Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Schramm als Vorsitzenden, die Hofräte Hon.-Prof. Dr. Gitschthaler, Univ.-Prof. Dr. Kodek und Dr. Nowotny sowie die Hofrätin Dr. Faber als weitere Richter in den Firmenbuchsachen der im Firmenbuch des Landesgerichts Salzburg 1. zu FN ***** eingetragenen B***** GmbH, 2. der zu FN ***** eingetragenen N***** GmbH, 3. der zu FN ***** eingetragenen B***** GmbH, alle mit dem Sitz in der politischen Gemeinde *****, vertreten durch Waitz Rechtsanwälte GmbH in Linz, über den Revisionsrekurs der Gesellschaften gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Rekursgericht vom 26. August 2020, GZ 6 R 100/20y-13, womit der Beschluss des Landesgerichts Salzburg vom 23. Juli 2020, GZ 24 Fr 2184/20p-7, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss wird abgeändert und es werden folgende Firmenbucheintragungen bewilligt:
1. bei der zu FN ***** eingetragenen B***** GmbH (24 Fr 2184/20p):
„Verschmelzungsvertrag vom 07. 05. 2020
Generalversammlungsbeschluss vom 07. 05. 2020
Diese Gesellschaft wurde als übernehmende Gesellschaft mit der
N***** GmbH
(FN *****)
als übertragende Gesellschaft verschmolzen.
Sitz der übertragenden Gesellschaft in *****.
Verschmelzungsvertrag vom 07. 05. 2020
Generalversammlungsbeschluss vom 07. 05. 2020
Diese Gesellschaft wurde als übernehmende Gesellschaft mit der
B***** GmbH
(FN *****)
als übertragende Gesellschaft verschmolzen.
Sitz der übertragenden Gesellschaft in *****.“
2. bei der zu FN ***** eingetragenen N***** GmbH (24 Fr 2212/20f):
„FIRMA gelöscht
# N***** GmbH
# SITZ in
# politischer Gemeinde *****
Verschmelzungsvertrag vom 07. 05. 2020
Generalversammlungsbeschluss vom 07. 05. 2020
Diese Gesellschaft wurde als übertragende Gesellschaft mit der
B***** GmbH
(FN *****)
als übernehmende Gesellschaft verschmolzen.
Sitz der übernehmenden Gesellschaft in *****.“
3. bei der zu FN ***** eingetragenen B***** GmbH (24 Fr 2283/20m):
„FIRMA gelöscht
# B***** GmbH
# SITZ in
# politischer Gemeinde *****
Verschmelzungsvertrag vom 07. 05. 2020
Generalversammlungsbeschluss vom 07. 05. 2020
Diese Gesellschaft wurde als übertragende Gesellschaft mit der
B***** GmbH
(FN *****)
als übernehmende Gesellschaft verschmolzen.
Sitz der übernehmenden Gesellschaft in *****.“
Die Eintragung obliegt dem Erstgericht.
Die Rechtsmittelwerberinnen haben die Kosten ihres Revisionsrekurses selbst zu tragen.
Text
Begründung:
[1] Die B***** GmbH („Muttergesellschaft“) ist jeweils Alleingesellschafterin der N***** GmbH („1. Tochtergesellschaft“) und der B***** GmbH („2. Tochtergesellschaft“) sowie dreier weiterer Tochtergesellschaften. Bei diesen Gesellschaften wurde im Firmenbuch die Eintragung der Verschmelzung aller Tochtergesellschaften als jeweils übertragende Gesellschaften mit der Muttergesellschaft als übernehmende Gesellschaft sowie die Löschung der übertragenden Gesellschaften beantragt.
[2] In der jeweiligen der Verschmelzung zugrundeliegenden Schlussbilanz zum 30. 9. 2019 weist die 1. Tochtergesellschaft ein negatives Eigenkapital von 19.166,09 EUR auf, die 2. Tochtergesellschaft ein solches von 138.886,85 EUR.
[3] Die Muttergesellschaft weist in der Bilanz zum 30. 9. 2019 ein positives Eigenkapital von 5.483.865,60 EUR auf, darunter eine nicht gebundene Kapitalrücklage von 4.760.900 EUR und einen Bilanzgewinn von 687.965,60 EUR.
[4] In der dem Firmenbuchgericht vorgelegten „fiktiven Übernahmebilanz“ der Muttergesellschaft zum 1. 10. 2019 wird die fiktive bilanzielle Situation der Muttergesellschaft dargestellt, wie sie bestünde, wenn alle fünf Verschmelzungen mit Ablauf des 30. 9. 2019 wirksam wären. Darin sind auf der Aktivseite im Anlagevermögen (Finanzanlagen) die Beteiligungsansätze der fünf an den Verschmelzungen beteiligten Tochtergesellschaften mit 0 EUR angegeben. Die Passivseite weist ein positives Eigenkapital von 5.184.023,66 EUR auf, darunter eine nicht gebundene Kapitalrücklage von 4.760.900 EUR und einen Bilanzgewinn von 687.965,60 EUR.
[5] Das Erstgericht bemängelte das jeweils negative Eigenkapital der beiden hier einschreitenden Tochtergesellschaften als Hindernis für die Eintragung der Verschmelzung und forderte die Antragsteller auf, Ausgleichsmaßnahmen vorzunehmen. Die Antragsteller verweigerten diese im Wesentlichen mit dem Verweis auf das positive Eigenkapital der Muttergesellschaft, das die Verschmelzung trotz des negativen Eigenkapitals der Tochtergesellschaften zulässig mache.
[6] Daraufhin trug das Erstgericht die Verschmelzung der drei weiteren Tochtergesellschaften als übertragende Gesellschaften mit der Muttergesellschaft ein und wies (nur im Fr-Akt der Muttergesellschaft) den Eintragungsantrag betreffend die hier antragstellenden Tochtergesellschaften ab. Es führte in rechtlicher Hinsicht aus, auch wenn es keinen allgemeinen Grundsatz gebe, dass eine Verschmelzung einer Gesellschaft mit negativem Wert mit einer anderen Gesellschaft unzulässig sei, so sei durch die Übertragung des nicht bloß geringfügigen negativen Vermögens im Wege der up-stream-Verschmelzung auf die übernehmende Gesellschaft eine Verschlechterung der Position der Gläubiger der übernehmenden Gesellschaft möglich. Geeignete Ausgleichsmaßnahmen, etwa in Form eines Gesellschafterzuschusses in Höhe des negativen Vermögens, hätten die Antragsteller nicht gesetzt. Eine betriebliche Rechtfertigung der Übertragung des negativen Vermögens etwa in Form von Synergieeffekten sei ebenfalls nicht behauptet worden.
[7] In den korrespondierenden Fr-Akten der Tochtergesellschaften erfolgte keine förmliche Abweisung des Eintragungsantrags, das Erstgericht verständigte allerdings die Antragsteller jeweils mit dem Hinweis, die Abweisung sei zum Fr-Akt der Muttergesellschaft erfolgt.
[8] Das Rekursgericht gab dem (nur im Fr-Akt der Muttergesellschaft erhobenen) Rekurs der Muttergesellschaft nicht Folge und ließ den ordentlichen Revisionsrekurs zu. Es meinte in rechtlicher Hinsicht, das Erstgericht argumentiere abweichend von der Rechtsprechung, die auf den Begriff des positiven Verkehrswerts im Sinn des Umgründungssteuergesetzes abstelle, mit dem Buchwert der übertragenden Gesellschaft. Eine bilanzmäßige Überschuldung müsse zwar noch keineswegs eine Überschuldung im Sinne des Insolvenzrechts bedeuten. Die Rekurswerberin bleibe jedoch jegliche Erklärungen dafür schuldig, inwieweit sich der Verkehrswert der übertragenden Gesellschaften positiv vom Buchwert abhebe. Es sei daher vom negativen Buchwert der Tochtergesellschaften auszugehen. Down-stream-Verschmelzungen und up-stream-Verschmelzungen seien mit Ausnahme von Sonderfällen aufgrund der parallelen Gefahrenlage und dem vom Gesetz in gleicher Weise anerkannten Schutzbedürfnis in der Beurteilung der Zulässigkeit mit gleichem Maßstab zu messen. Denn § 226 AktG gewähre nicht nur den Gläubigern der übertragenden, sondern auch jenen der übernehmenden Gesellschaft einen Sicherstellungsanspruch und erkenne somit ein Schutzbedürfnis für die Gläubiger beider Seiten gegen eine zu hohe Schuldenbelastung an. Aus Gründen des Gläubigerschutzes werde in der Firmenbuchpraxis das Vorliegen des positiven Verkehrswerts als Kriterium für die Zulässigkeit der Verschmelzung geprüft, und zwar auch dann, wenn eine Kapitalerhöhung bei der übernehmenden Gesellschaft unterbleibe. Die Interessen der Gläubiger der übernehmenden Gesellschaft würden jedenfalls nicht geschädigt, wenn ein positiver – oder zumindest kein negativer – Verkehrswert übertragen werde und es somit zu gar keiner Vermögensminderung bei der übernehmenden Gesellschaft komme. Der Schutz der Gläubiger der übernehmenden Gesellschaft werde aber jedenfalls tangiert, wenn dem Vermögen der übertragenden Gesellschaft ein negativer Verkehrswert zukomme, weil die Verschmelzung diesfalls eben per Saldo zu einer Vermögensminderung der übernehmenden Gesellschaft führe. Bei mehreren übertragenden Gesellschaften sei für die Beurteilung an jede einzelne Gesellschaft gesondert anzuknüpfen. Ergebe sich bei einer Gesamtbetrachtung der Vermögen aller übertragenden Gesellschaften ein positiver Saldo, könne das nur auf Ebene der allenfalls erforderlichen Ausgleichsmaßnahmen beachtlich sein. Die von der Lehre vertretene Auffassung, dass die aus dem Verschmelzungsvorgang hervorgehende Gesellschaft jedenfalls nicht im Sinn des § 69 IO überschuldet oder zahlungsunfähig sein solle, stelle lediglich das Minimalerfordernis und nicht das einzige Erfordernis für die Zulässigkeit der Verschmelzung dar. Weiters werde von der Lehre gefordert, dass auch nach der Verschmelzung alle Verbindlichkeiten durch die übernehmende Gesellschaft abgedeckt werden könnten, dass im Fall der up-stream-Verschmelzung die Muttergesellschaft bereits Haftungs- oder Patronatserklärungen zugunsten der Tochtergesellschaft abgegeben habe, dass eine nachhaltige Schädigung der Geschäftsbeziehungen der Muttergesellschaft eintreten würde, wenn sie ihre Tochtergesellschaft zum Nachteil deren Gläubiger in Konkurs verfallen lassen würde oder wenn in der Bilanz der übernehmenden Gesellschaft ein ausschüttbarer Bilanzgewinn in Höhe des negativen Werts der übertragenden Gesellschaft aufscheine und von den Gesellschaftern beschlossen werde, diesen zur Abdeckung der übernommenen Verbindlichkeiten zu verwenden oder Gesellschafter oder Dritte aus deren Mitteln Verbindlichkeiten der übertragenden Gesellschaft deckten, sodass deren reale Überschuldung beseitigt werde, oder dass gutachterlich nachgewiesene Synergieeffekte vorlägen, wonach die an sich real überschuldete übertragende Gesellschaft für die übernehmende Gesellschaft einen positiven Wert darstelle. Nichts davon mache die Rekurswerberin in ihrem Rechtsmittel geltend. Der Revisionsrekurs sei mangels vorliegender oberstgerichtlicher Rechtsprechung zur Zulässigkeit einer up-stream-Verschmelzung bei negativem Verkehrswert der übertragenden Gesellschaft(en) zulässig.
[9] Dagegen richtet sich der (nur im Fr-Akt der Muttergesellschaft erhobene) Revisionsrekurs der Muttergesellschaft mit dem Antrag auf Abänderung dahingehend, dass die beantragten Eintragungen der Verschmelzungen bewilligt werden sowie die angefallenen Kosten des Verfahrens zu ersetzen.
Rechtliche Beurteilung
[10] Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht genannten Grund zulässig; er ist auch berechtigt.
[11] Die Rechtsmittelwerberin macht geltend, das Erfordernis eines positiven Verkehrswerts der übertragenden Gesellschaft habe der Oberste Gerichtshof nur für die down-stream-Verschmelzung statuiert. Einen allgemeinen Grundsatz, dass überschuldete Gesellschaften nicht übertragen werden könnten, gebe es weder im Gesetz, nach in der Lehre noch in der Rechtsprechung. Eine nicht dem Verbot der Einlagenrückgewähr widersprechende Sanierungsverschmelzung sei erst dann unzulässig, wenn sie die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der aus der Verschmelzung hervorgehenden Gesellschaft überschreite. Es mache keinen Unterschied, ob die Tochtergesellschaften zuerst durch die Muttergesellschaft saniert und dann verschmolzen oder sogleich verschmolzen würden. Angesichts des (hohen) positiven Eigenkapitals der Muttergesellschaft bleibe dieses auch nach Abzug der Beteiligungsansätze der übertragenden Gesellschaften und nach Verschmelzung weiterhin positiv. Die Muttergesellschaft sei auch nach der Verschmelzung in ihrer wirtschaftlichen Existenz in keiner Weise gefährdet. Die Verschmelzungen seien daher zulässig.
[12] Hierzu wurde erwogen:
[13] 1. Reichweite der Entscheidungen der Vorinstanzen sowie der Rechtsmittel
[14] Nach § 225 Abs 1 AktG iVm § 96 Abs 2 GmbHG hat der Vorstand jeder Gesellschaft die Verschmelzung zur Eintragung beim Gericht, in dessen Sprengel seine Gesellschaft ihren Sitz hat, anzumelden. Nach § 225a Abs 1 AktG iVm § 96 Abs 2 GmbHG hat das Gericht, in dessen Sprengel die übernehmende Gesellschaft ihren Sitz hat, die Verschmelzung bei allen beteiligten Gesellschaften gleichzeitig einzutragen.
[15] Daraus ist für den Fall, dass die Eintragung der Verschmelzung mangels Vorliegens der geforderten Voraussetzungen verweigert wird, zu folgern, dass auch diese Abweisung des Eintragungsgesuchs bei allen beteiligten Gesellschaften, und zwar gleichzeitig zu erfolgen hat.
[16] Im vorliegenden Fall ist eine formale Abweisung des Eintragungsantrags bei den Tochtergesellschaften durch das Erstgericht mit seinem bloßen Hinweis auf die Abweisung im Fr-Akt der Muttergesellschaft jedoch unterblieben. Aus diesem Hinweis ergibt sich dennoch der unzweifelhafte Entscheidungswille des Erstgerichts, den Eintragungsantrag auch bei den Tochtergesellschaften abzuweisen. Davon ist im Folgenden auszugehen. Ebenso ist nicht zweifelhaft, dass sich der Rekurs auch gegen die (vom Erstgericht gewollte) Abweisung der Eintragungsanträge bei den Tochtergesellschaften richtete. Gleiches gilt für die Entscheidung des Rekursgerichts sowie für den Revisionsrekurs.
[17] Der Oberste Gerichtshof ist daher nicht gehindert, über den Eintragungsantrag bei allen hier involvierten Gesellschaften zu entscheiden (vgl RS0110742; RS0036551 [T1, T4]; RS0036749 [T4]).
[18] 2. Rechtsprechung
[19] 2.1. In der Entscheidung 6 Ob 4/99b SZ 72/172 (vgl dazu M. Fellner, NZ 2000, 225; Saurer, AnwBl 2001, 78; C. Nowotny, RWZ 2000/32; Wenger, RWZ 2000/16; Damböck/Hecht, RdW 2000/1) sprach der Oberste Gerichtshof aus, bei einer Konzernverschmelzung von einer übertragenden hundertprozentigen Muttergesellschaft auf ihre übernehmende Tochtergesellschaft (Verschmelzung down-stream) müsse das übertragene Vermögen der Muttergesellschaft einen positiven Verkehrswert aufweisen (RS0112744; RS0112746). Eine Aussage zum Erfordernis eines positiven Verkehrswerts des übertragenen Vermögens bei einer Konzernverschmelzung in die umgekehrte Richtung, also von einer übertragenden Tochtergesellschaft auf eine übernehmende Muttergesellschaft (Verschmelzung up-stream), enthält diese Entscheidung nicht.
[20] 2.2. In der Entscheidung 6 Ob 70/03t war eine Schwesternverschmelzung zu beurteilen. Der Senat sprach aus, ob die in der Entscheidung 6 Ob 4/99b SZ 72/172 für die Zulässigkeit einer Verschmelzung down-stream ua geforderte Voraussetzung, dass die übertragende Gesellschaft einen positiven Verkehrswert aufweisen müsse verallgemeinert werden könne, sei hier nicht weiter zu prüfen. Die Verschmelzung könne die Gläubiger sowohl der übernehmenden als auch der übertragenden Gesellschaft gefährden. Die Gläubigergefährdung sei evident, wenn nicht nur die Vermögenslage der übertragenden Gesellschaft auf einen negativen Verkehrswert hinweise, sondern aufgrund der vorgelegten Bilanz der übernehmenden Gesellschaft naheliege, dass bei ihr eine Überschuldung bestehe (RS0117801). Aus den Grundwerten der Gläubigerschutzregeln der §§ 226 ff AktG sowie aus der Überlegung, dass es dem Gesetzgeber nicht zusinnbar sei, Verschmelzungen zuzulassen, die zu einem insolvenzreifen Gebilde führen, sei abzuleiten, dass eine Verschmelzung unzulässig sei, wenn die fusionierte Gesellschaft überschuldet sei. Es könne nicht angenommen werden, dass ein Gesetz, dass sich konsequent um die Aufbringung eines dem Stammkapital entsprechenden Vermögens bemühe, gesellschaftsrechtliche Maßnahmen gestatte, die dazu führten, dass weniger Vermögen übrigbleibe, als es der Stammkapitalziffer entspreche. Die Verschmelzung sei daher unzulässig, wenn dies ihr Ergebnis sei.
[21] 2.3. In den weithin gleichlautenden, die Umwandlung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung in eine Kommanditgesellschaft gemäß § 5 UmwG betreffenden Entscheidungen 6 Ob 235/07p SZ 2007/175 (= RWZ 2008, 104 [Wenger] = GesRZ 2008, 100 [Umlauft] = ecolex 2008, 243 [Karollus]; vgl C. Nowotny, RdW 2009, 326) und 6 Ob 236/07k sprach der Senat aus, ein Umgründungsvorgang müsse nicht zwingend zur Verbesserung der Situation der Gläubiger führen. Dies ergebe sich schon aus dem auch im Umwandlungsrecht anwendbaren (§ 5 Abs 5 iVm § 2 Abs 3 UmwG) § 226 AktG, der nach einer (zulässigerweise) durchgeführten Umwandlung den Gläubigern im Fall einer Verschlechterung ihrer Position durch die Umwandlung Sicherstellungsansprüche einräume. Ginge der Gesetzgeber davon aus, dass die Umwandlung stets zu einer Verbesserung der Situation der Gläubiger führt, wäre dieser Verweis des § 5 Abs 5 UmwG überflüssig (RS0123026). Weder nach dem Gesetz noch in der Lehre noch in der Rechtsprechung gebe es einen allgemeinen Grundsatz im handelsrechtlichen Umgründungsrecht, dass überschuldete Gesellschaften nicht übertragen oder eingebracht werden könnten. Weder für die Verschmelzung noch für die Umwandlung statuiere das Gesetz, dass die übertragende Gesellschaft einen positiven Wert haben müsse. In der neueren Lehre werde im Verschmelzungsrecht etwa eine up-stream-Verschmelzung (Verschmelzung der übertragenden Tochtergesellschaft mit der übernehmenden Muttergesellschaft) auch dann für zulässig erachtet, wenn die übertragende Tochtergesellschaft real (nicht nur buchmäßig) überschuldet sei, sofern die verschmolzene Gesellschaft nicht überschuldet bzw in der Lage ist, sämtliche Gläubiger beider Gesellschafter sicherzustellen (§ 226 AktG) oder zu befriedigen.
[22] 3. Schrifttum
[23] Im Schrifttum besteht – soweit zu sehen – Einigkeit darüber, dass bei der up-stream-Verschmelzung das Vermögen der übertragenden Tochtergesellschaft negativ sein kann, sofern die Muttergesellschaft nach der Verschmelzung die (fälligen) Verbindlichkeiten sämtlicher Gläubiger (sowohl der übertragenden als auch der übernehmenden Gesellschaft) bedienen kann und durch die Übernahme des negativen Vermögens nicht selbst insolvenzreif wird. Denn – wie von manchen Autoren ausgeführt wird – es sei der Muttergesellschaft gestattet, ihre Tochtergesellschaft zu sanieren und dann die Verschmelzung durchzuführen. Dasselbe Ergebnis werde erreicht, wenn die Tochtergesellschaft mit negativem Vermögen sofort auf die Muttergesellschaft verschmolzen werde (Reich-Rohrwig, Grundsatzfragen der Kapitalerhaltung bei der AG, GmbH sowie GmbH & Co KG [2004] 284–287; Kalss, Verschmelzung – Spaltung – Umwandlung2 [2010] § 224 AktG, Rz 57 ff; Saurer in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG2 [2012] § 52 Rz 103 f; Aburumieh/Adensamer/H. Foglar-Deinhardstein, Verschmelzung [2014], VII. C Rz 15; Eckert/Schopper in U. Torggler [Hrsg], GmbHG [2014] § 101 Rz 31; Auer, Gläubigerschutz bei Vermögensbewegungen down-stream [2016] 213–220; Bauer/Zehetner in Straube/Ratka/Rauter, WK GmbHG [2017] § 82 Rz 137; Schindler/Brix in Straube/Ratka/Rauter, WK GmbHG [2017] § 101 Rz 5; Aburumieh/Adensamer/H. Foglar-Deinhardstein in FAH [2017] § 101 Rz 50; Szep in Artmann/Karollus, AktG6 [2019] § 224 Rz 8–10, 17; vgl auch Koppensteiner, Verschmelzung und Vermögensbindung, wbl 1999, 333 [340]; Koppensteiner/Rüffler, GmbH3 [2007] § 82 Rz 17f; Kalss in Doralt/Nowotny/Kalss, AktG2 [2012] § 224 Rz 27). Die Verschmelzung einer nicht nur buchmäßig überschuldeten übertragenden Gesellschaft sei auch dann zulässig, wenn die übernehmende Gesellschaft deutlich größer sei und eine ausreichende Bonität aufweise, insbesondere die übernommenen Verbindlichkeiten bereits in freien Rücklagen oder einem Gewinnvortrag der übernehmenden Gesellschaft Deckung fänden (Saurer aaO Rz 104).
[24] 4. Folgerungen
[25] Der erkennende Senat hält den Meinungsstand im Schrifttum, der der dargestellten Rechtsprechung nicht widerspricht und dem auch gesetzliche Bestimmungen oder Wertungen nicht entgegenstehen, für zutreffend.
[26] Daraus folgt im vorliegenden Fall die Zulässigkeit der beiden gegenständlichen Verschmelzungen:
[27] Für die Frage des positiven Verkehrswerts bzw der Überschuldung kommt es nicht auf Buchwerte, sondern die tatsächlichen Werte an (OLG Wien 28 R 111/04f, 28 R 112/04b = NZ 2005, 300). Die Antragsteller haben in der Anmeldung (und sinngemäß auch noch im Revisionsrekurs) den positiven Verkehrswert auch der beiden hier gegenständlichen Tochtergesellschaften behauptet, aber im Verfahren nicht belegt. Im Sinne der Erwägungen des Rekursgerichts ist daher von deren negativen Buchwerten auszugehen.
[28] Das negative Eigenkapital beider Tochtergesellschaften wird bei Weitem von der nicht gebundenen Kapitalrücklage und dem Bilanzgewinn bei der übernehmenden Muttergesellschaft abgedeckt. Die übernehmende Gesellschaft ist nach der Verschmelzung weder buchmäßig überschuldet noch gibt es Hinweise auf einen Insolvenztatbestand nach §§ 66 f IO.
[29] Die übrigen (formalen und materiellen) Voraussetzungen für die Verschmelzung wurden geprüft; sie liegen vor.
[30] Somit ist die Eintragung beider Verschmelzungen zu bewilligen.
[31] 5. Der Auftrag zur Eintragung an das Erstgericht beruht auf § 20 Abs 2 FBG.
[32] 6. Der Ausspruch über die Kosten des Revisionsrekurses hat seinen Grund im Fehlen eines kostenersatzpflichtigen Verfahrensgegners.
Textnummer
E130272European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2020:0060OB00203.20A.1125.000Im RIS seit
13.01.2021Zuletzt aktualisiert am
03.08.2021