TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/16 W279 2191948-1

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.11.2020
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Entscheidungsdatum

16.11.2020

Norm

AsylG 2005 §10 Abs1 Z3
AsylG 2005 §3 Abs1
AsylG 2005 §55
AsylG 2005 §57
AsylG 2005 §8 Abs1 Z1
BFA-VG §9
B-VG Art133 Abs4
FPG §46
FPG §50
FPG §52 Abs2 Z2
FPG §52 Abs9
FPG §55 Abs1
FPG §55 Abs2
FPG §55 Abs3

Spruch

W279 2191948-1/13E

IM NAMEN DER REPUBLIK!

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. KOREN als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. am XXXX .1974, StA. Afghanistan, vertreten durch MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 27.03.2018, Zl 1093059306/151651436/BMI-BFA_KNT_AST_01, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 29.07.2020, zu Recht:

A) Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

B) Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.



Text


ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:

I.       Verfahrensgang:

1. Der Beschwerdeführer stellte nach unrechtmäßiger Einreise in das österreichische Bundesgebiet am 29.10.2015 gegenständlichen Antrag auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 des Asylgesetzes 2005 (AsylG 2005), BGBl. I Nr. 100/2005 idF BGBl. I Nr. 24/2016BF.

2. Bei der mit einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes durchgeführten Erstbefragung des Beschwerdeführers am 30.10.2015 führte dieser zu seinem Fluchtgrund befragt zusammenfassend aus, dass er seinen Heimatstaat aufgrund des Krieges verlassen habe und in Europa Schutz suche.

3. Am 03.10.2017 wurde der Beschwerdeführer vor dem Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: "BFA" genannt), im Asylverfahren niederschriftlich einvernommen. Dabei führte er zusammenfassend aus, dass er der Religionszugehörigkeit der Schiiten und der Volksgruppenzugehörigkeit der Hazara angehöre. Er sei verheiratet und habe fünf Kinder, die im Iran aufhältig seien. In Österreich habe der BF keine Verwandte oder sonstige persönlichen Beziehungen. Er habe zwar keinen Reisepass, könne jedoch eine befristete Aufenthaltsgenehmigungskarte vom Iran vorlegen.

Zu seinen Lebensumständen im Herkunftsstaat befragt, brachte der Beschwerdeführer vor, dass sein Vater aus der Provinz Daikundi stamme und er selbst in Kabul geboren worden sei. In Kabul habe der Beschwerdeführer bis zu seinem achten Lebensjahr mit seinen Eltern und seiner älteren Schwester in einem Mietshaus gewohnt. Er habe in Afghanistan nunmehr keine familiären Anknüpfungspunkte mehr, da sich seine sowohl seine Geschwister als auch seine Mutter sowie seine Ehefrau mitsamt seinen Kindern im Iran befinden würden. Mit seiner Ehefrau und seiner älteren Tochter stehe der Beschwerdeführer einmal in der Woche via SMS in Kontakt. Auf Aufforderung, seine persönlichen Lebensumstände vor Ausreise aus Afghanistan zu beschreiben, erklärte der Beschwerdeführer, dass sein Vater den Lebensunterhalt durch Gelegenheitsjobs wie dem Verkauf von Waren erwirtschaftet habe und ihn nur ein Jahr zur Schule geschickt habe. Die finanzielle Situation seiner Familie sei jedoch insgesamt gut gewesen, er wisse jedoch nichts über die genauen Besitztümer in seinem Herkunftsland.

Zum Fluchtgrund befragt, gab der Beschwerdeführer zu Protokoll, dass seine Töchter im Iran nicht zur Schule gehen haben können und er dort zudem nicht dauerhaft bleiben habe können. Er habe sich insgesamt 36 Jahre im Iran aufgehalten und habe nach einem einjährigen Schulbesuch für Erwachsene in der Baubranche sowie einer Ziegelfabrik gearbeitet. Sein Vater sei bereits vor acht oder zehn Jahren eines natürlichen Todes gestorben. Befragt, weshalb er aus dem Iran ausgereist sei, erwiderte der Beschwerdeführer, dass er ein Problem mit einem Ingenieur in der Baubranche gehabt habe, da sein Vorgesetzter westlich orientiert gewesen sei und er deshalb Angst vor einer Festnahme als Spion gehabt habe. Zudem hätten seine Kinder nicht mehr zur Schule gehen dürfen, was ein weiterer Grund für seine Ausreise gewesen sei. Die Aufenthaltsberechtigung für seine Ehefrau und seine Kinder sei nicht mehr verlängert worden, weswegen die Kinder nicht mehr zum Schulbesuch berechtigt seien und würden ausschließlich von Ersparnissen und dem Verkauf eines Grundstückes leben. Seine Ausreise habe der Beschwerdeführer durch den Verkauf seines Autos finanziert. Die Frage, ob er seinen Vater je gefragt habe, was der Grund für die Ausreise aus Afghanistan gewesen sei, wurde vom Beschwerdeführer verneint. Er wünsche sich eine bessere Zukunft für seine Kinder ohne kulturelle Zwänge wie sie im Islam vorherrschen würden. Die Fragen, ob er in Afghanistan jemals Schwierigkeiten oder Probleme mit den Behörden gehabt habe oder gegen ihn ein Gerichtsverfahren anhängig oder er je inhaftiert gewesen sei, wurden vom Beschwerdeführer verneint. Er sei während seines Aufenthalts im Iran niemals nach Afghanistan gereist. Beim Gedanken an eine Rückkehr nach Afghanistan verspüre er aufgrund mangelnder familiärer Anknüpfungspunkte und seiner Volksgruppenzugehörigkeit als Hazara Ängste. Die Frage, ob er in seiner Kindheit wegen seiner Volksgruppenzugehörigkeit als Hazara bereits bedroht worden sei, wurde von ihm jedoch verneint.

Zu seinen Lebensumständen in Österreich befragt, erklärte der Beschwerdeführer, von der Grundversorgung zu leben und bei der Reparatur von Fahrrädern mitzuhelfen. Er besuche einen Deutschkurs und sei Mitglied im Fußballverein, habe im österreichischen Bundesgebiet jedoch keine familiären Anknüpfungspunkte.

Im Rahmen der niederschriftlichen Einvernahme wurden vom BF ein Integrationspass der Stadt XXXX , ein Zeugnis eines Vereins über eine ehrenamtliche Tätigkeit des Beschwerdeführers vom 15.08.2017, eine Teilnahmebestätigung über die Teilnahme an einem Werte- und Orientierungskurs vom 09.08.2016, ein Kurszeugnis über Deutsch als Zweitsprache vom 07.11.2016 bis zum 30.11.2016, eine Teilnahmebestätigung über die Absolvierung eines Deutschkurses seit Juni 2016 vom 07.07.2016, eine Urkunde über die Absolvierung aller Module des Integrationspasses, Bestätigungen vom 06.10.2016 sowie vom 26.04.2017 über die Teilnahme an Deutschkursen, vier Teilnahmebestätigungen über die Absolvierung integrativer Veranstaltungen sowie einem Deutschkurs, eine Bestätigung zur Kursteilnahme an einem Basiskurs zum Erlernen der deutschen Sprache, ein Empfehlungsschreiben vom 02.10.2017 sowie mehrere Aufenthaltsberechtigungskarten seiner Ehefrau und seiner Kinder in Originalsprache zur Vorlage gebracht.

4. Mit dem angefochtenen Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf internationalen Schutz gemäß § 3 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und gemäß § 8 Abs. 1 iVm. § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Afghanistan (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Dem BF wurde gemäß §§ 57 AsylG ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen nicht erteilt (Spruchpunkt III.). Gemäß § 10 Abs. 1 Z 3 AsylG iVm § 9 BFA-VG wurde gegen ihn eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 2 Z 2 FPG erlassen (Spruchpunkt IV) und weiters gemäß § 52 Abs. 9 FPG festgestellt, dass die Abschiebung des BF gemäß § 46 FPG nach Afghanistan zulässig sei (Spruchpunkt V.). Weiters wurde ausgeführt, dass die Frist für die freiwillige Ausreise des BF gemäß § 55 Abs. 1 bis 3 FPG zwei Wochen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung betrage (Spruchpunkt VI.).

5. Zusammenfassend führte das BFA aus, dass die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz im Wesentlichen damit zu begründen sei, dass seine angegebenen Probleme des Beschwerdeführers mit einem Ingenieur auf seiner Baustelle nicht fluchtauslösend gewesen seien. Er habe in seiner Einvernahme bestätigt, dass der ausschlaggebende Moment für seine Ausreise die nicht vorhandenen Möglichkeiten seiner Kinder, eine Schule zu besuchen, gewesen seien. Es sei in diesem Zusammenhang anzuführen, dass es all den Familienmitgliedern des Beschwerdeführers möglich sei, im Iran zu leben, was ein klares Indiz dafür sei, dass es eine ausreisekausale Bedrohung in diesem Zusammenhang nicht gegeben habe. Darüber hinaus würden sich alle seine Angaben ausschließlich auf das Aufenthaltsland Iran beziehen, welches aber in diesem Verfahren nicht Prüfungsgegenstand sei. Das gesamte Fluchtvorbringen des Beschwerdeführers habe sich als nicht asylrelevant erwiesen, der Beschwerdeführer sei nicht imstande gewesen, eine Bedrohung oder Verfolgung in seinem Heimatland Afghanistan darzulegen. Der Beschwerdeführer habe auf Nachfrage auch nicht darlegen können, weshalb sein Vater aus Afghanistan geflüchtet sei. Es sei angemerkt, dass der Beschwerdeführer in der Erstbefragung als Fluchtgrund ausschließlich den Krieg angegeben habe. Eine direkte, individuelle Bedrohung aufgrund seiner Volksgruppenzugehörigkeit sei vom Beschwerdeführer jedoch verneint worden und sei im gesamten Verfahren nicht ersichtlich gewesen. Seine Angaben zum Fluchtgrund-ein besseres und sicheres Leben sowie eine Schulbildung für seine Kinder-seien nachvollziehbar, jedoch nicht asylrelevant gewesen. Aus all seinen Angaben lasse sich ableiten, dass der Beschwerdeführer zu keinem Zeitpunkt Opfer irgendeiner wie auch immer gearteten staatlichen Verfolgung geworden sei. In Afghanistan bzw. im Iran werde weder nach dem Beschwerdeführer gefahndet noch sei er in Haft gewesen oder sei er jemals festgenommen worden. Er sei niemals politisch aktiv gewesen. Es gebe keine Hinweise dafür, dass der Beschwerdeführer bei Rückkehr in eine existenzbedrohende Notlage kommen könnte. Er sei ein erwachsener Mann und mit den sprachlichen Gepflogenheiten in seinem Herkunftsstaat vertraut und es dürfte bei einer Rückkehr nach Afghanistan auch kein Problem sein, auch im Baubereich Arbeit zu finden, mit der er zumindest sein Existenzminimum sichern könne. Ebenso könnten ihn seine Geschwister aus dem Iran anfänglich finanziell unterstützen. Die Behörde verkenne nicht, dass der Beschwerdeführer Bemühungen an den Tag gelegt habe, um Deutsch zu lernen, jedoch habe eine Integrationsverfestigung nicht festgestellt werden können. Er verfüge über zu wenige Deutschkenntnisse und sei in Österreich nicht selbsterhaltungsfähig. Der Beschwerdeführer habe in Österreich weder familiäre Bindungen noch schützenswerte private oder soziale Kontakte.

Das Bundesverwaltungsgericht führte am 29.07.2020 in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Farsi und im Beisein des Rechtsvertreters des BF eine öffentliche mündliche Verhandlung durch, in der der BF ausführlich zu seinen Fluchtgründen befragt wurde.

Auf Aufforderung, seinen Tagesablauf zu schildern, führte der BF auf Deutsch an, dass er jeden Tag um acht Uhr aufstehe und Deutsch lerne. Er dusche sich, koche und könne derzeit an keinem Deutschkurs teilnehmen. Er gehe keiner Erwerbstätigkeit nach und wohne mit einem afghanischen Mitbewohner zusammen. Der BF selbst gehöre der Volksgruppe der Hazara und der schiitischen Glaubensrichtung an. Er sei verheiratet und habe fünf Kinder, seine Familie halte sich derzeit jedoch in der Stadt Mashad im Iran auf. Seine älteste Tochter sei und seine Ehefrau seien als Näherinnen tätig. Seine anderen Töchter würden als Fotografin bzw. als Autorinnen für Kinderbücher beschäftigt sein. Sein Sohn besuche noch den Kindergarten. Neben Farsi beherrsche er noch ein bisschen Deutsch und habe einen Kurs zur Bekämpfung des Analphabetismus im Iran besucht. Er sei in Kabul geboren, habe Afghanistan jedoch im Alter von acht Jahren verlassen. Die Fragen, ob er in Afghanistan eine Schule besucht oder gearbeitet habe, wurde vom BF verneint. Befragt, ob er im Iran gearbeitet habe, erklärte der BF, dass er im Alter von 12, 13 Jahren begonnen habe, im Obstgarten als Pflücker tätig zu sein und in Ziegelfabriken als Maurer tätig gewesen sei. Zur Frage, ob er in Ö je gearbeitet habe, gab der BF an, dass er sieben Monate freiwillig für eine Gemeinde gearbeitet habe und eineinhalb Jahre Fahrräder repariert habe.

Zum Fluchtgrund befragt, führte der BF an, dass seine Eltern im Alter von acht Jahren von Mujaheddin bedroht worden seien und ihn deshalb ebenfalls in den Iran mitgenommen hätten. Befragt, welchen Beruf seine Eltern in Afghanistan und im Iran ausgeübt hätten, replizierte der BF, dass seine Mutter sowohl in Afghanistan als auch im Iran Hausfrau gewesen sei und sein Vater verschiedene Berufe wie als Beamter im Rathaus oder in einem Holzlager ausgeübt habe. Im Iran habe er mehrere Jahre in einer Ziegelfabrik gearbeitet. Auf die Frage, weshalb er den Iran verlassen habe, entgegnete der BF, dass er mit einem Bauingenieur Probleme gehabt habe, da dieser Forderungen gestellt habe, die er nicht erfüllen habe können. Sein Aufenthaltstitel habe nur für die Stadt Mashad gegolten, weshalb er sich ausschließlich dort aufgehalten habe. Auf Nachfrage, was der Bauingenieur verlangt habe, erklärte der BF, im Rahmen eines fünfjährigen Projekts einen Auftrag von einem Bauingenieur bekommen zu haben und dieser ihn für die Bezahlung des Restbetrages seines Lohnes in sein Büro bestellt habe. Da der Boden dieses Büros jedoch mit Fliesen dreier Länder (USA, Israel und Großbritannien) ausgestaltet gewesen sei, habe er das Büro aufgrund seiner Religionszugehörigkeit nicht betreten wollen. Der Bauingenieur habe ihm daraufhin unterstellt, eine andere Kultur zu bevorzugen, obwohl er im Iran wohne und ihm seinen ausstehenden Lohn nicht mehr ausbezahlt. Nachgefragt, ob der besagte Bauingenieur auch eine politische/staatliche Funktion gehabt habe, entgegnete der BF, dass im Iran alle Großprojekte an die iranische Revolutionsgarde vergeben würden, die eine der größten Bauträger im Land seien und alle Großprojekte übernehmen würden. Der Bauingenieur habe für die Revolutionsgarde gearbeitet. In weiterer Folge habe der BF keine Aufträge mehr bekommen und sei vor dem Bauingenieur geflohen. Er habe sich jedenfalls davor gefürchtet, dass der Bauingenieur seine Familie nach Afghanistan abschieben würde. Bei einer Rückkehr hätte seine Familie aufgrund der Vergangenheit seines Vaters, der zur kommunistischen Zeit ein Militärangehöriger gewesen sei und aus Angst vor den Mujaheddin das Land verlassen habe. Zudem könnte er in Afghanistan keine Existenz aufbauen, da er sein ganzes Leben im Iran verbracht habe und er einen iranischen Akzent aufweise, weshalb Afghanen sofort erkennen könnten, dass er aus dem Iran zurückgekehrt oder abgeschoben worden sei. Seine Töchter würden in Afghanistan zwangsverheiratet oder vergewaltigt werden, da Mujaheddin nach wie vor an Macht seien. Insgesamt habe sich die Lage in Afghanistan nur verschlechtert, da Mujaheddin nach wie vor an der Macht seien und die afghanische Gesellschaft Auslandsafghanen nicht akzeptiere. Zudem würden Frauen entführt und vergewaltigt werden. Bei einer alleinigen Rückkehr würde er als der Sohn eines Kommunisten qualifiziert werden, weshalb er von der afghanischen Bevölkerung angezündet werden würde. Zur Frage, wieso seine Eltern nicht in die Sowjetunion geflohen seien, erwiderte der BF, dass sie den Erzählungen seiner Mutter zufolge einerseits nicht in der Sowjetunion leben hätten wollen und der BF andererseits in diesem Fall auch zum Militär gehen hätten müssen. Die Frage, ob er der Angehörige eines Militärbediensteten gewesen sei, wurde vom BF verneint. Er sei im Iran und in Afghanistan auch nicht politisch tätig gewesen. Befragt, wie viel Geld er derzeit monatlich an seine Familie im Iran überweise, erwiderte der BF, dass ihm kein Geld zur Verfügung stehe und seine Ehefrau im Iran selbst erwerbstätig sei.

Mit Urkundenvorlage vom 04.08.2020 wurden dem BVwG Belege zu Bildungs-, Integrations- und Freizeitaktivitäten vorgelegt. Neben den bereits vorgelegten Unterlagen, wurden Empfehlungsschreiben, Nachweise des Besuchs von Deutschkursen und Anwesenheitsnachweise für den BF in einem Wirtschaftshof im Jahr 2018 sowie mithilfe in einem Verein vorgelegt.

II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:

1. Feststellungen:

1.1. Zur Person des Beschwerdeführers:

1.1.1. Der volljährige Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Afghanistan, stammt ursprünglich aus der Stadt Kabul und gehört der Volksgruppe der Hazara an. Seine Identität steht nicht fest. Seine gesamte Familie (Ehefrau, fünf Kinder, Mutter sowie Geschwister) lebt im Iran. Sein Vater ist bereits verstorben. Seine Ehefrau ist selbsterhaltungsfähig und ist im Iran als Näherin tätig, auch seine Töchter gehen Erwerbstätigkeiten nach. Der Beschwerdeführer lebte bis zum achten Lebensjahr im Herkunftsstaat und übersiedelte anschließend mit seiner Familie in den Iran, wo er bis zu seiner Ausreise wohnhaft war. Er hat im Iran ein Jahr einen Kurs zur Bekämpfung des Analphabetismus besucht und war anschließend als Pflücker, in der Baubranche sowie in einer Ziegelfabrik tätig.

1.1.2. Der Beschwerdeführer spricht zwar Farsi, wurde jedoch nach den afghanischen Gepflogenheiten und der afghanischen Kultur sozialisiert.

1.1.3. Bei dem Beschwerdeführer handelt es sich um einen gesunden Mann im arbeitsfähigen Alter. Dem Beschwerdeführer ist eine Teilnahme am Erwerbsleben im Herkunftsstaat zumutbar.

1.1.4. Der Beschwerdeführer lebt in Österreich zum überwiegenden Teil aus den Mitteln der Grundversorgung und ist nicht selbsterhaltungsfähig.

Der Beschwerdeführer leidet an keinen schweren körperlichen oder psychischen Erkrankungen.

1.1.5. Der Beschwerdeführer hat in Österreich keinen Personen zu denen ein besonders zu berücksichtigendes Nahe – bzw. Abhängigkeitsverhältnis besteht.

1.1.6. Der strafrechtlich unbescholtene Beschwerdeführer ist seit seiner Antragstellung durchgehend ausschließlich auf Grund des vorläufigen Aufenthaltsrechts während des Asylverfahrens rechtmäßig im Bundesgebiet aufhältig. Der Beschwerdeführer verfügt über Deutschkenntnisse; er hat in Österreich Deutschkurse sowie Integrationsmodule und Kurse absolviert. Er ist zudem ehrenamtlich im Fahrradservice eines Vereins tätig.

Das Bestehen von besonderen Gründen, die für ein Verbleiben des Beschwerdeführers im Bundesgebiet sprechen, sind dem vorliegenden Verwaltungsakt nicht zu entnehmen.

Das Vorliegen einer insgesamt besonders berücksichtigungswürdigen Integration in Österreich kann in casu nicht festgestellt werden.

1.2. Zu den angegebenen Fluchtgründen des Beschwerdeführers:

1.2.1. Der Beschwerdeführer war in Afghanistan keiner konkreten, ihn persönlich unmittelbar betreffenden asylrechtlich relevanten individuellen Verfolgung ausgesetzt und wurden von ihm asylrelevante Gründe für das Verlassen des Heimatstaates Afghanistan insgesamt glaubhaft nicht dargetan.

1.2.2. Darüber hinaus kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer wegen seiner Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Hazara konkret und individuell physische oder psychische Gewalt in Afghanistan droht. Ebenso wenig konnte festgestellt werden, dass Angehörige der Volksgruppe der Hazara in Afghanistan allein aufgrund der Volksgruppenzugehörigkeit physischer oder psychischer Gewalt ausgesetzt sind.

1.2.3. Es ist nicht glaubhaft, bzw. wurde von diesem glaubhaft und nachvollziehbar nicht dargelegt, dass dem Beschwerdeführer in Afghanistan aus Gründen der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Gesinnung zukünftig Verfolgung droht.

1.2.4. Den Iran verließ der BF im Jahr 2015 aufgrund schwieriger Verhältnisse für Afghanen und stellte wegen dieser Gründe in Österreich von dort kommend gegenständlichen Asylantrag. Diesen Problemen im Iran kommt im gegenständlichen Verfahren keine asylrechtliche Entscheidungsrelevanz zu. Seinen Problemen mit einem Bauingenieur kommt im Verfahren keine Entscheidungsrelevanz zu.

1.2.5. Es wird dem Verfahren nicht zugrunde gelegt, dass der BF aufgrund der politischen Tätigkeit seines Vaters einer asylrelevanten Verfolgung unterliegt.

Das Vorliegen einer den Beschwerdeführer unmittelbar und konkret betreffenden asylrechtlich relevanten Gefährdung in Afghanistan konnte dieser insgesamt glaubhaft und nachvollziehbar nicht darlegen, bzw. wurde das Vorliegen einer solchen insgesamt nicht dargelegt.

1.3 Zur Rückkehrsituation

1.3.1. Der Beschwerdeführer ist im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan keinen unmittelbar individuell gegen ihn gerichteten physischen und/oder psychischen Gewalthandlungen ausgesetzt.

1.3.2. Es kann nicht festgestellt werden, dass dem Beschwerdeführer aufgrund der Tatsache, dass er im Iran und nunmehr in Europa gelebt hat, konkret und individuell bzw. dass jedem afghanischen Rückkehrer aus dem Iran oder aus Europa physische und/oder psychische Gewalt in Afghanistan droht. Der Beschwerdeführer hat sich in Österreich keine Lebenseinstellung angeeignet, die einen nachhaltigen und deutlichen Bruch mit den allgemein verbreiteten gesellschaftlichen Werten in Afghanistan darstellt. Es liegt keine westliche Lebenseinstellung beim Beschwerdeführer vor, die wesentlicher Bestandteil seiner Persönlichkeit geworden ist, und die ihn in Afghanistan exponieren würde.

1.3.3. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan und einer Niederlassung insbesondere in der Stadt Kabul, Mazar-e Sharif oder Herat, besteht für den Beschwerdeführer als arbeitsfähigen Mann im berufsfähigen Alter ohne festgestellten besonderen Schutzbedarf keine berücksichtigungswürdige Bedrohungssituation, bzw. läuft dieser dort auch nicht in Gefahr, grundlegende und notwendige Lebensbedürfnisse wie Nahrung, Kleidung sowie Unterkunft nicht befriedigen zu können und in eine ausweglose bzw. existenzbedrohende Situation zu geraten.

1.3.4. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan drohen dem Beschwerdeführer individuell und konkret weder Lebensgefahr noch ein Eingriff in seine körperliche Integrität durch Mitglieder der Taliban oder durch andere Personen. Bei einer Rückkehr nach Afghanistan droht dem Beschwerdeführer auch keine Zwangsrekrutierung durch die Taliban oder durch andere Personen.

1.3.5. Das BFA hat ein insgesamt mängelfreies Verfahren durchgeführt. Die belangte Behörde ist im gegenständlichen Verfahren ihrer Ermittlungspflicht durch die Vornahme einer detaillierten Befragung nachgekommen und dem angefochtenen Bescheid ist ein im vorliegenden Verwaltungsakt dokumentiert umfassendes Ermittlungsverfahren vorangegangen. Der Sachverhalt wurde unter schlüssiger Beweiswürdigung des Bundesamtes festgestellt und rechtlich korrekt durch das BFA gewürdigt.

1.3.6. In der Beschwerde konnten glaubhaft keine wesentlichen, bzw. verfahrensrelevant neuen Sachverhaltselemente glaubhaft bzw. substantiiert begründet dargelegt werden, welche geeignet wären, die von der belangten Behörde getroffenen Entscheidungen grundlegend in Frage zu stellen.

1.3.7. Der Beschwerdeführer ist gesund und gehört mit Blick auf sein Alter und das Fehlen physischer (chronischer) Vorerkrankungen keiner spezifischen Risikogruppe betreffend COVID-19 an. Es besteht keine hinreichende Wahrscheinlichkeit, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Afghanistan eine COVID-19-Erkrankung mit schwerwiegendem oder tödlichem Verlauf bzw. mit dem Bedarf einer intensivmedizinischen Behandlung bzw. einer Behandlung in einem Krankenhaus erleiden würde.

1.3. Zur Situation im Herkunftsstaat wird Folgendes festgestellt: (gekürzt und zusammengefasst durch das BVwG)

Länderspezifische Anmerkungen

COVID-19:

Das genaue Ausmaß der COVID-19-Krise in Afghanistan ist unbekannt. Die hier gesammelten Informationen sollen die Lage zu COVID-19 in Afghanistan zum Zeitpunkt der Berichtserstellung wiedergeben. Diese Informationen werden in regelmäßigen Abständen aktualisiert.

Berichten zufolge, haben sich mehr als 30.000 Menschen in Afghanistan mit COVID-19 angesteckt (WP 25.5.2020; vgl. JHU 26.6.2020), mehr als 670 sind daran gestorben. Dem Gesundheitsministerium zufolge, liegen die tatsächlichen Zahlen viel höher; auch bestünde dem Ministerium zufolge die Möglichkeit, dass in den kommenden Monaten landesweit bis zu 26 Millionen Menschen mit dem Virus infiziert werden könnten, womit die Zahl der Todesopfer 100.000 übersteigen könnte. Die COVID-19 Testraten sind extrem niedrig in Afghanistan: weniger als 0,2% der Bevölkerung – rund 64.900 Menschen von geschätzten 37,6 Millionen Einwohnern – wurden bis jetzt auf COVID-19 getestet (WP 25.6.2020).

In vier der 34 Provinzen Afghanistans – Nangahar, Ghazni, Logar und Kunduz – hat sich unter den Sicherheitskräften COVID-19 ausgebreitet. In manchen Einheiten wird eine Infektionsrate von 60-90% vermutet. Dadurch steht weniger Personal bei Operationen und/oder zur Aufnahme des Dienstes auf Außenposten zur Verfügung (WP 25.6.2020).

In Afghanistan sind landesweit derzeit Mobilität, soziale und geschäftliche Aktivitäten sowie Regierungsdienste eingeschränkt. In den größeren Städten wie z.B. Kabul, Kandahar, Mazar-e Sharif, Jalalabad, Parwan usw. wird auf diese Maßnahmen stärker geachtet und dementsprechend kontrolliert. Verboten sind zudem auch Großveranstaltungen – Regierungsveranstaltungen, Hochzeitsfeiern, Sportveranstaltungen – bei denen mehr als zehn Personen zusammenkommen würden (RA KBL 19.6.2020). In der Öffentlichkeit ist die Bevölkerung verpflichtet einen Nasen-Mund-Schutz zu tragen (AJ 8.6.2020).

Wirksame Maßnahmen der Regierung zur Bekämpfung von COVID-19 scheinen derzeit auf keiner Ebene möglich zu sein: der afghanischen Regierung zufolge, lebt 52% der Bevölkerung in Armut, während 45% in Ernährungsunsicherheit lebt (AF 24.6.2020). Dem Lockdown folge zu leisten, "social distancing" zu betreiben und zuhause zu bleiben ist daher für viele keine Option, da viele Afghan/innen arbeiten müssen, um ihre Familien versorgen zu können (AJ 8.6.2020).

Gesellschaftliche Maßnahmen zur Bekämpfung der COVID-19 Auswirkungen

In Kabul, hat sich aus der COVID-19-Krise heraus ein "Solidaritätsprogramm" entwickelt, welches später in anderen Provinzen repliziert wurde. Eine afghanische Tageszeitung rief Hausbesitzer dazu auf, jenen ihrer Mieter/innen, die Miete zu reduzieren oder zu erlassen, die aufgrund der Ausgangsbeschränkungen nicht arbeiten konnten. Viele Hausbesitzer folgten dem Aufruf (AF 24.6.2020).

Bei der Spendenaktion „Kocha Ba Kocha“ kamen junge Freiwillige zusammen, um auf die wirtschaftlichen Auswirkungen der Pandemie zu reagieren, indem sie Spenden für bedürftige Familien sammelten und ihnen kostenlos Nahrungsmittel zur Verfügung stellten. In einem weiteren Fall startete eine Privatbank eine Spendenkampagne, durch die 10.000 Haushalte in Kabul und andere Provinzen monatlich mit Lebensmitteln versorgt wurden. Außerdem initiierte die afghanische Regierung das sogenannte „kostenlose Brot“-Programm; bei dem bedürftige Familien – ausgewählt durch Gemeindeälteste – rund einen Monat lang mit kostenlosem Brot versorgt werden (AF 24.6.2020). In dem mehrphasigen Projekt, erhält täglich jede Person innerhalb einer Familie zwei Stück des traditionellen Brots, von einer Bäckerei in der Nähe ihres Wohnortes (TN 15.6.2020). Die Regierung kündigte kürzlich an, das Programm um einen weiteren Monat zu verlängern (AF 24.6.2020; vgl. TN 15.6.2020). Beispielsweise beklagten sich bedürftige Familien in der Provinz Jawzjan über Korruption im Rahmen dieses Projektes (TN 20.5.2020).

Weitere Maßnahmen der afghanischen Regierung

Schulen und Universitäten sind nach aktuellem Stand bis September 2020 geschlossen (AJ 8.6.2020; vgl. RA KBL 19.6.2020). Über Fernlernprogramme, via Internet, Radio und Fernsehen soll der traditionelle Unterricht im Klassenzimmer vorerst weiterhin ersetzen werden (AJ 8.6.2020). Fernlehre funktioniert jedoch nur bei wenigen Studierenden. Zum Einen können sich viele Familien weder Internet noch die dafür benötigten Geräte leisten und zum Anderem schränkt eine hohe Analphabetenzahl unter den Eltern in Afghanistan diese dabei ein, ihren Kindern beim Lernen behilflich sein zu können (HRW 18.6.2020).

Die großen Reisebeschränkungen wurden mittlerweile aufgehoben; die Bevölkerung kann nun in alle Provinzen reisen(RA KBL 19.6.2020). Afghanistan hat mit 24.6.2020 den internationalen Flugverkehr mit einem Turkish Airlines-Flug von Kabul nach Istanbul wiederaufgenommen; wobei der Flugplan aufgrund von Restriktionen auf vier Flüge pro Woche beschränkt wird (AnA 24.6.2020). Emirates, eine staatliche Fluglinie der Vereinigten Arabischen Emirate, hat mit 25.6.2020 Flüge zwischen Afghanistan und Dubai wiederaufgenommen (AnA 24.6.2020; vgl. GN 9.6.2020). Zwei afghanische Fluggesellschaften Ariana Airlines und der lokale private Betreiber Kam Air haben ebenso Flüge ins Ausland wiederaufgenommen (AnA 24.6.2020). Bei Reisen mit dem Flugzeug sind grundlegende COVID-19-Schutzmaßnahmen erforderlich (RA KBL 19.6.2020). Wird hingegen die Reise mit dem Auto angetreten, so sind keine weiteren Maßnahmen erforderlich. Zwischen den Städten Afghanistans verkehren Busse. Grundlegende Schutzmaßnahmen nach COVID-19 werden von der Regierung zwar empfohlen – manchmal werden diese nicht vollständig umgesetzt (RA KBL 19.6.2020).

Seit 1.1.2020 beträgt die Anzahl zurückgekehrter Personen aus dem Iran und Pakistan: 339.742; 337.871 Personen aus dem Iran (247.082 spontane Rückkehrer/innen und 90.789 wurden abgeschoben) und 1.871 Personen aus Pakistan (1.805 spontane Rückkehrer/innen und 66 Personen wurden abgeschoben) (UNHCR 20.6.2020).

Situation in der Grenzregion und Rückkehr aus Pakistan

Die Grenze zu Pakistan war fast drei Monate lang aufgrund der COVID-19-Pandemie gesperrt. Mit 22.6.2020 erhielt Pakistan an drei Grenzübergängen erste Exporte aus Afghanistan: frisches Obst und Gemüse wurde über die Grenzübergänge Torkham, Chaman und Ghulam Khan nach Pakistan exportiert. Im Hinblick auf COVID-19 wurden Standardarbeitsanweisungen (SOPs – standard operating procedures) für den grenzüberschreitenden Handel angewandt (XI 23.6.2020). Der bilaterale Handel soll an sechs Tagen der Woche betrieben werden, während an Samstagen diese Grenzübergänge für Fußgänger reserviert sind (XI 23.6.2020; vgl. UNHCR 20.6.2020); in der Praxis wurde der Fußgängerverkehr jedoch häufiger zugelassen (UNHCR 20.6.2020).

Pakistanischen Behörden zufolge waren die zwei Grenzübergänge Torkham und Chaman auf Ansuchen Afghanistans und aus humanitären Gründen bereits früher für den Transithandel sowie Exporte nach Afghanistan geöffnet worden (XI 23.6.2020).

Situation in der Grenzregion und Rückkehr aus dem Iran

Die Anzahl aus dem Iran abgeschobener Afghanen ist im Vergleich zum Monat Mai stark gestiegen. Berichten zufolge haben die Lockerungen der Mobilitätsmaßnahmen dazu geführt, dass viele Afghanen mithilfe von Schmugglern in den Iran ausreisen. UNHCR zufolge, gaben Interviewpartner/innen an, kürzlich in den Iran eingereist zu sein, aber von der Polizei verhaftet und sofort nach Afghanistan abgeschoben worden zu sein (UNHCR 20.6.2020).

Quellen:

AF - Asia Foundation (24.6.2020): Afghanistan’s Covid-19 Bargain, https://asiafoundation.org/2020/06/24/afghanistans-covid-19-bargain/, Zugriff 26.6.2020

AJ - al-Jazeera (8.6.2020): Afghan schools, universities to remain closed until September, https://www.aljazeera.com/news/2020/06/afghan-schools-universities-remain-closed-september-200608062711582.html, Zugriff 26.6.2020

AnA – Andolu Agency (24.6.2020): Afghanistan resumes international flights amid COVID-19, https://www.aa.com.tr/en/asia-pacific/afghanistan-resumes-international-flights-amid-covid-19/1888176, Zugriff 26.6.2020

GN – Gulf News (9.6.2020): COVID-19: Emirates to resume regular passenger flights to Kabul from June 25, https://gulfnews.com/uae/covid-19-emirates-to-resume-regular-passenger-flights-to-kabul-from-june-25-1.71950323, Zugriff 26.6.2020

HRW - Human Rights Watch (18.6.2020): School Closures Hurt Even More in Afghanistan, https://www.hrw.org/news/2020/06/18/school-closures-hurt-even-more-afghanistan, Zugriff 26.6.2020

JHU -John Hopkins Universität (26.6.2020): COVID-19 Dashboard by the Center for Systems Science and Engineering (CSSE) at Johns Hopkins University (JHU), https://coronavirus.jhu.edu/map.html, Zugriff 26.6.2020

RA KBL – Rechtsanwalt in Kabul (19.6.2020): Antwortschreiben per Mail, liegt bei der Staatendokumentation auf.

TN – Tolonews (15.6.2020): Govt Will Resume Bread Distribution: Palace, https://tolonews.com/afghanistan/govt-will-resume-bread-distribution-palace, Zugriff 29.6.2020

TN – Tolonews (15.6.2020): Poor Claim ‘Unjust’ Bread Distribution in Jawzjan, https://tolonews.com/afghanistan/poor-claim-%E2%80%98unjust%E2%80%99-bread-distribution-jawzjan, Zugriff 29.6.2020

UNHCR – (20.6.2020): Border Monitoring Update COVID-19 Response 14-20 June 2020, https://data2.unhcr.org/en/documents/download/77302, Zugriff 26.6.2020

WHO – World Health Organization (25.3.2020): Coronavirus disease 2019 (COVID-19) Situation Report –65, https://www.who.int/docs/default-source/coronaviruse/situation-reports/20200325-sitrep-65-covid-19.pdf?sfvrsn=2b74edd8_2, Zugriff 16.4.2020

WP - Washington Post (25.6.2020): Coronavirus sweeps through Afghanistan’s security forces, https://www.washingtonpost.com/world/asia_pacific/afghanistan-coronavirus-security-forces-military/2020/06/24/0063c828-b4e2-11ea-9a1d-d3db1cbe07ce_story.html, Zugriff 26.6.2020

XI – Xinhua (23.6.2020): Pakistan receives 1st Afghan export since COVID-19 pandemic, http://www.xinhuanet.com/english/2020-06/23/c_139159139.htm, Zugriff 26.6.2020

Stand: 18.5.2020

Das genaue Ausmaß der COVID-19-Krise in Afghanistan ist unbekannt. Die hier gesammelten Informationen sollen die Lage zu COVID-19 in Afghanistan zum Zeitpunkt der Berichtserstellung wiedergeben. Diese Informationen werden in regelmäßigen Abständen aktualisiert.

In 30 der 34 Provinzen Afghanistans wurden mittlerweile COVID-19-Fälle registriert (NYT 22.4.2020). Nachbarländer von Afghanistan, wie China, Iran und Pakistan, zählen zu jenen Ländern, die von COVID-19 besonders betroffen waren bzw. nach wie vor sind. Dennoch ist die Anzahl, der mit COVID-19 infizierten Personen relativ niedrig (AnA 21.4.2020). COVID-19 Verdachtsfälle können in Afghanistan aufgrund von Kapazitätsproblem bei Tests nicht überprüft werden – was von afghanischer Seite bestätigt wird (DW 22.4.2020; vgl. QA 16.4.2020; NYT 22.4.2020; ARZ KBL 7.5.2020). Auch wird die Dunkelziffer von afghanischen Beamten höher geschätzt (WP 20.4.2020). In Afghanistan können derzeit täglich 500 bis 700 Personen getestet werden. Diese Kapazitäten sollen in den kommenden Wochen auf 2.000 Personen täglich erhöht werden (WP 20.4.2020). Die Regierung bemüht sich noch weitere Testkits zu besorgen – was Angesicht der derzeitigen Nachfrage weltweit, eine Herausforderung ist (DW 22.4.2020).

Landesweit können – mit Hilfe der Vereinten Nationen – in acht Einrichtungen COVID-19-Testungen durchgeführt werden (WP 20.4.2020). Auch haben begrenzte Laborkapazitäten und -ausrüstung einige Einrichtungen dazu gezwungen Testungen vorübergehend einzustellen (WP 20.4.2020). Unter anderem können COVID-19-Verdachtsfälle in Einrichtungen folgender Provinzen überprüft werden: Kabul, Herat, Nangarhar (TN 30.3.2020) und Kandahar. COVID-19 Proben aus angrenzenden Provinzen wie Helmand, Uruzgan und Zabul werden ebenso an die Einrichtung in Kandahar übermittelt (TN 7.4.2020a).

Jahrzehntelange Konflikte in Afghanistan machen das Land anfällig für den Ausbruch von Krankheiten: nach wie vor ist Polio dort endemisch (als eines von drei Ländern weltweit) (WP 20.4.2020) außerdem ist das Gesundheitssystem fragil (AnA 21.4.2020; vgl. QA 16.4.2020; ARZ KBL 7.5.2020). Beispielsweise mangelt es an adäquaten Medikamenten für Patient/innen, die an COVID-19 erkrankt sind. Jedoch sind die wenigen Medikamente, die hierfür zur Verfügung stehen, kostenfrei (ARZ KBL 7.5.2020). Der landesweite Mangel an COVID-19-Testkits sowie an Isolations- und Behandlungseinrichtungen verdeutlichen diese Herausforderung (AnA 21.4.2020; vgl. ARZ KBL 7.5.2020). Landesweit stehen 10.400 Krankenhausbetten (BBC 9.4.2020) und 300 Beatmungsgeräte zur Verfügung (TN 8.4.2020; vgl. DW 22.4.2020; QA 16.4.2020). 300 weitere Beatmungsgeräte plant die afghanische Regierung zu besorgen. Weiters mangelt es an geschultem Personal, um diese medizinischen Geräte in Afghanistan zu bedienen und zu warten (DW 22.4.2020; vgl. ARZ KBL 7.5.2020). Engpässe bestehen bei den PPE (personal protective equipment), persönlichen Schutzausrüstungen für medizinisches Personal; außerdem wird mehr fachliches Personal benötigt, um Patient/innen auf den Intensivstationen zu betreuen (ARZ KBL 7.5.2020).

Aufgrund der Nähe zum Iran gilt die Stadt Herat als der COVID-19-Hotspot Afghanistans (DW 22.4.2020; vgl. NYT 22.4.2020); dort wurde nämlich die höchste Anzahl bestätigter COVID-19-Fälle registriert (TN 7.4.2020b; vgl. DW 22.4.2020). Auch hat sich dort die Anzahl positiver Fälle unter dem Gesundheitspersonal verstärkt. Mitarbeiter/innen des Gesundheitswesens berichten von fehlender Schutzausrüstung – die Provinzdirektion bestätigte dies und erklärtes mit langwierigen Beschaffungsprozessen (TN 7.4.2020b). Betten, Schutzausrüstungen, Beatmungsgeräte und Medikamente wurden bereits bestellt – jedoch ist unklar, wann die Krankenhäuser diese Dinge tatsächlich erhalten werden (NYT 22.4.2020). Die Provinz Herat verfügt über drei Gesundheitseinrichtungen für COVID-19-Patient/innen. Zwei davon wurden erst vor kurzem errichtet; diese sind für Patient/innen mit leichten Symptomen bzw. Verdachtsfällen des COVID-19 bestimmt. Patient/innen mit schweren Symptomen hingegen, werden in das Regionalkrankenhaus von Herat, welches einige Kilometer vom Zentrum der Provinz entfernt liegt, eingeliefert (TN 7.4.2020b). In Hokerat wird die Anzahl der Beatmungsgeräte auf nur 10 bis 12 Stück geschätzt (BBC 9.4.2020; vgl. TN 8.4.2020).

Beispiele für Maßnahmen der afghanischen Regierung

Eine Reihe afghanischer Städte wurde abgesperrt (WP 20.4.2020), wie z.B. Kabul, Herat und Kandahar (TG 1.4.2020a). Zusätzlich wurde der öffentliche und kommerzielle Verkehr zwischen den Provinzen gestoppt (WP 20.4.2020). Beispielsweise dürfen sich in der Stadt Kabul nur noch medizinisches Personal, Bäcker, Journalist/innen, (Nahrungsmittel)Verkäufer/innen und Beschäftigte im Telekommunikationsbereich bewegen. Der Kabuler Bürgermeister warnte vor "harten Maßnahmen" der Regierung, die ergriffen werden, sollten sich die Einwohner/innen in Kabul nicht an die Anordnungen halten, unnötige Bewegungen innerhalb der Stadt zu stoppen. Die Sicherheitskräfte sind beauftragt zu handeln, um die Beschränkung umzusetzen (TN 9.4.2020a).

Mehr als die Hälfte der afghanischen Bevölkerung lebt unterhalb der Armutsgrenze (WP 22.4.2020): Aufgrund der Maßnahmen sorgen sich zehntausende Tagelöhner in Kabul und Herat um ihre Existenz. UNICEF zufolge, arbeiten allein in Kabul mindestens 60.000 Kinder, um das Familieneinkommen zu ersetzen (TG 1.4.2020). Offiziellen Schätzungen zufolge können z.B. in Herat-Stadt 150.000 Tagelöhner aufgrund des Lockdowns nicht arbeiten und haben somit kein Einkommen. Weil es in Herat an Ressourcen mangelt, um Hunderttausende zu ernähren, nimmt die Bevölkerung die Bedrohung durch das Virus nicht ernst. Zwar hat die Bevölkerung anfangs großzügig gespendet, aber auch diese Spenden werden weniger, nachdem die langfristigen wirtschaftlichen Auswirkungen auf Unternehmen sichtbar werden (NYT 22.4.2020).

Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) und die International Organization for Migration (IOM) unterstützen das afghanische Ministerium für öffentliche Gesundheit (MOPH) (WHO MIT 10.5.2020; vgl. IOM 11.5.2020); die WHO übt eine beratende Funktion aus und unterstützt die afghanische Regierung in vier unterschiedlichen Bereichen während der COVID-19-Krise (WHO MIT 10.5.2020): 1. Koordination; 2. Kommunikation innerhalb der Gemeinschaften 3. Monitoring (durch eigens dafür eingerichtete Einheiten – speziell was die Situation von Rückkehrer/innen an den Grenzübergängen und deren weitere Bewegungen betrifft) und 4. Kontrollen an Einreisepunkten – an den 4 internationalen Flughäfen sowie 13 Grenzübergängen werden medizinische Kontroll- und Überwachungsaktivitäten durchgeführt (WHO MIT 10.5.2020; vgl. IOM 11.5.2020).

Taliban und COVID-19

Ein Talibansprecher verlautbarte, dass die Taliban den Konflikt pausieren könnten, um Gesundheitsbehörden zu erlauben, in einem von ihnen kontrollierten Gebiet zu arbeiten, wenn COVID-19 dort ausbrechen sollte (TN 2.4.2020; vgl. TD 2.4.2020). In der nördlichen Provinz Kunduz, hätten die Taliban eine Gesundheitskommision gegründet, die direkt in den Gemeinden das öffentliche Bewusstsein hinsichtlich des Virus stärkt. Auch sollen Quarantänezentren eingerichtet worden sein, in denen COVID-19-Verdachtsfälle untergebracht wurden. Die Taliban hätten sowohl Schutzhandschuhe, als auch Masken und Broschüren verteilt; auch würden sie jene, die aus anderen Gebieten kommen, auf COVID-19 testen (TD 2.4.2020). Auch in anderen Gebieten des Landes, wie in Baghlan, wird die Bevölkerung im Rahmen einer Informationsveranstaltung in der Moschee über COVID-19 informiert. Wie in der Provinz Kunduz, versorgen die Taliban die Menschen mit (Schutz)material, helfen Entwicklungshelfern dabei zu jenen zu gelangen, die in Taliban kontrollierten Gebieten leben und bieten sichere Wege zu Hilfsorganisationen, an (UD 13.3.2020).

Der Umgang der Taliban mit der jetzigen Ausnahmesituation wirft ein Schlaglicht auf den Modus Operandi der Truppe. Um sich die Afghanen in den von ihnen kontrollierten Gebieten gewogen zu halten, setzen die Taliban auf Volksnähe. Durch die Präsenz vor Ort machten die Islamisten das Manko wett, dass sie kein Geld hätten, um COVID-19 medizinisch viel entgegenzusetzen: Die Taliban können Prävention betreiben, behandeln können sie Erkrankte nicht (NZZ 7.4.2020).

Aktuelle Informationen zu Rückkehrprojekten

IOM Österreich unterstützt auch derzeit Rückkehrer/innen im Rahmen der freiwilligen Rückkehr. Aufgrund des stark reduzierten Flugbetriebs ist die Rückkehr seit April 2020 nur in sehr wenige Länder tatsächlich möglich. Neben der Reiseorganisation bietet IOM Österreich dabei, wie bekannt, Unterstützung bei der Ausreise am Flughafen Wien Schwechat an (IOM AUT 18.5.2020).

IOM Österreich bietet derzeit, aufgrund der COVID-19-Lage, folgende Aktivitäten an:

•        Qualitätssicherung in der Rückkehrberatung (Erarbeitung von Leitfäden und Trainings)

•        Unterstützung bei der freiwilligen Rückkehr und Reintegration im Rahmen der vorhandenen Möglichkeiten (Virtuelle Beratung, Austausch mit Rückkehrberatungseinrichtungen und Behörden, Monitoring der Reisemöglichkeiten) (IOM AUT 18.5.2020).

Das Projekt RESTART III – Unterstützung des österreichischen Rückkehrsystems und der Reintegration freiwilliger Rückkehrer/innen in Afghanistan“ wird bereits umgesetzt. Derzeit arbeiten die österreichischen IOM-Mitarbeiter/innen vorwiegend an der ersten Komponente (Unterstützung des österreichischen Rückkehrsystems) und erarbeiten Leitfäden und Trainingsinhalte. Die Unterstützung der freiwilligen Rückkehr nach Afghanistan ist derzeit aufgrund fehlender Flugverbindungen nicht möglich. IOM beobachtet die Situation und steht diesbezüglich in engem Austausch mit den zuständigen Rückkehrberatungseinrichtungen und den österreichischen Behörden (IOM AUT 18.5.2020)

Mit Stand 18.5.2020, sind im laufenden Jahr bereits 19 Projektteilnehmer/innen nach Afghanistan zurückgekehrt. Mit ihnen, als auch mit potenziellen Projektteilnehmer/innen, welche sich noch in Österreich befinden, steht IOM Österreich in Kontakt und bietet Beratung/Information über virtuelle Kommunikationswege an (IOM AUT 18.5.2020).

Informationen von IOM Kabul zufolge, sind IOM-Rückkehrprojekte mit Stand 13.5.2020 auch weiterhin in Afghanistan operativ (IOM KBL 13.5.2020).

Quellen:

•        AnA – Andalous (21.4.2020): COVID-19 rips through fragile Afghan health system, https://www.aa.com.tr/en/asia-pacific/covid-19-rips-through-fragile-afghan-health-system-/1812821, Zugriff 23.4.2020

•        ARZ KBL – Arzt in Kabul (7.5.2020): Antwortschreiben per E-Mail; liegt bei der Staatendokumentation auf.

•        BBC (9.4.2020): Coronavirus: The porous borders where the virus cannot be controlled, https://www.bbc.com/news/world-asia-52210479, Zugriff 9.4.2020

•        DW – Deutsche Welle (22.4.2020): Coronavirus: Tough times ahead as Afghanistan struggles to manage pandemic, https://www.dw.com/en/coronavirus-tough-times-ahead-as-afghanistan-struggles-to-manage-pandemic/a-53207173, Zugriff 23.4.2020

•        IOM AUT – International Organization for Migration in Austria (27.3.2020): Antwortschreiben per E-Mail.

•        IOM KBL – International Organization for Migration Kabul Chapter (13.5.2020): Antwortschreiben per E-Mail.

•        IOM – International Organization for Migration (11.5.2020): Return of Undocumented Afghans - Weekly Situation Report (03-09 May 2020), https://afghanistan.iom.int/sites/default/files/Reports/iom_afghanistan-return_of_undocumented_afghans-_situation_report_03-09_may_2020.pdf, Zugriff 13.5.2020

•        NYT – New York Times (22.4.2020): Afghanistan’s Next War, https://www.nytimes.com/interactive/2020/04/22/magazine/afghanistan-coronavirus.html?searchResultPosition=3, Zugriff 24.4.2020

•        NZZ – Neue Züricher Zeitung (7.4.2020): Die Taliban, dein Freund und Helfer, https://www.nzz.ch/international/afghanistan-die-taliban-betreiben-corona-praevention-ld.1550115, Zugriff 9.4.2020

•        TG – The Guardian (1.4.2020): 'No profit, no food': lockdown in Kabul prompts hunger fears, https://www.theguardian.com/global-development/2020/apr/01/no-profit-no-food-lockdown-in-kabul-prompts-hunger-fears, Zugriff 2.4.2020

•        TG – The Guardian (1.4.2020a): Afghanistan braces for coronavirus surge as migrants pour back from Iran, https://www.theguardian.com/global-development/2020/apr/01/afghanistan-braces-for-coronavirus-surge-as-migrants-pour-back-from-iran, Zugriff 2.4.2020

•        TN – Tolonews (9.4.2020): 40 New COVID-19 Cases in Afghanistan, Total 484, https://tolonews.com/health/40-new-covid-19-cases-afghanistan-total-484, Zugriff 9.4.2020

•        TN – Tolonews (9.4.2020a): Andarabi: All Kabul Roads Will be Blocked, https://tolonews.com/afghanistan/andarabi-all-kabul-roads-will-be-blocked, Zugriff 9.4.2020

•        TN – Tolonews (8.4.2020): Only '300' Ventilators in Afghanistan to Treat COVID-19: MoPH, https://tolonews.com/index.php/afghanistan/only-300-ventilators-afghanistan-treat-covid-19-moph, Zugriff 9.4.2020

•        TN – Tolonews (8.4.2020a): Kabul Clinic Shut Down After Doctor Dies from COVID-19, https://tolonews.com/index.php/health/amiri-medical-complex%E2%80%99s-activities-suspended-health-ministry, Zugriff 9.4.2020

•        TN – Tolonews (7.4.2020): Number of COVID-19 Cases in Afghanistan: 367, https://tolonews.com/health/number-covid-19-cases-afghanistan-367, Zugriff 8.4.2020

•        TN – Tolonews (7.4.2020a): Coronavirus Testing Lab Opens in Kandahar: Officials, https://tolonews.com/health/coronavirus-testing-lab-opens-kandahar-officials, Zugriff 8.4.2020

•        TN – Tolonews (7.4.2020b): 41 Health Workers Test Positive for Coronavirus in Herat, https://tolonews.com/afghanistan/41-health-workers-test-positive-coronavirus-herat, Zugriff 8.4.2020

•        UD – Undark (2.4.2020): With Taliban Help, Afghanistan Girds for a Virus, https://undark.org/2020/04/02/afghanistan-covid-19/, Zugriff 8.4.2020

•        WHO MIT – Mitarbeiter der Weltgesundheitsorganisation (WHO) in Mazar-e Sharif (10.5.2020): Antwortschreiben per E-Mail; liegt bei der Staatendokumentation auf.

•        WP – Washington Post (20.4.2020): More than a dozen staff members in Afghanistan’s presidential palace test positive for coronavirus, https://www.washingtonpost.com/world/asia_pacific/afghanistan-coronavirus-presidential-palace/2020/04/20/5836a856-8308-11ea-81a3-9690c9881111_story.html, Zugriff 24.4.2020

Neueste Ereignisse – Integrierte Kurzinformationen

Allgemeine Sicherheitslage und sicherheitsrelevante Vorfälle

Politische Ereignisse: Friedensgespräche. Loya Jirga, Ergebnisse Parlamentswahl Ende Mai 2019 fand in Moskau die zweite Runde der Friedensgespräche zwischen den Taliban und afghanischen Politikern (nicht der Regierung. Anm.) statt. Bei dem Treffen äußerte ein Mitglied der Taliban. Amir Khan Muttaqi, den Wunsch der Gruppierung nach Einheit der afghanischen Bevölkerung und nach einer „inklusiven“ zukünftigen Regierung. Des Weiteren behauptete Muttaqi. die Taliban würden die Frauenrechte respektieren wollen. Ein ehemaliges Mitglied des afghanischen Parlaments. Fawzia Koofi, äußerte dennoch ihre Bedenken und behauptete. die Taliban hätten kein Interesse daran. Teil der aktuellen Regierung zu sein. und dass die Gruppierung weiterhin für ein islamisches Emirat stünde. (Tolonews 31.5.2019a).

Vom 29.4.2019 bis 3.5.2019 tagte in Kabul die „große Ratsversammlung“ (Loya Jirga). Dabei verabschiedeten deren Mitglieder eine Resolution mit dem Ziel. einen Friedensschluss mit den Taliban zu erreichen und den inner-afghanischen Dialog zu fördern. Auch bot Präsident Ghani den Taliban einen Waffenstillstand während des Ramadan von 6.5.2019 bis 4.6.2019 an. betonte aber dennoch. dass dieser nicht einseitig sein würde. Des Weiteren sollten 175 gefangene Talibankämpfer freigelassen werden (BAMF 6.5.2019). Einer weiteren Quelle zufolge wurden die kritischen Äußerungen zahlreicher Jirga-Teilnehmer zu den nächtlichen Militäroperationen der USA nicht in den Endbericht aufgenommen. um die Beziehungen zwischen den beiden Staaten nicht zu gefährden. Die Taliban nahmen an dieser von der Regierung einberufenen Friedensveranstaltung nicht teil. was wahrscheinlich u.a. mit dem gescheiterten Dialogtreffen. das für Mitte April 2019 in Katar geplant war. zusammenhängt. Dort wäre die Regierung zum ersten Mal an den Friedensgesprächen mit den Taliban

beteiligt gewesen. Nachdem erstere jedoch ihre Teilnahme an die Bedingung geknüpft hatte, 250 Repräsentanten nach Doha zu entsenden und die Taliban mit Spott darauf reagierten, nahm letztendlich kein Regierungsmitarbeiter an der Veranstaltung teil. So fanden Gespräche zwischen den Taliban und Exil-Afghanen statt, bei denen viele dieser das Verhalten der Regierung öffentlich kritisierten (Heise 16.5.2019).

Anfang Mai 2019 fand in Katar auch die sechste Gesprächsrunde zwischen den Taliban und den USA statt. Der Sprecher der Taliban in Doha, Mohammad Sohail Shaheen, betonte, dass weiterhin Hoffnung hinsichtlich der inner-afghanischen Gespräche bestünde. Auch konnten sich der Quelle zufolge die Teilnehmer zwar bezüglich einiger Punkte einigen, dennoch müssten andere „wichtige Dinge" noch behandelt werden (Heise 16.5.2019).

Am 14.5.2019 hat die unabhängige Wahlkommission (Independent Electoral Commission, IEC) die Wahlergebnisse der Provinz Kabul für das afghanische Unterhaus (Wolesi Jirga) veröffentlicht (AAN 17.5.2019; vgl. IEC 14.5.2019, IEC 15.5.2019). Somit wurde nach fast sieben Monaten (die Parlamentswahlen fanden am 20.10.2018 und 21.10.2018 statt) die Stimmenauszählung für 33 der 34 Provinzen vervollständigt. In der Provinz Ghazni soll die Wahl zusammen mit den Präsidentschafts- und Provinzialratswahlen am 28.9.2019 stattfinden. In seiner Ansprache zur Angelobung der Parlamentsmitglieder der Provinzen Kabul und Paktya am 15.5.2019 bezeichnete Ghani die siebenmonatige Wahl als „Katastrophe" und die beiden Wahlkommissionen, die IEC und die Electoral Complaints Commission (ECC), als „ineffizient" (AAN 17.5.2019).

Zivile-Opfer, UNAMA-Bericht

Die United Nations Assistance Mission in Afghanistan (UNAMA) registrierte im ersten Quartal 2019 (1.1.2019 - 31.3.2019) 1.773 zivile Opfer (581 Tote und 1.192 Verletzte), darunter waren 582 der Opfer Kinder (150 Tote und 432 Verletzte). Dies entspricht einem Rückgang der gesamten Opferzahl um 23% gegenüber dem gleichen Zeitraum des Vorjahres, welches somit der niedrigste Wert für das erste Jahresquartal seit 2013 ist (UNAMA 24.4.2019).

Diese Verringerung wurde durch einen Rückgang der Zahl ziviler Opfer von Selbstmordanschlägen mit IED (Improvised Explosive Devices - unkonventionelle Spreng- und Brandvorrichtung/Sprengfallen) verursacht. Der Quelle zufolge könnten die besonders harten Winterverhältnisse in den ersten drei Monaten des Jahres 2019 zu diesem Trend beigetragen haben. Es ist unklar, ob der Rückgang der zivilen Opfer wegen Maßnahmen der

Konfliktparteien zur Verbesserung des Schutzes der Zivilbevölkerung oder durch die laufenden Gespräche zwischen den Konfliktparteien beeinflusst wurde (UNAMA 24.4.2019). Die Zahl der zivilen Opfer aufgrund von Nicht-Selbstmord-Anschlägen mit IEDs durch regierungsfeindliche Gruppierungen und Luft- sowie Suchoperationen durch regierungsfreundliche Gruppierungen ist gestiegen. Die Zahl der getöteten Zivilisten, die regierungsfreundlichen Gruppierungen zugeschrieben wurden, übertraf im ersten Quartal 2019 die zivilen Todesfälle, welche von regierungsfeindlichen Elementen verursacht wurden (UNAMA 24.4.2019).

Kampfhandlungen am Boden waren die Hauptursache ziviler Opfer und machten etwa ein Drittel der Gesamtzahl aus. Der Einsatz von IEDs war die zweithäufigste Ursache für zivile Opfer: Im Gegensatz zu den Trends von 2017 und 2018 wurde die Mehrheit der zivilen Opfer von IEDs nicht durch Selbstmordanschläge verursacht, sondern durch Angriffe, bei denen der Angreifer nicht seinen eigenen Tod herbeiführen wollte. Luftangriffe waren die Hauptursache für zivile Todesfälle und die dritthäufigste Ursache für zivile Opfer (Verletzte werden auch mitgezählt, Anm.), gefolgt von gezielten Morden und explosiven Kampfmittelrückständen (UXO - unexploded ordnance). Am stärksten betroffen waren Zivilisten in den Provinzen Kabul, Helmand, Nangarhar, Faryab und Kunduz (in dieser Reihenfolge) (UNAMA 24.4.2019).

Anschläge in Kabul-Stadt

Ende Mai 2019 fanden in Kabul-Stadt einige Anschläge und gezielte Tötungen in kurzen Abständen zu einander statt: Am 26.5.2019 wurde ein leitender Mitarbeiter einer NGO in Kart-e Naw (PD5, Police District 5) durch unbekannte bewaffnete Männer erschossen (Tolonews 27.5.2019a). Am 27.5.2019 wurden nach der Explosion einer Magnetbombe, die gegen einen Bus von Mitarbeitern des Ministeriums für Hadsch und religiöse Angelegenheiten gerichtet war, zehn Menschen verletzt. Die Explosion fand in Parwana-e Do (PD2) statt. Zum Vorfall hat sich keine Gruppierung bekannt (Tolonews 27.5.2019b).

Des Weiteren wurden im Laufe der letzten zwei Maiwochen vier Kontrollpunkte der afghanischen Sicherheitskräfte durch unbekannte bewaffnete Männer angegriffen (Tolonews 31.5.2019b).

Am 30.5.2019 wurden in Folge eines Selbstmordangriffes nahe der Militärakademie Marshal Fahim im Stadtteil Char Rahi Qambar (PD5) sechs Personen getötet und 16 Personen, darunter vier Zivilisten, verletzt. Die Explosion erfolgte, während die Kadetten die Universität verließen (1 TV NEWS 30.5.2019). Der Islamische Staat (IS) bekannte sich zu dem Anschlag (AJ 30.5.2019).

Am 31.5.2019 wurden sechs Personen, darunter vier Zivilisten, getötet und fünf Personen, darunter vier Mitglieder der US-Sicherheitskräfte, verletzt, nachdem ein mit Sprengstoff beladenes Auto in Qala-e Wazir (PD9) detonierte. Quellen zufolge war das ursprüngliche Ziel des Angriffs ein Konvoi ausländischer Sicherheitskräfte (Tolonews 31.5.2019c).

Am 2.6.2019 kam nach der Detonation von mehreren Bomben eine Person ums Leben und 17 weitere wurden verletzt. Die Angriffe fanden im Westen der Stadt statt, und einer davon wurde von einer Klebebombe, die an einem Bus befestigt war, verursacht. Einer Quelle zufolge transportierte der Bus Studenten der Kabul Polytechnic University (TW 2.6.2019). Der IS bekannte sich zu den Anschlägen und beanspruchte den Tod von „mehr als 30 Schiiten und Mitgliedern der afghanischen Sicherheitskräfte“ für sich. Die Operation erfolgte in zwei Phasen: Zuerst wurde ein Bus, der 25 Schiiten transportierte, angegriffen, und darauf folgend detonierten zwei weitere Bomben, als sich „Sicherheitselemente“ um den Bus herum versammelten. Vertreter des IS haben u.a. in Afghanistan bewusst und wiederholt schiitische Zivilisten ins Visier genommen und sie als „Polytheisten“ bezeichnet. (LWJ 2.6.2019).

Am 3.6.2019 kamen nach einer Explosion auf der Darul Aman Road in der Nähe der American University of Afghanistan fünf Menschen ums Leben und zehn weitere wurden verletzt. Der Anschlag richtete sich gegen einen Bus mit Mitarbeitern der Independent Administrative Reform and Civil Service Commission (Tolonews 3.6.2019)

US-Angaben zufolge ist die Zahl der IS-Anhänger in Afghanistan auf ca. 5.000 gestiegen, fünfmal so viel wie vor einem Jahr. Gemäß einer Quelle profitiert die Gruppierung vom „zahlenmäßigen Anstieg der Kämpfer in Pakistan und Usbekistan und von aus Syrien geflohenen Kämpfern“. Des Weiteren schließen sich enttäuschte Mitglieder der Taliban sowie junge Menschen ohne Zukunftsperspektive dem IS an, der in Kabul, Nangarhar und Kunar über Zellen verfügt (BAMF 3.6.2019). US-Angaben zufolge ist es „sehr wahrscheinlich“, dass kleinere IS-Zellen auch in Teilen Afghanistans operieren, die unter der Kontrolle der Regierung oder der Taliban stehen (VOA 21.5.2019). Eine russische Quelle berichtet wiederum, dass ca. 5.000 IS-Kämpfer entlang der Nordgrenze tätig sind und die Nachbarländer bedrohen. Der Quelle zufolge handelt es sich dabei um Staatsbürger der ehemaligen sowjetischen Republiken, die mit dem IS in Syrien gekämpft haben (Newsweek 21.5.2019).

-        BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (20.5.2019): Briefing Notes, Afghanistan, per E-Mail

-        BAMF - Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (6.5.2019): Briefing Notes, Afghanistan, per E-Mail

-        BFA - Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl, Staatendokumentation (13.2.2019): Kabul Police Districts Map, liegt im Archiv der Staatendokumentation auf

-        Heise (16.5.2019): Afghanistan: Wie viel Macht hat der Präsident?,

https://www.heise.de/tp/features/Afghanistan-Wie-viel-Macht-hat-der-Praesident-

4422023.html, Zugriff 3.6.2019

-        IEC - Independent Electoral Commission via Facebook (14.5.2019): Press

Declaration 24/2/1398,

https://www.facebook.com/AfghanistanIEC/posts/2361637283896572? tn =-R,

Zugriff 4.6.2019

-        IEC - Independent Electoral Commission (15.5.2019): Kabul - Wolesi Jirga Final Results, http://www.iec.org.af/results/en/home/finalresult_by_province/1/2. Zugriff

4.6.2019

-     

Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
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