX , in dem sich die Sicherheitslage zunehmend verschlechtere, hätte sich der BF dem Einflussbereich der Hezb-e Islami nicht entziehen können.

Anhand der Ermittlungsergebnisse sei daher davon auszugehen, dass sich der BF aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung außerhalb Afghanistans befinde und im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt sei, in dieses Land zurückzukehren.

1.8.    Der BF reiste am 13.04.2018 von Österreich mit dem Flugzeug nach Pakistan. Er kehrte am 10.05.2018 nach Österreich zurück.

1.9.    Am 10.08.2018 leitete das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) ein Aberkennungsverfahren gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 ein und teilte dies dem BF mit Schreiben vom selben Tag mit.

1.10.   Am 20.09.2018 wurde der BF vor dem BFA, Regionaldirektion XXXX , niederschriftlich einvernommen. Dabei gab der BF an, dass er im April 2018 für einen Monat nach Pakistan gereist sei, um dort Urlaub zu machen. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan wäre sein Leben in Gefahr. Dies deshalb, da am 17.09. in XXXX ein Gefecht durch den Kommandant XXXX geführt worden sei. Das Problem des BF in Zusammenhang mit der Hezb-e Islami sei nach wie vor aufrecht. Alle würden wissen, was der Vater des BF getan habe und den BF immer noch suchen. Sein Vater habe viele Leute getötet und der BF hätte den Platz seines Vaters einnehmen müssen, was er nicht tun habe wollen. Der BF würde in ganz Afghanistan gefunden werden. Der BF habe keinen Kontakt zu Verwandten in Afghanistan mehr.

1.11.   Mit Bescheid des BFA, Regionaldirektion XXXX , vom 24.09.2018, Zl. 830814100/180759982, wurde der dem BF mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.11.2014, GZ W118 1437262-1/6E, zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aberkannt und festgestellt, dass dem BF gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.). Dem BF wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Dem BF wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG wurde gemäß § 9 Abs. 2 und 3 BFA-VG für auf Dauer unzulässig erklärt. Gemäß § 58 Abs. 2 und 3 AsylG 2005 iVm. § 55 AsylG 2005 wurde dem BF eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt IV).

Die Aberkennung des Status des Asylberechtigten begründete das BFA damit, dass der BF in Afghanistan keiner Verfolgung mehr ausgesetzt wäre. Die Hezb-e Islami sei mittlerweile für die Regierung Afghanistans tätig und kämpfe an deren Seite. Überdies sie auch das Problem der Zwangsrekrutierung nicht ausreichend, um Asyl zu erhalten.

Es liege zwar eine allgemeine Gefährdungslage für die Heimatprovinz des BF vor. Er könne seinen Lebensunterhalt aber in Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat bestreiten.

1.12.   Gegen Spruchpunkte I., II. und III. des unter Punkt 1.11. genannten Bescheides des BFA richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde des BF. Darin führte der BF aus, dass das BFA einen rechtskräftig entschiedenen Sachverhalt durch abweichende Beweiswürdigung rechtlich neu beurteilt habe. Dies stehe dem BFA nicht zu. Die drohende Zwangsrekrutierung durch die Hezb-e Islami habe sich nicht geändert.

1.13.   Die Beschwerde und der bezughabende Verwaltungsakt langten am 18.10.2018 beim Bundesverwaltungsgericht ein.

1.14.   Aufgrund der Verfügung des Geschäftsverteilungsausschusses des Bundesverwaltungsgerichts vom 15.04.2020 wurde die gegenständliche Rechtssache der Gerichtsabteilung W266 des Bundesverwaltungsgerichts abgenommen und der Gerichtsabteilung W255 neu zugewiesen.

2.       Feststellungen:

Der entscheidungsrelevante Sachverhalt steht fest. Auf Grundlage des Antrages auf internationalen Schutz des BF vom 16.06.2013, der Erstbefragung und der Einvernahmen des BF durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sowie des (vormaligen) Bundesasylamtes und des (nunmehr zuständigen) BFA, der Bescheide des Bundesasylamtes, des BFA und des Erkenntnisses des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.11.2014, der Beschwerde gegen den im Spruch genannten Bescheid des BFA, der Länderberichte zu Afghanistan sowie der Einsichtnahme in den Bezug habenden Verwaltungsakt, das Zentrale Melderegister, das Fremdeninformationssystem, das Strafregister und das Grundversorgungs-Informationssystem werden folgende Feststellungen getroffen und der Entscheidung zugrunde gelegt:

2.1.    Zur Person des BF:

2.1.1.  Der BF führt den Namen XXXX und das Geburtsdatum XXXX . Er wurde im Dorf XXXX , Provinz XXXX , geboren und ist dort gemeinsam mit seiner Familie aufgewachsen.

2.1.2.  Der BF ist Staatsangehöriger der Islamischen Republik Afghanistan, Angehöriger der Volksgruppe der Paschtunen und sunnitischer Muslim. Die Muttersprache des BF ist Paschto.

2.1.3.  Der BF hat einige Jahre die Schule in Afghanistan besucht. Er hat keinen Beruf in Afghanistan erlernt.

2.1.4.  Am 13.04.2018 flog der BF nach Pakistan. Am 10.05.2018 kehrte der BF nach Österreich zurück.

2.1.5.  Der BF ist gesund, ledig, arbeitsfähig und im erwerbsfähigen Alter.

2.1.6.  Der BF ist in Österreich strafgerichtlich unbescholten.

2.1.7.  Dem BF wurde am 28.01.2020 vom Amt der Wiener Landesregierung, Magistratsabteilung 35, der Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt-EU“, gültig von 27.10.2019 bis 27.10.2020, erteilt und ausgefolgt.

2.2.        Zum Verfahrensgang:

2.3.1.  Der BF stellte nach unrechtmäßiger Einreise im österreichischen Bundesgebiet am 16.06.2013 einen Antrag auf internationalen Schutz.

2.3.2.  Mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.11.2014, GZ W118 1437262-1/6E, wurde dem BF gemäß § 3 Abs. 1 AsylG 2005 der Status des Asylberechtigten zuerkannt. Gemäß § 3 Abs. 5 AsylG 2005 wurde festgestellt, dass dem BF damit kraft Gesetzes die Flüchtlingseigenschaft zukomme. Das Bundesverwaltungsgericht begründete dies damit, dass der Vater des BF ein Kommandant der Hezb-e Islami gewesen und vor einigen Jahren ums Leben gekommen sei. In der Folge hätten Mitglieder der Hezb-e Islami den BF aufgefordert, an die Stelle des Vaters zu treten und sich der Partei anzuschließen. Nachdem seitens des BF keine Reaktion erfolgt sei, sei dem BF ein Drohbrief übermittelt und entsprechende Konsequenzen in Aussicht gestellt worden. Darüber hinaus hätte die Hezb-e Islami ihrer Forderung durch einen Besuch bei der Mutter Ausdruck verliehen. Der BF selbst sei an diesem Tag nicht zu Hause gewesen. Wäre er zu Hause gewesen, hätten sie ihn sehr wahrscheinlich dazu gezwungen, mit ihnen zu kommen.

Der Umstand, dass sich der BF nicht bei der Gruppe des Vaters gemeldet habe, habe die Runde gemacht und dem BF sei von der Dorfbevölkerung zu verstehen gegeben, dass die Hezb-e Islami ihn umbringen würde, wenn er sich ihnen nicht anschließen würde.

Die Hezb-e Islami hätte eine Ablehnung seitens des BF aufgrund der hervorgehobenen Stellung des Vaters des BF nicht akzeptieren können.

Der BF sei somit seitens der Hezb-e Islami einem asylrelevanten Eingriff in seine persönliche Sphäre ausgesetzt gewesen. Von einer Möglichkeit, die Hilfe der Behörden in Anspruch zu nehmen, habe auf Basis der Feststellungen nicht ausgegangen werden können.

Eine inländische Fluchtalternative sei dem BF nicht offen gestanden, da es dem BF mangels familiären Netzwerks nicht zuzumuten sei, sich in einem anderen Teil des Landes anzusiedeln. Durch eine Übersiedelung in das angrenzende XXXX , in dem sich die Sicherheitslage zunehmend verschlechtere, hätte sich der BF dem Einflussbereich der Hezb-e Islami nicht entziehen können.

Anhand der Ermittlungsergebnisse sei daher davon auszugehen, dass sich der BF aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung außerhalb Afghanistans befinde und im Hinblick auf diese Furcht nicht gewillt sei, in dieses Land zurückzukehren.

2.3.3. Mit Bescheid des BFA, Regionaldirektion XXXX , vom 24.09.2018, Zl. 830814100/180759982, wurde der dem BF mit Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.11.2014, GZ W118 1437262-1/6E, zuerkannte Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 aberkannt und festgestellt, dass dem BF gemäß § 7 Abs. 4 AsylG 2005 die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukomme (Spruchpunkt I.). Dem BF wurde der Status des subsidiär Schutzberechtigten gemäß § 8 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 nicht zuerkannt (Spruchpunkt II.). Dem BF wurde ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 57 AsylG 2005 nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung gemäß § 52 FPG wurde gemäß § 9 Abs. 2 und 3 BFA-VG für auf Dauer unzulässig erklärt. Gemäß § 58 Abs. 2 und 3 AsylG 2005 iVm. § 55 AsylG 2005 wurde dem BF eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ gemäß § 55 Abs. 1 AsylG 2005 erteilt (Spruchpunkt IV).

Die Aberkennung des Status des Asylberechtigten begründete das BFA damit, dass der BF in Afghanistan keiner Verfolgung mehr ausgesetzt wäre. Die Hezb-e Islami sei mittlerweile für die Regierung Afghanistans tätig und kämpfe an deren Seite. Überdies sie auch das Problem der Zwangsrekrutierung nicht ausreichend, um Asyl zu erhalten.

Die hier vollständig wiedergegebene rechtliche Beurteilung des BFA im Hinblick auf die Aberkennung des Status des Asylberechtigten lautet:

§ 7 Abs. 1 AsylG sieht die zwingende Aberkennung des Status des Asylberechtigten bei Vorliegen eines der in Z1 bis 3 genannten Tatbestände vor:

Wie bereits in der Beweiswürdigung eindeutig belegt, liegen bei Ihnen die Tatbestände nach Z 2 vor.

Sie haben keine aktuelle, asylrelevante Verfolgung glaubhaft gemacht. Ihnen war daher gem. § 7 Abs. 1 AsylG der Status des Asylberechtigten abzuerkennen.“

2.3.4.  Gegen Spruchpunkte I., II. und III. des Bescheides des BFA vom 24.09.2018, Zl. 830814100/180759982, richtet sich die fristgerecht erhobene Beschwerde des BF.

3.       Beweiswürdigung:

Der Beweiswürdigung liegen folgende maßgebende Erwägungen zu Grunde:

3.1.    Zur Person des BF:

3.1.1.  Die Feststellungen zum Namen und Geburtsdatum des BF stützen sich auf seine Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor dem (damaligen) Bundesasylamt, dem BFA und vor dem Bundesverwaltungsgericht.

Die Identität des BF (Name und Geburtsdatum) konnte aufgrund der diesbezüglich glaubhaften Angaben des BF mit der für das Asylverfahren ausreichenden Wahrscheinlichkeit festgestellt werden.

3.1.2.  Die Feststellungen zur Staats-, Volksgruppen- und Religionszugehörigkeit des BF gründen sich auf seine diesbezüglich glaubhaften Angaben; das Bundesverwaltungsgericht hat keine Veranlassung, an diesen – im gesamten Verfahren gleich gebliebenen und sich mit den Länderberichten zu Afghanistan deckenden – Aussagen des BF zu zweifeln.

3.1.3.  Die Feststellungen zum Personenstand und seinen Verwandten stützen sich auf seine dahingehend übereinstimmenden Angaben vor den Organen des öffentlichen Sicherheitsdienstes, vor dem Bundesasylamt, vor dem BFA und vor dem Bundesverwaltungsgericht.

3.1.4.  Die Angaben des BF zu seinem Heimatort, seiner Herkunftsprovinz, seinem Aufenthaltsort in Afghanistan und in Pakistan sowie seiner Schulbildung und beruflichen Tätigkeit ergeben sich aus seinen im Laufe des Verfahrens getätigten, im Wesentlichen gleichlautenden und daher glaubhaften Angaben. Sie sind chronologisch stringent.

3.1.5.  Die Feststellung zum Gesundheitszustand stützt sich auf die Angaben des BF in der Einvernahme vor dem BFA vom 20.09.2018.

3.1.6.  Die Feststellung zur Reise des BF nach Pakistan stützen sich auf die Angaben des BF Einvernahme vor dem BFA vom 20.09.2018 sowie die Einsichtnahme in den Reisepass des BF, darunter ein von Pakistan ausgestelltes Visum sowie Ein- und Ausreisestempel.

3.1.7.  Die Feststellung betreffend den Aufenthaltstitel „Daueraufenthalt-EU“ stützt sich auf die Mitteilung des Amtes der Wiener Landesregierung, Magistratsabteilung 35, vom 29.01.2020, GZ MA35-9/3268733-1.

3.1.8.   Die Feststellung zur strafgerichtlichen Unbescholtenheit stützt sich auf die Einsichtnahme in das Strafregister.

4.       Rechtliche Beurteilung:

Zu A)

4.1.    Zu A) Stattgabe der Beschwerde

4.1.1.  Die im vorliegenden Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen des AsylG 2005 lauten:

Aberkennung des Status des Asylberechtigten

§ 7. (1) Der Status des Asylberechtigten ist einem Fremden von Amts wegen mit Bescheid abzuerkennen, wenn
1.         ein Asylausschlussgrund nach § 6 vorliegt;
2.         einer der in Art. 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Endigungsgründe eingetreten ist oder
3.         der Asylberechtigte den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen in einem anderen Staat hat.

(2) In den Fällen des § 27 Abs. 3 Z 1 bis 4 und bei Vorliegen konkreter Hinweise, dass ein in Art. 1 Abschnitt C Z 1, 2 oder 4 der Genfer Flüchtlingskonvention angeführter Endigungsgrund eingetreten ist, ist ein Verfahren zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten jedenfalls einzuleiten, sofern das Vorliegen der Voraussetzungen gemäß Abs. 1 wahrscheinlich ist. Ein Verfahren gemäß Satz 1 ist, wenn es auf Grund des § 27 Abs. 3 Z 1 eingeleitet wurde, längstens binnen einem Monat nach Einlangen der Verständigung über den Eintritt der Rechtskraft der strafgerichtlichen Verurteilung gemäß § 30 Abs. 5 BFA-VG, in den übrigen Fällen schnellstmöglich, längstens jedoch binnen einem Monat ab seiner Einleitung zu entscheiden, sofern bis zum Ablauf dieser Frist jeweils der entscheidungsrelevante Sachverhalt feststeht. Eine Überschreitung der Frist gemäß Satz 2 steht einer späteren Aberkennung des Status des Asylberechtigten nicht entgegen. Als Hinweise gemäß Satz 1 gelten insbesondere die Einreise des Asylberechtigten in seinen Herkunftsstaat oder die Beantragung und Ausfolgung eines Reisepasses seines Herkunftsstaates.

(2a) Ungeachtet der in § 3 Abs. 4 genannten Gültigkeitsdauer der Aufenthaltsberechtigung ist ein Verfahren zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten jedenfalls einzuleiten, wenn sich aus der Analyse gemäß § 3 Abs. 4a ergibt, dass es im Herkunftsstaat des Asylberechtigten zu einer wesentlichen, dauerhaften Veränderung der spezifischen, insbesondere politischen, Verhältnisse, die für die Furcht vor Verfolgung maßgeblich sind, gekommen ist. Das Bundesamt hat von Amts wegen dem Asylberechtigten die Einleitung des Verfahrens zur Aberkennung des Status des Asylberechtigten formlos mitzuteilen.

(3) Das Bundesamt kann einem Fremden, der nicht straffällig geworden ist (§ 2 Abs. 3), den Status eines Asylberechtigten gemäß Abs. 1 Z 2 nicht aberkennen, wenn die Aberkennung durch das Bundesamt – wenn auch nicht rechtskräftig – nicht innerhalb von fünf Jahren nach Zuerkennung erfolgt und der Fremde seinen Hauptwohnsitz im Bundesgebiet hat. Kann nach dem ersten Satz nicht aberkannt werden, hat das Bundesamt die nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG), BGBl. I Nr. 100/2005, zuständige Aufenthaltsbehörde vom Sachverhalt zu verständigen. Teilt diese dem Bundesamt mit, dass sie dem Fremden einen Aufenthaltstitel rechtskräftig erteilt hat, kann auch einem solchen Fremden der Status eines Asylberechtigten gemäß Abs. 1 Z 2 aberkannt werden.

(4) Die Aberkennung nach Abs. 1 Z 1 und 2 ist mit der Feststellung zu verbinden, dass dem Betroffenen die Flüchtlingseigenschaft kraft Gesetzes nicht mehr zukommt. Dieser hat nach Rechtskraft der Aberkennung der Behörde Ausweise und Karten, die den Status des Asylberechtigten oder die Flüchtlingseigenschaft bestätigen, zurückzustellen.

4.1.2.  Die im vorliegenden Beschwerdefall maßgebenden Bestimmungen der Genfer Flüchtlingskonvention lauten:

Artikel 1 Abschnitt C.

Eine Person, auf die die Bestimmungen des Absatzes A zutrifft, fällt nicht mehr unter dieses Abkommen,

1. wenn sie sich freiwillig erneut dem Schutz des Landes, dessen Staatsangehörigkeit sie  besitzt, unterstellt; oder

2. wenn sie nach dem Verlust ihrer Staatsangehörigkeit diese freiwillig wiedererlangt hat;  oder

3. wenn sie eine neue Staatsangehörigkeit erworben hat und den Schutz des Landes,  dessen Staatsangehörigkeit sie erworben hat, genießt; oder

4. wenn sie freiwillig in das Land, das sie aus Furcht vor Verfolgung verlassen hat oder  außerhalb dessen sie sich befindet, zurückgekehrt ist und sich dort niedergelassen  hat; oder

5. wenn sie nach Wegfall der Umstände, aufgrund derer sie als Flüchtling anerkannt  worden ist, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Landes in Anspruch zu  nehmen, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt. Hierbei wird jedoch unterstellt, dass  die Bestimmung dieser Ziffer auf keinen Flüchtling im Sinne der Ziffer 1 des Abschnittes  A dieses Artikels Anwendung findet, der sich auf zwingende, auf früheren  Verfolgungen beruhende Gründe berufen kann, um die Inanspruchnahme des  Schutzes des Landes abzulehnen, dessen Staatsangehörigkeit sie besitzt;

6. wenn es sich um eine Person handelt, die keine Staatsangehörigkeit besitzt, falls sie  nach Wegfall der Umstände, aufgrund derer sie als Flüchtling anerkannt worden ist, in  der Lage ist, in das Land zurückzukehren, in dem sie ihren gewöhnlichen Wohnsitz hat.  Dabei wird jedoch unterstellt, dass die Bestimmung dieser Ziffer auf keinen Flüchtling  im Sinne der Ziffer 1 des Abschnittes A dieses Artikels Anwendung findet, der sich auf  zwingende, auf früheren Verfolgungen beruhende Gründe berufen kann, um die  Rückkehr in das Land abzulehnen, in dem er seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.

Artikel 1 Abschnitt D.

Dieses Abkommen findet keine Anwendung auf Personen, die zurzeit den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Institution der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge genießen. Ist dieser Schutz oder diese Unterstützung aus irgendeinem Grunde weggefallen, ohne dass das Schicksal dieser Person endgültig gemäß den hierauf bezüglichen Entschließungen der Generalversammlung der Vereinten Nationen geregelt worden ist, so fallen diese Personen ipso facto unter die Bestimmungen dieses Abkommens.

4.1.3.  Das BFA stützt sich im Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides explizit auf § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005.

In der rechtlichen Beurteilung des angefochtenen Bescheides finden sich hierzu keine Ausführungen. Eine rechtliche Beurteilung im Hinblick auf die Aberkennung des Status des Asylberechtigten ist im angefochtenen Bescheid de facto nicht enthalten. Das BFA verweist in der rechtlichen Beurteilung lediglich darauf, dass § 7 Abs. 1 AsylG 2005 eine zwingende Aberkennung des Status des Asylberechtigten bei Vorliegen eines der in Z 1 bis 3 genannten Tatbestände vorliegt, ohne dies in irgendeiner Weise näher auszuführen und/oder konkret auf die Aberkennung des Status des Asylberechtigten im Hinblick auf den BF einzugehen.

Unbeschadet der Tatsache, dass es das BFA im angefochtenen Bescheid unterlassen hat, eine rechtliche Beurteilung vorzunehmen, sind auch die Feststellungen und Beweiswürdigung des BFA im angefochtenen Bescheid nicht geeignet, die Rechtmäßigkeit einer Aberkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 im gegenständlichen Fall darzulegen.

Gemäß § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG ist einem Fremden der Status des Asylberechtigten mit Bescheid abzuerkennen, wenn einer der in Artikel 1 Abschnitt C der Genfer Flüchtlingskonvention angeführten Endigungsgründe eingetreten ist.

Der BF hat sich – soweit aus dem Akteninhalt hervorgeht – weder freiwillig dem Schutz seines Herkunftsstaates unterstellt (Z 1), noch nach dem Verlust seiner afghanischen Staatsangehörigkeit, diese freiwillig wiedererlangt (Z 2), noch eine neue Staatsangehörigkeit erworben und den Schutz dieses Staates genossen (Z 3), noch hat er sich in Afghanistan niedergelassen (Z 4).

Eine auf § 7 Abs. 1 Z 2 AsylG 2005 gestützte Asylaberkennung käme schließlich noch in Betracht, wenn der BF nach Wegfall der Umstände, aufgrund derer er als Flüchtling anerkannt worden ist, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Landes in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt (Artikel 1 Abschnitt C Ziffer 5 GFK).

Voraussetzung für die Anwendbarkeit der Ziffer 5 ist eine wesentliche Änderung der Situation, also ein Wegfall der Verfolgungsgefahr iS der GFK und damit der Notwendigkeit der Schutzgewährung (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, § 7 AsylG, K9). Voraussetzung ist, dass die Schutzbedürftigkeit nicht mehr gegeben ist (Filzwieser/Frank/Kloibmüller/Raschhofer, Asyl- und Fremdenrecht, § 7 AsylG, K11).

Der UNHCR führt diesbezüglich in seinem „Handbuch und Richtlinien über Verfahren und Kriterien zur Feststellung der Flüchtlingseigenschaft gemäß dem Abkommen von 1951 und dem Protokoll von 1967 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge“ auf S. 32 zu Artikel 1 Abschnitt C Ziffer 5 aus:

„‚Umstände‘ bezieht sich auf grundlegende Veränderungen in dem Land, aufgrund derer man annehmen kann, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht mehr länger besteht.“ (vgl. weiters Gachowetz/Schmidt/Simma/Urban, Asyl- und Fremdenrecht im Rahmen der Zuständigkeit des BFA, S. 185).

In Kommentar von Zimmermann zur GFK werden als Indikatoren für solche geänderten Umstände iSd Artikel 1 Abschnitt C Ziffer 5 demokratische Wahlen, signifikante Reformen der rechtlichen und sozialen Strukturen, Amnestien und Anerkennung der Menschenrechte genannt: „The UNHCR Guidelines and ExCom Conclusions outline in more detail how ‚ceased to exist‘ should be interpreted. Consistent with leading academic opinion, they suggest that changes in the refugee’s country should be ´substantial, effective and durable´ or ´fundamental and enduring`. Some indicators of such change that have been suggested by the UNCHR and the UNHCR ExCom are democratic elections, significant reforms to the legal and social structure, amnesties, repeal of oppresive laws, dismantling of repressive security forces, and general respect for human rights.“ (Kneebone/O`Sullivan in Zimmermann (ed.), The 1951 Convention Relating to the Status of Refugees and ist 1967 Protocol, A Commentary, p. 502).

Das Abstellen auf (objektive) Veränderungen im Herkunftsstaat entspricht auch der Rechtsprechung des EuGH: „Die Flüchtlingseigenschaft erlischt, wenn in Anbetracht einer erheblichen und nicht nur vorübergehenden Veränderung der Umstände in dem fraglichen Drittland diejenigen Umstände, aufgrund deren der Betreffende begründete Furcht vor Verfolgung aus einem der in Art. 2 Buchst. c der Richtlinie genannten Gründe hatte und als Flüchtling anerkannt worden war, weggefallen sind und er auch nicht aus anderen Gründen Furcht vor ‚Verfolgung‘ im Sinne des Art. 2 Buchst. c der Richtlinie haben muss.“ (EuGH 02.03.2010, Rs C-175/08 ua, Abdulla ua, Rz 76).

Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes können grundlegende politische Veränderungen in dem Staat, aus dem der Asylwerber aus wohlbegründeter Furcht vor asylrelevanter Verfolgung geflüchtet zu sein behauptet, die Annahme begründen, dass der Anlass für die Furcht vor Verfolgung nicht (mehr) länger bestehe. Allerdings darf es sich dabei nicht nur um vorübergehende Veränderungen handeln (vgl. VwGH 21.11.2002, 99/20/0171, mwN).

Die Annahme einer grundlegenden politischen Veränderung im Herkunftsstaat (aus der sich der Verlust der zunächst gegebenen Flüchtlingseigenschaft ergeben soll) setzt eine gewisse Konsolidierung der Verhältnisse voraus, für deren Beurteilung es in der Regel eines längeren Beobachtungszeitraumes bedarf (VwGH 27.04.2006, 2002/20/0170 und VwGH 16.02.2006, 2006/19/0030).

Ob eine die Anwendung des Endigungsgrundes des Artikel 1 Abschnitt C Ziffer 5 GFK rechtfertigende relevante Änderung der Verhältnisse im Herkunftsstaat eingetreten ist, hat die Behörde bzw. das Verwaltungsgericht von Amts wegen zu ermitteln und unter Berücksichtigung der Fluchtgeschichte bzw. der Fluchtgründe eines Asylwerbers zu prüfen, ob diese noch immer einen asylrechtlich relevanten Aspekt haben könnten (vgl. VwGH 19.12.2001, 2000/20/0318).

Das Vorliegen der Aberkennung des Status des Asylberechtigten hat das BFA damit begründet, dass sich die subjektive Lage des BF im Vergleich zum seinerzeitigen Entscheidungszeitpunkt dahingehend geändert habe, als die Hezb-e Islami mittlerweile für die Regierung Afghanistans tätig sei und an deren Seite kämpfe. Überdies sie auch das Problem der Zwangsrekrutierung nicht ausreichend, um Asyl zu erhalten.

Dem BF wurde mit (rechtskräftigem) Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 03.11.2014, GZ W118 1437262-1/6E, der Status des Asylberechtigten mit der Begründung zuerkannt, dass dem BF eine asylrelevante Verfolgung durch die Hezb-e Islami drohe. Ausgehend davon ist nicht ansatzweise ersichtlich, warum eine solche Gefährdung damit beseitigt worden sein soll, dass der potentielle Verfolger (Hezb-e Islami) mittlerweile für die Regierung Afghanistans tätig sei und an deren Seite kämpfe. Das BFA hat weder behauptet, dass aus einer etwaigen Regierungsbeteiligung der Hezb-e Islami folgen würde, dass diese davon Abstand nehme, bis zu diesem Zeitpunkt verfolgte Personen weiterhin zu verfolgen, noch hat sich das BFA diesbezüglich auf objektive Quellen gestützt, die dies indizieren würden. Es hat diesbezüglich nichts näher ausgeführt – weder in den Feststellungen noch in der Beweiswürdigung noch in der rechtlichen Beurteilung.

Ein näherer Blick auf die Beweiswürdigung des BFA zeigt, dass das BFA am ehesten versucht, dem BF „vorzuwerfen“, sich in Widersprüche im Hinblick auf seine Gefährdung durch die Hezb-e Islami verstrickt zu haben. Dabei übersieht das BFA, dass es hier einen bereits rechtskräftig entschiedenen Sachverhalt im Rahmen einer (neuen) Beweiswürdigung anders beurteilt und eine gegenteilige rechtliche Beurteilung eines bereits rechtskräftig entschiedenen Sachverhaltes vornimmt. Eine derartige Vorgehensweise ist nicht zulässig und kann keine Aberkennung gemäß § 7 AsylG 2005 begründen.

Zusammengefasst hat das BFA somit nicht ansatzweise dargelegt, das und – falls ja, wie – sich eine wesentliche und nicht nur vorübergehende Änderung der Situation in Afghanistan im Hinblick auf den BF ergeben habe und warum man annehmen könnte, dass der Anlass des BF für seine Furcht vor Verfolgung nicht mehr länger besteht bzw. weggefallen wäre.

Es fehlt im gegenständlichen Fall somit mangels subjektiver und objektiver geänderter Umstände am Vorliegen der in Artikel 1 Abschnitt C Ziffer 5 GFK normierten Voraussetzungen.

4.1.6.  Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts lagen und liegen die Voraussetzungen für die Aberkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 7 Abs. 1 AsylG 2005 sohin mangels grundlegender Veränderungen im Herkunftsstaat des BF, die sich auf die Verfolgungsgefahr des BF auswirken würden, gegenständlich nicht vor. Dem BF wurde daher zu Unrecht der Status des Asylberechtigten aberkannt.

4.1.7.  Das Bundesverwaltungsgericht gelangt somit zu dem Ergebnis, dass der Beschwerde gemäß § 28 Abs. 1 und 2 VwGVG iVm § 7 Abs. 1 AsylG 2005 hinsichtlich der Spruchpunkte I., II., und III., des angefochtenen Bescheids stattzugeben war und diese Spruchpunkte ersatzlos zu beheben waren, zumal die von der belangten Behörde unter Spruchpunkt II. bis III. des Bescheides getroffenen Aussprüche schon in Folge der Behebung der amtswegigen Aberkennung des Status des Asylberechtigten ihre rechtliche Grundlage verlieren. Die Behebung der Spruchpunkte II. und III. angefochtenen Bescheids hatte somit aufgrund der Untrennbarkeit dieser Spruchpunkte zu erfolgen. Spruchpunkt IV. des angefochtenen Bescheides wurde seitens des BF bei näherer Betrachtung (siehe die in der Beschwerde gestellten Anträge) nicht angefochten.

Dem BF kommt auf Grund der Behebung des Bescheides weiterhin der Status des Asylberechtigten zu.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zu B) Unzulässigkeit der Revision:

Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG hat das Verwaltungsgericht im Spruch seines Erkenntnisses oder Beschlusses auszusprechen, ob die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zulässig ist. Der Ausspruch ist kurz zu begründen.

Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig, weil die Entscheidung nicht von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (vgl. dazu die zu Spruchpunkt A zitierte Rechtsprechung), noch fehlt es an einer Rechtsprechung; weiters ist die vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Auch liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor. Die in Bezug auf einen Antrag auf internationalen Schutz vom Bundesverwaltungsgericht im Einzelfall vorzunehmende Beweiswürdigung ist – soweit diese nicht unvertretbar ist – nicht revisibel (z.B. VwGH 19.04.2016, Ra 2015/01/0002, mwN).

Schlagworte

Aberkennung des Status des Asylberechtigten Asylaberkennung Behebung der Entscheidung Rechtskraft Rechtskraft der Entscheidung Verfolgungsgefahr wesentliche Änderung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:W255.1437262.2.00

Im RIS seit

14.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

14.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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