TE Vwgh Beschluss 2020/12/9 Ra 2020/19/0295

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Veröffentlicht am 09.12.2020
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
41/02 Passrecht Fremdenrecht

Norm

AsylG 2005 §3 Abs1
B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie den Hofrat Dr. Pürgy und die Hofrätin Dr.in Sembacher als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Mag. Schara, in der Revisionssache der S Z K in B, vertreten durch Dr. Gregor Klammer, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Jordangasse 7/4, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 3. Juli 2020, L527 2197570-1/13E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Die Revisionswerberin, eine Staatsangehörige des Iran, stellte am 27. Dezember 2015 einen Antrag auf internationalen Schutz. Diesen begründete sie im Wesentlichen damit, dass sie den Iran verlassen habe, weil sie ihre Religion geändert und ihr Ehemann dort große Probleme gehabt habe.

2        Mit Bescheid vom 25. April 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl den Antrag auf internationalen Schutz zur Gänze ab, erteilte der Revisionswerberin keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass ihre Abschiebung in den Iran zulässig sei, und setzte eine Frist für die freiwillige Ausreise fest.

3        Mit dem in Revision gezogenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) die Beschwerde - mit der Maßgabe, dass der Antrag auf internationalen Schutz hinsichtlich der Zuerkennung des Status des Asylberechtigten gemäß § 3 Abs. 1 iVm § 2 Abs. 1 Z 13 AsylG 2005 abgewiesen werde - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. Überdies wies das BVwG die Beschwerde, soweit sie die Erteilung eines Aufenthaltstitels aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß § 55 und 56 AsylG 2005 beantragte, als unzulässig zurück und sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4        Begründend führte das BVwG im Wesentlichen aus, die Revisionswerberin habe sich nicht tatsächlich und aus innerer Überzeugung vom islamischen Glauben abgewandt. Sie möge zwar ein gewisses Interesse am Christentum entwickelt haben, sei aber nicht aus innerer Überzeugung zum Christentum konvertiert. Der christliche Glaube sei nicht Bestandteil ihrer Identität geworden. Die Hinwendung zum Christentum erweise sich als Scheinkonversion, die der Erlangung des Status der Asylberechtigten dienen solle.

5        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

6        Gemäß § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.

7        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

8        In der Revision wird zur Begründung ihrer Zulässigkeit im Wesentlichen vorgebracht, es liege eine unvertretbare Beweiswürdigung vor. Die Revision wendet sich dazu gegen die Berücksichtigung der Ergebnisse der Prüfung von ausgefallenen Bibelstellen und der Bedeutung von Feiertagen sowie gegen die mangelnde Würdigung der von der Revisionswerberin vorgebrachten „paranormalen Erlebnisse“. Weiters rügt die Revision die unterlassenen Einvernahmen von Zeugen, die dem BVwG durch die Vorlage verschiedener Empfehlungsschreiben und Bestätigungen zur Kenntnis gebracht worden seien. Bei konkreten Feststellungen zum Vorbringen der Revisionswerberin und Ladung der so bekannten Zeugen wäre das BVwG nach Würdigung der Ermittlungsergebnisse zur Erkenntnis gelangt, dass die Revisionswerberin einen echten und authentischen christlichen Glauben habe, welcher sie im Iran asylrelevanter Verfolgung aussetzen würde.

9        Bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion kommt es auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung des Konvertiten an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten zu ermitteln ist (vgl. VwGH 22.9.2020, Ra 2020/19/0289, mwN).

10       Maßgebliche Indizien für einen aus innerer Überzeugung vollzogenen Religionswechsel sind beispielsweise das Wissen über die neue Religion, die Ernsthaftigkeit der Religionsausübung, welche sich etwa in regelmäßigen Gottesdienstbesuchen oder sonstigen religiösen Aktivitäten manifestiert, eine mit dem Religionswechsel einhergegangene Verhaltens- bzw. Einstellungsänderung des Konvertiten sowie eine schlüssige Darlegung der Motivation bzw. des auslösenden Moments für den Glaubenswechsel (vgl. VwGH 13.7.2020, Ra 2020/19/0227, mwN).

11       Als Rechtsinstanz ist der Verwaltungsgerichtshof zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung in Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht im Einzelfall die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat (vgl. etwa VwGH 14.7.2020, Ra 2020/19/0097, mwN).

12       Das BVwG gab der Revisionswerberin im Rahmen der mündlichen Verhandlung ausführlich Gelegenheit, sich zu ihren Fluchtgründen sowie insbesondere zu der von ihr behaupteten Konversion zum Christentum zu äußern. Es stützte seine Beweiswürdigung auf den persönlichen Eindruck von der Revisionswerberin und erachtete das in der mündlichen Verhandlung erstattete Vorbringen, dass sie sich vom Islam ab- und dem Christentum zugewandt habe, als nicht schlüssig sowie floskelhaft und auf Grund eines gesteigerten Vorbringens im Laufe des Verfahrens und nur oberflächlicher Kenntnisse vom Christentum sowie den Grundlagen der protestantischen Glaubensrichtung als nicht glaubhaft. Eine Unvertretbarkeit dieser Beweiswürdigung, die sich - entgegen dem Vorbringen in der Revision - auch ausführlich mit den von der Revisionswerberin vorgebrachten Wundern auseinandergesetzt hat, vermag die Revision, die sich lediglich gegen einzelne beweiswürdigende Erwägungen des BVwG wendet, nicht aufzuzeigen.

13       Werden Verfahrensmängel - wie hier Ermittlungs- und Begründungsmängel - als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, so muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden (vgl. VwGH 2.7.2020, Ra 2020/19/0192, mwN).

14       Soweit die Revision die unterlassene Einvernahme von Zeugen rügt, ist zunächst festzuhalten, dass eine solche weder dem Inhalt des Verwaltungsaktes nach beantragt wurde noch einer dieser Zeugen bei der mündlichen Verhandlung anwesend war (vgl. zu einer solchen Konstellation VwGH 13.2.2020, Ra 2019/19/0310, mwN). Überdies ist die Frage, ob auf Basis eines konkret vorliegenden Standes eines Ermittlungsverfahrens ein ausreichend ermittelter Sachverhalt vorliegt oder ob weitere amtswegige Erhebungen erforderlich sind, regelmäßig keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung, sondern stellt eine jeweils einzelfallbezogen vorzunehmende Beurteilung dar (vgl. VwGH 5.3.2020, Ra 2020/19/0051, mwN). Gründe dafür, dass die unterbliebene Einvernahme der genannten Zeugen nach Lage des vorliegenden Falles einen krassen, die Rechtssicherheit beeinträchtigenden und daher eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung aufwerfenden Verfahrensfehler darstellen könnte, sind nicht ersichtlich.

15       Zudem ist im Fall einer unterbliebenen Vernehmung - um die Relevanz des behaupteten Verfahrensfehlers darzulegen - in der Revision konkret darzulegen, was die betreffende Person im Fall ihrer Vernehmung hätte aussagen können und welche anderen oder zusätzlichen Feststellungen auf Grund dessen zu treffen gewesen wären (vgl. VwGH 1.10.2020, Ra 2020/20/0332, mwN). Diesen Anforderungen kommt die Revision mit ihrem pauschal gehaltenen und insoweit nicht näher konkretisierten Vorbringen, das BVwG wäre bei Ladung der Zeugen zur Erkenntnis gelangt, dass die Revisionswerberin einen echten und authentischen christlichen Glauben habe, nicht nach.

16       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 9. Dezember 2020

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020190295.L00

Im RIS seit

26.01.2021

Zuletzt aktualisiert am

26.01.2021
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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