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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pelant sowie die Hofräte Dr. Sulzbacher und Dr. Pfiel als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Eraslan, über die Revision des V N (auch: N), vertreten durch Rast & Musliu, Rechtsanwälte in 1080 Wien, Alser Straße 23/14, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichtes vom 30. Juni 2020, W189 2231540-1/4E, betreffend Erlassung einer Rückkehrentscheidung samt Nebenaussprüchen und eines befristeten Einreiseverbotes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger der Ukraine, wurde mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 3. März 2020 wegen des Verbrechens der schweren Körperverletzung nach § 84 Abs. 5 Z 2 StGB, wegen des Vergehens der Nötigung nach § 105 Abs. 1 StGB und des Vergehens der Freiheitsentziehung nach § 99 Abs. 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von achtzehn Monaten (davon zwölf Monate bedingt nachgesehen) rechtskräftig verurteilt. Den unbedingten Strafteil verbüßte der Revisionswerber unter Anrechnung der Vorhaft vom 25. November 2019 bis 22. Mai 2020. Daran anschließend wurde der Revisionswerber in Schubhaft genommen und am 28. Mai 2020 in die Ukraine abgeschoben.
2 Grundlage dafür war der Bescheid des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA) vom 4. April 2020, mit dem gegen den Revisionswerber gemäß § 10 Abs. 2 AsylG 2005 iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen wurde, wobei das BFA in der Begründung auch noch näher darlegte, dass mangels Vorliegens der diesbezüglichen Voraussetzungen ein Aufenthaltstitel nach § 57 AsylG 2005 nicht von Amts wegen zu erteilen gewesen sei. Unter einem erließ das BFA gegen den Revisionswerber gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein mit sechs Jahren befristetes Einreiseverbot. Gemäß § 52 Abs. 9 FPG stellte das BFA des Weiteren fest, dass die Abschiebung des Revisionswerbers „nach“ zulässig sei, wobei sich aus der diesbezüglichen Begründung ergibt, dass sich diese Feststellung auf eine Abschiebung in die Ukraine beziehen sollte. Schließlich sprach das BFA noch aus, dass einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt und demzufolge gemäß § 55 Abs. 4 FPG auch keine Frist für die freiwillige Ausreise gewährt werde.
3 Gegen diesen Bescheid erhob der Revisionswerber mit Schriftsatz seines rechtsanwaltlichen Vertreters vom 20. Mai 2020 eine Beschwerde. Zur Begründung brachte der Revisionswerber, der von der mit Schreiben des BFA vom 28. November 2019 eingeräumten Möglichkeit zur beabsichtigten Erlassung von Rückkehrentscheidung und Einreiseverbot schriftlich Stellung zu nehmen, keinen Gebrauch gemacht hatte, (erstmals) vor, er lebe seit „mehreren Jahren“ mit seiner Ehefrau und seiner Tochter, geboren am 15. Juli 1993, in der Tschechischen Republik (an einer näher angeführten Adresse in Prag) und sie sie seien dort „integriert“. Der Revisionswerber und seine Ehefrau verfügten über gültige tschechische Aufenthaltsgenehmigungen bis zum Jahr 2027, die Tochter bis zum Jahr 2022; sie hielten sich somit bereits „mehrere Jahre“ durchgehend rechtmäßig im „EWR-Gebiet“ auf. In der Ukraine, die der Revisionswerber vor „mehreren Jahren“ verlassen habe, befänden sich keine Familienangehörigen mehr und er habe dort keine Wohnmöglichkeit. Sein Lebensmittelpunkt sei in Tschechien, wo er „massive soziale Kontakte“ habe. Der Revisionswerber sei bereit, unverzüglich nach Tschechien auszureisen. Im Übrigen verwies er noch darauf, dass es sich um die erste Verurteilung gehandelt, er davor einen ordentlichen Lebenswandel geführt und nunmehr das Haftübel zum ersten Mal erlebt habe. Die Erlassung einer Rückkehrentscheidung und eines Einreiseverbotes seien daher unverhältnismäßig.
4 In der Folge erließ das BFA den Bescheid vom 28. Mai 2020, mit dem der Bescheid vom 4. April 2020 dahin berichtigt wurde, dass dessen Spruch um die (amtswegige) Nichterteilung eines Aufenthaltstitels gemäß § 57 AsylG 2005 und in Bezug auf die Feststellung nach § 52 Abs. 9 FPG um die Nennung des Zielstaates Ukraine ergänzt werde.
5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 30. Juni 2020 wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Beschwerde als unbegründet ab. Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach es aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
6 Nach der genannten Verfassungsbestimmung ist gegen das Erkenntnis eines Verwaltungsgerichtes die Revision (nur) zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
7 An den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision unter dem genannten Gesichtspunkt nicht gebunden (§ 34 Abs. 1a erster Satz VwGG). Zufolge § 28 Abs. 3 VwGG hat allerdings die außerordentliche Revision gesondert die Gründe zu enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichtes die Revision für zulässig erachtet wird. Im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe hat der Verwaltungsgerichtshof dann die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG zu überprüfen (§ 34 Abs. 1a zweiter Satz VwGG).
8 In dieser Hinsicht wird in der Revision zunächst ein Abweichen von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Erstellung einer Gefährdungsprognose geltend gemacht. Danach sei nicht auf die bloße Tatsache einer Verurteilung bzw. Bestrafung des Fremden abzustellen, sondern auf die Art und Schwere der zugrunde liegenden Straftaten und des sich daraus ergebenden Persönlichkeitsbildes. Das BVwG habe aber lediglich festgestellt, der Revisionswerber sei am 3. März 2020 vom Landesgericht für Strafsachen Wien unter einer bestimmten Aktenzahl „wegen §§ 105 Abs. 1, 84 Abs. 5 Z 2 und 99 Abs. 1 StGB zu einer unbedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von 6 Monaten verurteilt worden“.
9 Dieser Einwand ist aktenwidrig. Abgesehen davon, dass das BVwG die verwirklichten Straftatbestände überdies generell umschrieben und die verhängte teilbedingte Freiheitsstrafe von achtzehn Monaten richtig angeführt hatte (vgl. Rn. 1), traf es nämlich für die anzustellende Gefährdungsprognose auch ausreichende Feststellungen zu den vom Revisionswerber verübten Straftaten.
10 Danach habe er am 24./25. November 2019 in Wien im bewussten und gewollten Zusammenwirken und in verabredeter Verbindung mit zwei weiteren Mittätern einem männlichen Opfer durch Schläge und Tritte einen Eindrückungsbruch des linken Jochbeins, starke Schmerzen am Rücken und eine Prellung am rechten Knie zugefügt. Des Weiteren hätten sie das Opfer mit Gewalt und durch gefährliche Drohung, nämlich indem sie es in eine Wohnung gezerrt, ihm abwechselnd zahlreiche Tritte und Faustschläge versetzt und eine Whisky-Flasche gegen sein Knie geschlagen sowie wiederholt mit dem Umbringen und der Entführung nach Prag bedroht hätten, zur Herausgabe von Bargeld, diversen Designerartikeln und Mobiltelefonen genötigt. Schließlich hätten sie das Opfer, teilweise im gefesselten Zustand, in der Dauer von etwa sechs Stunden in (zwei) Wohnungen widerrechtlich gefangen gehalten. Dazu kommt, dass die Annahme des BFA im Bescheid vom 4. April 2020, der Revisionswerber habe sich in Österreich „ausschließlich zur Begehung strafbarer Handlungen aufgehalten“, in der Beschwerde nicht bestritten wurde.
11 In Bezug auf die Interessenabwägung wird in der Revision nur das vom BVwG ohnehin einbezogene Vorbringen in der Beschwerde wiederholt, ohne diesbezüglich eine Konkretisierung, insbesondere zur Dauer des Aufenthalts und zur Integration des Revisionswerbers und seiner Familienangehörigen in Tschechien, vorzunehmen. Demzufolge gelingt es nicht, die nicht unvertretbare Einschätzung des BVwG, das Einreiseverbot bewirke im Hinblick auf die gravierende Straftat, die eine „besondere hohe Bereitschaft zur Brutalität“ beweise, keinen unverhältnismäßigen Eingriff in das Privat-und Familienleben des Revisionswerbers, maßgeblich zu entkräften oder insoweit eine entscheidungswesentliche Verletzung der Verhandlungspflicht darzutun.
12 Die Revision zeigt somit insgesamt keine für die Lösung des vorliegenden Falles relevante grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG auf, weshalb sie gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen war.
Wien, am 7. Dezember 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020210339.L00Im RIS seit
18.01.2021Zuletzt aktualisiert am
18.01.2021