Entscheidungsdatum
16.11.2020Norm
AsylG 2005 §3Spruch
W181 2217712-2/20E
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch den Richter Mag. Harald PERL als Einzelrichter über die Beschwerde des XXXX , StA. Bangladesch, vertreten durch den MigrantInnenverein St. Marx, gegen den Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 08.03.2019, Zl. XXXX , nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 16.07.2020 zu Recht:
A)
I. Die Beschwerde wird hinsichtlich Spruchpunkt I. und II. des angefochtenen Bescheides als unbegründet abgewiesen.
II. In Erledigung der Beschwerde wird festgestellt, dass die Erlassung einer Rückkehrentscheidung in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch gemäß § 52 FPG in Verbindung mit § 9 BFA-VG auf Dauer für unzulässig ist.
Gemäß § 55 AsylG 2005 in Verbindung mit § 54 Abs. 2 AsylG 2005 wird XXXX der Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus" für die Dauer von zwölf Monaten erteilt.
III. Die Spruchpunkte IV., V., VII. und VIII. des angefochtenen Bescheides werden ersatzlos behoben.
B)
Die Revision ist gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
Entscheidungsgründe:
I. Verfahrensgang:
I.1. Der Beschwerdeführer (im Folgenden: BF) stellte am 17.01.2017 einen Antrag auf internationalen Schutz.
I.2. Im Rahmen einer am selben Tag durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes der Landespolizeidirektion Niederösterreich erfolgten niederschriftlichen Erstbefragung gab er unter anderem an, am XXXX geboren worden zu sein, zwölf Jahre die Grundschule und sieben Jahren die Universität besucht zu haben. Zuletzt habe er als Koch gearbeitet. Er habe Ende 2013 den Entschluss zur Ausreise gefasst und sei im Juni 2014 legal mit einem Visum auf dem Luftweg über die Türkei nach Österreich eingereist, weil er hier studieren wollte. Sein Aufenthaltstitel in Österreich sei am XXXX 2015 abgelaufen. Nach seinen Fluchtgründen befragt, gab er an, er sei aufgrund seiner politischen Tätigkeit und der Teilnahme an Demonstrationen von der gegnerischen Partei verfolgt und von deren Mitgliedern geschlagen worden. Sein Vater habe ihn deswegen zu seinem Großvater geschickt, wo ihn die Polizei gesucht habe. Er sei deswegen in weiterer Folge zu seinem Onkel nach Dhaka geflüchtet. Auch seine Familie sei bedroht und sein kleiner Bruder geschlagen worden, weswegen sein Vater beschlossen habe, der BF solle sein Studium im Ausland fortsetzen. In seiner Abwesenheit sei eine Anzeige gegen ihn erstattet worden.
I.3. Am 15.11.2018 wurde der BF von dem zur Entscheidung berufenen Organwalter des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden: BFA) niederschriftlich einvernommen. Dort bestätigte er seine Angaben aus der Erstbefragung hinsichtlich seiner Identität und gab an, gesund zu sein, jedoch aufgrund von Kopfschmerzen seit seiner Kindheit regelmäßig Schmerzmittel nehmen zu müssen.
Befragt nach den Gründen, warum er seine Heimat verlassen habe, gab er an, er habe nach seinem H.S.C. Abschluss im Studienjahr 2006/07 seinen Bachelor an der Universität begonnen, wo die Awami League an der Macht gewesen sei. Da er gesehen habe, dass Mitglieder der Awami League (im Folgenden auch: AL) Leute schlagen würden, habe er sich mehr und mehr der Bangladesh Nationalist Party (im Folgenden: BNP) und insbesondere der Chattro Dal (der Studentenvereinigung der BNP) zugewendet und sei mit diesen Leuten verkehrt. Deswegen sei er von den Leuten in seiner Ortschaft in Frage gestellt worden und es sei gesagt worden, der BF solle sich der AL anschließen. Nachdem die AL 2009 an die Macht gekommen sei, seien die Anhänger der AL immer mächtiger geworden und so habe auch der BF immer größere Probleme bekommen. Im dritten Studienjahr sei der BF eines Abends von nichtörtlichen Personen von hinten auf die Schulter geschlagen worden. Er sei nach Hause gelaufen und habe seinen Eltern davon erzählt. Sein Vater habe daraufhin gesagt, dass er nur mehr untertags das Haus verlassen solle. 2010 sei er innerhalb von drei Monaten drei Mal angegriffen worden. Sein Vater habe dann gemeint, er könne sein Studium nicht in seinem Heimatdorf abschließen, sondern müsse zu seinem Onkel ziehen. Da auch sein Onkel in der Politik tätig gewesen sei, habe er jedoch nicht lange bei diesem leben können und sei nach Dhaka gezogen, wo er bei verschiedenen Freunden gelebt habe. Währenddessen sei sein kleiner Bruder geohrfeigt worden und es sei bei seinem Vater regelmäßig nach dem BF gefragt worden. Sein Vater, der an der Universität arbeite, habe bereits nach dem Abschluss des Bachelors damit angefangen, die Ausreise des BF zu beantragen und vorzubereiten, er habe jedoch erst im Juni 2014 zehn Tage vor seinem Masterabschluss ausreisen können, da das Prozedere derart lange gedauert habe. Auch nachdem der BF das Land verlassen habe, sei bei seinem Vater immer wieder nach dem BF gefragt worden.
2015 habe die Polizei Hausdurchsuchungen beim BF durchgeführt und am XXXX sei gegen ihn eine Anzeige erstattet worden, in der ihm vorgeworfen werde, dass er mit mehreren Mittätern Bomben gebastelt habe, um eine Brandstiftung und Explosion herbeizuführen. Sein Vater habe der Polizei auch gesagt, dass das nicht sein könne, da der BF zu dieser Zeit bereits im Ausland gewesen sei. Die Polizei habe jedoch behauptet, dass es Zeugen gebe, die den BF gesehen hätten. Sein Vater habe auch einen Rechtsanwalt besorgt, der ihm gesagt habe, dass es nicht wirklich eine Möglichkeit gebe, diese Anzeige zu bekämpfen, da auch große BNP-Führer wegen falscher Vorwürfe verurteilt worden seien. Nachdem seine Aufenthaltsberechtigung abgelaufen und sein Verlängerungsantrag abgewiesen worden sei, habe er daher einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt. Das Strafverfahren sei auch der Grund, weswegen er nicht in sein Heimatland zurückkönne, während er ansonsten nach Ende des Visums zurückgegangen wäre, zumal die Vorfälle von 2008 bis 2011 lange zurückgelegen wären und er „schon irgendwie überleben“ hätte können. Aufgrund der Anzeige würde er nunmehr bei einer Rückkehr jedoch verhaftet und in der Zelle von anderen Insassen und Polizisten physisch, psychisch und sexuell misshandelt werden. Wenn er belegen könne, dass er zur angeblichen Tatzeit im Ausland gewesen sei, werde er aus Wut noch mehr misshandelt. Auch könne er weder eine Wohnung noch eine Arbeit finden, da man dafür einen Strafregisterauszug benötige, den er wegen des laufenden Verfahrens jedoch nicht bekomme.
Als Beilage zur Niederschrift wurden diverse Unterlagen zu seinen Strafverfahren, zu seiner politischen Tätigkeit, zu seiner Schulbildung in Bangladesch und Integrationsunterlagen genommen.
I.3. Am 07.02.2019 wurde der BF, nachdem er zuvor einer Ladung und einem Ladungsbescheid unentschuldigt nicht Folge leiste, zwangsweise zum BFA vorgeführt und ergänzend einvernommen. Anlässlich der Einvernahme legte der BF ein Schreiben eines Parteifreundes und weitere Schreiben zu seinem Strafverfahren vor und wurde dazu vom BFA eingehend befragt. Nach den Angaben des BF ergebe sich aus diesen Dokumenten der genaue Anklagevorwurf, nämlich, dass zwanzig bis dreißig Personen einen Anschlag mit Sprengmitteln geplant hätten und deswegen wegen des Antiterrorismusgesetzes angeklagt worden seien. Der BF sei zuerst als unbekannter Täter geführt worden, später jedoch sei er persönlich als Beschuldigter aufgeführt. Seitens des BFA wurden dem BF Widersprüche seiner Aussage zu den vorgelegten Dokumenten vorgehalten, etwa, dass der BF den Inhalt nicht kenne und nicht wisse, dass eine Verhandlung angesetzt worden sei bzw. einen anderen Verhandlungstermin nenne oder nicht wisse, dass gegen den BF bereits ein Haftbefehl beantragt worden sei, denen der BF im Wesentlichen damit entgegnete, dass er den Inhalt der Dokumente nicht auswendig kenne, da es sich um ein falsches Verfahren gegen ihn handle und er zudem rechtsfreundlich vertreten sei und seine Informationen daher vorrangig von seinem Rechtsanwalt beziehe, der ihm auch mitgeteilt habe, dass am XXXX 2019 eine weitere Verhandlung stattfinde und dass gegen den BF ein Haftbefehl erlassen werde, wenn er zu diesem Termin nicht erscheine.
I.4. Mit Bescheid vom 08.03.2019, dem BF am 18.03.2019 durch Hinterlegung zugestellt, wurde der Antrag des BF auf internationalen Schutz bezüglich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten (Spruchpunkt I.) und bezüglich der Zuerkennung des Status des subsidiär Schutzberechtigten in Bezug auf den Herkunftsstaat Bangladesch (Spruchpunkt II.) abgewiesen. Ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen wurde dem BF nicht erteilt (Spruchpunkt III.), eine Rückkehrentscheidung erlassen (Spruchpunkt IV.) und festgestellt, dass die Abschiebung zulässig sei (Spruchpunkt V.). Einer Beschwerde wurde die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt VI.) und es bestehe keine Frist für die freiwillige Ausreise (Spruchpunkt VII.). Zuletzt wurde ein auf die Dauer von zwei Jahren befristetes Einreiseverbot gegen den BF erlassen (Spruchpunkt VIII.).
Die Abweisung des Antrages auf internationalen Schutz bezüglich des Status eines Asylberechtigten begründete das BFA im Wesentlichen damit, dass der BF eine Verfolgung in Bangladesch nicht glaubhaft machen habe können, weswegen dem BF nicht mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr, aus den in der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründen verfolgt zu werden, drohe. Unter Berücksichtigung der individuellen (persönlichen) Umstände des BF sei nicht davon auszugehen, dass der BF im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland in eine ausweglose Situation gerate, weswegen auch keine Anhaltspunkte für die Gewährung subsidiären Schutzes vorliegen würden. Ebenso wenig lägen Anhaltspunkte für die Erteilung einer „Aufenthaltsberechtigung besonderer Schutz“ vor und zudem würden die öffentlichen Interessen an einem geordneten Vollzug des Fremdenwesens gegenüber den privaten Interessen des BF an einem Verbleib im Bundesgebiet überwiegen, weswegen eine Rückkehrentscheidung zu erlassen sei. Die Abschiebung des BF sei als zulässig zu bewerten. Der BF sei bei einer nach dem AuslBG verbotenen Beschäftigung betreten worden und stelle daher eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung dar, weswegen ein Einreiseverbot zu erlassen gewesen sei.
I.5. Gegen den Bescheid erhob der vertretene BF am 12.04.2019 Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhalts, mangelhafter beziehungsweise unrichtiger Bescheidbegründung sowie wegen Rechtswidrigkeit infolge von Verletzung von Verfahrensvorschriften und beantragte, ihm den Status des Asylberechtigten zuzuerkennen, in eventu ihm den Status eines subsidiär Schutzberechtigten zuzuerkennen, in eventu die Rückkehrentscheidung für unzulässig zu erklären und ihm einen Aufenthaltstitel zu erteilen, in eventu den Bescheid zur Gänze zu beheben und zur neuerlichen Verhandlung an das BFA zurückzuverweisen, der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen und eine mündliche Verhandlung anzuberaumen.
Begründend wurde - auf das Wesentlichste zusammengefasst - ausgeführt, das BFA habe es unterlassen auf das individuelle Vorbringen des BF einzugehen, vielmehr handle es sich um einen textbausteinartigen Bescheid. Sodann wurde das Vorbringen des BF wiederholt, das der BF entgegen der Ansicht des BFA schlüssig, ausführlich und glaubhaft ausgeführt habe. Zur Untermauerung seines Vorbringens sei der Beschwerde ein vom BF auf Bengali verfasstes Schreiben und Gerichtsunterlagen angehängt. Zum subsidiären Schutz führte der BF aus, dass sich die Lage in Bangladesch derart auswirke, dass der BF einem Klima ständiger Bedrohung und unmittelbaren Einschränkungen sowie einer Reihe von Menschenrechtsverletzungen ausgesetzt wäre, wozu Ausdrucke von sozialen Medien vorgelegt wurden. Zum Einreiseverbot wurde ausgeführt, dass der BF aufgrund seines Aufenthaltstitels berechtigt gewesen sei, einer geringfügigen Arbeit nachzugehen, der Arbeitgeber habe ihn jedoch nicht angemeldet. Der BF sei stets davon ausgegangen, dass er legal beschäftigt gewesen sei.
I.6. Die Beschwerde und der Verwaltungsakt wurden dem Bundesverwaltungsgericht am 24.04.2019 zur Entscheidung vorgelegt.
I.7. Mit Beschluss vom 26.04.2019 zu L508 2217712-2/3E erkannte das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde die aufschiebende Wirkung zu.
I.8. Am 08.05.2019 legte das BFA eine Übersetzung der handschriftlichen Stellungnahme des BF vor. Darin macht der BF im Wesentlichen geltend, dass er in seiner Einvernahme vom 15.11.2018 über seine politische Tätigkeit nicht alles hätte erwähnen können. Weiters führte er aus, dass die Regierungspartei derzeit gegen niedrige Oppositionspolitiker Willkür übe und politisch motivierte Strafverfolgungen einleite und nannte dazu mehrere Namen von Personen, welche dem BF persönlich bekannt seien. Zudem machte er allgemeinen Ausführungen zur politischen Situation in Bangladesch und kritisierte die Regierungspartei. Ebenfalls übermittelte das BFA eine Übersetzung der vorgelegten Gerichtsunterlage, aus der sich ergibt, dass im Jänner 2019 eine Verhandlung stattgefunden habe und diese zur Entscheidung über den Haftbefehl gegen den BF auf Anfang März vertagt worden sei.
I.9. Am 16.07.2020 führte das Bundesverwaltungsgericht in Anwesenheit eines Dolmetschers für die Sprache Bengali eine öffentliche mündliche Beschwerdeverhandlung durch, an der der BF sowie dessen Rechtsvertretung teilnahmen.
Auf diesbezügliche Frage des Richters bestätigte der BF zunächst, dass er 2014 Bangladesch verlassen habe und über die Türkei legal nach Österreich eingereist sei. Er habe einen Aufenthaltstitel zur Absolvierung eines Bachelor-Studiums (Business-Management) an der Universität Wien gehabt. Dafür sei die Absolvierung eines Deutschkurses erforderlich gewesen, den der BF innerhalb der dafür gesetzten Frist von 2 Jahren nicht erfolgreich abschließen habe können. Der BF habe daraufhin um eine Verlängerung seines Aufenthaltstitels angesucht und in dem Zusammenhang auch von seinem Vater den Geldbetrag von 8000-10.000 Euro überwiesen bekommen. Die zuständigen Behörden hätten allerdings eine Bestätigung verlangt, dass dieses Geld auch tatsächlich von seinem Vater stamme und die von ihm dazu vorgelegten Bestätigungen nicht akzeptiert. Das Verfahren habe sich über rund 1.5 (Anmerkung: Jahre) hinausgezögert und er habe in diesem Zeitraum auch keinen Deutschkurs absolvieren können, für den die Vorlage eines entsprechenden Aufenthaltstitels erforderlich gewesen wäre; die erwähnten Unterlagen – führte der BF aus – könne er vorlegen.
Auf Nachfrage des Richters führte der BF aus, dass es richtig sei, dass er das eigentliche Studium noch nicht beginnen habe können, zumal zunächst der zweijährige Deutschkurs vorgesehen sei und erst dann die Möglichkeit bestehe, das Studium aufzunehmen bzw. fortzusetzen.
Der BF führte auf Frage des Richters aus, dass er in Bangladesch von 2004-2006 seinen H.S.C. Abschluss gemacht und daran anschließend – zwischen 2006 und 2011 – sein Bachelorstudium (Business-Management) absolviert habe. Danach habe er ein Masterstudium begonnen, dieses aber aufgrund seiner Ausreise nach Österreich nicht abgeschlossen.
Darüber hinaus bestätigte der BF, dass er – nachdem sein Aufenthaltstitel nicht verlängert worden sei – im Jänner 2017 den nunmehr gegenständlichen Asylantrag eingebracht habe.
Auf die diesbezügliche Frage des Richters erläuterte der BF, dass hinsichtlich seiner unmittelbaren Familie in Bangladesch noch sein Vater und seine Mutter sowie seine zwei Schwestern und sein jüngerer Bruder, letztere nicht mehr im gemeinsamen Haushalt mit den Eltern, wohnen.
Der Richter führte aus, dass sich aus der Aktenlage ergebe, dass sich der BF bereits im Zuge seines H.S.C Abschlusses und seines Bachelorstudiums für die BNP engagiert habe; es gebe im Akt auch eine Bestätigung über die Mitgliedschaft bei der BNP. Der BF hatte bei der BNP aber keine politische Funktion ausgeführt; der BF bezeichnete sich selbst in dem Zusammenhang als aktiven Mitarbeiter. Darüber hinaus sei dem Akt zu entnehmen, dass der BF 2009 einmal persönlich angegriffen und geschlagen worden wäre, sowie 2010 innerhalb von drei Monaten – nach seinen Angaben – drei Mal angegriffen worden sei.
Auf die Frage des Richters, wer ihn angegriffen habe, führte der BF aus: „Es waren AL Leute. Ich war bei der BNP involviert. Nachdem ich die Matura abschloss und mit der Uni begann, war es so, dass die meisten Studenten von auswärts waren. Ich war einer der lokalen Personen. Es gab AL-Studenten, die immer wieder Vergehen begangen haben. Nachdem ich ins XXXX College gewechselt habe; also wir alle vier Geschwister, haben unseren Bachelorabschluss hier gemacht. Die drei anderen Geschwister außer mir haben dort alle den Bachelorabschluss gemacht. Mein Vater arbeitete auch im College. Die Personen von der AL waren radikale Personen. Sie haben immer wieder Schutzgelderpressungen gegenüber den anderen Studenten gemacht oder Geld weggenommen bzw. gedroht. Sie waren nämlich auch lokale Personen. Ich habe dagegen immer angekämpft und habe mich auch bemüht, dass die anderen dem auch nicht zum Opfer fallen.“
Auf die Frage des Richters, woraus der BF geschlossen habe, dass jene Menschen, die ihn angegriffen haben, AL-Leute gewesen sind, antwortete der BF, dass es sowohl AL-Zugehörige Studenten als auch BNP zugehörige Studenten gegeben habe. Die AL habe in diesem Bereich, wie der BF wörtlich ausführte, alles beherrscht. In dem er andere Studenten zu schützen versucht habe, hätten ihn die AL-Leute angegriffen.
Der Richter fasst die Ausführungen des BF dahingehend zusammen, dass er es so verstanden habe, dass der BF gegen Ungerechtigkeiten aufgetreten sei, wenn andere Studenten geschlagen worden seien oder ihnen aggressiv begegnet worden sei. Er habe sich dann eingemischt und darauf hingewiesen, dass man das Unterlassen soll. Das habe natürlich nur einzelne Fälle betroffen, zumal sich an der Universität mehr als 30.000 Menschen befinden. Er (der BF) sei dann selbst Ziel dieser Aggressionen geworden und führte in dem Zusammenhang aus, dass AL-Leute diese Aggressionen angestiftet hätten; denn, wie er weiter ausführte, hätten sie diese Aggressionen nicht selbst durchgeführt, weil sie vom selben Bezirk seien und sich alle seit der Kindheit kennen würden. Die Familie des BF sei gebildet und angesehen.
Der Richter fragte nach, ob es nach 2010 auch noch Aggressionen gegeben habe. Dazu führte der BF aus: „Nach diesen 2-3 Vorfällen wollte meine Mutter nicht mehr, dass ich in der Stadt verbleibe. Sie forderte mich auf, nach Dhaka oder ins Haus meines Großvaters mütterlicherseits zu gehen. Denn wenn ich hier verbleiben würde, würde es noch mehr Probleme geben. Sie wollte, dass ich XXXX verlasse. Ich war dann zumeist auch auswärts aufhältig. Mein Vater wollte dann generell aus diesen Gründen, dass ich ins Ausland gehe. Ich war bis zu 3 Jahre zumeist auswärts und somit außerhalb der Stadt, um diese Sachen fernzuhalten. Ich habe nicht einmal meine Masterprüfung machen können. Lediglich 10 Tage nach meiner Ausreise hätte die Masterprüfung stattgefunden. Ich habe sie nicht machen können.“
Zu dem Themenkomplex des Vorbringens des BF, wonach gegen ihn eine Anzeige eingebracht worden ist, führte der BF auf diesbezügliche mehrere Fragen des Richters folgendes aus: Er bestätigte seine Angaben, dass gegen ihn – in seiner Abwesenheit (er habe sich zu diesem Zeitpunkt bereits in Österreich befunden) – eine Anzeige wegen Beteiligung an der Herstellung eines Sprengsatzes auf Grundlage des Antiterrorismusgesetzes eingebracht worden sei. Er bestätigte weiters, dass er seit 2018 einen Rechtsanwalt beauftragt habe, der ihn über das weitere Verfahren auf dem Laufenden hält; allerdings könne ihn dieser Anwalt aufgrund seiner (des BF) Ortsabwesenheit im Verfahren nicht vertreten; der BF selbst habe erst viel später von der Anzeige erfahren; so informiere ihn der Rechtsanwalt von Zeit zu Zeit über den Verlauf des Verfahrens. Soweit ihm nunmehr bekannt sei, seien in der Zwischenzeit Haftbefehle ausgestellt worden; einige der Beschuldigten seien im Gefängnis gelandet, einige würden sich gegen Kaution in Freiheit befinden, andere seien ins Ausland geflohen. Der BF ergänzte, dass er über den Anwalt versucht habe, dem Gericht ein Beweismittel vorzulegen, dies aber nicht funktioniert habe.
Der Vertreter des BF legt in diesem Zusammenhang die Kopie eines Haftbefehls vom XXXX .2020 vor, die der BF laut seinen Angaben von seinem jüngeren Bruder per E-Mail zugesandt bekommen habe, zumal die Übermittlung via DHL coronabedingt nicht funktioniert habe.
Der BF ergänzt: „Jeder in seiner Sicherheit - keiner weiß, wo der andere tatsächlich ist. Außerdem bin ich ja hier und dürfte ja von diesen Sachen nichts wissen, aber weil ich nun involviert wurde, muss ich mich wegen dem Verfahren informieren, wie der Stand ist. Aus diesem Grund ist auch meine Familie nicht zusammen aufhältig. Mein Vater ist 65 Jahre alt – meine Mutter ist 53, 54 Jahre alt. Die Polizei kommt nach Hause und führt Belästigungen durch. Meine zwei Schwestern und mein Bruder sind auch deshalb weggegangen. Das ist überhaupt nicht möglich zu beweisen, dass ich das nicht getan habe. Es ist nicht möglich.“
Zum Thema des Integrationsgrades befragte der Richter den BF zunächst nach seiner Wohnadresse; diese sei nach wie vor die im Akt vorliegende Adresse, wo der BF gemeinsam mit einem Freund (ebenfalls aus Bangladesch) wohne. Die Miete in der Höhe von rund 200 Euro werde vom BF bestritten.
Der Richter merkte an, dass große Teile des gesamten bisherigen Gespräches und insbesondere des Gespräches über den Integrationsgrad in deutscher Sprache geführt wurden bzw. werden; der Richter merkte in dem Zusammenhang an, dass der BF zwar gebrochenes, aber durchaus gut verständliches Deutsch spreche und der Richter den Eindruck habe, dass der BF seine (des RI) Ausführungen – ausgenommen komplizierte Satzstellungen – versteht.
Der BF führte weiters aus, dass er selbst eine eigene kleine Putzfirma innehabe; seine Aufträge erhalte er auf dem Weg, dass er bei größeren Firmen nach Aufträgen für ihn nachfrage. Der Richter merkte in dem Zusammenhang an, dass dem Akt keine diesbezügliche Bestätigung oder Unterlage zu entnehmen ist; der BF werde eine solche nachreichen.
Des Weiteren legte der Vertreter des BF mehrere Bestätigungen vor; so eine Bestätigung für eine Beschäftigung von Ende Februar bis Ende März sowie diesbezügliche Lohnabrechnungen vom Februar und März 2020, eine Einstellungsbestätigung für die Zeit nach den pandemiebedingten Einschränkungen sowie einen arbeitsrechtlichen Vorvertrag (Einstellungszusage) Küchenhelfer. Eine vorgezeigte Mitgliedskarte der WKO befindet sich bereits im Akt.
Zu seinem Tagesablauf führte der BF weiters aus, dass er etwa Abende mit Essen und Kochen oder mit Freunden verbringe; auch einen Besuch außerhalb Wiens – in Kärnten (Bleiburg) – führte der BF an; auf die Frage, ob er auch österreichische Familien zu seinem Bekanntenkreis zählen könne, führte der BF aus, er habe über seinen Mitbewohner österreichische Familien kennengelernt.
Der Richter fragte den BF, ob er in Zukunft daran denke, sein Studium wiederaufzunehmen bzw. zu beginnen; der BF führte zu diesem Themenkomplex im Rahmen des Gesprächs aus, dass er seinen Studienabschluss in Bangladesch hier in Österreich nicht verwenden könne. Sobald er einen Aufenthaltstitel hätte, könnte er sich andere Tätigkeiten als jene, die er derzeit verrichtet, suchen; er nannte als Beispiel dazu etwa eine Erweiterung seiner bisherigen Firma oder Tätigkeiten in ganz anderen Bereichen.
Vom Beschwerdeführervertreter dazu befragt, ob der BF ehrenamtlichen Tätigkeiten nachgehe, gab der BF an, dass er vielen geholfen habe, aber nicht in einer speziellen Organisation; er habe zum Beispiel auf der Straße vielen geholfen. Vom Richter nachgefragt, was der BF mit diesen Hilfen meine, konkretisierte er (auf Deutsch), dass er oft zum Westbahnhof oder wo anders hinfahre, wo Menschen um einen Euro oder Zigaretten bitten und der BF ihnen Kebab oder Zigaretten kaufen würde.
I.10. Am 07.08.2020 langte beim Bundesverwaltungsgericht eine Stellungnahme des BF ein, in welcher der BF ausführte, dass er sein Studium in Bangladesch in Österreich beruflich verwerten könne; er habe die Wirtschaftskammer in Wien kontaktiert. Er könne sein abgeschlossenes Bachelorstudium in Management benutzen, um ein Gastronomiegewerbe zu eröffnen. Der BF habe seine Zeugnisse und Unterlagen auch beim Bundesministerium für Bildung, Wissenschaft und Forschung eingereicht, um diese für das Gewerbe anzuerkennen. Er habe auch eine Standortanalyse geschickt, auf der ersichtlich sei, dass derzeit 36 Hausbetreuungsunternehmen in seiner Ortschaft tätig seien. Der BF führte weiter aus, dass er bald einen Business-Plan machen würde.
Der BF legte der Stellungnahme einen am 01.08.2020 unterzeichneten Werkvertrag über eine Hausbetreuung und –reinigung, ein vom BF ausgefülltes und unterzeichnetes Beitrittsformular des sozialdemokratischen Wirtschaftsverbandes, eine E-Mail des Bundesministeriums für Bildung, Wissenschaft und Forschung betreffend die Unvollständigkeit des Antrags des BF auf Bewertung seiner Hochschulqualifikation, die Mitgliedskarte des BF bei der Wirtschaftskammer Wien, eine Standortanalyse der Wirtschafskammer, ein Auszug aus dem Gewerbeinformationssystem Austria über das Gewerbe „Hausbetreuung“ des BF seit XXXX , eine Mitteilung des Finanzamtes Wien sowie einen Bericht aus über Bangladesch im Zusammenhang mit dem Corona-Virus bei.
I.11. Am 14.09.2020 langte beim Bundesverwaltungsgericht der vom BF im Verfahren zuvor bereits in Kopie vorgelegte Haftbefehl nunmehr im Original ein.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
II.1. Feststellungen:
II.1.1. Zur Person des BF, seinen Familienverhältnissen und seinen Lebensumständen in Österreich:
Der volljährige BF ist Staatsangehöriger von Bangladesch und Angehöriger der Volksgruppe der Bengalen sowie der sunnitischen Glaubensgemeinschaft zugehörig. Seine Muttersprache ist Bengali. Der BF ist ledig und hat keine Kinder.
Der BF ist in Bangladesch geboren und in XXXX mit seinen Eltern, seinen zwei Schwestern und seinem Bruder aufgewachsen. Er hat in Bangladesch zwölf Jahre die Schule besucht und diese 2006 abgeschlossen. Danach hat er in Bangladesch sieben Jahre lang eine Universität besucht und einen Bachelorabschluss in Management erlangt.
Die Eltern und Geschwister des BF sowie weitere Verwandte des BF leben in Bangladesch. Der Vater des BF ist pensioniert, die Mutter ist Hausfrau. Die Familie des BF verfügt über ein Eigentumshaus, in dem die Eltern leben, und mehrere Grundstücke. Der BF steht mit seinen Eltern in Kontakt.
Der BF reiste im Juni 2014 legal im Besitz eines Aufenthaltstitels „Studierender“ in das österreichische Bundesgebiet ein. Nach einer einmaligen Verlängerung wurde ein weiterer Verlängerungsantrag des BF am XXXX .2016 vom Magistrat der Stadt Wien zur Zahl XXXX abgewiesen.
Am 17.01.2017 stellte der BF den gegenständlichen Asylantrag.
Der BF verfügt seit April 2017 über eine Gewerbeberechtigung für das Gewerbe Hausbetreuung. Zuletzt schloss der BF im August 2020 einen Werkvertrag über Reinigungsleistungen ab. Von Jänner bis Oktober 2018 verdiente der BF monatlich 600 Euro als Zeitungszusteller. Von Februar bis März 2020 war der BF als Schaustellergehilfe beschäftigt und erhielt dafür einen monatlichen Bruttolohn von rund 667 Euro. Das Dienstverhältnis wurde einvernehmlich beendet und dem BF wurde schriftlich bestätigt, dass das Dienstverhältnis wieder aufgenommen werde, sobald eine Betriebsführung wieder unter normalen (Anmerkung: pandemiefreien) Rahmenbedingungen möglich sei. Für den Fall einer Aufenthaltsberechtigung verfügt der BF zudem über eine Arbeitsplatzzusage als Küchenhilfe.
Der BF ist Mitglied des Bangladesch Cricket Club Austria und ist aktiv an der Vereinsarbeit beteiligt. Der BF ist Mitglied der Wirtschaftskammer.
Der BF kann sich auf Deutsch verständigen. Er hat österreichische Freunde.
Der BF wurde bei einer Beschäftigung betreten, die er nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz nicht hätte ausüben dürfen.
Der BF bezieht zum Entscheidungszeitpunkt keine Leistungen aus der staatlichen Grundversorgung und lebt in einer privaten Unterkunft.
Der BF ist strafrechtlich unbescholten.
Der BF leidet seit seiner Kindheit an Migräne, die bereits in Bangladesch medikamentös behandelt wurde. Der BF leidet an keinen schweren Erkrankungen.
I.1.2. Zum Fluchtvorbringen des BF:
Es kann nicht festgestellt werden, dass der BF in seinem Herkunftsland einer konkret gegen seine Person gerichteten Verfolgung ausgesetzt gewesen ist oder ihm im Falle seiner Rückkehr eine solche droht.
II.1.3. Zur maßgeblichen Lage in Bangladesch:
Politische Lage
Bangladesch – offizielle Bezeichnung Volksrepublik Bangladesch (People's Republic of Bangladesh / Ga?apraj?tantr? B??l?de?) ist seit 1991 eine parlamentarische Demokratie (GIZ 11.2019a). Das Land befindet sich größtenteils in der Deltaebene, die durch die Mündung der Flüsse Ganges und Brahmaputra in den Golf von Bengalen (Indischer Ozean) gebildet wird. Nachbarstaaten sind Indien (Westen, Norden und Osten) und Myanmar (Südosten). Die Hauptstadt ist Dhaka (ca. 20 Millionen Einwohner). Auf einer Fläche von ca. 148.000 km² (CIA 13.3.2020) leben etwa 163 Millionen Einwohner (CIA 13.3.2020; vgl. GIZ 3.2020, AA 6.3.2020a). Bangladesch ist mit 1.127 Einwohnern pro Quadratkilometer, der am dichtesten besiedelte Flächenstaat der Welt (zum Vergleich: Österreich 104 Einwohner pro km²) (WPR o.D.; vgl. AA 6.3.2020a).
Das Staatsoberhaupt ist der Präsident, der vom Parlament alle fünf Jahre gewählt wird. Eine einmalige Wiederwahl ist möglich. Er übt größtenteils zeremonielle Funktionen aus, während die Macht in den Händen des Premierministers als Regierungschef liegt. Dieser wird von der stärksten im Parlament vertretenen Partei nominiert und vom Präsidenten formell ernannt. Der Premierminister ernennt die Regierungsmitglieder, die vom Präsidenten bestätigt werden. Nach Ende der fünfjährigen Legislaturperiode bildet der Präsident unter seiner Führung eine unabhängige Übergangsregierung, deren verfassungsmäßige Aufgabe es ist, innerhalb von 90 Tagen die Voraussetzungen für Neuwahlen zu schaffen (ÖB 8.2019; vgl. GIZ 11.2019a). Zusätzlich obliegt dem Premierminister die Kontrolle der Geheimdienste, der Streitkräfte und der paramilitärischen Einheiten (GIZ 11.2019a).
Das Parlament (National Parliament oder Jatiya Sangsad) besteht aus einer Kammer mit 300, in Einzelwahlkreisen auf fünf Jahre direkt gewählten, Abgeordneten (ÖB 8.2019) mit zusätzlichen 50 Sitzen, die nur für Frauen reserviert sind (USDOS 11.3.2020; vgl. GIZ 11.2019a). Diese werden nicht direkt durch eine Wahl vergeben, sondern durch die Parteien, die es ins Parlament schaffen, nominiert (GIZ 11.2019a; vgl. USDOS 11.3.2020). Das Parlament tagt nicht während der Amtszeit der Übergangsregierung. Das Mehrheitswahlrecht führt zu stabilen Mehrheiten im Parlament und hat die Herausbildung der Bangladesch Nationalist Party (BNP) und der Awami League (AL) als dominierende und konkurrierende Parteien begünstigt. Während die konservative BNP Verbündete bei den islamistischen Parteien wie der Jamaat-e-Islami (JI) hat, bekommt die AL traditionell Unterstützung von linken und säkularen Parteien, wie der Arbeiterpartei, der liberaldemokratischen Partei, der national-sozialen Partei Jatiyo Samajtantrik Dal und jüngst auch von der Jatiya Partei, unter dem ehemaligen Militärdiktator Hossain Mohammad Ershad (ÖB 8.2019).
Das politische Leben wird durch die beiden dominierenden und konkurrierenden größten Parteien, die „Awami League“ (AL) und „Bangladesh Nationalist Party“ (BNP) bestimmt (ÖB 8.2019). Klientelismus und Korruption sind weit verbreitet. Gewerkschaften, Studentenorganisationen, Polizei und Verwaltung sind parteipolitisch durchdrungen (AA 22.7.2019; vgl. DGVN 2016). Beide Parteien haben keine demokratische interne Struktur und werden von Familien geführt, die Bangladesch seit der Unabhängigkeit geprägt haben (FH 2020).
Seit 2009 ist Sheikh Hasina Wazed von der Awami League (AL) Premierministerin (GIZ 11.2019a; vgl. ÖB 8.2019). Im Jänner 2019 wurde Sheikh Hasina für ihre vierte Amtszeit, die dritte Amtszeit in Folge, als Premierministerin angelobt. Im Februar 2019 gab sie bekannt, dass sie nach dieser Amtszeit an die „junge Generation“ übergeben wolle (DW 14.2.2019).
Bei den elften bangladeschischen Parlamentswahlen vom 30.12.2018 erzielte die „Große Allianz“ um die regierende AL einen Erdrutschsieg mit 96 % der Stimmen und 289 der 300 zur Wahl stehenden Parlamentssitze (Guardian 30.12.2018; vgl. BN24 31.12.2018, DT 27.1.2019, DS 10.1.2019, DW 14.2.2019), wobei in zwei Wahlkreisen aufgrund von Gewalt (DS 10.1.2019) bzw. dem Tod eines Kandidaten Nachwahlen notwendig waren (DT 27.1.2019).
Es gibt Berichte über Wahlmanipulation. Die Opposition verurteilte die Wahl als „Farce“ und fordert die Annullierung des Ergebnisses und Neuwahlen. Die Regierungspartei weist die Manipulationsvorwürfe und Neuwahlforderungen zurück und nennt die Wahl „völlig frei und unabhängig“ (BBC 31.12.2018). In einer vorläufigen Bewertung erklärten Wahlbeobachter der SAARC (South Asian Association for Regional Cooperation), dass die Wahl „viel freier und fairer“ ablief als die vorherigen (Hindu 1.1.2019). Bereits im Vorfeld der Wahl kam es zu Gewalt zwischen rivalisierenden Anhängern und zu harten Vorgehen der Regierung (BBC 31.12.2018; vgl. Hindu 1.1.2019). Die Wahlen vom 30. Dezember 2018 waren durch Übergriffe auf Oppositionelle, willkürliche Verhaftungen und Einschüchterungen der Stimmberechtigten gekennzeichnet (HRW 14.1.2020). Am Wahltag waren rund 600.000 Sicherheitskräfte, darunter Armee und paramilitärische Truppen, im Einsatz, um die Gewalt einzudämmen (Guardian 30.12.2018). Frühzeitig wurde die Wahl durch die Wahlkommission als frei und fair bezeichnet. Unregelmäßigkeiten wurden nicht untersucht. Stattdessen wurden Journalisten wegen ihrer Berichterstattung verhaftet (HRW 14.1.2020). Es wurden mindestens 17 Menschen bei Zusammenstößen zwischen Anhängern der regierenden Partei und der Opposition getötet (Reuters 1.1.2019).
Die oppositionelle BNP hat aufgrund ihrer starken gesellschaftlichen Verankerung das Potenzial, durch Generalstreiks großen außerparlamentarischen Druck zu erzeugen (GIZ 11.2019a).
Infolge der Dominanz der AL und der fehlenden, innerparteilichen Demokratie hat de facto die exekutive Spitze das ausschließliche Sagen bei Gesetzesentwürfen. Wie schon die Vorgängerregierungen baut auch die gegenwärtige AL-Regierung ihre Netzwerke in Verwaltung, Rechtswesen und Militär aus. Verschärfend kommt hinzu, dass die BNP als vormals größte Oppositionspartei das Wahlergebnis angefochten hatte und nun nicht mehr im Parlament vertreten ist (GIZ 11.2019a).
Die erste Verfassung trat 1972 in Kraft und setzte neben der demokratischen Staatsform auch Säkularismus, Sozialismus und Nationalismus als Ziele fest. Nach zahlreichen Verfassungsänderungen wurde 1988 der Islam als Staatsreligion eingeführt bei gleichzeitiger verfassungsrechtlicher Verankerung des Rechts auf friedliche Ausübung anderer Religionen (ÖB 8.2019). Die verfassungsändernde Mehrheit der AL im Parlament führt zu einer enormen Machtkonzentration. Gesetzesinitiativen schränken den Spielraum der Zivilgesellschaft weiter ein (ACCORD 12.2016). Die Ankündigung von PM Sheik Hasina, ein Tribunal einzusetzen, um erstmals die Verantwortlichen für die Kriegsverbrechen im Unabhängigkeitskrieg 1971, aber auch für die Ermordung ihres Vaters und Staatsgründers Sheikh Rajibur Rahman 1975 sowie versuchte Mordanschläge auf ihr eigenes Leben 2004 zur Rechenschaft zu ziehen, stoßen in gewissen (pro-pakistanischen Kreisen) in Bangladesch auf heftigen Widerstand (ÖB 8.2019).
Die Kommunalwahlen 2019 fanden an fünf verschiedenen Wahltagen zwischen 10.3. und 18.6.2019 statt (bdnews24 20.6.2019; vgl. bdnews24 3.2.2019). Nachdem die BNP und einige andere Parteien die Wahlen boykottierten, wurde eine niedrige Wahlbeteiligung beobachtet (bdnews24 20.6.2019; vgl. DS 10.3.2019). Die Kandidaten der AL waren in 317 von 470 Upazillas [Landkreisen] siegreich, in 149 Upazillas gewannen unabhängige Kandidaten, die vorwiegend abtrünnige der Regierungsparteien sind. In 115 Upazillas gab es keine Gegenkandidaten (bdnews 20.6.2019). Für die Nachwahlen in insgesamt 8 Upazillas am 14.10.2019 kündigte die BNP jedoch eine Teilnahme an (PA 8.9.2019).
Der Verwaltungsaufbau von Bangladesch ist zentralistisch: Das Land ist in acht Regionen (Divisions), 64 Bezirke (Districts), 92 Landkreise bzw. Großstädte (Upazilas / City Corporations), über 4.500 Gemeindeverbände (Union Councils / Municipalities) und circa 87.000 Dorfgemeinden gegliedert (ÖB 8.2019). Im Gebiet der Chittagong Hill Tracts gilt eine besondere Verwaltung, die der lokalen (indigenen), nicht-bengalischen Bevölkerung verstärkte Mitwirkungsmöglichkeiten einräumen soll (ÖB 8.2019).
Quellen:
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Sicherheitslage
Der Hass zwischen den politischen Parteien, insbesondere Awami League (AL) und die Bangladesch National Party (BNP), ist für den größten Teil an Gewalt im Land verantwortlich (ACLED 9.11.2018). Die regierende Awami-Liga (AL) hat ihre politische Macht durch die nachhaltige Einschüchterung der Opposition, wie auch jener mit ihr verbündet geltenden Kräfte, sowie der kritischen Medien und Stimmen in der Zivilgesellschaft ausgebaut (FH 2020). Beide Parteien sind – gemeinsam mit unidentifizierten bewaffneten Gruppen – in Vandalismus und gewalttätige Auseinandersetzungen verwickelt und greifen auch friedliche Zivilisten an (ACLED 9.11.2018).
Von nicht-staatlichen Akteuren (insbesondere Opposition, Islamisten, Studenten) geht nach wie vor in vielen Fällen Gewalt aus. Die öffentliche Sicherheit ist fragil. Das staatliche Gewaltmonopol wird durchbrochen. Es kommt häufig zu Morden und gewalttätigen Auseinandersetzungen aufgrund politischer (auch innerparteilicher) oder krimineller Rivalitäten. Eine Aufklärung erfolgt selten. Die großen Parteien verfügen über eigene „Studentenorganisationen“. Mit dem stillschweigenden Einverständnis der Mutterparteien fungieren diese bewaffneten Organisationen als deren Schild und Schwert. Ihr Mitwirken im politischen Prozess ist eine der wichtigsten Ursachen für die politische Gewalt in Bangladesch (AA 22.7.2019).
Spontane Streiks und Kundgebungen können jederzeit stattfinden (BMEIA 18.3.2020; vgl. AA 22.3.2020), dabei können Kämpfe zwischen Sicherheitsbehörden und Demonstranten, Brandstiftung, Gewalt und Vandalismus unvorhergesehen auftreten (UKFCO 29.3.2020a).
Gewalt gegen Zivilisten oder staatliche Kräfte durch Rebellen macht einen relativ kleinen Anteil an allen Gewaltereignissen aus. Es gibt radikale islamistische Gruppen wie die Mujahideen Bangladesh (JMB) und Ansarullah Bangla Team (ABT). Sowohl der Islamische Staat (IS) und Al Qaeda in the Indian Subcontinent (AQIS) geben an, in Bangladesch aktiv zu sein, was von der Regierung jedoch dementiert wird (ACLED 9.11.2018). 2017 kam es zu fünf Selbstmordattentaten mit Todesfolge, zu denen sich der Islamische Staat bekannte (BMEIA 18.3.2020; vgl. SATP 2.4.2020). 2019 gab es mehrere Angriffe gegen Polizei und Sicherheitskräfte in Dhaka und in der Stadt Khulna. Am 29.2.2020 erfolgte ein Anschlag auf die Polizei in Chittagong, bei welchem auch improvisierten Sprengkörper (IEDs) eingesetzt worden sind. Die bangladeschischen Behörden sind weiterhin in höchster Alarmbereitschaft und vereiteln geplante Angriffe. Es wurde eine Reihe von Verhaftungen vorgenommen. Einige Operationen gegen mutmaßliche Militante haben ebenfalls zu Todesfällen geführt (UKFCO 29.3.2020b). Extremistische Gruppen führen Angriffe auf Angehörige vulnerabler Gruppen durch (USDOS 11.3.2020; AA 27.7.2019). In vielen Fällen ist nicht eindeutig differenzierbar, ob religiöse Motive oder säkulare Interessen, wie z.B. Racheakte oder Landraub, Grund für die Vorfälle sind. Sicherheitsbehörden reagieren manchmal nicht zeitnah bzw. überhaupt nicht auf religiös motivierte Vorfälle (AA 22.7.2019).
In der Division Chittagong, insbesondere im Gebiet der Chittagong Hill Tracts (Bezirke Rangamati, Khagrachari und Bandarban) kommt es zu bewaffneten Unruhen und kriminellen Übergriffen (AA 22.3.2020; vgl. UKFCO 29.3.2020a, AI 30.1.2020). Im südöstlichen Verwaltungsbezirk Cox’s Bazar der Gebietsverwaltung Chittagong hat es zuletzt unter anderem in der Nähe von Flüchtlingslagern vereinzelt gewalttätige Zwischenfälle gegeben. Es gibt Berichte über Sicherheitsprobleme, Protestkundgebungen sowie Gewalttätigkeiten und Unruhen sowohl in der örtlichen Bevölkerung als auch unter den Bewohnern der Lager, nachdem ein lokaler politischer Führer ermordet worden ist (HRW 18.9.2019; vgl. AA 5.11.2019, TDS 24.8.2019).
Im März 2019 wurden bei den Kommunalwahlen im Gebiet Baghicahhari im Norden des Distrikts Rangamati mehrere Wahl- und Sicherheitsbeamte getötet (UKFCO 29.3.2020a).
An der Grenze zu Indien kommt es gelegentlich zu Schusswechseln zwischen indischen und bangladeschischen Grenzwächtern. Regelmäßig werden Menschen getötet, die versuchen, illegal die Grenze zu überqueren (UKFCO 29.3.2020a).
Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2016 insgesamt 907 Todesopfer durch terrorismusrelevante Gewalt. Im Jahr 2017 wurden 812 Personen durch terroristische Gewalt getötet und im Jahr 2018 kamen 940 Menschen durch Terrorakte ums Leben. 2019 belief sich die Opferzahl terrorismus- relevanter Gewalt landesweit auf insgesamt 621 Tote. Bis zum 5.3.2020 wurden 81 Todesopfer durch terroristische Gewaltanwendungen registriert [Anmerkung: die angeführten Zahlen beinhalten Zivilisten, Sicherheitskräfte und Terroristen] (SATP 17.3.2020).
Das South Asia Terrorism Portal verzeichnet in einer Aufstellung für das Jahr 2017 insgesamt 263 Vorfälle terrorismus-relevanter Gewalt. Im Jahr 2018 wurden 135 solcher Vorfälle verzeichnet und 2019 wurden 104 Vorfälle registriert. Bis zum 2.4.2020 wurden 29 Vorfälle terroristischer Gewaltanwendungen registriert (SATP 2.4.2020).
In der Monsunzeit von Mitte Juni bis Mitte Oktober muss mit Überschwemmungen gerechnet werden, im südlichen Landesdrittel von Oktober bis November und Mitte April bis Mitte Mai grundsätzlich auch mit Wirbelstürmen (AA 22.3.2020). Regelmäßig wiederkehrende Überschwemmungen sowie die Erosion von Flussufern führen zu einer umfangreichen Binnenmigration (AA 22.7.2019; vgl. Kaipel 2018). Die Kriminalität ist hoch, insbesondere Raubüberfälle (BMEIA 18.3.2020).
Quellen:
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Rechtsschutz / Justizwesen
Das Gerichtssystem besteht aus zwei Instanzen, den untergeordneten Gerichten (Magistrates, Session- und District Judges) und dem Obersten Gerichtshof (Supreme Court). Beide verhandeln Zivil- und Strafrechtssachen. Das Rechtssystem beruht weitgehend auf dem englischen „Common Law“. Der Oberste Gerichtshof besteht aus zwei Abteilungen, dem „High Court“, der Verfassungsfragen verhandelt und als Berufungsinstanz zu den erstinstanzlichen Gerichten fungiert, sowie dem „Appellate Court“, dessen Entscheidungen für alle übrigen Gerichte bindend sind. Die Richter beider Abteilungen werden gemäß der Verfassung vom Präsidenten ernannt (ÖB 8.2019).
Die Unabhängigkeit der Richter wird von der Verfassung garantiert. In der Praxis unterstellt allerdings eine schon lange geltende temporäre Bestimmung der Verfassung die erstinstanzlichen Richter der Exekutive. Auch ihre Ernennung und Remuneration ist Sache der Exekutive. Demgegenüber haben die Richter des Obersten Gerichtshofs des öfteren ihre Unabhängigkeit demonstriert und gegen die Regierung entschieden (ÖB 8.2019). Gemäß einer Verfassungsänderung können Richter abgesetzt werden (AA 22.7.2019).
Auf Grundlage mehrerer Gesetze („Public Safety Act“, „Law and Order Disruption Crimes Speedy Trial Act”, “Women and Children Repression Prevention Act”, „Special Powers Act“) wurden Sondertribunale errichtet, die Fälle innerhalb eines festgesetzten Zeitrahmens erledigen müssen. Es fehlen allerdings Vorschriften für den Fall, dass sie dieser Verpflichtung nicht nachkommen. Diese „Speedy Trial“ Tribunale haben Medienberichten zufolge in den vergangenen Jahren mehrere Hundert Personen zum Tode verurteilt (ÖB 8.2019).
Wie die meisten Beobachter von Bangladesch übereinstimmend angeben, stellen Korruption, Ineffizienz der Justiz, gezielte Gewalt gegen Richter und ein gewaltiger Rückstau an offenen Fällen große Probleme dar (ÖB 8.2019; vgl. FH 2020). Strafanzeigen gegen Mitglieder der regierenden Partei werden regelmäßig zurückgezogen (FH 2020). Die schiere Zahl der gegen die politische Opposition eingeleiteten Klagen im Vorfeld zur 11. Parlamentswahl vom 30.12.2018, deutet auf ein ungehindertes Spielfeld und die Kontrolle der Regierungspartei über die Justiz- und Sicherheitsinstitutionen hin (FIDH 29.12.2018).
Zwei Drittel aller Streitfälle erreichen nicht das formelle Justizsystem, sondern werden von informellen Dorfgerichten oder bedeutenden Persönlichkeiten der lokalen Gemeinschaften entschieden. Diese behandeln meist Fälle betreffend Familienrecht, Unterhalt, Zweitehen, Mitgiftstreitigkeiten und Landeigentum. Obwohl diese „Gerichte“ eine durch Tradition legitimierte, schnellere und günstigere Alternative zu ordentlichen Gerichten darstellen, sind sie hinsichtlich der Einflussnahmemöglichkeiten durch lokal bedeutsame Persönlichkeiten sowie der gesellschaftlichen Stellung von Frauen nicht unproblematisch. Die islamische Scharia ist zwar nicht formell als Gesetz eingeführt, spielt aber insbesondere in den Bereichen des Zivilrechts (Erbschaft, Grunderwerb, Heirat und Scheidung etc.) eine große Rolle (ÖB 8.2019).
Quellen:
? AA – Auswärtiges Amt (Deutschland) (22.7.2019): Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Volksrepublik Bangladesch, https://www.ecoi.net/en/file/local/2014277/Deutschland___Ausw%C3%A4rtiges_Amt%2C_Bericht_%C3%Bcber_die_asyl-_und_abschiebungsrelevante_Lage_in_der_Volksrepublik_Bangladesch_%28Stand_Mai_2019%29%2C_22.07.2019.pdf, Zugriff 19.3.2020
? FH – Freedom House (2020): Freedom in the World 2020 – Bangladesh, https://freedomhouse.org/country/bangladesh/freedom-world/2020, Zugriff 1.4.2020
? FIDH - International Federation for Human Rights (Hg.) (29.12.2018): Joint statement on the undemocratic electoral environment in Bangladesh, https://www.fidh.org/en/region/asia/bangladesh/joint-statement-on-the-undemocratic-electoral-environment-in, Zugriff 3.4.2020
? ÖB – Österreichische Botschaft Neu Delhi (8.2019): Asylländerbericht Bangladesch
Sicherheitsbehörden
Die Polizei ist beim Ministerium für Inneres angesiedelt und hat das Mandat die innere Sicherheit sowie Recht und Ordnung aufrechtzuerhalten. Die Armee, die dem Büro des Ministerpräsidenten untersteht, ist für die äußere Sicherheit zuständig, kann aber auch für innerstaatliche Sicherheitsaufgaben herangezogen werden. Zivile Stellen hatten weiterhin effektive Kontrolle über die Streitkräfte und andere Sicherheitsbehörden. Die Regierung verfügt über Mechanismen, Missbrauch und Korruption zu untersuchen und zu bestrafen; sie werden aber nicht immer angewandt (USDOS 11.3.2020).
Das Wirken der Polizei ist gekennzeichnet durch einen Mangel an Ressourcen inklusive mangelhafter Infrastruktur, Mangel an Personal, Ausbildung und Arbeitsmaterialien, Ineffizienz und Korruption (AA 27.7.2019). Die Regierung unternahm Schritte, um in der Polizei Professionalität, Disziplin, Ausbildung und Reaktionsfähigkeit zu verbessern und die Korruption zu verringern. (USDOS 11.3.2020). Trotz dieser Bemühungen kommt es weiterhin zu Machtmissbrauch und unangebrachter Gewaltanwendung von Sicherheitskräften, insbesondere durch die Rapid Action Batallions (RAPs), die in weiterer Folge ungestraft bleiben (ÖB 8.2019).
Es gibt Hinweise auf willkürliche Festnahmen durch die Polizeikräfte, obwohl dies gesetzlich verboten ist, sowie auf willkürliche Nutzung der gesetzlich erlaubten präventiven Festnahmen. Die Festnahme ohne Angabe von Gründen ist für bis zu 30 Tagen zur Verhinderung von Taten, die die nationale Sicherheit, Verteidigung, Souveränität, öffentliche Ordnung oder auch wirtschaftliche Interessen des Landes gefährden, erlaubt. Die Arretierten haben kein Recht auf einen Verteidiger. Die hauptsächlich Betroffenen sind Aktivisten der politischen Parteien und NGO-Vertreter, die Kritik an der Regierung üben. Nach wie vor problematisch ist auch die in vielen Fällen unverhältnismäßig lange Untersuchungshaft. Als Gründe hierfür werden bürokratische Ineffizienz, limitierte Ressourcen und Korruption genannt. Gegenwärtig geht man von über 2 Millionen ausständigen Zivil- und Strafverfahren aus (ÖB 8.2019).
Die Sicherheitskräfte lassen Personen weiterhin routinemäßig „verschwinden“ (AI 30.1.2020; siehe auch Abschnitt 5). Betroffene sehen aus Angst vor Vergeltung in der Regel davon ab, Mitglieder der Sicherheitsbehörden wegen Menschenrechtsvergehen anzuzeigen, so dass diese straflos bleiben. Auch im Falle einer Beschwerde herrscht weitestgehend Straffreiheit. Wenn allerdings die Medien Polizeiversagen öffentlich anprangern, werden durch die politische Ebene die zuständigen Polizisten oft bestraft (AA 27.7.2019).
Die Sicherheitsbehörden bestehen zum Hauptteil aus der dem Innenministerium unterstellten „Bangladesch Police“, die ca. 116.000 Mann zählt. Zur Unterstützung der Polizei stehen weiter