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StaatsbürgerschaftNorm
StGB §8 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden, Senatspräsidenten Dr. Werner, sowie die Senatspräsidenten Dr. Porias und Dr. Chamrath und die Hofräte Dr. Kaniak, Dr. Naderer, Dr. Härtel, Dr. Dolp, Dr. Skorjanec und Dr. Rath als Richter, im Beisein des Schriftführers, Ministerialoberkommissärs Dr. Svoboda, über die Beschwerde des Bundesministeriums für Inneres gegen den Bescheid des Amtes der Vorarlberger Landesregierung vom 20. Mai 1963, Zl. Ib-420/9-63, betreffend Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid stellte das Amt der Vorarlberger Landesregierung auf Antrag des Österreichischen Generalkonsulates in München namens der Vorarlberger Landesregierung fest, daß UM, geb. K, durch ihre Eheschließung am 12. Mai 1960 mit dem deutschen Staatsangehörigen EM die österreichische Staatsbürgerschaft gemäß § 8 Abs. 1 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1949, BGBl. Nr. 276/1949, nicht verloren habe. In der Begründung dieses Bescheides wurde festgestellt, daß die 1938 geborene UM, die Mitbeteiligte ist im verwaltungsgerichtlichen Verfahren, eine eheliche Tochter des EK sei und als solche von Geburt die deutsche Staatsbürgerschaft besessen habe. Am 30. Mai 1950 sei dem Genannten sowie dessen nicht eigenberechtigter Tochter UK die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen und ihm die Genehmigung erteilt worden, die deutsche Staatsbürgerschaft beizubehalten. UK habe daher im Zeitpunkt ihrer Eheschließung mit dem deutschen Staatsangehörigen EM die österreichische Staatsbürgerschaft und gleichzeitig auch die deutsche Bundesbürgerschaft besessen. Nach § 8 Abs. 1 des StbG 1949 verliere durch die Verehelichung mit einem Ausländer die Ehegattin die österreichische Staatsbürgerschaft, sofern nachgewiesen werde, daß sie nach den Gesetzen des Staates, dem der Ehegatte angehöre, durch Verehelichung die Staatsangehörigkeit dieses Staates erwerbe. Nach § 6 des Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetzes 1913 in der jetzt geltenden Fassung habe eine Ausländerin, die mit einem Deutschen die Ehe schließe, Anspruch auf Einbürgerung, während die Staatsangehörigkeit als solche erst durch die Abgabe einer auf den Erwerb derselben gerichteten Erklärung erworben werden könne. Da somit das deutsche Reichs- und Staatsangehörigkeitsgesetz die bloße Eheschließung nicht als Erwerbsgrund für die deutsche Staatsangehörigkeit anerkenne, habe die Mitbeteiligte durch die bloße Eheschließung mit einem deutschen Staatsangehörigen die deutsche Staatsbürgerschaft auch dann nicht erworben, wenn sie nur die österreichische Staatsbürgerschaft besessen hätte. Da sie jedoch im Zeitpunkt der Eheschließung die deutsche Staatsangehörigkeit bereits besessen habe, habe sie diese auch nicht erst erwerben können. Andererseits sei der Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft nach § 8 Abs. 1 des StbG nicht eine Rechtsfolge der Eheschließung, sondern eine Rechtsfolge des Erwerbes der fremden Staatsbürgerschaft durch die Eheschließung. Wenn daher ein Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit nach den Gesetzen des deutschen Heimatstaates des Ehegatten durch die Eheschließung nicht eintrete und infolge der Tatsache des bereits vorhandenen Besitzes der deutschen Staatsangehörigkeit auch gar nicht möglich sei, könne an eine solche Eheschließung auch nicht die Rechtsfolge des Verlustes der österreichischen Staatsbürgerschaft geknüpft sein. Es habe sich daher an dem Rechtsbesitz der österreichischen Staatsbürgerschaft der UM, geb. K, durch ihre Eheschließung nichts geändert.
In der gegen den Bescheid des Amtes der Vorarlberger Landesregierung vom Bundesminister für Inneres erhobenen Beschwerde wird darauf verwiesen, daß nach § 8 Abs. 1 des StbG 1949 eine österreichische Staatsbürgerin durch die Verehelichung mit einem Ausländer ihre österreichische Staatsbürgerschaft wohl nur dann verliere, wenn nachgewiesen werde, daß sie nach den Gesetzes des Staates, dem der Ehegatte angehöre, durch die Verehelichung die Staatsangehörigkeit dieses Staates erwerbe. Wie jedoch seinerzeit der Verfassungsausschuß des Nationalrates zu dem beinahe gleichlautenden § 9 Abs. 1 des Bundesgesetzes vom 30. Juli 1925, BGBl. Nr. 285, über den Erwerb und den Verlust der Landes- und Bundesbürgerschaft ausgeführt habe, habe der Gesetzgeber mit der in Rede stehenden Bestimmung lediglich die Staatenlosigkeit von Frauen vermeiden wollen. Es sei daher keinesfalls die Absicht des Gesetzgebers gewesen, neue Möglichkeit einer „doppelten“ Staatsbürgerschaft zu schaffen. Das beschwerdeführende Bundesministerium sei daher der Ansicht, daß eine Frau durch Verehelichung mit einem Ausländer auch dann ihre österreichische Staatsbürgerschaft verliere, wenn sie - aus welchem Grund immer - die Staatsangehörigkeit ihres Ehegatten bereits besitze. Dieser Verlust trete auch dann ein, wenn das Staatsbürgerschaftsrecht des betreffenden fremden Staates den ex lege-Erwerb durch Verehelichung überhaupt nicht kenne. Ein ähnliches Rechtsproblem ergebe sich bei der Anwendung des § 9 Abs. 2 des StbG 1949, wonach sich der Verlust der österreichischen Staatsbürgerschaft auf die nicht eigenberechtigten Kinder des Betroffenen nur dann erstrecke, wenn sie gleichzeitig die fremde Staatsangehörigkeit erwerben. Auch hier werfe sich die Frage auf, ob sich der Verlust der Staatsbürgerschaft auch auf Personen erstrecke, welche die fremde Staatsbürgerschaft bereits besitzen. Dies habe der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 10. Oktober 1960, Zl. 2439/57, bejaht. Aus den gleichen Gründen sei das beschwerdeführende Bundesministerium der Ansicht, daß im vorliegenden Fall die Mitbeteiligte durch ihre Verehelichung mit einem deutschen Staatsangehörigen die österreichische Staatsbürgerschaft nach § 8 Abs. 1 des StbG 1949 verloren habe, weil sie im Zeitpunkt ihrer Eheschließung die Staatsangehörigkeit des Ehegatten bereits besessen habe und demnach nicht staatenlos habe werden können.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Soweit sich die Beschwerde auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 10. Oktober 1960, Zl. 2439/57, beruft, so ist ein einzuräumen, daß die Auslegung des in Rede stehenden Verlusttatbestandes nach § 8 Abs. 1 StbG 1949 durch die beschwerdeführende Partei - die Vorschrift des § 8 Abs. 1 StbG 1949 sei lediglich eine Bestimmung zur Vermeidung der Staatenlosigkeit - im wesentlichen mit der Argumentation des Verwaltungsgerichtshofes in dem vorgenannten Erkenntnis hinsichtlich der Vorschrift des § 9 Abs. 2 StbG 1949 übereinstimmt. Der Verwaltungsgerichtshof ist durch einen gemäß § 11 Abs. 4 Z 1 und 2 VwGG 1952 verstärkten Senat von dieser Rechtsansicht abgegangen, und zwar aus folgenden Gründen:
Gemäß § 8 Abs. 1 StbG verliert durch Verehelichung mit einem Ausländer die Ehegattin die Staatsbürgerschaft, sofern nachgewiesen wird, daß sie nach den Gesetzen des Staates, dem der Ehegatte angehört, durch Verehelichung die Staatsangehörigkeit dieses Staates erwirbt; doch kann die Beibehaltung der Staatsbürgerschaft aus triftigen Gründen bewilligt werden. Der Verlust der Staatsbürgerschaft nach dieser Gesetzesstelle setzt demnach voraus, daß durch die Verehelichung die Staatsangehörigkeit des Staates, dem der Ehegatte angehört, seitens der Ehegattin überhaupt erworben werden kann. Dies ist aber - wie vorliegend - vor allem dann nicht der Fall, wenn die Frau bereits vor ihrer Verehelichung die Staatsbürgerschaft ihres Ehegatten besitzt; denn der im Zeitpunkt der Verehelichung schon vorhandene Besitz der Staatsbürgerschaft des Ehegatten macht in Ansehung der Person der Ehegattin einen späteren Erwerb dieser Staatsbürgerschaft unmöglich. Aber noch aus einem weiteren Grund konnte es im vorliegenden Fall nicht zu einem Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch die Eheschließung der Mitbeteiligten mit dem deutschen Staatsangehörigen EM kommen. Sieht nämlich, wie im Beschwerdefall, die Rechtsordnung des Staates, dem der Ehegatte angehört, für die Ehegattin den Erwerb der Staatsbürgerschaft des Ehegatten durch Verehelichung überhaupt nicht vor, sondern nur einen Erwerb dieser Staatsbürgerschaft durch Abgabe einer Erklärung seitens der Ehefrau, dann bleibt bei einer Verehelichung mit einem Angehörigen dieses Staates für die Anwendung des § 8 Abs. 1 StbG, d.h. für den Eintritt des Verlustes der österreichischen Staatsbürgerschaft in der Person der Ehegattin auch aus diesem Grund kein Raum. Das Argument des beschwerdeführenden Bundesministeriums, es sei keinesfalls Absicht des Gesetzgebers gewesen, neue Möglichkeiten einer doppelten Staatsbürgerschaft zu schaffen, geht schon deshalb fehl, weil in derartigen Fällen die Ehefrau durch ihre Verehelichung mit einem ausländischen Staatsangehörigen aus den beiden vorangeführten Gründen die Staatsangehörigkeit ihres Ehegatten gar nicht erwerben kann; demnach kann auch eine doppelte Staatsbürgerschaft nicht geschaffen werden.
Die belangte Behörde ist sohin mit Recht zu der Rechtsansicht gelangt, daß im vorliegenden Fall die Voraussetzungen für den Verlust der Staatsbürgerschaft nach § 8 Abs. 1 StbG 1949 - Nachweis daß die mitbeteiligte Partei als Ehegattin nach den Gesetzes des Staates, dem ihr Ehegatte angehört, durch Verehelichung die Staatsangehörigkeit dieses Staates erwirbt - nicht gegeben sind und daß demnach die Mitbeteiligte die österreichische Staatsbürgerschaft durch ihre Eheschließung mit dem deutschen Staatsangehörigen EM nicht verloren hat. Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1952 abgewiesen werden mußte.
Wien, 25. September 1964
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1964:1963001086.X00Im RIS seit
13.01.2021Zuletzt aktualisiert am
13.01.2021