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L00204 Auskunftspflicht Informationsweiterverwendung OberösterreichNorm
Auskunftspflicht- und DatenschutzG OÖ 2000 §2 Abs1Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger, Hofrat Dr. Mayr, Hofrätin Mag. Hainz-Sator sowie die Hofräte Dr. Pürgy und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sowa-Janovsky, über die Revision des S N, vertreten durch Dr. Longin Josef Kempf und Dr. Josef Maier, Rechtsanwälte in 4722 Peuerbach, Steegenstraße 3, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 25. September 2018, Zl. LVwG-851072/3/MS, betreffend Zurückweisung eines Auskunftsersuchens in einer Angelegenheit der Gewerbebehörde sowie eines Antrags auf Zuerkennung der Parteistellung in einem Verfahren zur Genehmigung einer gewerblichen Betriebsanlage und Zustellung von Betriebsanlagengenehmigungsbescheiden (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Wels-Land; mitbeteiligte Partei: F GmbH & Co KG in G), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird, soweit darin über die Zurückweisung des Auskunftsersuchens des Revisionswerbers mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Wels-Land vom 4. Juli 2018 abgesprochen wurde, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Im Übrigen wird die Revision abgewiesen.
Das Land Oberösterreich hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen 14 Tagen zu ersetzen.
Begründung
1 Den insoweit unstrittigen Feststellungen des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich (Verwaltungsgericht) zufolge, ist der Revisionswerber Eigentümer eines näher genannten Grundstücks in der Marktgemeinde G. Dieses Grundstück schließt nicht direkt an das Betriebsgrundstück der mitbeteiligten Partei an, sondern ist von diesem durch die Westbahnstrecke und eine dem Grundstück vorgelagerte Reihe von bebauten Grundstücken getrennt.
Behördliches Verfahren
2 Mit Schriftsatz vom 21. März 2018 ersuchte der Revisionswerber die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land (belangte Behörde) über den Umfang der Betriebsanlagenbewilligung betreffend den Fuhrpark und die Verladetätigkeit im Außenbereich entlang der Westbahnstrecke der Betriebsanlage der mitbeteiligten Partei sowie die Anzahl der bewilligten Transportfahrten und das Datum der letzten Betriebsanlagenbewilligung Auskunft zu erteilen. Überdies beantragte er, ihm Parteistellung wegen Lärmbelästigung aus dem Betrieb der Anlage insbesondere bedingt durch den Fuhrpark im Außenbereich und die dort stattfindende Verladetätigkeit zuzuerkennen und ihm den Betriebsanlagengenehmigungsbescheid zuzustellen.
3 Da für die belangte Behörde nicht eindeutig erkennbar war, ob der Revisionswerber Informationen iSd Umweltinformationsgesetzes begehre oder die Zuerkennung der Parteistellung, forderte die belangte Behörde mit Schreiben vom 28. März 2018 eine diesbezügliche Konkretisierung. Mit Schriftsatz vom 5. April 2018 teilte der Revisionswerber der belangten Behörde mit, die Zuerkennung der Parteistellung im Hinblick auf eine massive Lärmbelästigung wegen der Erweiterung des Fuhrparks zu beantragen. Mit weiterem Schriftsatz vom 7. Juni 2018 beantragte der Revisionswerber in Bezug auf den Schriftsatz vom 5. April 2018 die Zustellung aller den Betrieb der mitbeteiligten Partei in G betreffenden Betriebsanlagengenehmigungsbescheide, insbesondere den Bescheid betreffend die Betriebsanlagengenehmigung des Fuhrparks neben der Westbahnstrecke und den Betrieb einer schweren Rüttelmaschine. In eventu ersuchte er die belangte Behörde um Auskunft, ob für den Betrieb eines Fuhrparks mit Verlade-, Be- und Entlademanipulationen im Außenbereich entlang der Westbahnstrecke und für den Betrieb einer Rüttelmaschine eine Betriebsanlagengenehmigung vorliege, bejahendenfalls unter welchen Auflagen.
4 Mit Bescheid vom 4. Juli 2018 wies die belangte Behörde einerseits das Auskunftsersuchen über den Umfang der Genehmigung der Betriebsanlage der mitbeteiligten Partei betreffend den Fuhrpark und die Verladetätigkeit im Außenbereich der Westbahnstrecke, über die Anzahl der bewilligten Transportfahrten und das Datum der letzten Betriebsanlagengenehmigung und den Antrag auf Zuerkennung der Parteistellung wegen Lärmbelästigung aus dem Betrieb der gegenständlichen Betriebsanlage insbesondere des Fuhrparks im Außenbereich bedingt durch die dort stattfindenden Verladetätigkeiten sowie den Antrag auf Zustellung des Genehmigungsbescheides der betreffenden Betriebsanlage (Spruchpunkt I.), andererseits den Antrag des Revisionswerbers auf Zustellung aller den Betrieb der mitbeteiligten Partei betreffenden Betriebsanlagengenehmigungsbescheide, insbesondere des Betriebsanlagengenehmigungsbescheides bezüglich den Fuhrpark neben der Westbahnstrecke und den Betrieb einer schweren Rüttelmaschine (Spruchpunkt II.), jeweils zurück.
5 Begründend führte die belangte Behörde aus, dass es mangels eines „Hauptverfahrens“ (Betriebsanlagengenehmigungsverfahrens) den Anträgen des Revisionswerbers an einer „zentralen“ Zulässigkeitsvoraussetzung fehle. Im Übrigen seien „die bisher genehmigten gewerbebehördlichen Betriebsanlagengenehmigungen für den gegenständlichen Betrieb ... gemäß § 356 GewO 1994 ordentlich kundgemacht ... (Kundmachung an der Amtstafel der Gemeinde, Verlautbarung auf der Internetseite der Behörde, A[n]schlag auf dem Betriebsgrundstück und Anschlag in den der Betriebsanlage unmittelbar benachbarten Häusern)“ worden.
Angefochtenes Erkenntnis
6 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht die Beschwerde des Revisionswerbers gegen den Zurückweisungsbescheid als unbegründet ab und sprach aus, dass die Revision unzulässig sei.
7 Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidung nachfolgend zusammengefassten Sachverhalt zugrunde:
Die mitbeteiligte Partei habe am 18. April 2017 bei der belangten Behörde um die gewerberechtliche Genehmigung der Änderung der bestehenden Betriebsanlage durch die Errichtung und den Betrieb einer Multifunktionsanlage, Elementdeckenhalle, Mischanlage und Kübelbahn, Lager für PKW-Reifen, Flugdach, Tankstelle mit Adblue-Zusatzmittel, Dielenhalle, Fertigteilhalle, Tischlerei, Eisenflechtplatz, Eisenbiegehalle, Magazin, Betonlabor, Änderung Brandschutz-Fluchtwege-Beleuchtung auf näher genannten Grundstücken am näher genannten Standort in G angesucht.
Mit Ladung vom 10. August 2017 habe die belangte Behörde für 12. Oktober 2017 eine mündliche Verhandlung über diesen Antrag anberaumt. Die Kundmachung darüber sei vom 26. September 2017 bis 12. Oktober 2017 an der Amtstafel der Marktgemeinde G angeschlagen gewesen. Weiters sei die Kundmachung auf der Homepage der belangten Behörde verlautbart worden. In der Kundmachung sei auf die Präklusionsfolgen hingewiesen worden. Überdies sei an die Marktgemeinde G die Verständigung über die mündliche Verhandlung samt dem Ersuchen ergangen, unter anderem Kundmachungen in den der Betriebsanlage benachbarten Häusern anzuschlagen. Der Revisionswerber sei nicht persönlich geladen worden.
Am 12. Oktober 2017 habe die belangte Behörde im Gemeindeamt der Marktgemeinde G die gewerberechtliche Verhandlung durchgeführt und mit Bescheid vom selben Tag der mitbeteiligten Partei die Betriebsanlagengenehmigung unter Vorschreibung von Auflagen erteilt.
8 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht nach Wiedergabe der zur Präklusion der Parteistellung von Nachbarn maßgeblichen Rechtsnormen sowie Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes und Literatur im Wesentlichen aus, dass keine persönliche Ladung des Revisionswerbers geboten gewesen sei, weil sein Grundstück nicht „unmittelbar benachbart“ zur gegenständlichen Betriebsanlage iSd § 356 Abs. 1 Z 4 GewO 1994 gewesen sei. Die Anberaumung der mündlichen Verhandlung sei durch Anschlag an der Amtstafel der Marktgemeinde G und unter anderem durch Verlautbarung auf der Internetseite der belangten Behörde bekannt gegeben worden. Es sei daher von einer ordnungsgemäßen Ladung unter Hinweis auf die Präklusionswirkungen des § 42 Abs. 1 AVG auszugehen. Da der Revisionswerber trotz - infolge qualifizierter Kundmachung - ordnungsgemäßer Ladung zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen sei und keine rechtserheblichen Einwendungen iSd § 74 Abs. 2 GewO 1994 geltend gemacht habe, habe er seine Parteistellung verloren.
Mit dem Verlust der Parteistellung sei für den Revisionswerber auch der Verlust der Parteirechte der Gewerbeordnung 1994, so auch das Recht auf Zustellung des Bescheides gemäß § 359 Abs. 3 GewO 1994 einhergegangen. Die belangte Behörde habe daher den Antrag auf Bescheidzustellung, das Auskunftsbegehren und den Antrag auf Zuerkennung der Parteistellung zu Recht zurückgewiesen.
9 Den Ausspruch über die Zulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht mit der Wiedergabe des Gesetzeswortlauts zu Art. 133 Abs. 4 B-VG.
10 Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abänderung des angefochtenen Erkenntnisses im Sinne des Auskunftsbegehrens sowie des Antrags auf Zuerkennung der Parteistellung im Betriebsanlagengenehmigungsverfahren und Zustellung des Betriebsanlagengenehmigungsbescheides betreffend den Betrieb eines Fuhrparks neben der Westbahnstrecke sowie einer schweren Rüttelmaschine und im Außenbereich stattfindender Verladetätigkeiten bzw. aller den Betrieb der mitbeteiligten Partei betreffenden Betriebsanlagengenehmigungsbescheide; in eventu auf kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Erkenntnisses.
11 Während die belangte Behörde mit ihrer nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof eingebrachten Revisionsbeantwortung die kostenpflichtige Zurück- in eventu Abweisung der Revision beantragte, erstattete die mitbeteiligte Partei keine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zulässigkeit
12 Die Revision ist im Hinblick auf die dargelegten Rechtsfragen 1. ob das Fehlen der in § 356 Abs. 1 Z 3 und 4 GewO 1994 vorgesehenen Kundmachungen einem Verlust der Parteistellung entgegenstehe, 2. zum Verhältnis zwischen der Präklusionsbestimmung des § 42 Abs. 1 iVm § 41 Abs. 1 erster Satz AVG und der Kundmachungsvorschrift des § 356 Abs. 1 GewO 1994, sowie 3. ob das Auskunftsersuchen des Revisionswerbers dessen Parteistellung im Betriebsanlagengenehmigungsverfahren voraussetze, zulässig.
Präklusion der Parteistellung des Revisionswerbers im Betriebsanlagengenehmigungsverfahren
13 Die Revision bringt in Bezug auf die Präklusion der Parteistellung des Revisionswerbers unter Bezugnahme auf näher dargelegte divergierende Literatur zusammengefasst vor, der Verlust der Parteistellung gemäß § 42 Abs. 1 AVG iVm § 356 Abs. 1 GewO 1994 setze die Einhaltung aller Kundmachungsformen des § 356 Abs. 1 Z 1 bis 4 GewO 1994, die der Erzielung einer möglichst großen und weitreichenden Publizitätswirkung der Anberaumung einer mündlichen Verhandlung und damit dem Schutz der Nachbarrechte dienten, voraus. Dies sei vorliegend nicht der Fall, weil neben dem Aushang der Kundmachung an der Amtstafel der Gemeinde und der Verlautbarung auf der Homepage der belangten Behörde, kein Anschlag auf dem Betriebsgrundstück und bei den der Betriebsanlage unmittelbar benachbarten Häusern erfolgt sei.
Im Übrigen erstrecke sich der Schutzzweck des § 356 Abs. 1 GewO 1994 auch auf „Nachbarn aus der sogenannten zweiten Reihe“ wie den Revisionswerber, die wie die unmittelbaren Nachbarn berechtigt seien, sich auf die Einhaltung aller Kundmachungsformen des § 356 Abs. 1 Z 1 bis 4 GewO 1994 zu berufen. Ansonsten würde diesen Nachbarn in der Praxis kein ausreichender nachbarrechtlicher Immissionsschutz gewährt. Vielmehr seien alle von einer Betriebsanlage betroffenen Nachbarn - wie vorliegend der Revisionswerber - in den Kreis der unmittelbar betroffenen Nachbarn miteinzubeziehen. Es könne nicht dem Zweck des Gesetzes entsprechen, eine ausreichende Information über eine Verhandlung in einem Betriebsanlagengenehmigungsverfahren nur auf die unmittelbaren Nachbarn zu beschränken. Schließlich würden sich Immissionen von Betriebsanlagen auf Grund fortschreitender Technologien auf einen viel weiteren Bereich erstrecken. Die über die unmittelbaren Nachbarn hinaus Betroffenen könnten in Folge der Präklusionswirkung den Immissionsschutz nicht ausreichend geltend machen.
14 Gemäß § 41 Abs. 1 AVG hat die Anberaumung einer mündlichen Verhandlung durch persönliche Verständigung der bekannten Beteiligten zu erfolgen. Wenn noch andere Personen als Beteiligte in Betracht kommen, ist die Verhandlung überdies an der Amtstafel der Gemeinde, durch Verlautbarung in der für amtliche Kundmachungen der Behörde bestimmten Zeitung oder durch Verlautbarung im elektronischen Amtsblatt der Behörde kundzumachen.
Gemäß § 42 Abs. 1 AVG hat die Kundmachung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz und in einer in den Verwaltungsvorschriften vorgesehenen besonderen Form zur Folge, dass eine Person ihre Stellung als Partei verliert, soweit sie nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung während der Amtsstunden bei der Behörde oder während der Verhandlung Einwendungen erhebt. Wenn die Verwaltungsvorschriften über die Form der Kundmachung nichts bestimmen, so tritt die im ersten Satz bezeichnete Rechtsfolge ein, wenn die mündliche Verhandlung gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz und in geeigneter Form kundgemacht wurde.
Wurde eine mündliche Verhandlung nicht gemäß Abs. 1 kundgemacht, so erstreckt sich die darin bezeichnete Rechtsfolge nur auf jene Beteiligten, die rechtzeitig die Verständigung von der Anberaumung der Verhandlung erhalten haben (Abs. 2).
Gemäß § 356 Abs. 1 Gewerbeordnung 1994 (GewO 1994), BGBl. Nr. 194 in der maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 85/2012, hat die Behörde bei Anberaumung einer mündlichen Verhandlung Gegenstand, Zeit und Ort der Verhandlung sowie die Voraussetzungen zur Aufrechterhaltung der Parteistellung (§ 42 AVG) in folgender Weise bekannt zu geben:
1. Kundmachung an der Amtstafel der Gemeinde (§ 41 AVG),
2. Verlautbarung auf der Internetseite der Behörde,
3. Anschlag auf dem Betriebsgrundstück und
4. Anschlag in den der Betriebsanlage unmittelbar benachbarten Häusern.
Die Eigentümer der betroffenen Häuser haben derartige Anschläge in ihren Häusern zu dulden. Statt durch Anschlag im Sinne der Z 3 und 4 kann die Bekanntgabe aus Gründen der Zweckmäßigkeit, Raschheit und Einfachheit durch persönliche Verständigung erfolgen.
15 § 42 Abs. 1 AVG verlangt somit für den Eintritt der Präklusion zwingend eine „doppelte“ Kundmachung der mündlichen Verhandlung. In einem Verfahren über die Genehmigung einer beantragten Betriebsanlage verliert demnach ein Nachbar, der nicht spätestens am Tag vor Beginn der Verhandlung während der Amtsstunden bei der Behörde oder während der Verhandlung Einwendungen erhebt, seine Stellung als Partei, wenn die Verhandlung in einer Art und Weise kundgemacht wurde, die sowohl der Vorschrift des § 41 Abs. 1 zweiter Satz AVG (Anschlag in der Gemeinde oder Verlautbarungen in der für amtliche Kundmachungen der Behörde bestimmten Zeitung oder durch Verlautbarung im elektronischen Amtsblatt der Behörde) als auch der Kundmachungsvorschrift des § 356 Abs. 1 GewO 1994 entsprach.
16 Dabei reicht neben der Kundmachung an der Amtstafel der Gemeinde (§ 41 Abs. 1 AVG) die Kundmachung der Verhandlung auf bloß eine Weise der in § 356 Abs. 1 Z 2 bis 4 GewO 1994 vorgesehenen besonderen Form nicht für den Eintritt der Präklusionsfolgen des § 42 Abs. 1 AVG. Dafür spricht bereits der Wortlaut des § 42 Abs. 1 erster Satz AVG betreffend die Kundmachung „in einer in den Verwaltungsvorschriften vorgesehenen besonderen Form“. Vorgaben für die von der Materiengesetzgebung vorzusehende „besondere Form“ der Kundmachung als Voraussetzung für den Eintritt der Präklusionsfolgen enthält § 42 AVG nicht. Vielmehr ist es nach den Materialien (AB 1167 BlgNR 20. GP, S 31) „grundsätzlich Sache der Materiengesetzgebung, die der jeweiligen Verwaltungsmaterie adäquate Form der Kundmachung für alle Behörden verbindlich festzulegen“. Das Verständnis der Wendung „in einer“ in § 42 Abs. 1 erster Satz AVG als Zahl würde für den Fall, dass der Materiengesetzgeber - wie vorliegend in § 356 Abs. 1 GewO 1994 - eine nach unterschiedlichen Nachbarkreisen differenzierende, adäquate Form der Kundmachung vorsieht, bedeuten, dass für den Eintritt der Präklusionsfolgen die Kundmachung der mündlichen Verhandlung nicht in der gesamten alle Nachbarkreise erfassenden Weise der „in den Verwaltungsvorschriften vorgesehenen besonderen Form“ erfolgen müsste. Dem steht nicht zuletzt das vom Gesetzgeber im Zusammenhang mit der Ausweitung und Verschärfung der Präklusionsbestimmungen ausdrücklich erwähnte Verlangen „nach einer Ausdehnung der Veröffentlichungspflichten“ entgegen (vgl. die Erläuterungen zu § 42 AVG in AB 1167 BlgNR 20. GP, S 31). Diesem Auslegungsergebnis entspricht auch, dass nach dem Willen des Gesetzgebers mit der Bestimmung des § 356 Abs. 1 GewO 1994 „in Zukunft ... die Kundmachung im Wesentlichen auf einem dualen System von Hausanschlägen und Publikation im Internet beruhen“ soll, wobei neben der Verlautbarung im Internet „hinsichtlich des engeren Nachbarkreises ... weiterhin“ als „zusätzliche Information ... Hausanschläge in den unmittelbar benachbarten Häusern sowie ein Anschlag auf dem Betriebsgrundstück obligatorisch sein sollen“, wodurch „insgesamt ein breiteres Kundmachungsspektrum ... erreicht“ wird (vgl. die Erläuterungen zu § 356 Abs. 1 GewO 1994 in RV 1800 BlgNR 24. GP 20).
17 Zwecks Aufrechterhaltung der Parteistellung (§ 42 AVG), bedarf es daher grundsätzlich der Kundmachung auf jede Weise der in § 356 Abs. 1 Z 2 bis 4 GewO 1994 vorgesehenen besonderen Form (vgl. Jahnel, Internetkundmachung: die neuen Bestimmungen in AVG und GewO, bbl 2013, 190; Grabler/Stolzlechner/Wendl, Kurzkommentar GewO, § 356 Rz. 4; Gruber/Paliege-Barfuß7 § 356 Anm 2; Wendl in Stolzlechner/Wendl/Bergthaler, Die gewerbliche Betriebsanlage4, Rz 266, 10.1; Pöschl, System der Gewerbeordnung [2016], Rn. 519).
18 Vorliegend wurde die Anberaumung der mündlichen Verhandlung im Verfahren der belangten Behörde über die von der mitbeteiligten Partei beantragte Änderung der bestehenden Betriebsanlage einerseits durch Anschlag an der Amtstafel der Marktgemeinde G, andererseits durch Verlautbarung auf der Internetseite der belangten Behörde kundgemacht. Ob auch eine Kundmachung durch Anschlag auf dem Betriebsgrundstück und in den der Betriebsanlage unmittelbar benachbarten Häusern bzw. stattdessen durch persönliche Verständigung erfolgte und somit der besonderen Kundmachungsform des § 356 Abs. 1 Z 2 bis 4 GewO 1994 in vollständiger Weise entsprochen wurde, stellte das Verwaltungsgericht nicht ausdrücklich fest.
19 Im Hinblick auf das Vorbringen zum „Anschlag in den der Betriebsanlage als unmittelbar benachbarten Häusern“ gemäß § 356 Abs. 1 Z 4 GewO 1994, ist die betreffende Tatbestandsvoraussetzung durch Situierung eines Hauses (bloß) in der Nachbarschaft der Betriebsanlage nicht erfüllt. Vielmehr kommt es nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes darauf an, dass dieses Haus der Betriebsanlage „unmittelbar“ benachbart ist, sich also in unmittelbarer räumlicher Nähe zur Betriebsanlage befindet. In diesem Sinne wurde auch die bereits in der Vorgängerbestimmung des derzeit geltenden § 356 Abs. 1 Z 4 GewO 1994 enthaltene Regelung verstanden, durch die den städtischen Verhältnissen Rechnung getragen werden sollte (vgl. RV 495 BlgNR, 13. GP 261). „Unmittelbar benachbarte Häuser“ seien daher jene, so Mache/Kinscher, GewO (1982) 697, „die rund um die zur Verhandlung stehende Betriebsanlage dieser Betriebsanlage am Nächsten liegen, auch dann, wenn dazwischen eine Straße liegt“. Unmittelbare Nachbarschaft erforderte und erfordert demnach zwar keine gemeinsame Grundgrenze, wohl aber darf das Betriebsgrundstück vom bebauten Grundstück lediglich durch eine Straße oder in einer dieser vergleichbaren Weise getrennt sein (vgl. VwGH 17.11.2004, 2003/04/0091; 17.11.2004, 2004/04/0169). Die dargelegte, auf den Wortlaut des § 356 Abs. 1 Z 4 GewO 1994 abstellende Rechtsprechung steht daher dem Revisionsvorbringen entgegen.
20 Der Revisionswerber ist somit nicht Nachbar in einem „der Betriebsanlage unmittelbar benachbarten Haus“. Durch die Unterlassung des Anschlages im Haus des Revisionswerbers wurde daher § 356 Abs. 1 Z 4 GewO 1994 nicht verletzt (vgl. VwGH 17.11.2004, 2003/04/0091).
21 Der Revisionswerber bestreitet nicht, dass die Kundmachung der Verhandlung ordnungsgemäß an der Amtstafel der Gemeinde angeschlagen war bzw. die Verhandlung auf der Internetseite der belangten Behörde ordnungsgemäß verlautbart wurde. Damit ist die von § 356 Abs. 1 GewO 1994 für die Verständigung als weiter entfernter Nachbar getroffene Vorsorge (durch Anschlag an der Amtstafel der Gemeinde und Verlautbarung auf der Internetseite der belangten Behörde) ordnungsgemäß erfolgt.
22 Weder der „Anschlag auf dem Betriebsgrundstück“ noch der „Anschlag in den der Betriebsanlage unmittelbar benachbarten Häusern“ dient der Verständigung der Nachbarn von weiter entfernten Häusern, zumal gemäß § 356 Abs. 1 letzter Satz GewO 1994 statt durch Anschlag im Sinne der Z 3 und 4 die Bekanntgabe aus Gründen der Zweckmäßigkeit, Raschheit und Einfachheit auch durch persönliche Verständigung des engeren Nachbarkreises erfolgen kann (vgl. die Erläuterungen zu § 356 Abs. 1 GewO 1994 in RV 1800 BlgNR 24. GP 20, unter anderem wonach sich die Kundmachung im Wege von Hausanschlägen in den unmittelbar benachbarten Häusern sowie eines Anschlags auf dem Betriebsgrundstück auf den „engeren Nachbarkreis“ bezieht; sowie Pöschl, System der Gewerbeordnung [2016], Rn. 518; und Grabler/Stolzlechner/Wendl, Kommentar zur GewO³, § 356 Rz 21).
23 Dadurch, dass vorliegend möglicherweise bei Verständigung der Nachbarn in den unmittelbar benachbarten Häusern Mängel unterlaufen sind, wurde die ordnungsgemäße Verständigung des Revisionswerbers nicht beeinträchtigt. Mängel der Kundmachung wirken sich vielmehr nur gegenüber jenen Personen aus, die von ihnen auch tatsächlich betroffen sind. Personen, auf die sich der Kundmachungsmangel nicht auswirkt, werden daher trotz des Mangels von der Präklusionswirkung des § 42 Abs. 1 AVG erfasst (vgl. VwGH 23.4.1991, 90/04/0352; sowie Wiederin in Schwarzer, Anlagenverfahrensrecht, 29, und Erlacher/Forster in Ennöckl/Raschauer/Wessely (Hrsg.), GewO (2015) § 356, Rz 29). Die durch die Kundmachung jeweils adressierten Nachbarkreise können gegen ihre Präklusion nicht einwenden, dass der jeweils andere (engere oder weitere) Nachbarkreis nicht ordnungsgemäß verständigt wurde, denn diese fehlende Verständigung hat ihre Informationslage nicht verschlechtert (vgl. Pöschl, System der Gewerbeordnung [2016], Rn. 519)
24 Ein den Revisionswerber betreffender Kundmachungsmangel liegt somit nicht vor. Vielmehr wurde dem - zum weiteren Nachbarkreis zu zählenden -Revisionswerber gegenüber die mündliche Verhandlung sowohl durch Anschlag an der Amtstafel der Gemeinde gemäß § 41 Abs. 1 zweiter Satz AVG als auch durch Verlautbarung auf der Internetseite der belangten Behörde in der gemäß § 356 Abs. 1 Z 2 GewO 1994 vorgesehenen besonderen Form ordnungsgemäß kundgemacht. Der Revisionswerber hat daher mangels Erhebung von Einwendungen seine Parteistellung gemäß § 42 Abs. 1 AVG verloren.
25 Das angefochtene Erkenntnis ist in Bezug die Zurückweisung der diesbezüglichen Anträge des Revisionswerbers nicht rechtswidrig.
Auskunftsbegehren des Revisionswerbers
26 Inhalt des von der belangten Behörde zurückgewiesenen Auskunftsersuchens ist der Umfang der Betriebsanlagengenehmigung der mitbeteiligten Partei betreffend den Fuhrpark und die Verladetätigkeit im Außenbereich entlang der Westbahnstrecke, die Anzahl der bewilligten Transportfahrten und das Datum der letzten Betriebsanlagengenehmigung.
27 Gemäß Art. 20 Abs. 4 erster Satz B-VG haben alle mit Aufgaben der Bundes-, Landes- und Gemeindeverwaltung betrauten Organe sowie die Organe anderer Körperschaften des öffentlichen Rechts über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches Auskünfte zu erteilen, soweit eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht dem nicht entgegen steht.
28 Gemäß Art. 20 Abs. 4 zweiter Satz B-VG sind die näheren Regelungen hinsichtlich der Organe des Bundes sowie der durch die Bundesgesetzgebung zu regelnden Selbstverwaltung in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache, hinsichtlich der Organe der Länder und Gemeinden sowie der durch die Landesgesetzgebung zu regelnden Selbstverwaltung in der Grundsatzgesetzgebung Bundessache, in der Ausführungsgesetzgebung und in der Vollziehung Landessache.
29 Der zweite Satz des Art. 20 Abs. 4 B-VG knüpft an einen organisatorischen Organbegriff („Organe des Bundes“; „Organe der Länder“) an. Die Auskunftspflicht der Landes- und Gemeindeverwaltungsorgane (im organisatorischen Sinn) ist daher in der Ausführungsgesetzgebung und in der Vollziehung Landessache. Daher ist auch die Auskunftserteilung durch Landesorgane im organisatorischen Sinn - wie etwa vorliegend die Bezirkshauptmannschaft - in Angelegenheiten der mittelbaren Bundesverwaltung, durch die Auskunftspflichtgesetze der Länder zu regeln (vgl. VwGH 11.11.2009, 2009/04/0224, mwN).
30 Auf das an die Bezirkshauptmannschaft Wels-Land (als Gewerbebehörde) gerichtete Auskunftsersuchen des Revisionswerbers findet daher das Oö. Auskunftspflicht-, Datenschutz- und Informationsweiterverwendungsgesetz, LGBl. Nr. 46/1988 idF LGBl. Nr. 55/2018, Anwendung.
31 Gemäß § 1 Abs. 1 leg.cit. haben unter anderem die Organe des Landes über Angelegenheiten ihres Wirkungsbereiches jedermann Auskunft zu erteilen. Unter einer Auskunft ist die Mitteilung von Tatsachen über Angelegenheiten zu verstehen, die dem Organ, das zur Auskunft verpflichtet ist, zum Zeitpunkt der Erteilung der Auskunft bekannt sind oder bekannt sein müssen (Abs. 2). Gemäß § 2 Abs. 1 Oö. Auskunftspflicht-, Datenschutz- und Informationsweiterverwendungsgesetz hat jedermann ein Recht auf Auskunft. Gemäß § 3 Abs. 1 leg. cit. ist Auskunft nicht zu erteilen, wenn der Erteilung einer Auskunft eine gesetzliche Verschwiegenheitspflicht entgegensteht. Auskunft kann verweigert werden, wenn a) die Auskunft offenbar mutwillig verlangt wird, b) die Erteilung der Auskunft umfangreiche Erhebungen und Ausarbeitungen erfordert, die die ordnungsgemäße Besorgung der übrigen gesetzlichen Aufgaben des Organs wesentlich beeinträchtigt, oder c) dem Auskunftswerber die gewünschten Informationen anders unmittelbar zugänglich sind (Abs. 2).
32 Das Verwaltungsgericht begründete die von ihm als rechtmäßig angesehene Zurückweisung des Auskunftsbegehrens des Revisionswerbers nicht näher. Es vertrat jedoch ausgehend vom begründeten Verlust der Parteistellung des Revisionswerbers im Betriebsanlagengenehmigungsverfahren gemäß § 42 Abs. 1 AVG offenbar die unzutreffende Rechtsansicht, dass ein Auskunftsbegehren Parteistellung voraussetze. Vielmehr kommt gemäß § 2 Abs. 1 erster Satz Oö. Auskunftspflicht-, Datenschutz- und Informationsweiterverwendungsgesetz das Recht auf Auskunft jedermann unabhängig von einer allfälligen Parteistellung in einem Verwaltungsverfahren zu (vgl. zum Tiroler Auskunftspflichtgesetz VwGH 25.11.2008, 2007/06/0084; 22.10.2012, 2010/03/0099).
33 Das Verwaltungsgericht belastete insofern das angefochtene Erkenntnis betreffend die Zurückweisung des Auskunftsbegehrens mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit.
Ergebnis
34 Das Erkenntnis war daher im Umfang der Entscheidung über die Zurückweisung des Auskunftsersuchens des Revisionswerbers gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
35 Im Übrigen war die Revision, soweit sie sich gegen die Entscheidung über die Zurückweisung des Antrags auf Zuerkennung der Parteistellung des Revisionswerbers sowie des Antrags auf Zustellung von Betriebsanlagengenehmigungsbescheiden richtete, gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
36 Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 15. Dezember 2020
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2018040198.L00Im RIS seit
08.03.2021Zuletzt aktualisiert am
08.03.2021