Entscheidungsdatum
06.02.2020Norm
AsylG 2005 §10 Abs2Spruch
1.) L525 2135452-1/11E
2.) L525 2135452-2/13E
SCHRIFTLICHE AUSFERTIGUNG DES AM 30.10.2019 VERKÜNDETEN ERKENNTNISSES
IM NAMEN DER REPUBLIK!
Das Bundesverwaltungsgericht hat durch den Richter Mag. Johannes ZÖCHLING als Einzelrichter über die Beschwerde von XXXX , geb. XXXX , StA: Pakistan, vertreten durch die ARGE Rechtsberatung, Wattgasse 48, 1070 Wien, gegen die Bescheide des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl vom 18.7.2016 (prot zu L525 2135452-1) und vom 28.3.2017 (prot zu L525 2135452-2), Zl. 1105948402, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung am 30.10.2019 zu Recht erkannt:
A) 1. Die Beschwerde, die sich gegen die im Bescheid vom 18.7.2016 erlassene Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt I.) richtet, wird als unbegründet abgewiesen.
2. Die Beschwerde, die sich gegen die im Bescheid vom 18.7.2016 erlassene Aberkennung der aufschiebenden Wirkung (Spruchpunkt IV.) richtet, wird als unbegründet abgewiesen.
3. Die im Bescheid vom 28.3.2017 erlassene Rückkehrentscheidung (Spruchpunkt I.) wird ersatzlos behoben.
4. Der Beschwerde gegen das im Bescheid vom 28.3.2017 erlassene Einreiseverbot (Spruchpunkt III.) wird stattgegeben und wird das Einreiseverbot auf fünf Jahre herabgesetzt.
5. Spruchpunkt IV. des Bescheides vom 28.3.2017 (Aberkennung der aufschiebenden Wirkung einer Beschwerde gegen den Bescheid vom 28.3.2017) wird ersatzlos behoben.
6. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
B) Die Revision ist gemäß Art 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig.
Text
ENTSCHEIDUNGSGRÜNDE:
I. Verfahrensgang:
Der Beschwerdeführer – ein pakistanischer Staatsangehöriger – wurde am 19.1.2016 in Berlin wegen des Verdachts auf Schlepperei festgenommen und in der Folge nach Österreich ausgeliefert, wo über ihn die Untersuchungshaft verhängt wurde.
Mit Urteil des Landesgerichtes Korneuburg vom 15.6.2016, rechtskräftig am 21.6.2016, wurde der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs. 1 und Abs. 3 Z 1 und 2 FPG gemäß § 114 Abs. 3 FPG zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt, wobei zwölf Monate der Freiheitsstrafe für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurden.
Im Protokollsvermerk und der gekürzten Urteilsausfertigung vom 15.6.2016 führte das Strafgericht dazu auszugsweise wie folgt aus:
"[Der Beschwerdeführer] hat in Lahore die rechtswidrige Einreise oder Durchreise von Fremden nach oder durch Österreich, mithin in oder durch einen Mitgliedsstaat der Europäischen Union mit dem Vorsatz gefördert, sich oder einen Dritten durch ein dafür geleistetes Entgelt unrechtmäßig zu bereichern, wobei er die Taten gewerbsmäßig begangen hat, indem er folgende Fremde mit falschen Konto- oder Lohnbestätigungen ausstattete, sie zu Falschangaben über Reisezweck und -ziel und das Naheverhältnis zu anderen Fremden instruierte, und zwar
I.) im Februar 2015 des A.A., geb., und des M.A., geb., indem er die Genannten mit falschen Kontoauszügen (gleiche Datumsangabe und gleiche Zahlenfolge) der S. Bank in Lahore ausstattete und solcherart die Erschleichung von Visa für die Genannten förderte;
II.) im April 2015 des U.S., geb., indem er den Genannten mit einem falschen Kontoauszug der S. Bank in Lahore ausstattete und solcherart die Erschleichung von Visa für den Genannten förderte
III.) im April 2015 des M.M., geb., indem er den Genannten mit einem falschen Kontoauszug der S. Bank in Lahore ausstattete und solcherart die Erschleichung von Visa für den Genannten förderte;
IV.) im April 2015 des M.H., geb., indem er den Genannten mit einem falschen Kontoauszug der A. Bank ausstattete und solcherart die Erschleichung von Visa für den Genannten förderte;
V.) im April 2015 des M.H., geb., indem er den Genannten mit einem falschen Kontoauszug der A. Bank ausstattete und solcherart die Erschleichung von Visa für den Genannten förderte;
VI.) im April 2015 des A.J., geb., indem er den Genannten mit einem falschen Kontoauszug der A. Bank ausstattete und solcherart die Erschleichung von Visa für den Genannten förderte;
VII.) im April 2015 des A.A., geb., indem er den Genannten mit einem falschen Kontoauszug der A. Bank ausstattete, um die Erschleichung eines Visums zu fördern, wobei der Visumantrag durch Bedienstete der österreichischen Botschaft in Islamabad abgelehnt wurde und des daher beim Versuch blieb;
VIII.) im Mai 2015 des A.A., geb., indem er den Genannten mit einem falschen Kontoauszug der A. Bank ausstattete, um die Erschleichung eines Visums zu fördern, wobei der Visumantrag durch Bedienstete der österreichischen Botschaft in Islamabad abgelehnt wurde und des daher beim Versuch blieb."
Als mildernd bewertete das Strafgericht den bisherigen ordentlichen Lebenswandel des Beschwerdeführers, den Umstand, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist und den Umstand, dass es im Tatzeitraum sehr leicht war, bei der österreichischen Botschaft in Islamabad mit gefälschten Urkunden Visa zu erschleichen. Als erschwerend wurden die zahlreichen Angriffe gewertet.
Am 13.7.2016 wurde der Beschwerdeführer durch das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (im Folgenden kurz: "BFA") niederschriftlich einvernommen.
Mit Bescheid des BFA vom 18.7.2016, Zl. 1105948402, wurde dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt. Gleichzeitig wurde gegen den Beschwerdeführer eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 Fremdenpolizeigesetz erlassen (Spruchpunkt I). Es wurde festgestellt, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers nach Serbien zulässig sei (Spruchpunkt II.). Gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 FPG wurde gegen den Beschwerdeführer ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot erlassen (Spruchpunkt III.) und wurde einer Beschwerde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-Verfahrensgesetz die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.).
Begründend führte das BFA aus, der Beschwerdeführer sei am 10.2.12016 aufgrund des Verdachts, eine gerichtlich strafbare Handlung begangen zu haben, von Deutschland nach Österreich ausgewiesen worden. Er sei am 19.1.2016 in Deutschland festgenommen worden. Mit Urteil des LG Korneuburg vom 1.6.2016 (gemeint wohl: 15.6.2016) sei der Beschwerdeführer wegen des Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs. 1 und Abs. 3 Z 1 und 2 FPG zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt worden.
Das BFA stellte fest, dass der Beschwerdeführer außerhalb der Haft noch nie einen ordentlichen Hauptwohnsitz in Österreich gehabt hätte, noch sei der Beschwerdeführer an einem ordentlichen Aufenthalt in Österreich interessiert. Auch sei er nie einer legalen Erwerbstätigkeit nachgegangen.
Der Beschwerdeführer verfüge über keine Familienangehörigen in Österreich, seine Kinder und seine Ehefrau würden in Pakistan leben. Er wurde festgestellt, dass der Beschwerdeführer in Pakistan als Anwalt tätig sei und dass sich sowohl seine familiären als auch seine beruflichen Anknüpfungspunkte in Pakistan befänden.
Hinsichtlich der Lage im Herkunftsstaat bzw. im Zielstaat führte das BFA aus, der Beschwerdeführer habe keinen Asylantrag gestellt und seien in der Einvernahme keinerlei Bedenken gegen seine Abschiebung nach Serbien vorgebracht worden. Die Staatendokumentation des BFA sei hinreichend im Hinblick auf die Rückkehr des Beschwerdeführers geprüft worden und würde als Beweismittel herangezogen werden. Bei Bedarf könne der Beschwerdeführer jederzeit beim BFA in die Staatendokumentation Einsicht nehmen. Die Staatendokumentation sei gemäß § 5 Abs. 2 BFA-VG zur Objektivität verpflichtet und bestünden daher keine Bedenken, sich darauf zu stützen.
Zu den Gründen für eine Erlassung eines Einreiseverbotes wurde angeführt, dass der Beschwerdeführer sich in vollem Bewusstsein einer kriminellen Vereinigung angeschlossen habe, indem er sich mit anderen zum Ziel gesetzt habe, über längere Dauer hinweg im arbeitsteiligen Zusammenwirken ein unrechtmäßiges Einkommen aus der Schlepperei zu erzielen. Eine teilbedingte Strafnachsicht sei ihm nicht gewährt worden.
Soweit für das Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht von Relevanz, führte das BFA zum Spruchpunkt II. aus, dass sich weder aus den Feststellungen zum Zielland noch aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers eine Gefährdung gemäß § 50 FPG ergebe. Gemäß § 46 sei die Abschiebung nach Serbien zulässig.
Zu Spruchpunkt III. führte das BFA aus, mit einer Rückkehrentscheidung könne gemäß § 53 Abs. 1 FPG ein zehnjähriges Einreiseverbot erlassen werden. Beim Beschwerdeführer sei die Voraussetzung des § 53 Abs. 3 Z 1 FPG für ein Einreiseverbot erfüllt, da er wegen des Verbrechens der Schlepperei zu 18 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt worden sei. Der Beschwerdeführer habe Fremde mit falschen Konto- und Lohnbestätigungen ausgestattet und ihnen so die rechtswidrige Einreise nach Österreich ermöglicht. Er habe mit der Absicht gehandelt, sich ein regelmäßiges Einkommen zu verschaffen. Die Behörde gehe davon aus, dass der Beschwerdeführer eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und die Sicherheit darstelle, insbesondere im Hinblick darauf, wie er sein Leben in Österreich gestalte. Der Beschwerdeführer habe keine familiären Anknüpfungspunkte in Österreich, die einen Verbleib rechtfertigen würden. Die Erlassung einer aufenthaltsbeendenden Maßnahme verletze auch Art. 8 EMRK nicht. Es müsse davon ausgegangen werden, dass das öffentliche Interesse an Ordnung und Sicherheit sein persönliches Interesse überwiege. Die Gesamtbeurteilung des Verhaltens des Beschwerdeführers, seine Lebensumstände und seine familiären und privaten Anknüpfungspunkte hätten daher nach Abwägung ergeben, dass ein Einreiseverbot für die angeführte Dauer gerechtfertigt erscheine.
Der Beschwerdeführer erhob mit Schriftsatz vom 27.7.2016 fristgerecht Beschwerde gegen den Bescheid des BFA vom 18.7.2016.
Der Beschwerdeführer reiste am 3.8.2016 freiwillig aus dem Bundesgebiet nach Pakistan aus.
Mit Schreiben vom 16.9.2016 reichte das BFA einen „Berichtigungsbescheid“ nach, wonach Spruchpunkt II. dahingehend berichtigt werden sollte, als dass die Abschiebung nach Pakistan zulässig sei und stellte zur Lage im Heimatland fest, dass keine Bedenken gegen die Abschiebung nach Pakistan bestünden bzw. vorgebracht worden seien.
Mit hg Beschluss vom 24.10.2016, GZ. L525 2135452-1/6E, wurde der Bescheid des BFA vom 18.7.2016 hinsichtlich der Spruchpunkte II. (Zulässigkeit der Abschiebung nach Serbien) und III. (Einreiseverbot) behoben und zur neuerlichen Entscheidung an die belangte Behörde zurückverwiesen. Zur näheren Begründung wird auf den angeführten hg Beschluss verwiesen. Angemerkt wird, dass das Bundesverwaltungsgericht rügte, dass sich die belangte Behörde in keiner Weise mit den Länderfeststellungen auseinandersetzte und im bekämpften Bescheid solche auch nicht angeführt wurden. Die Sinnhaftigkeit oder die Rechtsgrundlage einer Abschiebung des Beschwerdeführers nach Serbien erschloss sich für das erkennende Gericht ebenso wenig. Dem im Akt aufliegenden "Berichtigungsbescheid" wurde seitens des Bundesverwaltungsgerichts ebenso die Rechtsgültigkeit versagt, zumal dieser nicht einmal unterfertigt war.
Mit Bescheid vom 28.3.2017, Zl. 1105948402, sprach das BFA daraufhin aus, dass dem Beschwerdeführer ein Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen gemäß §§ 57 und 55 AsylG nicht erteilt und gegen ihn gemäß § 10 Abs. 2 AsylG iVm § 9 BFA-VG eine Rückkehrentscheidung gemäß § 52 Abs. 1 Z 1 FPG erlassen werde (Spruchpunkt I.). Weiters stellte das BFA gemäß § 52 Abs. 9 FPG fest, dass die Abschiebung des Beschwerdeführers gemäß § 46 FPG nach Pakistan zulässig sei (Spruchpunkt II.) und erließ gemäß § 53 Abs. 1 iVm Abs. 3 Z 1 FPG ein auf die Dauer von zehn Jahren befristetes Einreiseverbot (Spruchpunkt III.). Einer Beschwerde gegen die Rückkehrentscheidung wurde gemäß § 18 Abs. 2 Z 1 BFA-VG die aufschiebende Wirkung aberkannt (Spruchpunkt IV.).
Mit Schriftsatz vom 10.4.2017 erhob der Beschwerdeführer gegen diesen Bescheid in vollem Umfang Beschwerde. Darin macht der Beschwerdeführer zunächst die Mangelhaftigkeit des Verfahrens geltend. Das BFA habe aktenwidrige Feststellungen getroffen und seine beweiswürdigenden Überlegungen nicht offengelegt. Zudem habe das BFA dem Beschwerdeführer im Vorfeld der Erlassung des neuen Bescheides kein Parteiengehör gewährt und lasse die Entwicklung des Beschwerdeführers seit seiner freiwilligen Ausreise aus Österreich völlig außer Acht. Dieser habe sich seit Haftentlassung wohlverhalten. Das BFA habe keine Feststellungen zur Situation in Pakistan getroffen. Als unrichtige rechtliche Beurteilung macht der Beschwerdeführer geltend, dass die belangte Behörde zu Unrecht § 52 Abs 1 Z 1 FPG als Grundlage für die Erlassung einer Rückkehrentscheidung herangezogen habe, obwohl sich der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Bescheiderlassung am 28.3.2017 unzweifelhaft nicht mehr im Bundesgebiet aufgehalten habe. Hinsichtlich des erlassenen Einreiseverbotes sei dem Bescheid eine nachvollziehbare Gefährdungsprognose nicht zu entnehmen. Der Beschwerdeführer sei nicht als "Kriminaltourist" nach Österreich eingereist. Zu berücksichtigen sei, dass der Beschwerdeführer auch Mandanten in Europa vertrete. Das Einreiseverbot stellte daher einen Eingriff in das Recht auf Privatleben des Beschwerdeführers dar. Die Begründung der Aberkennung der aufschiebenden Wirkung sei mangelhaft.
Mit der Beschwerde vorgelegt wurden verschiedene Abrechnungen sowie zwei Schreiben des HM Courts & Tribunals Service in englischer Sprache.
Das Bundesverwaltungsgericht führte am 30.10.2019 eine mündliche Verhandlung durch. Im Zuge der Ladung zu dieser Verhandlung wurden dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers aktuelle Länderinformation zu Pakistan übermittelt. Der Beschwerdeführer erschien nicht zur mündlichen Verhandlung, sein Rechtsvertreter gab keine Stellungnahme ab.
Mit Schreiben vom 12.11.2019 wurde die schriftliche Ausfertigung des mündlich verkündeten Erkenntnisses vom 30.10.2019 beantragt.
II. Das Bundesverwaltungsgericht hat erwogen:
1. Feststellungen:
1.1 Zur Person des Beschwerdeführers:
Der Beschwerdeführer trägt den im Spruch angeführten Namen und wurde am dort angeführten Datum geboren. Seine Identität steht fest. Der Beschwerdeführer ist Staatsangehöriger von Pakistan. Er wurde in Lahore geboren und ist dort auch wohnhaft. Er ist verheiratet. Die Ehefrau des Beschwerdeführers, seine beiden Kinder, für die er sorgepflichtig ist, sowie seine Mutter leben im Herkunftsstaat. Der Beschwerdeführer arbeitet in Pakistan als Rechtsanwalt. Er leidet an keiner lebensbedrohlichen Erkrankung.
Am 19.1.2016 wurde der Beschwerdeführer in Berlin wegen des Verdachts auf Schlepperei festgenommen und in der Folge nach Österreich ausgeliefert. Mit Urteil des Landesgerichtes Korneuburg vom 15.6.2016 wurde er wegen des Verbrechens der Schlepperei nach § 114 Abs. 1 und Abs. 3 Z 1 und 2 FPG gemäß § 114 Abs. 3 FPG zu einer Freiheitsstrafe von 18 Monaten verurteilt, wobei zwölf Monate der Freiheitsstrafe unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurden. Zum Tathergang wird auf die unter I. zitierten Ausführungen im Strafurteil verwiesen. Als mildernd bewertete das Strafgericht den bisherigen ordentlichen Lebenswandel, den Umstand, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist und den Umstand, dass es im Tatzeitraum sehr leicht war, bei der österreichischen Botschaft in Islamabad mit gefälschten Urkunden Visa zu erschleichen. Als erschwerend wurden die zahlreichen Angriffe gewertet.
Nach (teilweisem) Vollzug des unbedingten Teils der Freiheitsstrafe und Entlassung aus der Strafhaft mit 19.7.2016 wurde der Beschwerdeführer noch am selben Tag festgenommen und über ihn die Schubhaft verhängt. Am 2.8.2016 wurde der Beschwerdeführer aus der Schubhaft entlassen und reiste er am 3.8.2016 freiwillig aus dem Bundesgebiet nach Pakistan aus.
In Österreich befinden sich keine Familienmitglieder oder Verwandten des Beschwerdeführers. Der Beschwerdeführer hat auch sonst keine Familienangehörigen in Europa. Der Beschwerdeführer verfügte in Österreich zu keiner Zeit über einen Wohnsitz (außerhalb der Justizanstalt) und ging hier auch keiner Beschäftigung nach. Er spricht nicht Deutsch. Der Beschwerdeführer verfügt über keinerlei Anknüpfungspunkte in Österreich. Eine berücksichtigungswürdige Integration des Beschwerdeführers kann nicht festgestellt werden.
Es kann unter Berücksichtigung aller bekannten Umstände und Beweismittel nicht festgestellt werden, dass eine Zurückweisung, Zurück- oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Pakistan eine reale Gefahr einer Verletzung der EMRK bedeuten würde oder für den Beschwerdeführer als Zivilperson eine ernsthafte Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit mit sich bringen würde.
1.2 Länderfeststellungen:
Sicherheitslage
Die Bedrohung durch Terrorismus und Extremismus bleibt zentrales Problem für die innere Sicherheit des Landes (AA 1.2.2019a; vgl. USDOS 19.9.2018). Landesweit ist die Zahl der terroristischen Angriffe seit 2009, zurückgegangen (PIPS 7.1.2019; vgl. AA 21.8.2018, USDOS 19.9.2018). Konflikte mit dem Nachbarland Indien werden gelegentlich gewaltsam ausgetragen (EASO 10.2018 S 16).
Die Taliban und andere militante Gruppen verüben Anschläge insbesondere in Belutschistan und in Khyber-Pakhtunkhwa (AA 21.8.2018), aber auch in Großstädten wie Karatschi (AA 1.2.2019a). Über 90 % der terroristischen Anschläge sowie Todesopfer entfielen 2018 auf die zwei Provinzen Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa (PIPS 7.1.2019). Die Anschläge zielen vor allem auf Einrichtungen des Militärs und der Polizei. Opfer sind aber auch politische Gegner der Taliban, Medienvertreter, religiöse Minderheiten, Schiiten, sowie Muslime, die nicht der strikt konservativen Islam-Auslegung der Taliban folgen, wie die Sufis (AA 1.2.2019a).
Die Operationen der Rangers [siehe dazu Abschnitt 5] in Karatschi (ab 2013), Militäroperationen in Nord-Wasiristan und der Khyber Agency [Stammesbezirke der Provinz Khyber Pakhtunkhwa, Anm.], sowie landesweite Anti-Terror-Operationen als Teil des National Action Plan (NAP) trugen dazu bei, den rückläufigen Trend bei der Zahl der Vorfälle und der Opfer auch 2018 aufrecht zu halten (PIPS 7.1.2019 S 20; vgl. EASO 10.2018 S 18). In den ehemaligen Stammesgebieten (Federally Administered Tribal Areas – FATA) konnte das staatliche Gewaltmonopol überwiegend wiederhergestellt werden (AA 21.8.2018), die Militäraktionen gelten als abgeschlossen (Dawn 29.5.2018). Viele militante Gruppen, insbesondere die pakistanischen Taliban, zogen sich auf die afghanische Seite der Grenze zurück und agitieren von dort gegen den pakistanischen Staat (AA 21.8.2018).
Im aktuellen Konflikt zwischen Indien und Pakistan demonstrierten beide Staaten, die über Nuklearwaffen verfügen, dass sie bereit sind, die Lage weiter eskalieren zu lassen (Dawn 8.4.2019 vgl. BMEIA 27.3.2019). Jedoch wird ein Atomkrieg als äußerst unwahrscheinlich gesehen (DW 28.2.2019).
Im Vorfeld der Parlamentswahlen am 25.7.2018 erlebte Pakistan eine Welle von Gewalt mit größeren Anschlägen in verschiedenen Provinzen, für die militante aufständische Gruppierungen die Verantwortung übernahmen. Der Selbstmordanschlag am 13.7.2018 auf eine politische Versammlung in Mastung, Belutschistan, mit 150 Toten war der Anschlag mit den dritt-meisten Todesopfern, der bis dahin jemals in Pakistan verübt wurde (EASO 10.2018 S 18; vgl. PIPS 7.1.2019 S 43). Am Wahltag waren 370.000 Soldaten und 450.000 Polizisten mit erweiterten Befugnissen im Einsatz, um die Wahllokale zu sichern. Am Wahltag kam es in Belutschistan zu zwei Anschlägen mit Todesopfern auf Wahllokale und es gab regional Zusammenstöße zwischen Anhängern unterschiedlicher Parteien (EUEOM 27.7.2018; vgl. Dawn 26.7.2018) vorwiegend in Belutschistan und Khyber Pakhtunkhwa (Dawn 26.7.2018).
Die verschiedenen militanten, nationalistisch-aufständischen und gewalttätigen religiös-konfessionellen Gruppierungen führten 2018 landesweit 262 terroristische Angriffe durch. Dabei kamen 595 Menschen ums Leben und weitere 1.030 wurden verletzt. Unter den Todesopfern waren 371 Zivilisten, 173 Angehörige der Sicherheitskräfte und 51 Aufständische. 136 (52 %) Angriffe zielten auf staatliche Sicherheitskräfte, jedoch die höchste Zahl an Opfern (218 Tote und 394 Verletzte) gab es bei insgesamt 24 Terrorangriffen auf politische Persönlichkeiten. Zivilisten waren das Ziel von 47 (18 %) Angriffen, acht waren Angriffe auf regierungsfreundliche Stammesälteste bzw. Mitglieder der Friedenskommittees und sieben hatten Mitglieder der schiitischen Gemeinschaft zum Ziel (PIPS 7.1.2019 S 17f). Im Vergleich zu 2017 gab es im Jahr 2018 29 Prozent weniger terroristische Angriffe, bei denen um 27 Prozent weniger Todesopfer und um 40 Prozent weniger Verletzte zu beklagen waren (PIPS 7.1.2019).
Tehreek-e-Taliban Pakistan (TTP) und ihre Splittergruppen, insbesondere Jamaatul Ahrar und Hizbul Ahrar, bzw. Gruppen mit ähnlichen Zielen wie lokale Talibanfraktionen, Lashkar-e-Islam und Islamischer Staat führten 2018 171 terroristische Angriffe mit 449 Toten und 769 Verletzten durch. Nationalistische Gruppierungen, vorwiegend belutschische, führten 80 terroristische Angriffe mit 96 Toten und 216 Verletzten durch. Elf terroristische Angriffe mit 50 Toten und 45 Verletzten waren konfessionell motiviert (PIPS 7.1.2019).
Das Pakistan Institute for Peace Studies (PIPS) registrierte für die Jahre 2017, 2018 bzw. das erste Quartal 2019 (1.1. bis 31.3.) für gesamt Pakistan sowie die unterschiedlichen Provinzen bzw. Gebiete nachfolgende Zahlen an terroristischen Anschlägen und Todesopfern (Quellenangabe siehe Tabelle; Darstellung BFA Staatendokumentation):
Insgesamt gab es im Jahr 2018 in Pakistan, inklusive der oben genannten terroristischen Anschläge, 497 Vorfälle von für die Sicherheitslage relevanter Gewalt (2017: 713; -30 %), darunter 31 operative Schläge der Sicherheitskräfte (2017: 75), 22 Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und Aufständischen (2017: 68), 131 Auseinandersetzungen an den Grenzen mit Indien, Afghanistan und Iran (2017: 171) und 22 Vorfälle von ethnischer oder politischer Gewalt (2017: vier) (PIPS 7.1.2019 S 19f; Zahlen für 2017: PIPS 7.1.2018 S 20). Die Zahl der bei diesen Vorfällen getöteten Personen sank um 46 % auf 869 von 1.611 im Jahr 2017, die Zahl der verletzten Personen sank im selben Zeitraum um 31 % von 2.212 auf 1.516 (PIPS 7.1.2019 S 20).
Im Februar 2019 eskalierten die Spannungen zwischen Indien und Pakistan im lang anhaltenden Kaschmir-Konflikt (Time 28.2.2019; vgl. UKFCO 7.3.2019). Der indische Luftangriff vom 26.2., bei dem laut pakistanischen Angaben keine Menschen zu Schaden kamen (Time 28.2.2019) in Balakot, Provinz Khyber Pakhtunkhwa, war seit 1971 der erste Angriff Indiens auf pakistanisches Gebiet außerhalb Kaschmirs (Spiegel 2.3.2019). Am 27.2. wurde ein indisches Kampfflugzeug in pakistanischem Luftraum abgeschossen (Time 28.2.2019). Es kommt zu wiederholten Grenzverletzungen und Militäraktionen zwischen Pakistan und Indien (BMEIA 27.3.2019). Durch Schusswechsel über die Demarkationslinie hinweg werden auf beiden Seiten immer wieder Soldaten und Zivilisten verletzt oder getötet (Standard 2.4.2019; vgl. Presse 2.3.2019, Reuters 3.3.2019). Siehe dazu auch Abschnitt 3.6.
Nach dem Angriff auf die Militärschule in Peschawar im Dezember 2014 wurde der National Action Plan (NAP) gegen Terrorismus in Kraft gesetzt. Die 20 Punkte des Plans umfassen Maßnahmen sowohl gegen Terrorismus als auch gegen Extremismus. Gemäß Einschätzung von PIPS wurden in den vier Jahren, die der Plan nun in Kraft ist, zufriedenstellende Fortschritte im Bereich der Terrorismusbekämpfung erzielt. Die Fortschritte im Bereich der Extremismusbekämpfung werden als nicht zufriedenstellend angesehen (PIPS 7.1.2019 S 89ff).
Die Regierung unterhält Deradikalisierungszentren, die „korrigierende religiöse Bildung“, Berufsausbildung, Beratung und Therapie anbieten. Weithin gelobt ist das Sabaoon Rehabilitation Center einer NGO im Swat-Tal, das gemeinsam mit dem Militär gegründet wurde und sich an jugendliche ehemalige Extremisten richtet (USDOS 19.9.2018).
Trotz gesetzlicher Regelungen gegen die Finanzierung von Terrorismus, die internationalen Standards entsprechen, werden Gruppen wie Lashkar-e Tayyiba nicht effektiv daran gehindert, in Pakistan Spenden zu lukrieren oder auf ihre finanziellen Mittel zuzugreifen. Auch gibt es Lücken in der Umsetzung der Sanktionen des UN-Sicherheitsrates gegen Al-Qaeda und den Islamischen Staat (USDOS 19.9.2018).
Quellen:
• AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (1.2.2019a): Pakistan: Staatsaufbau und Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/pakistan-node/pakistan—innenpolitik/205010, Zugriff 25.2.2019
• AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (21.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN (Stand: August 2018), https://www.ecoi.net/en/file/local/1442726/4598_1536328003_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-pakistan-stand-august-2018-21-08-2018.pdf, Zugriff 21.2.2019
• BMEIA – Bundesministerium Europa, Integration und Äußeres der Republik Österreich (27.3.2019): Reiseinformation Pakistan, https://www.bmeia.gv.at/reise-aufenthalt/reiseinformation/land/pakistan/, Zugriff 3.4.2019
• Dawn (8.4.2019): India-Pakistan conflict: Experts warn of harmful implications, https://www.dawn.com/news/1474645/india-pakistan-conflict-experts-warn-of-harmful-implications, Zugriff 8.4.2019
• Dawn (26.7.2018): 'Naya Pakistan' imminent: PTI leads in slow count of 11th general elections vote, https://www.dawn.com/news/1421984/voting-underway-across-pakistan-amid-tight-security-with-only-hours-left-till-polling-ends, Zugriff 3.4.2019
• Dawn (29.5.2018): Fata’s historic transition, https://www.dawn.com/news/1410706/fatas-historic-transition, Zugriff 19.3.2019
• DW – Deutsche Welle (28.2.2019): Opinion: India, Pakistan, and the remote but real threat of nuclear war, https://www.dw.com/en/opinion-india-pakistan-and-the-remote-but-real-threat-of-nuclear-war/a-47721752, Zugriff 8.4.2019
• EASO – European Asylum Support Office (10.2018): EASO Informationsbericht über das Herkunftsland Pakistan – Sicherheitslage, https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/Plib/EASO_Pakistan_SecuritySituation_October2018_DE.pdf, Zugriff 12.3.2019
• EUEOM - European Union Election Observation Mission Islamic Republic of Pakistan (27.7.2018): Preliminary Statement - Positive changes to the legal framework were overshadowed by restrictions on freedom of expression and unequal campaign opportunities, https://eeas.europa.eu/sites/eeas/files/eu_eom_pakistan_2018_-_preliminary_statement_on_25_july_elections.pdf, Zugriff 1.4.2019
• PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (7.1.2018): Pakistan Security Report 2017, https://pakpips.com/app/reports/wp-content/uploads/2018/03/sr2017.pdf, Zugriff 8.4.2019
• PIPS – Pak Institute for Peace Studies (9.4.2019): Pakistan Monthly Security Report: March 2019, https://pakpips.com/app/reports/477, Zugriff 9.4.2019
• PIPS – Pak Institute for Peace Studies (6.2.2019): Pakistan Monthly Security Report: January 2019, https://pakpips.com/app/reports/433, Zugriff 2.4.2019
• PIPS – Pak Institute for Peace Studies (7.1.2019): Pakistan Security Report 2018, https://pakpips.com/app/reports/396, Zugriff 8.1.2019
• PIPS – Pak Institute for Peace Studies (7.3.2019): Pakistan Monthly Security Report: February 2019, https://pakpips.com/app/reports/453, Zugriff 2.4.2019
• Presse, die (2.3.2019): Kaschmir: Sieben Tote bei Schüssen an Grenze von Indien und Pakistan, https://diepresse.com/home/ausland/aussenpolitik/5588780/Kaschmir_Sieben-Tote-bei-Schuessen-an-Grenze-von-Indien-und-Pakistan, Zugriff 4.3.2019
• Reuters (3.3.2019): India-Pakistan border quiet but Kashmir tense amid militancy crackdown, https://www.reuters.com/article/us-india-kashmir-pakistan-idUSKCN1QK093, Zugriff 6.3.2019
• Spiegel (2.3.2019): "Die roten Linien wurden verschoben", http://www.spiegel.de/politik/ausland/kaschmir-konflikt-zwischen-indien-und-pakistan-die-roten-linien-verschoben-a-1255811.html, Zugriff 2.4.2019
• Standard, der (2.4.2019): Pakistan meldet mehrere Tote nach Beschuss aus Indien, https://derstandard.at/2000100638494/Pakistan-meldet-mehrere-Tote-nach-Beschuss-aus-Indien-in-Kaschmir, Zugriff 3.4.2019
• Time (28.2.2019): From Suicide Bombing to Captured Pilot: A Timeline of the Latest Crisis in Kashmir, http://time.com/5541090/india-pakistan-2019-tensions-timeline/, Zugriff 2.4.2019
• UKFCO – UK Foreign and Commonwealth Office (7.3.2019): Foreign travel advice – Pakistan, https://www.gov.uk/foreign-travel-advice/pakistan, Zugriff 3.4.2019
• USDOS – US Department of State (19.9.2018): Country Report on Terrorism 2017 - Chapter 1 – Pakistan, https://www.ecoi.net/de/dokument/1444941.html, Zugriff 2.4.2019
Wichtige Terrorgruppen
Die Tehrik-e-Taliban Pakistan (TTP) ist die größte der in Pakistan aktiven militanten regierungsfeindlichen Gruppen. Die TTP ist eine Dachorganisation 13 verschiedener – also ungefähr der Hälfte aller pakistanischen - Talibanfraktionen. Die Hochburgen der TTP in den ehem. FATA wurden durch militärische Operationen beseitigt, jedoch hält die TTP nach wie vor Rückzugsgebiete in Ostafghanistan. Analysten meinen, dass die TTP sich Mitte 2018 unter neuer Führung in Süd-Wasiristan vereinen konnte und wieder schlagkräftiger würde (EASO 10.2018 S 24f). PIPS hingegen gibt an, dass TTP verzweifelt darum kämpfe, ihr Netzwerk zu erhalten, innere Streitereien zu überwinden und die Finanzierung sicherzustellen (PIPS 7.1.2019 S 74).
Gemäß PIPS war die TTP im Jahr 2018 für 79 Terroranschläge mit 185 Toten verantwortlich. 57 dieser Anschläge wurden in Khyber Pakhtunkhwa, wo die Gruppe für den größten Teil aller Anschläge verantwortlich war, und 18 in Belutschistan durchgeführt (PIPS 7.1.2019 S 74f). Im Vorfeld der Parlamentswahlen 2018 hat die TTP die Verantwortung für mehrere Anschläge übernommen (EASO 10.2018 S 26).
Kleinere militante Organisationen, die in Khyber Pakhtunkhwa – insbesondere in den ehem. Stammesgebieten – aktiv sind, werden als Lokale Taliban bezeichnet. Diese Gruppen führten 2018 28 terroristische Anschläge mit elf Todesopfern durch. Die meisten dieser Vorfälle sind religiös motiviert und zielen auf Mädchenschulen, NGOs, Sicherheitskräfte oder Stammesälteste ab. Eine Talibangruppe unter Mullah Nazir ist in Nord-Wasiristan aktiv. Sie wurde einst als „gute Taliban“ bezeichnet und nennt sich heute Friedenskommittee. Sie bedroht Mitglieder des Pakhtun Tahaffuz Movement [siehe auch Abschnitt 17.3] (PIPS 7.1.2019 S 74f).
Jamaatul Ahrar (JuA) ist eine Fraktion der TTP, operiert aber mit einer gewissen Eigenständigkeit aus der Provinz Nangarhar in Afghanistan heraus. Ziele der Gruppe sind Mitglieder der Sicherheitskräfte, Regierungsgebäude, Politiker, Minderheiten und Rechtsanwälte. Die Hizbul Ahrar (HuA) spaltete sich 2017 von der JuA ab (EASO 10.2018 S 26f). Gemäß PIPS waren im Jahr 2018 JuA für 15 terroristische Anschläge (2017: 37) mit elf Toten, alle in Khyber Pakhtunkhwa, sowie HuA für sechs Anschläge in vier verschiedenen Provinzen verantwortlich (PIPS 7.1.2019 S 74).
Der Islamische Staat in der Provinz Khorasan (IS / ISKP / Daesh) ist seit 2015 in Pakistan aktiv. Der IS konnte seinen Einfluss durch taktische Bündnisse mit ähnlich ausgerichteten örtlichen Gruppen vergrößern. IS hat lokale Zweigstellen und Rekrutierungsnetzwerke in einigen Großstädten wie Peschawar oder Karatschi (EASO 10.2018 S 29f). Der IS war 2018 für zwei große Anschläge im Zusammenhang mit den Wahlen in Belutschistan verantwortlich und war vermehrt in konfessionelle Gewalt involviert. Im Jahr 2018 wurden bei insgesamt fünf Anschlägen durch den IS 224 Menschen getötet. Der IS ist insbesondere in Belutschistan präsent, wo er 2018 vier große terroristische Anschläge durchführte; ein weiterer Anschlag geschah in Khyber Pakhtunkhwa (PIPS 7.1.2019 S 76f).
Lashkar-e-Jhangvi (LeJ) ist eine Deobandi-Terroristengruppe. Die Gewalt von LeJ richtet sich größtenteils gegen Schiiten; die Organisation vertritt auch radikale Standpunkte gegenüber Christen, Ahmadis und sufistischen Muslimen (EASO 10.2018 S 32). Im Jahr 2018 war LeJ für sieben terroristische Angriffe, darunter sechs in Belutschistan und einem in Khyber Pakhtunkhwa, mit insgesamt neun Toten, verantwortlich (PIPS 7.1.2019 S 78). Im Jahr 2017 war die LeJ mit ihren Splittergruppen, darunter die Lashkar-e-Jhangvi Al-Alami, insgesamt für 18 Anschläge mit 132 Toten verantwortlich. 90 % davon betrafen die erste Jahreshälfte. Die verminderte Aktivität im zweiten Halbjahr ist durch die Zerschlagung ihrer Hauptnetzwerke zu erklären (PIPS 7.1.2018 S 87).
Die Schlagkraft der belutschischen nationalistischen Gruppen ist trotz einer verminderten Zahl an durchgeführten Anschlägen intakt. Die Balochistan Liberation Army (BLA) und die Baloch Liberation Front (BLF) führten 2018 addiert 45 terroristische Anschläge in Belutschistan und zwei in Karatschi durch [siehe auch Abschnitt 17.1]. 2018 wurden erstmals zwei Selbstmordangriffe durchgeführt. Diese Taktik wird normalerweise von religiösen Gruppierungen verwendet, hingegen sind die belutschischen Gruppierungen nationalistisch und politisch links einzuordnen (PIPS 7.1.2019).
Quellen:
• EASO – European Asylum Support Office (10.2018): EASO Informationsbericht über das Herkunftsland Pakistan – Sicherheitslage, https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/Plib/EASO_Pakistan_SecuritySituation_October2018_DE.pdf, Zugriff 12.3.2019
• PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (7.1.2018): Pakistan Security Report 2017, https://pakpips.com/app/reports/wp-content/uploads/2018/03/sr2017.pdf, Zugriff 8.4.2019
• PIPS – Pak Institute for Peace Studies (7.1.2019): Pakistan Security Report 2018, https://pakpips.com/app/reports/396, Zugriff 8.1.2019
Punjab und Islamabad
Die Bevölkerung der Provinz Punjab beträgt laut Zensus 2017 110 Millionen. In der Provinzhauptstadt Lahore leben 11,1 Millionen Einwohner (PBS 2017d). Islamabad, die Hauptstadt Pakistans, ist verwaltungstechnisch nicht Teil der Provinz Punjab, sondern ein Territorium unter Bundesverwaltung (ICTA o.D.). Die Bevölkerung des Hauptstadtterritoriums beträgt laut Zensus 2017 ca. zwei Millionen Menschen (PBS 2017d).
Die Sicherheitslage in Islamabad ist besser als in anderen Regionen (EASO 10.2018 S 93). Die Sicherheitslage im Punjab gilt als gut (SAV 29.6.2018). Mehrere militante Gruppierungen, die in der Lage sind, Anschläge auszuüben, sind im Punjab aktiv (EASO 10.2018 S 63-64; vgl. SAV 29.6.2018). In großen Städten wie Lahore und Islamabad-Rawalpindi gibt es gelegentlich Anschläge mit einer hohen Zahl von Opfern, durchgeführt von Gruppen wie den Tehreek-i-Taliban Pakistan (TTP), Al Qaeda oder deren Verbündeten (ACLED 7.2.2017); beispielsweise wurden bei einem Bombenanschlag durch die TTP-Splittergruppe Hizbul-Ahrar auf Polizeieinheiten vor einem Sufi-Schrein in Lahore am 8.5.2019 zehn Personen getötet. (Guardian 8.5.2019; vgl. Reuters 8.5.2019). Der Südpunjab gilt als die Region, in der die militanten Netzwerke und Extremisten am stärksten präsent sind (EASO 10.2018 S 63-64).
Für das erste Quartal 2019 (1.1. bis 31.3.) registrierte PIPS für das Hauptstadtterritorium Islamabad keinen und für den Punjab zwei terroristische Angriffe mit zwei Toten (Aggregat aus: PIPS 6.2.2019. PIPS 7.3.2019, PIPS 10.4.2019). Im Jahr 2018 wurde von PIPS im Hauptstadtterritorium kein terroristischer Angriff gemeldet. Im Punjab gab es vier terroristische Anschläge mit 20 Todesopfern. Zwei davon waren Selbstmordsprengangriffe durch die pakistanischen Taliban (PIPS 7.1.2019 S 49). Im Jahr 2017 kamen im Punjab bei 14 Anschlägen 61 Personen ums Leben, davon fanden sechs Vorfälle mit 54 Toten in Lahore statt. Das Hauptstadtterritorium verzeichnete drei Anschläge mit zwei Todesopfern (PIPS 7.1.2018).
Quellen:
• ACLED - Armed Conflict Location & Event Data Project (7.2.2017): Regional Violence in Pakistan, https://www.crisis.acleddata.com/regional-violence-in-pakistan/. Zugriff 5.4.2019
• EASO – European Asylum Support Office (10.2018): EASO Informationsbericht über das Herkunftsland Pakistan – Sicherheitslage, https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/Plib/EASO_Pakistan_SecuritySituation_October2018_DE.pdf, Zugriff 12.3.2019
• Guardian, the (8.5.2019): Pakistan: 10 dead after blast near Sufi shrine in Lahore, https://www.theguardian.com/world/2019/may/08/pakistan-dead-blast-near-major-sufi-shrine-lahore, Zugriff 15.5.2019
• ICTA - Islamabad Capital Territory Administration (o.D.): About ICTA, https://ictadministration.gov.pk/about-icta/, Zugriff 5.4.2019
• PBS – Pakistan Bureau of Statistics (2017d): PROVINCE WISE PROVISIONAL RESULTS OF CENSUS – 2017, http://www.pbs.gov.pk/sites/default/files/PAKISTAN%20TEHSIL%20WISE%20FOR%20WEB%20CENSUS_2017.pdf, Zugriff 26.3.2019
• PIPS - Pakistan Institute for Peace Studies (7.1.2018): Pakistan Security Report 2017, https://pakpips.com/app/reports/wp-content/uploads/2018/03/sr2017.pdf, Zugriff 8.4.2019
• PIPS – Pak Institute for Peace Studies (10.4.2019): Pakistan Monthly Security Report: March 2019, https://pakpips.com/app/reports/477, Zugriff 10.4.2019
• PIPS – Pak Institute for Peace Studies (6.2.2019): Pakistan Monthly Security Report: January 2019, https://pakpips.com/app/reports/433, Zugriff 2.4.2019
• PIPS – Pak Institute for Peace Studies (7.1.2019): Pakistan Security Report 2018, https://pakpips.com/app/reports/396, Zugriff 8.1.2019
• PIPS – Pak Institute for Peace Studies (7.3.2019): Pakistan Monthly Security Report: February 2019, https://pakpips.com/app/reports/453, Zugriff 2.4.2019
• Reuters (8.5.2019): Militant bomb near Sufi shrine kills 10 in Pakistan's Lahore, https://www.reuters.com/article/us-pakistan-blast/militant-bomb-near-sufi-shrine-kills-10-in-pakistans-lahore-idUSKCN1SE0C2, Zugriff 15.5.2019
• SAV – South Asian Voices (29.6.2018): What the Case of Punjab Says about Pakistan’s Counterterrorism Policy, https://southasianvoices.org/pakistan-counterterrorism-punjab/, Zugriff 23.4.2019
Rechtsschutz / Justizwesen
Das Gesetz garantiert die Unabhängigkeit der Justiz (USDOS 13.3.2019). Die pakistanische Verfassung und die Rechtsordnung basieren weitgehend auf dem britischen Rechtssystem. Wenngleich gemäß Verfassung alle Gesetze grundsätzlich im Einklang mit der Scharia stehen müssen, ist deren Einfluss auf die Gesetzgebung eher beschränkt, abgesehen von bestimmten Bereichen wie beispielsweise den Blasphemiegesetzen (ÖB 10.2018).
Der Aufbau des Justizsystems ist in der Verfassung geregelt. Der Supreme Court ist das pakistanische Höchstgericht und kann sich in Fällen von öffentlichem Interesse auch der Rechtsdurchsetzung bei Grundrechtsverletzungen, die gem. Verfassung in die Zuständigkeit der High Courts fällt, annehmen. Die fünf High Courts (je einer pro Provinz und im Islamabad Capital Territory) fungieren u.a. als Berufungsinstanz gegen Beschlüsse und Urteile von Special Courts sowie als Aufsichts- und Kontrollorgane für alle ihnen unterstehenden Gerichte. Ferner bestehen Provinz- und Distriktgerichte, Zivil- und Strafgerichte sowie spezialisierte Gerichte für Steuern, Banken und Zoll (ÖB 10.2018).
Des Weiteren existiert gemäß Verfassung ein Federal Shariat Court, der zur Prüfung von Rechtsvorschriften auf ihre Vereinbarkeit mit den Vorgaben des Islam angerufen werden und diesbezüglich auch von sich aus tätig werden kann. Er fungiert zusätzlich zum Teil als Rechtsmittelinstanz in Delikten nach den Hudood Ordinances von 1979, die eine v.a. Frauen stark benachteiligende Islamisierung des Strafrechts brachten und durch den Protection of Women (Criminal Law Amendment) Act 2006 in – Kritikern zufolge bei Weitem nicht ausreichenden – Teilen entschärft wurden (ÖB 10.2018).
Die Richter des Supreme Court, der High Courts sowie des Federal Shariat Court werden vom Staatspräsidenten auf Vorschlag der Judicial Commission of Pakistan und nach Bestätigung durch einen Parlamentsausschuss ernannt. Der Supreme Court und die High Courts gelten als chronisch überlastet (ÖB 10.2018).
Die Justiz steht weiterhin unter dem Einfluss der mächtigen pakistanischen Armee. Erhebliche Unzulänglichkeiten im Justizapparat und Schwächen bei der Durchsetzung des geltenden Rechts bestehen fort. Die Gerichte und das pakistanische Rechtssystem sind hochgradig ineffizient (AA 21.8.2018). Gerichte sind überlastet, die Judikative ist nicht in der Lage, Menschenrechte besser zu schützen (AA 1.2.2019). Laut NGOs und Rechtsexperten ist die Justiz in der Praxis oft von externen Einflüssen, wie der Angst vor Repressionen durch extremistische Elemente bei Fällen von Terrorismus, Blasphemie oder öffentlichkeitswirksamen politischen Fällen beeinträchtigt (USDOS 13.3.2019). Die im Rahmen des nationalen Anti-Terror-Aktionsplans vom 24.12.2014 vorgesehene grundlegende Reform des Systems der Strafjustiz kommt bislang nicht voran (AA 21.8.2018).
Viele Gerichte unterer Instanzen bleiben korrupt, ineffizient und anfällig für den Druck von wohlhabenden Personen und einflussreichen religiösen und politischen Akteuren. Es gibt Beispiele, wo Zeugen, Staatsanwälte oder ermittelnde Polizisten in High Profile Fällen von unbekannten Personen bedroht oder getötet wurden. Die oberen Gerichte und der Supreme Court werden allerdings von den Medien und der Öffentlichkeit als glaubwürdig eingestuft (USDOS 13.3.2019).
Verzögerungen in zivilen und Kriminalfällen sind auf ein veraltetes Prozessrecht, unbesetzte Richterstellen, ein schlechtes Fallmanagement und eine schwache rechtliche Ausbildung zurückzuführen. Der Rückstand sowohl in den unteren als auch in den höheren Gerichten beeinträchtigt, zusammen mit anderen Problemen, den Zugang zu Rechtsmitteln oder eine faire und effektive Anhörung (USDOS 13.3.2019).
Zivile Streitigkeiten, insbesondere wegen Eigentum und Geld, sind ein häufiger Grund für Mordfälle in Pakistan. Die oftmals Jahrzehnte dauernden Verzögerungen bei Urteilen durch Zivilgerichte können zu außergerichtlicher Gewaltanwendung zwischen den Streitparteien führen (JPP 4.10.2018). De facto spielt in weiten Landesteilen das staatliche Recht für normale Pakistaner kaum eine Rolle (AA 21.8.2018). Vor allem in ländlichen Gebieten Pakistans bestehen informelle Rechtsprechungssysteme und Rechtsordnungen, die auf traditionellem Stammesrecht beruhen und die oft Menschenrechtsverletzungen zur Folge haben (USDOS 13.3.2019; vgl. ÖB 10.2018). Für mehr Details siehe Abschnitt 4.2.
Die örtliche Zuständigkeit von Supreme Court und High Courts erstreckte sich gemäß Verfassung grundsätzlich nicht auf die Stammesgebiete (Provincially Administered Tribal Areas - PATA, und Federally Administered Tribal Areas - FATA; vgl. Art. 246 der Verfassung). Mit Ende Mai 2018 wurden die Stammesgebiete durch die 31. Verfassungsänderung v.a. in die Provinz Khyber Pakhtunkhwa eingegliedert, wodurch das gesamte pakistanische Rechts- und Justizsystem nach einer zweijährigen Übergangsfrist auf FATA und PATA ausgeweitet werden soll (ÖB 10.2018; vgl. Dawn 31.5.2018). Außerdem gibt es auch in Azad Jammu und Kaschmir (AJK) sowie in Gilgit-Baltistan eigene Justizsysteme (ÖB 10.2018). Siehe dazu die Abschnitte 4.3 und 4.4
Die Regierung erließ im Jänner 2015 als Reaktion auf den Terrorangriff auf die Militärschule in Peschawar eine Verfassungsänderung, welche den Militärgerichten erlaubt, gegen unter Terrorverdacht stehende Zivilisten zu prozessieren (USDOS 13.3.2019; vgl. News 19.1.2019). Für mehr Informationen zu den Militärgerichten siehe Abschnitt 4.1
Im Zivil-, Kriminal- und Familienrecht gibt es öffentliche Verhandlungen, es gilt die Unschuldsvermutung, und es gibt die Möglichkeit einer Berufung. Angeklagte haben das Recht auf Anhörung und auf Konsultation eines Anwalts. Die Kosten für die rechtliche Vertretung vor den unteren Gerichten muss der Angeklagte übernehmen, in Berufungsgerichten kann auf öffentliche Kosten ein Anwalt zur Verfügung gestellt werden. Angeklagte können Zeugen befragen, eigene Zeugen und Beweise einbringen und haben rechtlichen Zugang zu den Beweisen, die gegen sie vorgebracht werden (USDOS 13.3.2019).
Gerichte versagen oft dabei, die Rechte religiöser Minderheiten zu schützen. Gesetze gegen Blasphemie werden diskriminierend gegen Schiiten, Christen, Ahmadis und andere religiöse Minderheiten eingesetzt. Untere Gerichte verlangen oft keine ausreichenden Beweise in Blasphemie-Fällen und einige Angeklagte oder Verurteilte verbringen Jahre im Gefängnis, bevor ein höheres Gericht ihre Freilassung anordnet oder ihren Schuldspruch aufhebt (USDOS 13.3.2019). Für mehr Informationen zu Blasphemiegesetzen siehe Abschnitt 16.5
Auf dem Index des „World Justice Project“ zur Rechtsstaatlichkeit 2019 rangiert Pakistan auf Platz 117 von 126; gemäß Bereinigung um die 13 im Vergleich zum Vorjahr hinzugefügten Staaten würde das eine Verschlechterung um einen Rang darstellen (WJP 2019).
Quellen:
• AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (1.2.2019): Pakistan: Staatsaufbau und Innenpolitik, https://www.auswaertiges-amt.de/de/aussenpolitik/laender/pakistan-node/pakistan--innenpolitik/205010, Zugriff 25.2.2019
• AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (21.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN (Stand: August 2018), https://www.ecoi.net/en/file/local/1442726/4598_1536328003_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-pakistan-stand-august-2018-21-08-2018.pdf, Zugriff 21.2.2019
• Dawn (31.5.2018): Mainstreaming Fata with interim governance law, https://www.dawn.com/news/1411061, Zugriff 26.2.2019
• JPP – Justice Project Pakistan (4.10.2018): Counting the Condemned – Data Analysis of Pakistan’s Use of the Death Penalty, https://www.jpp.org.pk/wp-content/uploads/2018/10/2018_10_04_Counting-the-Condemned-Final.pdf, Zugriff 26.2.2019
• News, the (19.1.2019): Decision on military courts’ extension rests with parliament: DG ISPR, https://www.thenews.com.pk/latest/420639-decision-on-military-courts-extension-rests-with-parliament-dg-ispr, Zugriff 26.2.2019
• ÖB – Österreichische Botschaft Islamabad (10.2018): Asylländerbericht Pakistan [Arbeitsversion]
• USDOS – US Department of State (13.3.2019): Country Reports on Human Rights Practices for 2018 – Pakistan https://www.state.gov/documents/organization/289500.pdf, Zugriff 14.3.2019
• WJP - World Justice Project (2019): Rule of Law Index 2019, https://worldjusticeproject.org/sites/default/files/documents/WJP-ROLI-2019-Single%20Page%20View-Reduced_0.pdf, Zugriff 8.4.2019
Sicherheitsbehörden
Die Sicherheitsbehörden Pakistans bestehen aus der Polizei, die dem Innenministerium untersteht (AA 21.8.2018), dem Heer, das dem Verteidigungsministerium untersteht (MoD o.D.), militärische Hilfstruppen, die dem Innenministerium unterstehen (EASO 10.2018) sowie den Geheimdiensten (AA 21.8.2018).
Die polizeilichen Zuständigkeiten sind zwischen nationalen und regionalen Behörden aufgeteilt (AA 21.8.2018). Die Bundespolizei (Federal Investigation Agency, FIA) ist dem Innenministerium unterstellt. Sie ist zuständig für die Bereiche Einwanderung, organisierte Kriminalität, Interpol und verfügt über eine Abteilung zur Terrorismusbekämpfung (Counter Terrorism Wing - CTWI) (AA 21.8.2018).
Im Wesentlichen ist die Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung Aufgabe der Provinzen, die über eigene Polizeieinheiten verfügen (Noureen/Sarfraz 2016; vgl. AA 21.8.2018). Gegenüber den Provinzbehörden ist die FIA nicht weisungsbefugt (AA 21.8.2018). Die lokalen Einheiten der Provinzpolizei unterstehen dem District Nazim [~Bezirkshauptmann] (Noureen/Sarfraz 2016)
Pakistan verfügt über einen Auslands-/Inlandsnachrichtendienst (Directorate for Inter-Service Intelligence, ISI), einen Inlandsnachrichtendienst (Intelligence Bureau, IB) sowie einen militärischen Nachrichtendienst (Military Intelligence, MI). Das IB untersteht dem Innenministerium und ist für Diplomatenschutz, Abwehr terroristischer Bedrohungen im Inland sowie Ermittlungen bei Kapitalverbrechen zuständig. Der ISI wird vom Militär dominiert. Seine Aufgabe, die nationalen Interessen Pakistans zu schützen, ermöglicht ihm ein Tätigwerden in den unterschiedlichsten Bereichen. De jure untersteht der ISI dem Verteidigungsministerium, de facto jedoch dem jeweiligen Armeechef (Chief of Army Staff). Eine effektive zivile Kontrolle über die militärischen Geheimdienste gibt es nicht (AA 21.8.2018). Der pakistanische Geheimdienst ist auch intensiv in der Innenpolitik Pakistans involviert und der Generaldirektor des ISI gilt neben dem Armeechef als mächtigste Person im Land (Globalsecurity.org o.D.).
Frontier Corps (FC) und Rangers sind militärische Hilfstruppen, die dem Innenministerium unterstehen. FC sind in Khyber Pakhtunkwa und Belutschistan und die Rangers in Punjab und Sindh stationiert. Sie unterstützen die örtlichen Strafverfolgungsbehörden u.a. bei der Aufrechterhaltung von Recht und Ordnung und der Grenzsicherung. Der Ausschuss der Vereinten Nationen gegen die Folter (UNCAT) ist der Ansicht, dass die FC an außergerichtlichen Tötungen und dem Verschwinden von Menschen beteiligt ist. Im April 2018 hat die Regierung in Sindh beschlossen, „die besonderen Befugnisse zur Polizeiarbeit“ für die Rangers in Sindh auszuweiten und ihren Einsatz und ihr Mandat zur Durchführung von „Operationen gegen militante Flügel, Erpresser, Auftragsmörder und aufständische Kämpfer“ in Karatschi zu verlängern (EASO 10.2018).
In Khyber Pakhtunkwa und den [ehem.] FATA setzen die pakistanische Armee und die Polizei mitunter illegale Milizen, sogenannte „Lashkars“, zur informellen Strafverfolgung ein. Berichten zufolge wenden sie willkürlich Gewalt an, zerstören Häuser, die mutmaßlichen Taliban und ihren Familien gehören, nehmen willkürliche Verhaftungen vor und führen rechtswidrige Tötungen durch. Die Regierung der Provinz Khyber Pakhtunkhwa hat beschlossen, ihre Finanzierung einzustellen. Dem NAP zufolge werden die Lashkars aufgelöst (EASO 10.2018). Nach der Integration der FATA in die Provinz Khyber Pakhtunkhwa im Mai 2018 wurde die Provinzpolizei auch in den ehem. FATA tätig, jedoch muss erst neues Personal aufgenommen und ausgebildet werden, um die ehem. FATA komplett abzudecken (USDOS 13.3.2019).
Die Effizienz der Arbeit der Polizeikräfte variiert von Bezirk zu Bezirk und reicht von gut bis ineffizient (USDOS 13.3.2019). In der Öffentlichkeit genießt die vor allem in den unteren Rängen schlecht ausgebildete, gering bezahlte und oft unzureichend ausgestattete Polizei kein hohes Ansehen. So sind u.a. die Fähigkeiten und der Wille der Polizei im Bereich der Ermittlung und Beweiserhebung gering. Staatsanwaltschaft und Polizei gelingt es häufig nicht, belastende Beweise in gerichtsverwertbarer Form vorzulegen. Zum geringen Ansehen der Polizei tragen die extrem hohe Korruptionsanfälligkeit ebenso bei wie häufige unrechtmäßige Übergriffe und Verhaftungen sowie Misshandlungen von in Polizeigewahrsam genommenen Personen. Illegaler Polizeigewahrsam und Misshandlungen gehen oft Hand in Hand, um den Druck auf die festgehaltene Person bzw. deren Angehörige zu erhöhen, durch Zahlung von Bestechungsgeldern eine zügige Freilassung zu erreichen, oder um ein Geständnis zu erpressen. Die Polizeikräfte sind oft in lokale Machtstrukturen eingebunden und dann nicht in der Lage, unparteiische Untersuchungen durchzuführen. So werden Strafanzeigen häufig gar nicht erst aufgenommen und Ermittlungen verschleppt (AA 21.8.2018).
Die Polizeikräfte versagen oftmals dabei, Angehörigen religiöser Minderheiten – wie beispielsweise Ahmadis, Christen, Schiiten und Hindus – Schutz vor Übergriffen zu bieten. Es gibt jedoch Verbesserungen bei der Professionalität der Polizei. Einzelne lokale Behörden demonstrierten die Fähigkeit und den Willen, unter großer eigener Gefährdung Minderheiten vor Diskriminierung und Mob-Gewalt zu schützen (USDOS 13.3.2019).
Es gibt weiterhin Berichte, dass Sicherheitskräfte in Menschenrechtsverletzungen involviert sind, darunter Folter und andere Misshandlungen, willkürliche Verhaftungen, außergerichtliche Exekutionen und Verschwindenlassen. Diese bleiben aufgrund des Fehlens unabhängiger und unparteiischer Mechanismen, um gegen die Täter zu ermitteln und sie vor Gericht zu stellen, straflos (AI 21.2.2018). Berichten zufolge werden von einigen Einheiten der Sicherheitskräfte Gefangene in Isolationshaft festgehalten und die Aufenthaltsorte dieser Gefangenen nicht offen gelegt. Menschenrechtsorganisationen berichteten darüber, dass viele paschtunische Aktivisten sowie Nationalisten der Provinzen Sindh und Belutschistan verschwanden oder grundlos verhaftet wurden (USDOS 13.3.2019).
Mangelnde Bestrafung von Übergriffen, begangen von Angehörigen der Sicherheitskräfte, trägt zu einem Klima der Straflosigkeit bei. Interne Ermittlungen und Strafen können bei Übergriffen bzw. Misshandlungen vom Generalinspektor, den Bezirkspolizeioffizieren, den District Nazims, Provinzinnenministern oder Provinzministerpräsidenten, dem Innenminister, dem Premierminister und den Gerichten angeordnet werden. Die Exekutive und Polizeibeamte sind ebenfalls dazu befugt, in solchen Fällen eine kriminalstrafrechtliche Verfolgung zu empfehlen, die gerichtlich angeordnet werden muss. Das Gerichtssystem bleibt das einzige Mittel, um Missbrauch durch Sicherheitskräfte zu untersuchen (USDOS 13.3.2019).
Im November 2018 wurde mit Unterstützung der USA ein modernes Trainingszentrum der Polizei eröffnet, um die Ausbildung von Führungskräften zu verbessern (USEC 27.11.2018). Im Jahr 2018 wurden insgesamt sieben Trainingslehrgänge im Bereich Menschenrechte und Flüchtlingsrechte für ca. 200 Polizeibeamte in verschiedenen Städten von der NGO SHARP-Pakistan (Society for Human Rights and Prisoners' Aid) durchgeführt (SHARP 29.12.2018).
Quellen:
• AA – Auswärtiges Amt der Bundesrepublik Deutschland (21.8.2018): Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Islamischen Republik PAKISTAN (Stand: August 2018), https://www.ecoi.net/en/file/local/1442726/4598_1536328003_deutschland-auswaertiges-amt-bericht-ueber-die-asyl-und-abschiebungsrelevante-lage-in-der-islamischen-republik-pakistan-stand-august-2018-21-08-2018.pdf, Zugriff 21.2.2019
• AI - Amnesty International (21.2.2018): Amnesty International Report 2017/18 - The State of the World's Human Rights – Pakistan, https://www.amnesty.org/en/countries/asia-and-the-pacific/pakistan/report-pakistan/, Zugriff 4.4.2018
• EASO – European Asylum Support Office (10.2018): EASO Informationsbericht über das Herkunftsland Pakistan – Sicherheitslage, https://coi.easo.europa.eu/administration/easo/Plib/EASO_Pakistan_SecuritySituation_October2018_DE.pdf, Zugriff 12.3.2019
• Globalsecurity.org (o.D.): Directorate for Inter-Services Intelligence [ISI] http://www.globalsecurity.org/intell/world/pakistan/isi.htm, Zugriff 12.3.2019
• MoD – Government of Pakistan – Ministry of Defense (o.D.): Ministry Overview, http://www.mod.gov.pk/, Zugriff 14.5.2019
• Noureen, Asima; Sarfraz, Zaigham (2016): Structural Organization of Police: Official Record of the Government of Pakistan Based on Cabinet Division and Secretariat, in: JPUHS - Journal of Punjab University Historical Society, Vol.29, No.2, July-December, 2016, http://pu.edu.pk/images/journal/HistoryPStudies/PDF-FILES/4-v29_2_16.pdf, Zugriff 9.4.2019.
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