TE Vwgh Erkenntnis 1982/12/17 82/02/0164

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Veröffentlicht am 17.12.1982
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Index

StVO
10/07 Verwaltungsgerichtshof
90/01 Straßenverkehrsordnung

Norm

StVO 1960 §44
VwGG §41 Abs1 implizit
VwGG §42 Abs2

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Leibrecht und die Hofräte Mag. Onder, Dr. Degischer, Dr. Domittner und Dr. Dorner als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zepharovich, über die Beschwerde des Ing. RB in W, vertreten durch Dr. Herbert Neuhauser, Rechtsanwalt in Wien I, Schubertring 3, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 11. Mai 1982, Zl. MA 70-IX/B 61/82/Str., betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat der Bundeshauptstadt (Land) Wien Aufwendungen in der Höhe von S 2.400,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Straferkenntnis der Bundespolizeidirektion Wien, Bezirkspolizeikommissariat Liesing vom 6. Februar 1982 wurde der Beschwerdeführer - nachdem die Strafverfügung derselben Behörde vom 22. Oktober 1981 infolge rechtzeitig erhobenen Einspruches außer Kraft getreten war - neuerlich schuldig erkannt, am 6. August 1981 um 13.56 Uhr in Wien 10., A 23 bei Lichtmast M 18 mit dem dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw die durch Verbotszeichen gemäß § 52 Z. 10 a StVO kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h „um etwa 30 km/h laut Radarmessung, somit erheblich überschritten“ und dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 99 Abs. 3 lit. a in Verbindung mit § 52 Z. 10 a StVO begangen zu haben. Gemäß § 99 Abs. 3 lit. a leg. cit. wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe von S 1.000,-- (Ersatzarreststrafe in der Dauer von 48 Stunden) verhängt.

Auf Grund der dagegen rechtzeitig eingebrachten Berufung des Beschwerdeführers wurde dieses Straferkenntnis mit Bescheid der Wiener Landesregierung vom 11. Mai 1982 gemäß § 66 Abs. 4 AVG 1950 hinsichtlich der Strafzumessung und der Kostenentscheidung vollinhaltlich und in der Schuldfrage mit der Abänderung bestätigt, daß die Tatumschreibung wie folgt zu lauten hat: „Der Beschuldigte Ing. RB hat am 6. 6. 1981 um 13.56 Uhr in Wien 10., A 23 bei Lichtmast M 18 in Richtung A 3 mit dem Pkw W ... die durch Verbotszeichen gemäß § 52 (10) a StVO 1960 kundgemachte zulässige Höchstgeschwindigkeit von 80 km/h erheblich überschritten. Als Übertretungsnorm ist § 52 Z. 10 a StVO 1960 in Verbindung mit § 20 Abs. 1 StVO 1960 zu zitieren.“ In der Begründung ihres Bescheides hielt die belangte Behörde vorerst fest, daß der Beschwerdeführer nicht bestreite, den objektiven Tatbestand einer Überschreitung der höchstzulässigen Geschwindigkeit gesetzt zu haben, er jedoch einwende, daß die Geschwindigkeitsbeschränkung gesetzwidrig wäre. Hiezu werde von der belangten Behörde bemerkt: Wenn der Beschwerdeführer nun vermeine, daß die angeordnete Geschwindigkeitsbeschränkung für ihn deshalb keine Gültigkeit gehabt habe, weil an dieser Stelle die A 23 übersichtlich und gerade verlaufe und eine ausgebaute Autobahn darstelle, an der weit höhere Geschwindigkeiten zulässig seien, so sei darauf zu verweisen, daß jeder Kraftfahrer eine angeordnete Geschwindigkeitsbeschränkung zu befolgen habe, ohne sich auf Überlegungen über den Grund und Zweck derselben einzulassen. Im Straßenverkehr dienten Geschwindigkeitsbeschränkungen schon deshalb grundsätzlich auch der Sicherheit von Menschen, weil Dritte auf Einhaltumg der Geschwindigkeitsbeschränkungen vertrauen könnten. Der Normadressat habe die Geschwindigkeitsbeschränkung zu befolgen, ohne daß es dem zu Gehorsam Verpflichteten erlaubt wäre, sich in Spekulationen über ihren Grund und Zweck einzulassen. Die dem Beschwerdeführer angelastete Tat sei daher als erwiesen anzunehmen gewesen, weshalb der Berufung keine Folge zu geben und der erstinstanzliche Schuldspruch zu bestätigen gewesen sei. Die Abänderung im Spruche habe der genaueren Tatumschreibung und Anpassung an den Straftatbestand bzw. der richtigen Zitierung der heranzuziehenden gesetzlichen Bestimmung gedient.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, lediglich wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsstrafakten vorgelegt und in ihrer Gegenschrift die Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Der Beschwerdeführer hat nie bestritten, zur angegebenen Tatzeit am angeführten Tatort die durch Verbotszeichen gemäß § 52 Z. 10 a StVO 1960 im Sinne des § 44 Abs. 1 leg. cit. ordnungsgemäß kundgemachte Geschwindigkeitsbeschränkung von 80 km/h nicht eingehalten zu haben. Er hat weiters nicht in Zweifel gezogen, daß für den Bereich des Tatortes, abgehend von der gesetzlichen Regelung des § 20 Abs. 2 StVO 1960, wonach der Lenker eines Fahrzeuges auf Autobahnen grundsätzlich nicht schneller als 130 km/h fahren darf, dementsprechend die genannte geringere Höchstgeschwindigkeit verordnet worden ist; auch die von der belangten Behörde vorgelegten Teile des Aktes, der die Erlassung der zugrundeliegenden Verordnung des Bundesministers für Verkehr vom 7. April 1978, Zl. 68.023/1-IV/5-78, zum Gegenstand hat, stimmen damit überein. Der Beschwerdeführer macht jedoch - wie bereits im Verwaltungsstrafverfahren - geltend, daß diese Verordnung durch die Bestimmungen des § 43 StVO 1960 nicht gedeckt und daher gesetzwidrig sei.

Dazu führt der Beschwerdeführer aus, daß, hätte die belangte Behörde „beispielsweise ein Gutachten eines kompetenten verkehrstechnischen Sachverständigen eingeholt“, nicht auszuschließen sei, daß sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können „bzw. wäre diesfalls nicht auszuschließen gewesen, daß das Gutachten dieses Sachverständigen dem Verwaltungsgerichtshof, der diese Verordnung im vorliegenden Fall anzuwenden gehabt hätte, Gelegenheit geboten haben könnte, nach Erlassung eines Unterbrechungsbeschlusses beim Verfassungsgerichtshof ein Verordnungsprüfungsverfahren nach § 139 Abs. 1 B-VG in Verbindung mit Art. 89 Abs. 2 B-VG einzuleiten und der Verfassungsgerichtshof in weiterer Folge die Verordnung als gesetzwidrig aufgehoben hätte, worauf der Verwaltungsgerichtshof nach Wiederaufnahme des Verfahrens den angefochtenen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben gehabt hätte“. „Da die belangte Behörde im vorangegangenen Verwaltungsverfahren jegliche Prüfung, ob die im vorliegenden Falle anzuwendende Höchstgeschwindigkeitsverordnung durch § 43 StVO gedeckt ist oder nicht unterlassen hat und auch die Begründung des angefochtenen Bescheides keinerlei Aufschluß darüber gibt, ob und inwieweit die Behörde sich mit der Frage der Gesetzmäßigkeit der erlassenen Höchstgeschwindigkeitsverordnung auseinandergesetzt hat und diese Begründungslücke daher die Nachprüfung des Bescheides auf die inhaltliche Gesetzmäßigkeit hindert (siehe die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes Zl. 1687/76 und 1059/77)“, habe die belangte Behörde die Verfahrensvorschriften verletzt, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können (§ 42 Abs. 2 lit. c Z. 3 VwGG 1965).

Der Beschwerdeführer übersieht hiebei, daß die belangte Behörde die gegenständliche Verordnung solange anzuwenden hatte, solange sie in Geltung war, und es keine gesetzliche Bestimmung gibt, die sie verpflichtet hätte, sich mit der Frage der Gesetzmäßigkeit der Verordnung auseinanderzusetzen, darüber Beweise abzuführen und in diesem Zusammenhang ihre Erwägungen in die Bescheidbegründung aufzunehmen. Die belangte Behörde hätte zwar die Möglichkeit gehabt, im Sinne des Art. 139 Abs. 1 B-VG an den Verfassungsgerichtshof wegen Gesetzwidrigkeit dieser, von einer Bundesbehörde stammenden Verordnung einen Antrag zu stellen. Eine dem Art. 89 Abs. 2 B-VG, wonach ein Gericht, wenn es gegen die Anwendung einer Verordnung aus dem Grund der Gesetzwidrigkeit Bedenken hat, den Antrag auf Aufhebung dieser Verordnung beim Verfassungsgerichtshof zu stellen hat, entsprechende Regelung in bezug auf Verwaltungsbehörden ist aber der österreichischen Rechtsordnung fremd. Der Beschwerderführer erhebt auch nicht den Vorwurf, daß es die belangte Behörde unterlassen habe, einen derartigen Antrag zu stellen. Es war aber auch nicht ihre Aufgabe, im angefochtenen Bescheid eine Begründung dafür zu geben, warum sie gegen die Gesetzmäßigkeit der Verordnung keine Bedenken hat, wie dies nunmehr in ihrer Gegenschrift zum Ausdruck kommt. Die vom Beschwerdeführer zitierten, oben erwähnten Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes betrafen jeweils einen anderen, von der Behörde tatsächlich zu ermittelnden Sachverhalt und können daher im vorliegenden Beschwerdefall nicht mit Erfolg herangezogen werden.

Wenn der Beschwerdeführer die Auffassung vertritt, „nach der vorliegenden Bescheidbegründung wäre jeder Einwand gegen die Gesetzmäßigkeit einer in Vollziehung der StVO ergangenen Verordnung unzulässig, da sich der einzelne Kraftfahrer ‚nicht in Spekulationen über ihren Grund und Zweck einzulassen hätte‘“, so ist ihm entgegenzuhalten, daß eine durch Straßenverkehrszeichen kundgemachte Verordnung für den Normunterworfenen nach Maßgabe ihres Inhaltes so lange rechtswirksam ist, bis sie aufgehoben ist (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 26. November 1970, Zl. 1175/70), und der Umstand, daß es in späterer Folge auf Grund einer Verwaltungsgerichtshofbeschwerde, wenn sie überhaupt Anlaß gibt, die Verordnung nach Art. 89 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 139 Abs. 1 B-VG anzufechten, zu einer Aufhebung der Verordnung kommen konnte, keinen Einfluß auf die Erledigung im vorangegangenen Verwaltungsstrafverfahren haben kann. Würde der Verfassungsgerichtshof auf Grund eines im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gestellten Antrages die Verordnung aufheben, so hätte dies - wie der Beschwerdeführer an sich richtig erkannt hat - allerdings zugunsten des betreffenden Normunterworfenen zur Folge, daß dem angefochtenen Bescheid damit die gesetzliche Grundlage entzogen und dieser daher wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben wäre. Da der Beschwerdeführer aber - wie gesagt - den angefochtenenBescheid ausschließlich wegen (der nicht gegebenen) Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften bekämpft, könnte eine solche inhaltliche Rechtswidrigkeit vom Verwaltungsgerichtshof nicht wahrgenommen werden (vgl. dessen Erkenntnisse vom 3. Februar 1970, Slg. Nr. 7720/A, und vom 9. Februar 1978, Zl. 2038/76), weshalb er von vornherein gar nicht der Prüfung der Frage gestellt war, ob von seiner Seite aus zufolge der Ausführungen in der Beschwerde allenfalls Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit der angewendeten Verordnung bestehen.

Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG 1965 als unbegründet abzuweisen.

Soweit nichtveröffentlichte Erkenntnisse zitiert wurden, wird auf Art. 14 Abs. 4 der Geschäftsordnung des Verwaltungsgerichtshofes, BGBl. Nr. 45/1965, hingewiesen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47, 48 Abs. 2 lit. a und b VwGG 1965 in Verbindung mit Art. I B Z. 4 und 5 der Verordnung des Bundeskanzlers vom 7. April 1981, BGBl. Nr. 221.

Wien, am 17. Dezember 1982

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1982:1982020164.X00

Im RIS seit

13.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

13.01.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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