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L92058 Altenheime Pflegeheime Sozialhilfe Vorarlberg;Norm
ABGB §879 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Knell und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Novak, Dr. Sulyok und Dr. Nowakowski als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Hackl, über die Beschwerde der E in H, vertreten durch Dr. A, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Vorarlberger Landesregierung vom 10. Oktober 1995, Zl. IVa-340/136/94, betreffend Abweisung eines Sozialhilfeantrages, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Vorarlberg hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Das Mehrbegehren wird abgewiesen.
Begründung
Die 1942 geborene Beschwerdeführerin ist die eingeantwortete Erbin und Tochter der Stieftochter des 1910 geborenen und am 27. Jänner 1995 verstorbenen Urban M. Für diesen beantragte sie am 16. Oktober 1991 die Gewährung von Sozialhilfe durch Übernahme der Verpflegskosten in einem Heim in M, wo Urban M. seit 22. August 1991 untergebracht war. Über seinen Grund- und Hausbesitz gab sie an, ihm gehöre das Wohnhaus in M, das Urban M. bis zu seiner Unterbringung (zusammen mit seiner Stieftochter, die dort das Wohnrecht genoß, und der Beschwerdeführerin) bewohnt hatte.
Im Ermittlungsverfahren der Bezirkshauptmannschaft Bregenz ergab sich, daß Urban M. auch Eigentümer von Liegenschaften in B war, von denen die Behörde im weiteren Verfahren davon ausging, ihr Verkehrswert betrage ca. S 2,000.000,--. Der Verkehrswert der Liegenschaft in M wurde mit DM 106.228,-- ermittelt.
Mit Schreiben vom 3. April 1992 hielt die Bezirkshauptmannschaft Bregenz Urban M. den Wert seines Liegenschaftsvermögens vor und erklärte sich bereit, gegen Sicherstellung auf der Liegenschaft in M Sozialhilfe in der Form eines verzinsbaren Darlehens zu gewähren. Urban M. müsse zur Finanzierung der nicht gedeckten Kosten sein "gesamtes Vermögen" bereitstellen. Urban M. antwortete mit Schreiben vom 14. April 1992, er ziehe den Antrag auf Übernahme der Verpflegskosten zurück. Sein Aufenthalt in dem Heim in M werde am 30. April 1992 enden und die Pflege und Betreuung ab diesem Zeitpunkt von der Beschwerdeführerin durchgeführt werden. Die schon entstandenen Verpflegskosten werde er selbst bezahlen.
Mit Übergabsvertrag vom 24. Februar 1992 (und damit schon vor dem Erhalt des Schreibens vom 3. April 1992) hatte Urban M. sein Liegenschaftsvermögen in M und B (mit Ausnahme eines Achtelanteils an einer Liegenschaft mit Wohnhaus, der in einer Auskunft der Gemeinde B als kaum verwertbar beschrieben worden war) der Beschwerdeführerin übergeben. Der Vertrag sah folgende Gegenleistungen vor:
"Als Gegenleistung:
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behält sich der Übergeber im unteren Stock des Hauses M ... im Zimmer neben der Küche das ausschließliche und an der Küche und den Sanitärräumen das gemeinsame Wohnungsrecht zusammen mit der Wohnungsberechtigten Anna H. vor. Der Vorbehalt dieses Wohnungsrechtes ist unentgeltlich höchstpersönlich und lebenslänglich. Mitumfaßt von diesem Wohnungsrecht ist das freie Bewegungs- und Aufenthaltsrecht im unteren Stock des Hauses M ... soweit dadurch nicht in das Wohnungsrecht von Anna H. einbegriffen wird, sowie auf dem GST 2206/2;
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ist die Übernehmerin zur unentgeltlichen Pflege und Betreuung des Übergebers verpflichtet, solange diese Pflege und Betreuung im Hause M ... zumutbar ist, über die Zumutbarkeit der häuslichen Pflege entscheidet der Hausarzt. Die Pflege und Betreuung umfaßt insbesondere die Hilfe und Wartung im Sinne der Sozialversicherungsgesetzgebung;
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ist die Übernehmerin verpflichtet, sämtliche Erhaltungskosten der vom Wohnungsrecht umfaßten Räume, auch im innern, zu tragen und diese in angemessenen bewohnbaren Zustand zu halten.
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Darüber hinaus ist die Übernehmerin verpflichtet, an dieser Wohnung sämtliche auf den Übergeber entfallenden Betriebskosten zu bezahlen, wie beispielsweise Wasser, Strom, Heizung, Abwasser etc.
Die Vertragsteile vereinbaren die grundbücherliche Sicherstellung des Wohnungsrechtes, sowie der Gegenleistungen als Ausgedinge auf der Liegenschaft in EZ 630 GB M."
Nach dem von der belangten Behörde angenommenen, unstrittigen Sachverhalt wurde Urban M. ab dem 1. Mai 1992 von der Beschwerdeführerin zu Hause betreut, bis er am 25. Oktober 1993 in das Krankenhaus V eingeliefert wurde.
Im Dezember 1993 beantragte die Beschwerdeführerin neuerlich für Urban M. die Sozialhilfe durch Übernahme der Verpflegskosten in dem Heim in M, wo Urban M. sofort nach seiner Entlassung aus dem Krankenhaus aufgenommen werden sollte. Sie gab an und legte eine ärztliche Bestätigung darüber vor, daß die häusliche Pflege von Urban M. im Hinblick auf dessen Zustand nicht mehr möglich und die Beschwerdeführerin selbst durch diese Pflege auch so erschöpft sei, daß sie ihrerseits stationärer Behandlung bedürfe.
Mit Schreiben vom 25. Jänner 1994 teilte die Bezirkshauptmannschaft Bregenz Urban M., der seit dem 15. Dezember 1993 wieder in dem Heim in M untergebracht war, mit, sie beabsichtige den Sozialhilfeantrag abzulehnen. Nach einer Darstellung der Vorgeschichte - unter Angabe der aufgrund der Ermittlungen über den Antrag vom 16. Oktober 1991 angenommenen Werte des damaligen Liegenschaftsvermögens von Urban M. - führte die Bezirkshauptmannschaft dazu aus, es sei bei der Übergabe des Liegenschaftsvermögens an die Beschwerdeführerin "voraussehbar" gewesen, daß Urban M. wieder der Heimpflege bedürfen und daher "früher oder später auf eine laufende Sozialhilfeleistung angewiesen sein" würde. Durch die Vermögensübertragung habe Urban M. "die sozialhilferechtliche Hilfebedürftigkeit selbst herbeigeführt". Eine "solche Vorgangsweise" sei "ohne Zweifel sittenwidrig (§ 879 Abs.1 ABGB)".
Urban M. erwiderte mit Schreiben vom 14. Februar 1994 unter Hinweis darauf, daß er die durch den ersten Heimaufenthalt entstandenen Kosten selbst getragen habe, er habe sich im Februar 1992 entschlossen, der Beschwerdeführerin seine Liegenschaften unter der Voraussetzung zu übergeben, daß seine volle häusliche Pflege übernommen werde. Die Beschwerdeführerin habe die Räumlichkeiten in dem Wohnhaus in M durch Umbauarbeiten in einen pflegegerechten Zustand bringen lassen und die häusliche Pflege übernommen, womit diese bis an das Lebensende von Urban M. gesichert gewesen wäre, wenn der gesundheitliche Zustand der Beschwerdeführerin nicht deren stationäre Behandlung im Landesnervenkrankenhaus V (in der Zeit vom 26. November 1993 bis 25. Jänner 1994) erforderlich gemacht hätte.
Mit Bescheid vom 11. März 1994 wies die Bezirkshauptmannschaft Bregenz den Antrag auf Übernahme der Verpflegskosten "gemäß § 1 des Sozialhilfegesetzes", LGBl. für Vorarlberg Nr. 26/1971 (VSHG), in der geltenden Fassung, ab. Die Begründung entsprach dem Inhalt des Schreibens vom 25. Jänner 1994, vermehrt um die Wiedergabe der Inhalte der §§ 1 Abs. 3 lit. b und 8 VSHG sowie § 7 der dazu ergangenen Verordnung, LGBl. für Vorarlberg Nr. 74/1971, und den Hinweis darauf, daß durch die Übergabe der Liegenschaften an die Beschwerdeführerin ein "Zugriff durch die Sozialhilfe" auf die Liegenschaften nicht mehr möglich sei. Urban M. habe es offensichtlich vorgezogen, das Grundvermögen zu übergeben und in der Folge die Sozialhilfe zur Abdeckung der durch 80 % der Pension nicht gedeckten Verpflegskosten in Anspruch zu nehmen.
Gegen diesen Bescheid erhob Urban M. Berufung. Dem Vorwurf, die Vermögensübertragung sei sittenwidrig gewesen, hielt er entgegen, es sei nicht vorauszusehen gewesen, daß die Beschwerdeführerin selbst infolge der sehr anstrengenden Pflege der stationären Behandlung bedürfen würde.
Von der belangten Behörde wurde im Berufungsverfahren u.a. die Beschwerdeführerin zur Stellungnahme aufgefordert. Mit Schreiben vom 31. Mai 1994 teilte sie mit, sie habe 1992 die Absicht gehabt, Urban M. bis an sein Lebensende zu pflegen, und nicht erkannt, daß dies eine zu große gesundheitliche Belastung für sie sei. Wenn die Sozialhilfe in der Form eines Darlehens gewährt werde, sei sie bereit, dieses auf den Liegenschaften in B grundbücherlich sicherstellen zu lassen, worüber mit der Bezirkshauptmannschaft Bregenz schon Gespräche geführt worden seien. (Über letztere enthält der Akt der Behörde erster Instanz einen ausführlichen Aktenvermerk vom 30. März 1994, nach dessen Inhalt der Beschwerdeführerin u.a. mitgeteilt wurde, daß zwar nicht das Wohnhaus in M, wohl aber das Grundvermögen in B von Urban M. "einzusetzen" sei, wobei durch die Hilfegewährung in der Form eines Darlehens Zeit für einen günstigen Verkauf verbleibe.)
Die belangte Behörde führte Erhebungen über das von Urban M. bezogene Pflegegeld durch und ersuchte den Notar, der den Übergabsvertrag vom 24. Februar 1992 errichtet hatte, um Auskunft über die dabei geführten Gespräche. Mit Schreiben vom 26. September 1994 teilte der Notar mit, die Beschwerdeführerin habe ihn davon verständigt, daß der Zustand von Urban M. sich so verschlechtert habe, daß ihres Erachtens die Geschäftsfähigkeit nicht mehr gegeben sei, weshalb auch die Entbindung von der Verschwiegenheitspflicht nach Ansicht des Notars nur durch einen Sachwalter erfolgen könne.
Am 9. November 1994 übermittelte die belangte Behörde Urban M. nicht näher bezeichnete Ergebnisse des ergänzenden Ermittlungsverfahrens zur Stellungnahme. Auf eine diesbezügliche Urgenz der belangten Behörde vom 15. Dezember 1994 antwortete die Beschwerdeführerin am 29. Dezember 1994, Urban M. sei nicht mehr in der Lage, Schriftverkehr selbst zu erledigen. Sie werde die Bestellung eines Sachwalters beantragen und den Notar von der Schweigepflicht entbinden und sei weiterhin bereit, die in Form eines Darlehens zu gewährende Sozialhilfe auf dem Liegenschaftsbesitz in B sicherstellen zu lassen.
Nach dem Ableben Urban M.s am 27. Jänner 1995 und der Einantwortung der Beschwerdeführerin als Alleinerbin teilte der Notar, der den Übergabsvertrag vom 24. Februar 1992 errichtet hatte, der belangten Behörde über die Umstände der Vertragserrichtung im wesentlichen folgendes mit:
"Anfang 1992 wurde das Notariat mit der Verfassung des Übergabsvertrages beauftragt. Soweit mir erinnerlich ist, war einer der Beweggründe für den Abschluß des Vertrages, daß der Aufenthalt im X-Heim die Substanz des Vermögens anzugreifen drohte und Urban M. den Wunsch hatte, zu Hause zu wohnen.
Zur Unterfertigung am 24. Februar 1992 sind die Vertragsteile persönlich erschienen. Im Hinblick auf die vertraglich übernommene Pflegeverpflichtung war mein Eindruck, daß diese im Zeitpunkt der Vertragsunterfertigung aufgrund des guten Zustandes des Übergebers für die Übernehmerin keine allzu große Belastung darstellte."
Die Beschwerdeführerin reagierte auf die Einladung der belangten Behörde, zu den Ergebnissen des Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen, mit dem Antrag auf Einvernahme des Hausarztes, der Urban M. am Tag der Unterfertigung des Übergabsvertrages "auf dessen geistigen Gesundheitszustand hin" untersucht habe.
Mit dem angefochtenen, an die Beschwerdeführerin gerichteten Bescheid gab die belangte Behörde der von Urban M. erhobenen Berufung gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 1 Abs. 3 VSHG keine Folge und bestätigte den Bescheid vom 11. März 1994.
Diese Entscheidung stützte die belangte Behörde - abgesehen von der ausführlichen Wiedergabe des schon dargestellten, unstrittigen Sachverhalts - in tatsächlicher Hinsicht vor allem darauf, in welcher Weise der Gesundheitszustand von Urban M. in zwei im Zusammenhang mit der Beantragung eines Pflegezuschusses (von Juni 1991 bis August 1991 sowie Mai 1992 bis Juni 1993, wonach Urban M. Pflegegeld nach dem Bundespflegegeldgesetz bezog) erstellten Gutachten des Hausarztes vom 7. Mai 1991 und 3. April 1992 sowie in einem Attest vom 30. November 1993 beschrieben worden sei, sowie darüber, an welche Voraussetzungen der Urban M. zuerkannte Pflegezuschuß der Stufe 6 geknüpft gewesen sei. Einer Einvernahme des Arztes habe es aufgrund der von ihm vorliegenden Atteste nicht bedurft. Den Ausführungen des Notars über den "guten Zustand" von Urban M. im Zeitpunkt des Übergabsvertrages stünden begründete Zweifel gegenüber.
In ihren rechtlichen Überlegungen wertete es die belangte Behörde nach einleitenden Ausführungen zur Rechtsnachfolge, den Voraussetzungen der Gewährung von Sozialhilfe und der Möglichkeit der Beurteilung der Nichtigkeit eines Vertrages als Vorfrage, zunächst als "interessant", daß Urban M. die Vermögensübertragung vor dem Erhalt des Schreibens vom 3. April 1992 durchgeführt, aber nicht bekanntgegeben und erst nach dem Erhalt dieses Schreibens den Sozialhilfeantrag zurückgezogen und das Heim verlassen habe. Es könne "vielleicht richtig" sein, wenn Urban M. in der Berufung ausgeführt habe, der gesundheitliche Zusammenbruch der Beschwerdeführerin sei nicht voraussehbar gewesen. Dem stünde aber die objektivierte Pflegebedürftigkeit Urban M.s schon im Zeitpunkt des Übergabsvertrages und die Definition der Stufe 6 des vor und nach dem ersten Heimaufenthalt bezogenen Pflegezuschusses gegenüber. Für Urban M. sei es danach "erkennbar" gewesen bzw.
"hätte" es "erkennbar sein müssen", daß die Beschwerdeführerin
zu seiner häuslichen Pflege "zumindest mittelfristig nicht auf
Dauer" in der Lage sein werde. Es sei für Urban M. auch
"erkennbar" gewesen, daß er in diesem Fall der stationären
Betreuung bedürfen werde und dies der Sozialhilfe zur Last
fallen würde, nachdem Urban M. "das ihm seitens der
Bezirkshauptmannschaft Bregenz zur Kenntnis gebrachte Problem
des vorhandenen Vermögens durch die Übergabe der
Liegenschaften ... ausgeräumt" habe. Durch die Übergabe der
Liegenschaften habe Urban M. die Hilfegewährung in der Form
eines Darlehens "verunmöglicht" und die Liegenschaften "einer
planvollen, schrittweisen Verwertung ... entzogen". Die
belangte Behörde verkenne nicht, daß im Übergabsvertrag Gegenleistungen vorgesehen und diese für die Beschwerdeführerin während der ca. eineinhalbjährigen häuslichen Pflege und Betreuung von Urban M. mit äußersten Belastungen verbunden gewesen seien:
"In Anbetracht der dargestellten Chronologie der Ereignisse und des festgestellten Sachverhaltes kommt die Berufungsbehörde aber zum Schluß, daß der Übergabsvertrag vom 24. Februar 1992 den Zweck hatte, (im Falle einer absehbaren stationären Pflege) die Hilfsbedürftigkeit und damit die Leistungspflicht der Sozialhilfe herbeizuführen - eine Vorgangsweise, die sittenwidrig gemäß § 879 Abs. 1 ABGB ist. Im Wege der Vorfragenbeurteilung im Sinne des § 38 AVG wird daher die Rechtsunwirksamkeit dieser Vermögensübertragung aus der Sicht der Sozialhilfe festgestellt und aufgrund des Vorhandenseins von Vermögen die Hilfsbedürftigkeit verneint."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof - nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde - erwogen hat:
Die belangte Behörde hält den Übergabsvertrag vom 24. Februar 1992 für sittenwidrig und daher nichtig, obwohl sie davon ausgeht, daß die vereinbarten Gegenleistungen nach der übereinstimmenden Absicht der Vertragsparteien erbracht werden sollten und in der Folge - im vertragsmäßig vorgesehenen Rahmen des Zumutbaren und angesichts der gesundheitlichen Folgen für die Beschwerdeführerin wohl noch darüber hinaus - auch tatsächlich erbracht wurden. Die belangte Behörde geht auch nicht davon aus, die vereinbarte Gegenleistung sei in einem offenkundigen Mißverhältnis zum Wert der übergebenen Liegenschaften gestanden. Die Sittenwidrigkeit soll vielmehr daraus folgen, daß es "hätte erkennbar sein müssen", daß Urban M. "früher oder später", wie es im erstinstanzlichen Bescheid hieß, wieder der stationären Pflege und damit - nach Übergabe der Liegenschaften - nicht nur in der Form eines Darlehens der Sozialhilfe bedürfen werde, weil die Pflege der Beschwerdeführerin "zumindest mittelfristig nicht auf Dauer", wie die belangte Behörde meint, zumutbar sein konnte.
Mit diesen Annahmen darüber, was "erkennbar" war bzw. "hätte erkennbar sein müssen", zieht die Behörde nicht einmal in Zweifel, daß die Vertragsparteien - ihren Behauptungen im Ermittlungsverfahren entsprechend - den Zweck verfolgten, Urban M. die häusliche Pflege durch die Beschwerdeführerin möglichst bis an sein Lebensende zukommen zu lassen. Daß dieses Vorhaben völlig unrealistisch war, kann angesichts seiner Verwirklichung während des überwiegenden Teils der knapp drei Jahre, die Urban M. nach dem 1. Mai 1992 noch lebte, auch im nachhinein nicht gesagt werden. Für den von der belangten Behörde als "absehbar" eingestuften Fall, daß es vor dem Tod Urban M.s noch einmal einer (längeren und damit finanziell ins Gewicht fallenden) stationären Pflege bedürfen würde, sollen die Beteiligten aber den Zweck verfolgt haben, der Beschwerdeführerin - besser als dies bloß aufgrund ihrer Erbseinsetzung der Fall gewesen wäre - die Liegenschaften zu erhalten.
Der rechtlichen Beurteilung, daß dies ausreichen würde, um die Nichtigkeit des Vertrages wegen eines Verstoßes gegen die guten Sitten (§ 879 Abs. 1 ABGB) zu bewirken, kann nicht gefolgt werden. Sie unterstellt Urban M. eine Pflicht zur vorbeugenden Wahrung der Interessen des Sozialhilfeträgers, für die es keine rechtliche Grundlage gibt. Urban M. war nicht verpflichtet, von vornherein im Heim zu bleiben, weil dies - bei Hilfegewährung gegen grundbücherliche Sicherstellung - im Falle einer nicht allzu langen Restlebensdauer eine geringere Belastung für den Sozialhilfeträger bedeutet hätte. Wenn sich für ihn die Möglichkeit ergab, sich für die Dauer deren "Zumutbarkeit" in häusliche Pflege zu begeben (womit es eines Verpflegskostenzuschusses in der jetzt strittigen Form zunächst nicht bedurfte), so durfte er sein Vermögen dafür auch einsetzen, wenn dies bedeutete, daß es im - nicht angestrebten, nach Ansicht der belangten Behörde aber "absehbaren" - Fall einer späteren stationären Pflege für deren Bezahlung nicht mehr zur Verfügung stehen würde. Die mangelnde Vorsorge für diesen Fall reicht nicht aus, um den Vertrag als sittenwidrig erscheinen zu lassen.
Etwas anderes würde gelten, wenn der Übergabsvertrag nur (vgl. Pfeil, Österreichisches Sozialhilferecht, S. 404, 407 und 532 f) oder zumindest primär (vgl. dazu das Erkenntnis vom 26. September 1995, Zlen. 95/08/0168, 0169, 0171) der Herbeiführung der Leistungspflicht des Sozialhilfeträgers gedient hätte. Davon kann mit Rücksicht darauf, daß die Person, der die Liegenschaften übergeben wurden, nicht schon aus familienrechtlichen Gründen zur Erbringung der damit abgegoltenen Leistungen verpflichtet war, unter den Umständen des vorliegenden Falles nicht die Rede sein.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994. Ein Anspruch auf zusätzlichen Ersatz von Umsatzsteuer besteht nach dieser Verordnung nicht.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1997:1995080326.X00Im RIS seit
13.07.2001