TE Bvwg Erkenntnis 2020/11/16 G314 2173912-3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 16.11.2020
beobachten
merken

Entscheidungsdatum

16.11.2020

Norm

B-VG Art133 Abs4
FPG §67 Abs1
FPG §67 Abs2

Spruch

G314 2173912-3/9E

ENDERKENNTNIS

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Bundesverwaltungsgericht erkennt durch die Richterin Mag.a Katharina BAUMGARTNER über die Beschwerde des kroatischen Staatsangehörigen XXXX , geboren am XXXX , vertreten durch die ARGE Rechtsberatung (Diakonie Flüchtlingsdienst gemeinnützige GmbH und Volkshilfe Flüchtlings- und MigrantInnenbetreuung GmbH), gegen den Bescheid des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl vom XXXX .03.2019, Zl.: XXXX , zu Recht:

A)

Der Beschwerde wird teilweise Folge gegeben und der angefochtene Bescheid dahingehend abgeändert, dass es in Spruchpunkt I. zu lauten hat: „Gemäß § 67 Abs 1 und 2 FPG wird gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.“

B)

Die Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.



Text


Entscheidungsgründe:

Verfahrensgang:

Der Beschwerdeführer (BF) weist seit 1992 zahlreiche strafgerichtliche Verurteilungen in Österreich auf. Im Hinblick darauf wurde gegen ihn 2007 ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen, das 2012 in ein mit zehn Jahren befristetes Einreiseverbot abgeändert wurde.

2009 wurde der BF zu einer zehnjährigen Freiheitsstrafe verurteilt, die er in den Justizanstalten XXXX und XXXX verbüßte. Am XXXX .2015 reiste er nach Kroatien aus, nachdem gemäß § 133a StVG vom weiteren Vollzug der Strafe vorläufig abgesehen worden war. Nach seiner Rückkehr in das Bundesgebiet wurde er am XXXX .2015 zum Vollzug der restlichen Freiheitsstrafe wieder in Haft genommen.

Mit dem Schreiben des Bundesamts für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 14.08.2017 wurde der BF aufgefordert, zur beabsichtigten neuerlichen Erlassung eines Aufenthaltsverbots Stellung zu nehmen, weil die Verurteilung 2009 seinerzeit nicht berücksichtigt worden sei; gleichzeitig wurden an ihn konkrete Fragen zu seinem Aufenthalt in Österreich, seinem Privat- und Familienleben und den Bindungen zu seinem Heimatstaat gerichtet. Der BF erstattete keine Stellungnahme.

Mit dem Bescheid vom XXXX .2017 erließ das BFA gegen den BF ein unbefristetes Aufenthaltsverbot, erteilte keinen Durchsetzungsaufschub und erkannte einer Beschwerde die aufschiebende Wirkung ab. Aufgrund einer Beschwerde des BF hob das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) diesen Bescheid mit Beschluss vom 25.01.2019 auf und verwies die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheids an das BFA zurück, weil keine Ermittlungen zu einem allfälligen unionsrechtlichen Aufenthaltsrecht des BF, Dauer und Rechtmäßigkeit seines Aufenthalts im Bundesgebiet, dem anzuwendenden Gefährdungsmaßstab, den konkreten Straftaten und seinem Verhalten seither vorgenommen worden seien.

Daraufhin erließ das BFA mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid gemäß § 67 Abs 1 und 3 FPG gegen den BF neuerlich ein unbefristetes Aufenthaltsverbot, erteilte ihm gemäß § 70 Abs 3 FPG keinen Durchsetzungsaufschub und erkannte einer Beschwerde gemäß § 18 Abs 3 BFA-VG die aufschiebende Wirkung ab. Das Aufenthaltsverbot wurde im Wesentlichen mit der Erfüllung des Tatbestands des § 67 Abs 3 Z 1 FPG begründet. Der in Österreich geborene BF sei im Bundesgebiet zwölf Mal strafgerichtlich verurteilt worden; zuletzt sei 2009 wegen schweren Raubes eine zehnjährige Freiheitsstrafe verhängt worden. Er habe im Bundesgebiet, wo seine Mutter lebe, nach der Pflichtschule den Beruf eines XXXX erlernt. Er sei nur wenige Monate nach seiner Ausreise gemäß § 133a StVG nach Kroatien neuerlich im Bundesgebiet verhaftet und zum Vollzug der Reststrafe in die Justizanstalt XXXX überstellt worden. Er sei seit April 2009 in Österreich lediglich in Justizanstalten mit Wohnsitz gemeldet und habe keine schützenswerten beruflichen oder familiären Bindungen im Inland.

Dagegen richtet sich die wegen inhaltlicher Rechtswidrigkeit und wegen der Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde mit den Anträgen auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung und auf Durchführung einer Beschwerdeverhandlung. Der BF strebt damit primär die Behebung des angefochtenen Bescheids, namentlich des Aufenthaltsverbots, in eventu die Reduktion von dessen Dauer an. Außerdem stellt er hilfsweise einen Aufhebungs- und Rückverweisungsantrag.

Der BF begründet die Beschwerde zusammengefasst damit, dass durch die Unterlassung seiner Einvernahme sein Recht auf Parteiengehör verletzt worden sei. Das BFA habe keine nachvollziehbare Gefährdungsprognose erstellt, zumal seine letzte Straftat schon mehr als zehn Jahre zurückliege und er seither nicht mehr straffällig geworden sei. Seinen früheren Verurteilungen seien vorwiegend Vergehen zugrunde gelegen; in mehreren Fällen sei es beim Versuch geblieben. Die Verurteilung 2009 hätte bereits bei der Erlassung des Bescheids über die Abänderung des unbefristeten Aufenthaltsverbots in ein zehnjähriges Einreiseverbot 2012 berücksichtigt werden müssen und könne jetzt nicht mehr zur Begründung eines weiteren Aufenthaltsverbots herangezogen werden. Der BF habe seinen Aufenthalt seit mehr als zehn Jahren im Bundesgebiet. Ein Aufenthaltsverbot gegen ihn setze daher voraus, dass die Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib nachhaltig und maßgeblich gefährdet wäre. Diese Voraussetzung sei nicht erfüllt, was auch die Lockerungsprognose belege, die ihm eine zufriedenstellende Arbeitsleistung, eine gute Integration in die Wohngruppe und Bemühungen um Kontakt mit seiner Mutter attestiere. Ein unbefristetes Aufenthaltsverbot sei unverhältnismäßig, weil der BF fast sein ganzes Leben in Österreich verbracht habe. In Kroatien habe er keine Familie, kein soziales Netzwerk und keine Lebensgrundlage. Er spreche schlecht Kroatisch und habe in seinem Herkunftsstaat keine persönlichen Dokumente erhalten, weil er aus allen Registern gelöscht worden sei. Es sei ihm daher nicht möglich gewesen, eine Krankenversicherung zu erhalten oder Arbeit zu finden. Das 2012 ausgesprochene Einreiseverbot sei mit dem unionsrechtlichen Aufenthaltsrecht des BF nicht kompatibel und daher gegenstandslos, sodass er 2015 nicht entgegen einem bestehenden Einreiseverbot in das Bundesgebiet zurückgekehrt sei. Da er kein weiteres strafrechtliches Fehlverhalten mehr gesetzt habe, sei die Erlassung eines neuerlichen Aufenthaltsverbots gegen ihn unzulässig. Dem BF hätte schon im Alter von 15 Jahren die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen werden können, was nur an der fehlenden Zustimmung seines Vaters gescheitert sei. Er habe sich vor dem Beitritt Kroatiens zur Europäischen Union (EU) jahrelang rechtmäßig im Bundesgebiet aufgehalten und sei daher als aufenthaltsverfestigt iSd (aufgehobenen) § 9 Abs 4 BFA-VG anzusehen, was das BFA bei der Interessenabwägung gemäß Art 8 EMRK nicht berücksichtigt habe. Die Feststellung, dass er keine schützenswerten familiären Bindungen im Bundesgebiet habe, sei angesichts regelmäßiger Kontakte zu seiner schwer kranken Mutter, einer österreichischen Staatsbürgerin, aktenwidrig.

Das BFA legte die Beschwerde und die Akten des Verwaltungsverfahrens dem Bundesverwaltungsgericht (BVwG) vor, erstattete eine ausführliche Stellungnahme zur Beschwerde und beantragte, diese als unbegründet abzuweisen.

Mit dem Teilerkenntnis vom 17.04.2019 wies das BVwG den Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung als unzulässig zurück und die Beschwerde gegen die Aberkennung der aufschiebenden Wirkung als unbegründet ab und sprach aus, dass der Beschwerde die aufschiebende Wirkung gemäß § 18 Abs 5 BFA-VG nicht zuerkannt werde.

Der BF, der nach seiner Entlassung aus der Strafhaft am XXXX .2019 in Schubhaft genommen worden war, wurde am XXXX .2019 vor dem BVwG im Schubhaftbeschwerdeverfahren vernommen. Er reiste am XXXX .2019 nach Ausstellung eines Ersatzreisedokuments freiwillig nach Kroatien aus, kehrte aber mehrfach wieder in das Bundesgebiet zurück, sodass er am XXXX .2019 und XXXX .2019 nach Kroatien abgeschoben wurde.

Am XXXX .2019 wurde der BF in XXXX verhaftet und in Untersuchungshaft genommen. Mit dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX , XXXX , wurde er wegen unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften zu einer achtmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt. Mit Beschluss vom XXXX .2020 wurde ihm ein Strafaufschub gemäß § 39 Abs 1 SMG bis XXXX .2022 gewährt. Da der BF die angeordnete Therapie abbrach, befindet er sich seit XXXX .2020 wieder in Strafhaft.

Dem BVwG wurden nach der Beschwerdevorlage das Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX , das psychotherapeutische Sachverständigengutachten vom XXXX .2020, der Beschluss des Landesgerichts XXXX vom XXXX .2020, die Mitteilung über den Therapieabbruch vom XXXX .2020 und der Strafantrittsbericht vom XXXX .2020 übermittelt.

Feststellungen:

Der BF ist kroatischer Staatsangehöriger. Er kam am XXXX in XXXX als Sohn der aus Kroatien stammenden Ehegatten XXXX und XXXX zur Welt. Im Alter von ca. einem Jahr brachten ihn seine in Österreich lebenden Eltern zu seiner Großmutter nach Kroatien, wo er aufwuchs, bis er mit ca. fünf Jahren zu seinen Eltern nach Österreich zurückkehrte. Er besuchte hier den Kindergarten und die Pflichtschule und absolvierte danach eine XXXX . Bis 1995 hielt er sich aufgrund von Sichtvermerken rechtmäßig im Bundesgebiet auf. Danach wurde ihm kein Aufenthaltstitel mehr erteilt. Eine Anmeldebescheinigung wurde ihm nie ausgestellt.

Der BF ist ledig und hat keine Kinder. Er beherrscht die deutsche Sprache, spricht aber auch Kroatisch. Seine Eltern sind seit seiner Jugend geschieden. Zu seinem Vater, einem kroatischen Staatsangehörigen, und seinen Halbgeschwistern besteht seit vielen Jahren kein Kontakt. Seiner Mutter, die an physischen und psychischen gesundheitlichen Problemen leidet, wurde 2001 die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen. Sie lebt seit 2019 in einem Pensionistenheim in XXXX . Abgesehen von ihr hat der BF weder in Österreich noch in Kroatien Verwandte. Bis 2015 hielt er sich in Kroatien nur für Urlaube und 1994 für ca. sechs Wochen im Rahmen des Militärdiensts auf.

Der BF konsumiert seit seiner Jugend ohne nennenswerte abstinente Phasen Suchtmittel; seit Jahren besteht ein Abhängigkeitssyndrom in Bezug auf Opiate, Cannabinoide, Benzodiazepine und Kokain. Wenn er nicht in Haft war, hielt er sich bei seiner in XXXX lebenden Mutter oder unangemeldet bei Freunden auf; teilweise lebte er auf der Straße. Er ging nach dem Lehrabschluss wegen seines Drogenkonsums keiner Erwerbstätigkeit mehr nach und war daher im Bundesgebiet zuletzt 1993 legal erwerbstätig.

Der BF wurde in Österreich wiederholt rechtskräftig strafgerichtlich verurteilt. Erstmals wurde er mit dem Urteil des XXXX vom XXXX wegen Vermögens- und Aggressionsdelikten (§§ 142 Abs 1, 143; 15, 144 Abs 1; 105 Abs 1; 229 Abs 1; 83 Abs 1 StGB) als Jugendstraftaten zu einer zweijährigen Freiheitsstrafe verurteilt, wobei ein Strafteil von 18 Monaten bedingt nachgesehen wurde. Der unbedingte Strafteil wurde bis XXXX .1993 vollzogen. Die zunächst dreijährige Probezeit wurde anlässlich einer Folgeverurteilung auf fünf Jahre verlängert; im Jahr 2000 wurde die bedingte Strafnachsicht widerrufen und die Strafe bis XXXX .2004 vollzogen.

Mit dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX wurde gegen den BF wegen Suchtgiftdelikten (§§ 12 StGB, 12 Abs 1 und Abs 3 Z 3, 16 Abs 1 SGG) eine einjährige Freiheitsstrafe verhängt, die bis XXXX .1998 vollzogen wurde. Mit dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX wurde er wegen Vermögens- und Urkundendelikten (§§ 127, 129 Abs 1, 229 Abs 1 StGB) zu einer 15-monatigen Freiheitsstrafe verurteilt, die er bis XXXX .1997 verbüßte. Mit dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX wurde gegen ihn wegen Suchtgiftdelikten (§§ 12 Abs 1, 16 Abs 1 SGG) eine sechsmonatige Freiheitsstrafe verhängt, die bis XXXX .1997 vollzogen wurde.

Am XXXX .1996 wurde gegen den BF wegen Gefährdung der öffentlichen Ordnung eine bis XXXX .2006 gültige Sichtvermerksversagung ausgesprochen. Diese wurde am XXXX .1998 widerrufen, weil er von klein auf im Inland aufgewachsen und hier langjährig rechtmäßig niedergelassen war, sodass nach der damaligen Rechtslage (§ 38 Abs 1 Z 4 FrG) gegen ihn kein Aufenthaltsverbot erlassen werden durfte.

Am XXXX wurde der BF zu einer einwöchigen, zunächst bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe wegen Sachbeschädigung (§ 125 StGB) durch das Bezirksgericht XXXX verurteilt, wobei die bedingte Strafnachsicht im Jahr 2000 widerrufen und die Strafe bis XXXX .2004 vollzogen wurde. Mit dem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom XXXX wurde er wegen Suchtmittel- und Vermögensdelikten (§§ 28 Abs 2 SMG, 12 StGB, 27 Abs 1 SMG, 127 StGB) zu einer einjährigen Freiheitsstrafe verurteilt, die bis XXXX .1999 vollzogen wurde. Mit dem Urteil des XXXX vom XXXX wurde er wegen Diebstahls (§ 127 StGB) zu einer einmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt, die er bis XXXX .2000 verbüßte. Mit dem seit XXXX rechtskräftigen Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX wurde wegen Vermögensdelikten (§§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1, 130, 15, 135 Abs 1 StGB) eine dreijährige Freiheitsstrafe als Zusatzstrafe gemäß §§ 31, 40 StGB dazu verhängt, die bis XXXX .2003 vollzogen wurde. Mit dem Urteil des Bezirksgerichts XXXX vom XXXX wurde wegen Diebstahls (§§ 15, 127 StGB) unter Bedachtnahme darauf gemäß §§ 31, 40 keine Zusatzstrafe verhängt. Am XXXX wurde der BF vom Landesgericht XXXX wegen Vermögensdelinquenz (§§ 15, 127, 129 Z 1 StGB) zu einer 15-monatigen Freiheitsstrafe verurteilt, die bis XXXX .2006 vollzogen wurde. Schon am XXXX wurde der BF neuerlich verhaftet, in Untersuchungshaft genommen und mit dem seit XXXX rechtskräftigen Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX zu einer Freiheitsstrafe von 26 Monaten wegen Eigentumsdelikten (§§ 15, 127, 129 Z 1 StGB) verurteilt, die er bis XXXX .2008 verbüßte.

Am 28.03.2007 wurde gegen den BF gemäß § 60 Abs 1 iVm Abs 2 Z 1 FPG iVm § 63 FPG in der damals geltenden Fassung im Hinblick auf die zehn strafgerichtlichen Verurteilungen zwischen November 1992 und Jänner 2005 ein seit XXXX .2007 rechtskräftiges unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.

Nach der Entlassung aus dem Strafvollzug am XXXX .2008 lebte der BF von seinen Ersparnissen aus der Haftzeit und der Unterstützung seiner Mutter, bei der er auch wohnte. Er war ohne Beschäftigung und ohne legales Einkommen. Obwohl die kroatischen Behörden für ihn ein von XXXX .2008 bis XXXX .2008 gültiges Ersatzreisedokument ausgestellt hatten, blieb er im Bundesgebiet, weil seine Mutter an Krebs erkrankt war. Mit dem Bescheid vom XXXX .2008 wurde von der Anordnung der Schubhaft Abstand genommen und als gelinderes Mittel die tägliche Meldung bei einer Polizeiinspektion angeordnet.

Der BF kam dieser Anordnung bis Anfang XXXX 2008 nach. Am XXXX .2008 wurde er wieder verhaftet und anschließend in Untersuchungshaft genommen, weil er am XXXX .2008 und am XXXX .2008 zwei Raubüberfälle auf dieselbe Trafik verübt hatte, wobei er sein Opfer jeweils mit einer Schreckschusspistole bedroht, die Herausgabe von Geld gefordert und so beim ersten Überfall EUR 1.320 und bei zweiten Überfall EUR 180 erbeutet hatte. Wegen dieser Taten wurde er mit dem seit XXXX rechtskräftigen Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX wegen des Verbrechens des schweren Raubes (§§ 142 Abs 1, 143 zweiter Fall StGB) letztlich (im Berufungsweg) zu einer zehnjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Bei der Strafzumessung wurden das Geständnis und die teilweise Sicherstellung der Beute als mildernd, die zahlreichen einschlägigen Vorstrafen, das Vorliegen der Voraussetzungen für eine Strafverschärfung im Rückfall gemäß § 39 StGB, der äußerst rasche Rückfall (nach nur zwei Monaten) und das Zusammentreffen von zwei Verbrechen dagegen als erschwerend berücksichtigt.

Der BF verbüßte diese Freiheitsstrafe – unter Berücksichtigung der anzurechnenden Vorhaft – zunächst in der Justizanstalt XXXX und ab XXXX 2009 in der Justizanstalt XXXX . Das urteilsmäßige Strafende war am XXXX .2018.

Mit dem Bescheid vom XXXX .2012 wurde das am XXXX .2007 gegen den BF erlassene unbefristete Aufenthaltsverbot gemäß § 68 Abs 2 AVG in ein mit zehn Jahren befristetes Einreiseverbot gemäß § 53 Abs 3 FPG geändert. Dies wurde damit begründet, dass der dem damaligen Bescheid zugrunde liegende Sachverhalt aufgrund einer Gesetzesänderung durch das FrÄG 2011 (BGBl I Nr. 38/2011) nicht mehr die Erlassung eines Aufenthaltsverbots, sondern nur eines mit bis zu zehn Jahren befristeten Einreiseverbots ermögliche. Dieser Bescheid wurde dem BF am XXXX .2012 zugestellt; dagegen wurde kein Rechtsmittel erhoben. Der bescheiderlassenden Behörde war bei der Erlassung dieses Bescheids bekannt, dass der BF 2009 rechtskräftig zu einer zehnjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden war.

Nachdem die bedingte Entlassung des BF im XXXX 2013 und im XXXX 2015 – unter anderem wegen seines negativen Vollzugsverhaltens und der Suchtgiftproblematik – jeweils abgelehnt worden war, wurde aufgrund seines Antrags mit dem Beschluss des Landesgerichts XXXX vom XXXX .2015 gemäß § 133a StVG vom weiteren Vollzug der Strafe vorläufig abgesehen. Er wurde daraufhin aus der Haft entlassen und reiste am XXXX .2015 nach Kroatien aus, nachdem die kroatischen Behörden für ihn wieder ein Ersatzreisedokument ausgestellt hatten. Schon im November 2015 kehrte er in das Bundesgebiet zurück, wo er sich zunächst unangemeldet bei seiner Mutter aufhielt. Am XXXX .2015 wurde er verhaftet und zum Vollzug der Reststrafe zunächst in die Justizanstalt XXXX und am XXXX .2015 in die Justizanstalt XXXX eingeliefert, wo er bis XXXX .2017 angehalten wurde. Danach war er bis zum urteilsmäßigen Strafende am XXXX .2019 in der Justizanstalt XXXX in Haft, wo er an Therapiemaßnahmen in Bezug auf seine Suchtgiftproblematik teilnahm. Während des Strafvollzugs erbrachte er eine zufriedenstellende Arbeitsleistung in der XXXX und als XXXX und integrierte sich gut in seine Wohngruppe, beging jedoch bis Juni 2018 mehrere Ordnungswidrigkeiten (Suchtgiftkonsum, ungebührliches Verhalten, Besitz verbotener Gegenstände).

Nach der Entlassung aus der Strafhaft am XXXX .2019 wurde der BF in Schubhaft genommen. Nach der Ausstellung eines Ersatzreisedokuments reiste er am XXXX .2019 freiwillig nach Kroatien aus. Am XXXX .2019 wurde ihm dort ein bis XXXX .2024 gültiger kroatischer Personalausweis ausgestellt. In der Folge kehrte er wiederholt in das Bundesgebiet zurück, sodass er am XXXX .2019 und am XXXX .2019 jeweils nach Kroatien abgeschoben wurde.

Am XXXX .2019 wurde der BF in XXXX verhaftet und anschließend in Untersuchungshaft genommen. Davor hatte er illegal Suchtmittel (Substitol, Marihuana, Kokain und Benzodiazepine) konsumiert; während der Haft erhielt er Substitutionsmedikamente (Methadon) sowie Tabletten mit beruhigender, angst- und spannungslösender Wirkung (Praxiten). Mit dem Urteil des Landesgerichts XXXX vom XXXX ,
XXXX , wurde er wegen der Vergehens des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 2a und Abs 3 SMG sowie nach §§ 15 StGB, 27 Abs 1 Z 1 achter Fall, Abs 3 SMG rechtskräftig zu einer achtmonatigen Freiheitsstrafe verurteilt, weil er am XXXX .2019 gewerbsmäßig an einem allgemein zugänglichen Ort (Vorplatz einer XXXX ) öffentlich acht Abnehmern jeweils einen Beutel mit 1,2 g Cannabiskraut (Wirkstoffe THCA und Delta-9-THC) überlassen und den Großteil von elf weiteren Beuteln mit insgesamt 15,9 g Cannabiskraut zum unmittelbar bevorstehenden Verkauf bereitgehalten hatte. Der durch die Suchtgiftverkäufe erzielte Umsatz von EUR 80 wurde für verfallen erklärt. Bei der Strafbemessung wurde das Geständnis des BF als mildernd gewertet, als erschwerend zahlreiche einschlägige Vorstrafen.

Nach Einholung eines psychotherapeutischen Sachverständigengutachtens wurde dem BF mit Beschluss vom XXXX .2020 ein Strafaufschub gemäß § 39 Abs 1 SMG bis XXXX .2022 gewährt, um sich einer sechsmonatigen stationären Behandlung und einer anschließenden ambulanten Weiterbetreuung zu unterziehen. Daraufhin wurde er aus der Haft entlassen und am XXXX .2020 zur stationären Drogentherapie in eine entsprechende Einrichtung ( XXXX ) aufgenommen. Am XXXX .2020 brach er die Therapie ab, verließ die Betreuungseinrichtung und hielt sich in der Folge ohne festen Wohnsitz in Wien auf. Ein weiterer, am XXXX .2020 begonnener Therapieversuch wurde ebenfalls nach kurzer Zeit abgebrochen, sodass der BF nach dem Widerruf des Strafaufschubes am XXXX .2020 erneut in Strafhaft genommen wurde. Er wird seither in der Justizanstalt XXXX angehalten; das urteilsmäßige Strafende ist am XXXX .2021.

Abgesehen von seiner Suchterkrankung ist der BF gesund und grundsätzlich arbeitsfähig. In Kroatien sind (wie in allen EU-Staaten) Behandlungsmöglichkeiten für Suchtmittelkonsumenten (einschließlich Substitutionsbehandlungen für Opiatabhängige) verfügbar.

Beweiswürdigung:

Der Verfahrensgang ergibt sich widerspruchsfrei aus dem unbedenklichen Inhalt der vorgelegten Verwaltungsakten und des Gerichtsakts des BVwG.

Die Feststellungen basieren ebenfalls auf dem Akteninhalt, insbesondere auf den Angaben des BF, den vorliegenden strafgerichtlichen Entscheidungen, den Auszügen aus dem Zentralen Melderegister (ZMR), dem Informationsverbundsystem Zentrales Fremdenregister (IZR) und dem Strafregister sowie auf den Sozialversicherungsdaten. Es wurden auch die anlässlich der Beschwerde gegen den Bescheid vom XXXX .2017 vorgelegten Aktenbestandteile berücksichtigt. Entscheidungswesentliche Widersprüche liegen nicht vor.

Die Feststellungen zu Namen, Geburtsdatum und Staatsangehörigkeit des BF basieren auf den konsistenten Angaben dazu, zuletzt etwa im Strafurteil vom XXXX . Kroatien hat in den letzten Jahren mehrmals ein Ersatzreisedokument für ihn ausgestellt. Im ZMR ist der ihm 2019 in Kroatien ausgestellte Personalausweis gespeichert. Der Geburtsort des BF geht übereinstimmend aus ZMR, IZR und Strafregister hervor. Er bezeichnet sich durchgehend (zuletzt z.B. vor dem BFA am XXXX .2019 und vor der psychotherapeutischen Sachverständigen am XXXX .2020) als ledig und kinderlos.

Außer seiner Mutter, die laut BF an Schizophrenie leidet, laut ZMR seit 2001 Österreicherin ist und in XXXX in einem Pensionistenheim lebt und bei der – wie die 2008 vorgelegten medizinischen Unterlagen belegen – diverse gesundheitliche Probleme bestehen, nennt der BF keine familiären Bezugspersonen, zumal zu seinem Vater und seinen Halbgeschwistern nach seinen eigenen Angaben seit langem kein Kontakt besteht. Auch in der Lockerungsprognose vom XXXX .2018 wird die Mutter des BF als seine einzige Bezugsperson bezeichnet. Die Scheidung seiner Eltern schildert er konsistent, z.B. vor dem BVwG am XXXX .2019 und vor der psychotherapeutischen Sachverständigen. Vor letzterer gab er auch eine langjährige „On-Off-Beziehung“ zu einer Frau an. Diese erreicht aber - wie schon diese Bezeichnung, die auf wiederkehrende Trennungen hinweist, nahelegt - nicht die Intensität einer eheähnlichen Lebensgemeinschaft. Dafür sprechen die Angaben in der Lockerungsprognose vom XXXX .2018 („Sie seien immer wieder mal zusammen und getrennt gewesen … Rückblickend habe er aber keine erwachsene Beziehung gelebt.“). Eine Lebensgemeinschaft ist auch deshalb nicht anzunehmen, weil der BF ab 2009 überwiegend in Haft war und ab 2015 mehrfach nach Kroatien ausreiste. In der Beschwerde wird diese Beziehung gar nicht mehr erwähnt.

Bei der Einvernahme vor dem BVwG am XXXX .2019 schilderte der BF seine Aufenthalte in Österreich und Kroatien schlüssig und übereinstimmend mit der Sozialanamnese laut der Lockerungsprognose vom XXXX .2018. Der Umstand, dass im ZMR vor 2000 keine Wohnsitzmeldungen des BF ersichtlich sind, ist darauf zurückzuführen, dass dieses erst seit 01.03.2002 im Echtbetrieb ist, sodass darin nur Meldungen aufscheinen, die zu diesem Zeitpunkt bereits bestanden haben, sowie danach erfolgte An- und Abmeldungen. Die Meldebestätigung vom XXXX .2006 belegt, dass der BF auch von XXXX .1975 bis XXXX .1996, von XXXX .1998 bis XXXX .1998 sowie ab XXXX .2004 in XXXX gemeldet war. Auch wenn berücksichtigt wird, dass eine amtliche Meldung im Inland nur ein Indiz, aber keinen Beweis für das Bestehen eines (bestimmten) Wohnsitzes oder Aufenthalts einer Person an einem bestimmten Ort ist, kann ausgehend davon das Darstellung des BF gefolgt werden, aus der sich ergibt, dass er sich vor der Ausreise nach Kroatien am XXXX .2015 nur während seiner frühen Kindheit (im Alter zwischen einem und fünf Jahren) sowie für Urlaube und (kurz) zum Militärdienst in Kroatien aufgehalten hatte. Seine in Österreich absolvierte Schul- und Berufsausbildung ergibt sich z.B. aus seinen Angaben gegenüber der psychotherapeutischen Sachverständigen am XXXX .2020 und im Rahmen der Lockerungsprognose vom XXXX .2018.

Die Feststellungen zu den dem BF bis 1995 erteilten Sichtvermerken beruhen auf seinen Angaben vor dem BVwG am XXXX .2019. Dafür spricht auch der dem BVwG 2017 vorgelegte Antrag auf Erteilung eines Sichtvermerks vom XXXX .1992. Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass dem BF nach 1995 eine Aufenthaltsgenehmigung oder eine Anmeldebescheinigung ausgestellt worden wären. Dies wird weder von ihm selbst behauptet noch geht es aus den Akten oder aus dem IZR-Auszug hervor. Bei der Einvernahme am XXXX .2019 bestätigte er, noch nie einen Antrag auf Ausstellung einer Anmeldebescheinigung gestellt zu haben.

Da der BF vor Gerichten und Verwaltungsbehörden stets ohne Dolmetsch vernommen werden konnte, ist (auch angesichts der langen Inlandsaufenthalte und der in Österreich absolvierten Ausbildung) von sehr guten Deutschkenntnissen auszugehen. Kroatischkenntnisse können festgestellt werden, weil der BF seine für den (Erst-) Spracherwerb maßgebliche frühe Kindheit in Kroatien verbrachte und danach in Österreich in einem kroatischen Familienverband aufwuchs. Er hielt sich auch immer wieder für einige Zeit in Kroatien auf, zuletzt (mit Unterbrechungen) zwischen Mai und Dezember 2019. Aus der Erkennungsdienstlichen Evidenz gehen im Einklang damit sowohl Deutsch- als auch Kroatischkenntnisse hervor.

Die Feststellungen zum Suchtmittelkonsum des BF und zu seiner Suchterkrankung basieren insbesondere auf den im Gutachten der psychotherapeutischen Sachverständigen und der Lockerungsprognose vom XXXX .2018 wiedergegebenen Angaben des BF dazu. Damit steht im Einklang, dass er immer wieder wegen Suchtgift- bzw. Beschaffungskriminalität verurteilt wurde und bei seinen Straftaten häufig unter Drogeneinfluss stand (siehe z.B. das XXXX vorgelegte Urteil des XXXX vom XXXX , XXXX ).

Aus den Versicherungsdaten geht übereinstimmend mit den Angaben des BF am XXXX .2019 und in der Lockerungsprognose vom XXXX .2018 hervor, dass er zuletzt 1993 erwerbstätig war. Dies deckt sich mit seiner Aussage vor der psychotherapeutischen Sachverständigen, wonach er zuletzt „vor sehr vielen Jahren“ gearbeitet habe.

Die Feststellungen zu den vom BF begangenen Straftaten, zu den strafgerichtlichen Verurteilungen und den Strafzumessungsgründen basieren auf den aktenkundigen Strafurteilen und dem Strafregister, das die Rechtskraft der Verurteilungen belegt. Der Vollzug der Strafen ergibt sich aus den aktenkundigen Vollzugsinformationen, der Vorhaftanrechnung laut den Strafurteilen, den Wohnsitzmeldungen in Justizanstalten laut ZMR und den Vollzugsdaten laut Strafregister.

Die 1996 ausgesprochene Sichtvermerksversagung ergibt sich aus den dem BVwG 2017 vorgelegten Verwaltungsakten (FIS-Formblatt 1 vom XXXX .1996, Auszug aus der Fremdeninformationsdatei vom XXXX .1998). Der Widerruf der Sichtvermerksversagung geht aus dem gleichzeitig vorgelegten EKIS-Formblatt 12 hervor, zumal danach mehrfach darauf hingewiesen wurde, dass gegen den BF gemäß § 38 Abs 1 Z 4 FrG kein Aufenthaltsverbot erlassen werden konnte (z.B. Schreiben der XXXX vom XXXX .2000 und vom XXXX .2005, Schreiben des Magistrats der Stadt XXXX vom XXXX .2002).

Dem BVwG wurden die Bescheide vom XXXX .2007 und vom XXXX .2012 in diesem Beschwerdeverfahren trotz mehrfacher Aufforderung nicht vorgelegt, sie befinden sich aber bei den 2017 vorgelegten Verwaltungsakten. Da die Verurteilung aus dem Jahr 2009 im Bescheid vom XXXX .2012 erwähnt wird, ist jedenfalls davon auszugehen, dass sie der Behörde bei der Bescheiderlassung bekannt war.

Die Feststellung, wonach der BF nach der Haftentlassung am XXXX .2008 ohne Beschäftigung und ohne Einkommen bei seiner Mutter lebte, geht aus der Begründung des Strafurteils vom XXXX hervor. Das 2008 für den BF ausgestellte Heimreisezertifikat liegt vor. Die Krebserkrankung seiner Mutter und die im Hinblick darauf unterbliebene Ausreise werden anhand der Niederschrift vom XXXX .2008 samt angeschlossenen medizinischen Unterlagen, des Aktenvermerks vom XXXX .2008 und der Niederschrift vom XXXX .2008, die dem BVwG jeweils 2017 vorgelegt wurden, festgestellt. Der Bescheid über die Anwendung gelinderer Mittel vom XXXX .2008 sowie die Bestätigungen über die aufgetragene Meldung liegen ebenfalls vor.

Die Festnahme des BF am XXXX .2008 und die anschließende Haft gehen aus der Vollzugsinformation vom XXXX .2009 hervor. Bei seiner Einvernahme am XXXX .2019 schilderte er, dass er sich bei seiner Mutter, bei Freunden oder auf der Straße aufhielt, wenn er nicht in Haft war.

Die Beschlüsse über die Ablehnung der bedingten Entlassung des BF 2013 und 2015 liegen vor. Seine Enthaftung und die Ausreise nach Kroatien am XXXX .2015 gehen aus dem Beschluss des Landesgerichts XXXX vom XXXX , der Verständigung der Justizanstalt XXXX vom XXXX .2015, dem Überwachungsauftrag vom XXXX .2015 samt Durchführungsbericht sowie aus dem IZR hervor. Seine Wiedereinreise in das Bundesgebiet im November 2015 wird anhand seiner Angaben vor dem BFA am XXXX .2019 festgestellt, die Fortsetzung der Strafhaft von XXXX .2015 bis XXXX .2019 ergibt sich aus der Vollzugsinformation vom XXXX .2015 und vom XXXX .2018 sowie den damit korrespondierenden Wohnsitzmeldungen in den Justizanstalten XXXX und XXXX laut ZMR.

Der Festnahmeauftrag vom XXXX .2019 und der Schubhaftbescheid vom XXXX .2019 liegen vor, ebenso das am XXXX .2019 mündlich verkündete Erkenntnis des BVwG, in dem unter anderem ausgesprochen wurde, dass die für die Fortsetzung der Schubhaft maßgeblichen Voraussetzungen vorlägen. Laut ZMR war der BF von XXXX .2019 bis XXXX .2019 im Polizeianhaltezentrum gemeldet. Die freiwillige Ausreise am 27.05.2019 geht aus dem IZR hervor, ebenso die beiden folgenden Abschiebungen nach Kroatien. Dem Beschwerdevorbringen, wonach der BF in seinem Herkunftsstaat keine persönlichen Dokumente erhalte, weil er aus allen Registern gelöscht worden sei, kann angesichts der wiederholten Ausstellung von Ersatzreisedokumenten durch die kroatischen Behörden (die idR eine Identifizierung als kroatischer Staatsangehöriger voraussetzen) und der im ZMR ersichtlichen Ausstellung eines Personalausweises 2019 nicht gefolgt werden.

Die Festnahme des BF im XXXX 2019, seine strafgerichtliche Verurteilung im XXXX und der ihm zunächst gewährte Strafaufschub gemäß § 39 Abs 1 SMG werden anhand der dem BVwG vom Landesgericht XXXX am XXXX .2020 übermittelten Unterlagen festgestellt. Die Feststellungen zum Therapieabbruch, zum Widerruf des Strafaufschubs und zur erneuten Strafhaft beruhen auf dem Schreiben des XXXX vom XXXX .2020, den Wohnsitzmeldungen dort zwischen XXXX .2020 und XXXX .2020 sowie zwischen XXXX .2020 und XXXX .2020, der dem BF laut ZMR zwischen XXXX .2020 und XXXX .2020 ausgestellten Hauptwohnsitzbestätigung (Kontaktstelle: Suchthilfe Wien) sowie auf dem Strafantrittsbericht vom XXXX .2020, aus dem auch das urteilsmäßige Strafende hervorgeht.

Es sind (abgesehen von der Suchterkrankung des BF) keine Hinweise auf aktuelle gesundheitliche Probleme aktenkundig. Seine Arbeitsfähigkeit ergibt sich daraus, aus seinem erwerbsfähigen Alter sowie aus dem Umstand, dass er von 2015 bis 2019 während des Strafvollzugs in der XXXX der Justizanstalt und als XXXX arbeitete.

Die Feststellungen zur Verfügbarkeit von Suchttherapien in Kroatien basieren auf den im Internet dazu abrufbaren Informationen aus verlässlichen Quellem, z.B. der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA) (siehe https://www.emcdda.europa.eu/system/files/publications/11343/croatia-cdr-2019_0.pdf; Zugriff am 12.11.2020).

Rechtliche Beurteilung:

Zur in der Beschwerde behaupteten Verletzung des Parteiengehörs ist festzuhalten, dass allein der Umstand, dass das BFA den BF nicht persönlich einvernommen hat, das Parteiengehör nicht verletzt, wenn dem Recht auf Parteiengehör auf andere geeignete Weise entsprochen wird. Hier hatte der BF vor der erstmaligen Bescheiderlassung im September 2017 Gelegenheit, im Verfahren zur Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme Stellung zu nehmen. Diese Möglichkeit ließ er ungenutzt. Aufgrund der ihm im Rahmen des Beschwerdeverfahrens jeweils gebotenen Möglichkeit, sich zum Inhalt des angefochtenen Bescheides zu äußern, ist von einer Sanierung einer allfälligen Verletzung des Parteiengehörs auszugehen, zumal der angefochtene Bescheid die damaligen Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens vollständig wiedergibt (siehe VwGH 10.09.2015, Ra 2015/09/0056).

Gemäß § 67 Abs 1 FPG ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen EWR-Bürger (§ 2 Abs 4 Z 8 FPG) zulässig, wenn auf Grund ihres persönlichen Verhaltens die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdet ist. Das Verhalten muss eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellen, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Strafrechtliche Verurteilungen allein können diese Maßnahmen nicht ohne weiteres begründen. Vom Einzelfall losgelöste oder auf Generalprävention verweisende Begründungen sind nicht zulässig. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen einen EWR-Bürger, der den Aufenthalt seit zehn Jahren im Bundesgebiet hatte, ist zulässig, wenn aufgrund des persönlichen Verhaltens davon ausgegangen werden kann, dass die öffentliche Sicherheit der Republik Österreich durch seinen Verbleib im Bundesgebiet nachhaltig und maßgeblich gefährdet würde. Gemäß § 67 Abs 2 FPG kann ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von höchstens zehn Jahren erlassen werden. Bei einer besonders schwerwiegenden Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit kann das Aufenthaltsverbot gemäß § 67 Abs 3 FPG auch unbefristet erlassen werden, so z.B. bei einer rechtskräftigen Verurteilung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von mehr als fünf Jahren (§ 67 Abs 3 Z 1 FPG).

Bei Unionsbürgern, die nach fünf Jahren rechtmäßigem und ununterbrochenem Aufenthalt im Bundesgebiet das Daueraufenthaltsrecht iSd § 53a NAG erworben haben, ist nicht nur bei der Ausweisung, sondern auch bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbots der in § 66 Abs 1 letzter Satzteil FPG vorgesehene Maßstab („schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Ordnung oder Sicherheit“), der im abgestuften System der Gefährdungsprognosen zwischen jenen nach dem ersten und dem fünften Satz des § 67 Abs 1 FPG angesiedelt ist, heranzuziehen (VwGH 19.05.2015, Ra 2014/21/0057).

Bei der Erstellung der für jedes Aufenthaltsverbot zu treffenden Gefährdungsprognose ist das Gesamtverhalten des Fremden in Betracht zu ziehen und auf Grund konkreter Feststellungen eine Beurteilung dahin vorzunehmen, ob und im Hinblick auf welche Umstände die jeweils maßgebliche Gefährdungsannahme gerechtfertigt ist. Dabei ist nicht auf die bloße Tatsache der Verurteilung oder Bestrafung des Fremden, sondern auf die Art und Schwere der zu Grunde liegenden Straftaten und auf das sich daraus ergebende Persönlichkeitsbild abzustellen. Bei der nach § 67 Abs 1 FPG zu erstellenden Gefährdungsprognose geht schon aus dem Gesetzeswortlaut klar hervor, dass auf das "persönliche Verhalten" des Fremden abzustellen ist und strafgerichtliche Verurteilungen allein nicht ohne weiteres ein Aufenthaltsverbot begründen können (siehe VwGH 22.08.2019, Ra 2019/21/0091).

Bei der Festsetzung der Dauer des Aufenthaltsverbotes ist gemäß § 67 Abs 4 FPG auf alle für seine Erlassung maßgeblichen Umstände Bedacht zu nehmen, insbesondere auch auf die privaten und familiären Verhältnisse (VwGH 24.05.2016, Ra 2016/21/0075).

Gemäß Art 8 Abs 1 EMRK hat jedermann Anspruch auf Achtung seines Privat- und Familienlebens, seiner Wohnung und seines Briefverkehrs. Art 8 Abs 2 EMRK legt fest, dass der Eingriff einer öffentlichen Behörde in die Ausübung dieses Rechts nur statthaft ist, soweit er gesetzlich vorgesehen ist und eine Maßnahme darstellt, die in einer demokratischen Gesellschaft für die nationale Sicherheit, die öffentliche Ruhe und Ordnung, das wirtschaftliche Wohl des Landes, die Verteidigung der Ordnung und zur Verhinderung von strafbaren Handlungen, zum Schutz der Gesundheit und der Moral oder zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer notwendig ist.

Gemäß § 9 BFA-VG ist (unter anderem) die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gemäß § 67 FPG, durch das in das Privat- und Familienleben eingegriffen wird, zulässig, wenn dies zur Erreichung der im Art 8 Abs 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten ist. Bei der Beurteilung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art 8 EMRK sind gemäß § 9 Abs 2 BFA-VG insbesondere die Art und Dauer des bisherigen Aufenthaltes und die Frage, ob der bisherige Aufenthalt rechtswidrig war (Z 1), das tatsächliche Bestehen eines Familienlebens (Z 2), die Schutzwürdigkeit des Privatlebens (Z 3), der Grad der Integration (Z 4), die Bindungen zum Heimatstaat (Z 5), die strafgerichtliche Unbescholtenheit (Z 6), Verstöße gegen die öffentliche Ordnung, insbesondere im Bereich des Asyl-, Fremdenpolizei- und Einwanderungsrechts (Z 7), die Frage, ob das Privat- und Familienleben in einem Zeitpunkt entstand, in dem sich die Beteiligten ihres unsicheren Aufenthaltsstatus bewusst waren (Z 8) und die Frage, ob die Dauer des bisherigen Aufenthaltes in den Behörden zurechenbaren überlangen Verzögerungen begründet ist (Z 9), zu berücksichtigen.

Durch den EU-Beitritt Kroatiens am 01.07.2013 erlangte der BF die Stellung eines EWR-Bürgers iSd § 2 Abs 4 Z 8 FPG. Der Beschwerde ist dahingehend zuzustimmen, dass das gegen ihn 2012 erlassene Einreiseverbot, das nur gegen (nicht begünstigte) Drittstaatsangehörige (und an sich auch nicht losgelöst von einer Rückkehrentscheidung) erlassen werden kann, beim Erwerb eines unionsrechtlichen Aufenthaltsrechts gegenstandslos wird (vgl. VwGH 14.11.2017, Ra 2017/21/0151).

Die Beschwerde verkennt in diesem Zusammenhang aber, dass ein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht nicht bedingungslos zusteht und nicht ohne Weiteres erlangt wird. Es besteht insbesondere dann nicht, wenn eine Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung und Sicherheit vorliegt (siehe § 55 Abs 3 NAG), was im Sinn des Art 27 der Freizügigkeitsrichtlinie (§ 2 Abs 4 Z 18 FPG) dann der Fall ist, wenn das persönliche Verhalten des BF eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr darstellt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Wenn eine solche Gefährdung aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit weiterhin vorliegt, hat der BF kein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht erlangt, obwohl er EWR-Bürger geworden ist. Eine Rückkehrentscheidung und ein damit verbundenes Einreiseverbot bleiben aufrecht und werden nicht gegenstandslos, sondern sind durch eine Ausweisung nach § 66 FPG oder ein Aufenthaltsverbot nach § 67 FPG zu ersetzen (siehe VwGH 14.11.2017, Ra 2017/21/0151). Vor diesem Hintergrund ist die Erlassung eines Aufenthaltsverbots anstelle des Einreiseverbots grundsätzlich nicht zu beanstanden. Da der BF noch während des Beschwerdeverfahrens weitere Straftaten beging und deshalb neuerlich strafgerichtlich verurteilt wurde, geht von ihm jedenfalls weiterhin eine tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr für die öffentliche Ordnung aus, zumal längere Zeiträume des Wohlverhaltens in Freiheit, aus denen sich der Wegfall oder die wesentliche Minderung der aus seinem bisherigen Fehlverhalten ableitbaren Gefährlichkeit ergeben könnte (vgl. VwGH 22.03.2018, Ra 2017/22/0194), fehlen. Aus der Wirkungslosigkeit der bisherigen Sanktionen (auch empfindlicher Freiheitsstrafen), mehrerer rascher Rückfälle, der langjährigen Suchtmittelabhängigkeit und dem Abbruch der im Rahmen des Strafaufschubs angeordneten Therapie ergibt sich dagegen eine sehr große Wiederholungsgefahr.

Aufgrund der strafgerichtlichen Verurteilung des BF im XXXX ist der Beschwerdeargumentation, die Verurteilung im Jahr 2009 könne nicht zur Erlassung eines weiteren Aufenthaltsverbots herangezogen werden, weil diese bereits bei der Erlassung des Einreiseverbots 2012 zu berücksichtigen gewesen wäre, zumal er seither nicht mehr straffällig geworden sei, die Grundlage entzogen. Angesichts der neuerlichen Verurteilung und des Therapieabbruchs ist in den für die Entscheidung maßgebenden Umständen eine wesentliche Änderung eingetreten, die die Erlassung eines weiteren Aufenthaltsverbots jedenfalls notwendig macht.

Obwohl der BF im Bundesgebiet geboren wurde und sein Leben überwiegend im Inland verbracht hat, hat er sich weder seit zehn Jahren im Bundesgebiet aufgehalten noch das unionsrechtliche Recht auf Daueraufenthalt erworben (das idR einen fünfjährigen rechtmäßigen und kontinuierlichen Aufenthalt voraussetzt, siehe § 53a NAG). Er war im Bundesgebiet zuletzt 1993 erwerbstätig und verfügt weder über eigene Unterhaltsmittel noch über eine Krankenversicherung. Er reiste am XXXX .2015 und am XXXX .2019 jeweils aufgrund aufenthaltsbeendender Maßnahmen nach Kroatien aus. Da er zuletzt von XXXX .2006 bis XXXX .2008, von XXXX .2008 bis XXXX .2015 und von XXXX .2015 bis XXXX .2019 jeweils Freiheitsstrafen verbüßte und auch davor schon mehrfach langjährig in Haft gewesen war (zuletzt bis XXXX 2006), ist von einer Unterbrechung der Kontinuität seines Inlandsaufenthalts und dem Abreißen der zuvor geknüpften Integrationsbande auszugehen (vgl. EuGH 17.04.2018, C-316/16, C-424/16). Daher ist der Gefährdungsmaßstab des § 67 Abs 1 zweiter bis vierter Satz FPG („tatsächliche, gegenwärtige und erhebliche Gefahr, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt“) anzuwenden. Wie bereits oben dargelegt, erfüllt das Verhalten des BF diesen Maßstab, zumal Suchtgiftdelinquenz ein besonders verpöntes Fehlverhalten darstellt, bei dem erfahrungsgemäß eine hohe Wiederholungsgefahr gegeben ist und an dessen Verhinderung ein besonders großes öffentliches Interesse besteht (siehe VwGH 23.02.2016, Ra 2015/01/0249).

Die noch 2018 festzustellende positive Entwicklung seines Vollzugsverhaltens, auf die die Beschwerde in diesem Zusammenhang verweist (Eingliederung in die Wohngruppe, zufriedenstellende Arbeitsleistung, Nutzung psychotherapeutischer Angebote), reicht nicht aus, um von einem Wegfall oder einer wesentlichen Minderung der von ihm ausgehenden Gefährlichkeit ausgehen zu können. Dafür bedarf es nach der Rechtsprechung des VwGH grundsätzlich eines längeren Zeitraums des Wohlverhaltens in Freiheit nach dem Vollzug der Haftstrafe und (bei strafbaren Handlungen infolge Gewöhnung an Suchtmittel) einer erfolgreich absolvierten Therapie (vgl. etwa VwGH 19.12.2019, Ra 2019/21/0276). Das gegen den BF erlassene Aufenthaltsverbot ist zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung, zur Verhinderung von strafbaren Handlungen sowie zum Schutz der Rechte und Freiheiten anderer und der Gesundheit dringend geboten. Aufgrund seiner massiven Vorstrafenbelastung, der seit langer Zeit bestehenden gravierenden Suchterkrankung und dem erst kürzlich erfolgten Therapieabbruch sowie der fehlenden Integration am Arbeitsmarkt kann für ihn keine positive Zukunftsprognose erstellt werden.

Das Aufenthaltsverbot greift in das Privatleben des BF ein, zumal seine Mutter, eine Österreicherin, in XXXX lebt und ihn aufgrund ihres angeschlagenen Gesundheitszustands wohl nicht in Kroatien oder anderswo außerhalb des Bundesgebiets besuchen kann. Der BF hält sich aber seit langem nicht mehr rechtmäßig im Bundesgebiet auf und war hier zuletzt vor Jahrzehnten berufstätig. Eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an der Aufenthaltsbeendigung mit seinen gegenläufigen privaten Interessen ergibt, dass der mit dem Aufenthaltsverbot verbundene Eingriff in sein Privatleben – insbesondere angesichts der massiven Straffälligkeit und des Rückfalls in Suchtgiftdelinquenz während des anhängigen Beschwerdeverfahrens – verhältnismäßig ist, zumal er den Kontakt zu seiner Mutter und allfälligen anderen Bezugspersonen im Inland auch durch Kommunikationsmittel (Telefon, Internet) pflegen kann. Es bestehen auch noch ausreichende Bindungen zu seinem Herkunftsstaat, wo er sich zuletzt immer wieder aufhielt, zumal ihm 2019 dort ein Personalausweis ausgestellt wurde. Angesichts seiner abgeschlossenen Ausbildung, der grundsätzlich vorhandenen Arbeitsfähigkeit und der Verfügbarkeit von Therapieangeboten für Suchtkranke (einschließlich Substitutionsbehandlungen) ist ihm eine Eingliederung in die dortige Gesellschaft trotz des Fehlens naher Bezugspersonen zumutbar. Eine Verfolgung durch die kroatischen Behörden wegen des vorzeitigen Abbruchs des Militärdiensts 1994 behauptet der BF zuletzt ausdrücklich nicht mehr.

Die Beschwerde weist zu Recht darauf hin, dass ungeachtet des Außerkrafttretens des § 9 Abs 4 BFA-VG die Wertungen dieser ehemaligen Aufenthaltsverfestigungstatbestände im Rahmen der Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG weiter beachtlich sind, sodass diese in Fällen des bisherigen § 9 Abs 4 BFA-VG auch bei einer vom Fremden ausgehenden Gefährdung regelmäßig zu seinen Gunsten auszugehen hat (siehe VwGH 27.08.2020, Ra 2020/21/0276). Durch die Aufhebung dieser Bestimmung sollte aber bei besonders gravierender Straffälligkeit und einer daraus abzuleitenden spezifischen Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen ein fallbezogener Spielraum eingeräumt werden. Die Erlassung eines Aufenthaltsverbots gegen den BF, der kein unionsrechtliches Aufenthaltsrecht im Bundesgebiet hat, ist daher auch bei Bedachtnahme auf die Wertungen des aufgehobenen § 9 Abs 4 BFA-VG zulässig, zumal er bislang insgesamt mehr als 25 Jahre in Haft war, wenige Monate nach der Entlassung aus einer wegen bewaffneter Raubüberfälle verhängten zehnjährigen Freiheitsstrafe neuerlich straffällig wurde, indem er gewerbsmäßig mit Suchtgift handelte, und die Möglichkeit eines Strafaufschubs zu Therapiezwecken nicht nutzte, sondern die Therapie nach kurzer Zeit abbrach. Es liegen daher eine besonders gravierende Straffälligkeit und eine massive Gefährdung des großen öffentlichen Interesses an der Verhinderung von Gewalt-, Eigentums- und Suchtmittelkriminalität vor.

Bei der Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme ist eine das Gesamtverhalten des BF berücksichtigende Prognosebeurteilung vorzunehmen, in die nicht nur seine letzte strafgerichtliche Verurteilung und das zugrunde liegende Fehlverhalten einzubeziehen sind, sondern auch sein belastetes Vorleben. Da die Straftaten, die zur Verhängung einer zehnjährigen Freiheitsstrafe geführt haben, aber schon mehr als ein Jahrzehnt zurückliegen, ist ein unbefristetes Aufenthaltsverbot unverhältnismäßig, zumal der BF zuletzt zu einer Haftstrafe verurteilt wurde, die keinen Tatbestand des § 67 Abs 3 FPG erfüllt. Die Dauer des Aufenthaltsverbots ist daher – dem darauf gerichteten Eventualantrag des BF entsprechend - zu reduzieren. Ein mit zehn Jahren befristetes Aufenthaltsverbot ist notwendig, aber auch ausreichend, um der von ihm ausgehenden Gefährdung der öffentlichen Ordnung wirksam zu begegnen. Durch die Erlassung eines mit der Maximaldauer befristeten Aufenthaltsverbots wird einerseits seiner privaten Situation Rechnung getragen und eine Verhältnismäßigkeit zu den bisherigen Haftstrafen hergestellt, andererseits aber auch die erhebliche, durch den gewerbsmäßigen Suchtgiftverkauf und den Therapieabbruch zuletzt wieder aktualisierte Wiederholungsgefahr entsprechend berücksichtigt. Der erste Spruchpunkt des angefochtenen Bescheids ist daher entsprechend abzuändern.

Gemäß § 70 Abs 3 FPG ist EWR-Bürgern bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes von Amts wegen ein Durchsetzungsaufschub von einem Monat zu erteilen, es sei denn, die sofortige Ausreise wäre im Interesse der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit erforderlich. Aufgrund der Suchtmitteldelinquenz des BF, des Therapieabbruchs, der Wirkungslosigkeit früherer Sanktionen und der raschen Rückfälle ist dem BFA darin beizupflichten, dass seine sofortige Ausreise im Interesse der öffentlichen Ordnung und Sicherheit erforderlich war. Die Nichterteilung eines Durchsetzungsaufschubes ist somit nicht zu beanstanden, sodass die Beschwerde diesbezüglich unbegründet ist.

Da der relevante Sachverhalt aus der Aktenlage und dem Beschwerdevorbringen geklärt werden konnte und auch bei einem positiven Eindruck vom BF bei einer mündlichen Verhandlung keine weitere Herabsetzung oder gar ein Entfall des Aufenthaltsverbots möglich wäre, unterbleibt die beantragte Beschwerdeverhandlung gemäß § 21 Abs 7 BFA-VG, zumal von deren Durchführung keine weitere Klärung der Angelegenheit zu erwarten ist. Der BF kann sich vor dem BVwG angesichts der Rechtskraft der während des Beschwerdeverfahrens erfolgten strafgerichtlichen Verurteilung nicht darauf berufen, dass er die zugrunde liegenden Straftaten nicht begangen habe, sodass auch aus diesem Gesichtspunkt die Durchführung einer Beschwerdeverhandlung entfallen kann.

Die einzelfallbezogene Erstellung einer Gefährdungsprognose, die Interessenabwägung gemäß § 9 BFA-VG und die Bemessung der Dauer eines Einreise- oder Aufenthaltsverbots sind im Allgemeinen nicht revisibel (siehe VwGH 20.10.2016, Ra 2016/21/0284 und 01.03.2018, Ra 2018/19/0014). Die Revision ist nicht zuzulassen, weil sich das BVwG an bestehender höchstgerichtlicher Rechtsprechung orientieren konnte und keine darüber hinausgehende grundsätzliche Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu lösen war.

Schlagworte

befristetetes Aufenthaltsverbot Gefährdungsprognose Herabsetzung Interessenabwägung Milderungsgründe öffentliche Interessen strafrechtliche Verurteilung Verhältnismäßigkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:BVWG:2020:G314.2173912.3.00

Im RIS seit

14.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

14.01.2021
Quelle: Bundesverwaltungsgericht BVwg, https://www.bvwg.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten